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136 Jahre zurück in die Geschichte mit der Queen Mary 2

Die Reise von Otto Dahl nach Amerika begann 1880 auf einem kleinen Dampfschiff. Wenn die Queen Mary 2 am 10. Mai 2016 in Southampton ablegt, begibt sich Sibylle Randoll auf die Spuren von Otto Dahl, ihrem Ur-Ur-Großvater. Der ist vor 136 Jahren von Wuppertal-Barmen nach Bozeman, Montana, gereistund hat seine Erlebnisse in einem Tagebuch festgehalten. Cruisetricks.de hat mit Sibylle vor ihrer historischen Reise gesprochen …

Ziemlich viel Mut gehörte 1880 dazu, wenn man von Deutschland aus mit einem Segelschiff über den Atlantik nach Amerika fuhr. Der Lederfabrikant Otto Dahl wollte die technische Lederverarbeitung des Wilden Westens kennen lernen. Erst 16 Monate später kam er wieder zurück in die Heimat.

Sibylle Randoll stieß auf die Geschichte ihres Ur-Ur-Großvaters über dessen tagebuchartigen Reisebericht von damals. Und bald war klar: Sie würde diese fantastische Reise wiederholen, so authentisch wie möglich. Was freilich gar nicht so einfach ist und viel Vorstellungskraft braucht: Selbst Freiheitsstatue und Ellis Island gab es 1880 in New York noch nicht.

Mitverfolgen lässt sich Sibylles Reise auf Ihrem Blog explories.de, bei Facebook, Twitter, Instagram und Youtube – Hashtag #barmen2bozeman. Cruisetricks.de hat schon vor der Reise mit Sibylle gesprochen …

Was hat Dich motiviert, ein so aufwändiges Projekt anzupacken?

Die Idee hatte ich vor über drei Jahren schon, als mir die Geschichte in die Hände fiel und ich fasziniert war, dass man 1880 nach Amerika gereist ist. Da war so die Idee geboren, dass ich es irgendwann einmal nachreise.

Sibylle Randoll
Sibylle Randoll

Ich habe die Idee dann Freunden und Familie erzählt, aber auch wildfremden Menschen und mir Feedback über die Jahre eingeholt und einfach gemerkt: Es ist eine tolle Geschichte, das fasziniert die Leute, das sollte ich unbedingt machen.

Ich komme auch aus der Tourismusbranche, bin schon viel gereist und daher war das so eine natürliche Folge, dass ich so ein spannendes Reiseprojekt auch umsetze. Ich bin froh, dass ich den Mut gefunden habe, das durchzuziehen. Es ist schon ein großes Projekt, zeit- und geldaufwändig. Aber jetzt fahre ich wirklich, jetzt geht’s los.

Du hast Dir sogar ein Kleid in der Mode der damaligen Zeit schneidern lassen – wie tief steigst Du denn ein, um die Reise so authentisch wie möglich zu erleben?

Es wird ein Mischmasch, glaube ich. Das eine sind natürlich die Transportmittel, die ich versuche zu nehmen, wie das Schiff über den Atlantik und die Eisenbahn vor Ort, um diese Art des Reisens nachzuvollziehen. Postkutschen gibt es leider nicht mehr.

Kleid im Stil von 1880 (Foto: Benjamin Behringer)
Kleid im Stil von 1880 (Foto: Benjamin Behringer)

Und natürlich das Kleid, um ein Gefühl dafür zu kriegen. Man zieht sich nicht schnell Jeans und ein Top an, sondern hat diesen Ankleideprozess morgens. Man fühlt sich einfach anders in diesem Kleid mit Korsett, mit Hut, man ist angezogener, man läuft anders. Damit über das Schiff zu flanieren oder am Boulevard in New York, das wird schon das Gefühl geben, wie man sich damals bewegt hat in der Welt.

Ansonsten werde ich in die Geschichte vor Ort eintauchen, schauen, was damals in New York war, was man damals gemacht hat, die Gebäude aus der Zeit finden, um schöne Fotos machen und um zu sagen: So hätte es aussehen können, weil dieses Gebäude schon 1880 stand.

Den Atlantik überquerst Du mit der Queen Mary 2 statt per Flugzeug. Für Dich ist es das erste Mal auf einem Kreuzfahrtschiff, oder?

Ich war schon auf Autofähren, auch schonmal eine Nacht an Bord, aber auf einem Kreuzfahrtschiff und vor allem auch sieben Tage an Bord, das habe ich noch nicht gemacht und da freue ich mich drauf. Ich bin echt gespannt, wie die Leute sind, wie der Tagesablauf ist. Wir wissen unsere Essenszeiten inzwischen, das haben wir bekommen. Aber was macht man da den ganzen Tag? Wie sind die Wege an Bord? Wie weit ist es zum Pool von meiner Kabine aus? Solche Kleinigkeiten, die man vorab nicht planen, nicht wissen kann, da freue ich mich drauf, das herauszufinden.

Du wolltest ursprünglich von Bremerhaven mit einem Frachtschiff nach New York fahren. Daran wäre beinahe ein wichtiger Teil Deiner Reise gescheitert …

Ja, die ursprüngliche Idee war, genau auf derselben Route von Bremerhaven nach New York City zu fahren. Auf der Route fahren aber heutzutage keine Passagierschiffe mehr. Es gibt aber Containerschiffe, auf denen man als Passagier mitfahren kann. Die nehmen bis zu zwölf Passagiere mit, denn ab dem 13ten braucht man einen Arzt an Bord. Deswegen ist das reguliert und ich hatte das auch gebucht, die Schiffsroute gab es für Ende April von Bremerhaven nach New York, auch nur zehn Tage, also auch nicht arg viel länger von der Zeit her.

„... Horrorvorstellung, dass ich jetzt fliegen muss, was einfach sehr, sehr schade gewesen wäre für die Geschichte.”

Leider wurde dieses Schiff Anfang Januar aus dem Betrieb genommen oder von der Route gestrichen und es gab keinen Ersatz, oder nur sehr viel früher oder später. Und das Problem bei Containerschiffen ist immer, dass sie auch relativ kurzfristig abgesagt werden können. Dann hatte ich dann schon ein bisschen die Horrorvorstellung, dass ich jetzt fliegen muss, was einfach sehr, sehr schade gewesen wäre für die Geschichte.

Mit der Queen Mary 2 nach New York
Mit der Queen Mary 2 nach New York

Glücklicherweise habe ich dann noch die Queen Mary 2 gefunden, die eines der wenigen Schiffe ist, die Transatlantik regelmäßig fährt. Ich bin ganz froh, dass ich jetzt doch Schiff fahren kann. Es ist auch historisch in dem Sinn korrekt, dass das Schiff, das mein Ur-Ur-Großvater damals genommen hat, von Bremerhaven über Southampton nach New York City ging. Er ist also auch in Southampton von Bord gegangen, hat sich auch die Stadt angeschaut. Insofern ist die Route mehr oder weniger historisch korrekt.

Was sine Deine Erwartungen an diese ungewöhnliche Reise? Siehst Du das vor allem als touristisches Erlebnis?

Es ist für mich als aus der Tourismusbranche kommend natürlich schon interessant, diese Art des Reisens zu erleben. Es gibt ja diesen Trend zu Reisen abseits des Massentourismus‘ und abseits der ausgetrampelten Pfade. Das ist etwas, das ich heutzutage schwierig finde, weil bestimmt schon einmal jemand vor einem an einem Ort war. Der Nordpol ist erforscht, der Südpol ist erforscht, der Mount Everest, der Mariannengraben. Es gibt fast keine Orte mehr, an denen noch niemand vorher war.

„... weil ich einen Reiseführer habe, den niemand anders hat und auch einen Reiseführer, der auch für niemand anders eine Bedeutung hat.”

Für mich ist diese Reise abseits der Massentouristenpfade, weil ich einen Reiseführer habe, den niemand anders hat und der auch für niemand anders eine Bedeutung hat. Die Orte zu sehen, die mein Ur-Ur-Großvater gesehen hat und zu beschreiben ist ein ganz spannende Erfahrung, denn ich wäre sonst nie auf die Idee gekommen, nach Bozeman zu fahren oder die Devil‘s Slide in Utah anzuschauen. Das sind keine Touristen-Highlights, da fährt man nicht hin als Deutscher. Das zu erleben, was er erlebt hat und quasi diesem Tagebuch, dieser Reise noch ein paar Kapitel anzuhängen, das ist glaube ich da spannendste für mich an der Reise.

Anders als Dein Ur-Ur-Großvater hast Du ganz andere Möglichkeiten, Dich vorzubereiten. Wie groß siehst Du denn die Gefahr, dass Du Dich trotz der Besonderheiten eher wie ein Tourist fühlen wirst?

Naja, ich bin ja schon ein Tourist die ganze Zeit. Oder ein Reisender. Ich finde die Begrifflichkeiten immer ein bisschen schwierig zu definieren. Ich werde natürlich Tourist sein und mit meinem Stativ und meiner Kamera herumrennen und Selfies machen, ganz klar.

„Ich werde natürlich Tourist sein und mit meinem Stativ und meiner Kamera herumrennen und Selfies machen.”

Aber trotzdem habe ich Erlebnisse, die viele Leute dann nicht haben, weil ich dann an Castle Garden in New York City stehen und den Einreiseschein von meinem Ur-Ur-Großvater sehen werde. Den habe ich online schon gefunden, der ist in den Archiven. Das sind Erlebnisse, die sind einmalig und da werde ich mich dann vielleicht weniger als Tourist fühlen und mehr als Familienforscher. Vielleicht ein bisschen ein Zeitreisender, aber sonst, klar, werde ich absolut als Tourist unterwegs sein.

Wie viel Deiner Reise planst Du vorab und wie viel lässt Du auf Dich zukommen?

Ich habe die ganze Route schon geplant, genau wann ich wo sein werde, einfach aus dem Grund, weil ich viel bei Freunden, Verwandten oder Freunden von Freunden unterkommen werde, um denen ein wenig Planungssicherheit zu geben. Ich werde auch die Züge vorab buchen.

„Aber das tägliche Geschehen, was sich dann wirklich vor Ort mache, das sind Sachen, die lasse ich dann eher so passieren.”

Aber das tägliche Geschehen, was sich dann wirklich vor Ort mache, in welches Museum ich gehe, auf welches Fest, das sind Sachen, die lasse ich dann eher so passieren. Ich werde auch flexibel vor Ort sein. Wenn ich dann sage, Mensch, ich brauche hier mehr Zeit, dann werde ich auch mal einen Zug umbuchen. Aber die Reiseroute steht schon. Auch um Feste wie das German Fest Milwaukee einzubauen, dann muss ich natürlich in Milwaukee sein, wenn das stattfindet.

Du dokumentierst das Ganze, Du fotografierst und schreibst einen Live-Blog, hast aber auch sonst schon etwas Medienaufmerksamkeit erzeugt …

Ja, das war ganz spannend. Natürlich werde ich es dokumentieren, weil ich gemerkt habe, das ist interessant, die Leute finden die Geschichte toll, warum nicht teilen? Also werde ich natürlich auf meinem Blog unterwegs sein und auf Facebook und auf Youtube und Instagram und Twitter.

Jetzt vorab, das war ganz spannend. Da kam das Bayerische Fernsehen und hat die Entstehung meines Kleides gefilmt. Das Bayerische Fernsehen ist an meine Schneiderin herangetreten und wollte eine Geschichte über sie machen. Und sie wiederum hat meine Geschichte dem BR erzählt und dann kamen sie zu den Anproben und das war auch echt spannend mal so zwei Tage Filmen mitzubekommen.

Der BR-Beitrag zu Sibylles Kleid auf Youtube:

Ich habe mich natürlich gefreut, dass es gleich schon vor der Reise so eine Aufmerksamkeit hatte. Was da am Ende dabei herauskommt, das ist echt spannend. Ich habe mir kein konkretes Ziel vorgenommen, aber der Anfang zeigt mir, dass es glaube ich ein tolles Projekt wird und eine tolle Reise sowieso.

Otto Dahls abenteuerliche Fahrt auf dem NDL-Dampfer „Donau“

Deckblatt der Passagierliste der "Mosel"
Deckblatt der Passagierliste der „Mosel“

Otto Dahl nahm vor 136 Jahren den 1869 in Dienst gestellte Dampfer „Donau“ des Norddeutschen Lloyd mit einer im Vergleich zu heutigen Schiffen vergleichsweise winzigen Tonnage von 2.896 Bruttoregistertonnen. Zurück von New York nach Bremerhaven ging es auf der auch nicht größeren „Mosel“ – das Bild zeigt das Cover der Passagierliste. Zusammen mit Otto Dahl fuhren 35 weitere Passagiere mit der „Mosel“ von New York zurück nach Deutschland.

Zum Größenvergleich: Die Queen Mary 2 hat eine Bruttoraumzahl von 148.528 und hat damit – auch wenn BRZ und Bruttoregistertonnen nur bedingt vergleichbar sind – eine rund 50mal größere Tonnage als die „Donau“ oder „Mosel“.

Wie abenteuerlich allein schon die Fahrt übe den Atlantik war, zeigt ein kurzes Auszug aus Otto Dahls Tagebuch: „Am nächsten Tage hatten wir hohe See, es stürmte, das Schiff schwankte stark nach den Seiten, es begann zu rollen, man konnte sich kaum mehr auf Deck wagen. Längst waren alle losen Teile auf Deck festgebunden oder verschraubt, schwere Sturzwellen spülten über das Vorderdeck. Mit beiden Händen suchte ich mich an Stangen und Geländer festzuhalten, als ich mich gegen Abend noch auf dem Hinterdeck befand, um auf dringendes Anraten des wachhabenden Offiziers – dieser hatte sich mittelst eines starken Seils festbinden lassen – schleunigst die schützende Kajüte aufzusuchen. Kurz darauf stürzte eine Welle nach der anderen auf Deck unter donnerndem Getöse, während das Schiff in allen Fugen krachte.“

Für Sibylle Randoll wird die Überfahrt auf der Queen Mary 2 deutlich komfortabler. Ein kleines Abenteuer wird die Reise auf den Spuren ihres Ur-Ur-Großvaters aber dennoch. Cruisetricks.de sagt „Danke“ für die spannenden Einblicke in ihre Pläne und Erwartungen und wünscht Sibylle viel Glück und Freude auf dieser Reise. Am 4. Mai macht sie sich auf den Weg nach Barmen – dem Ausgangspunkt der eise ihres Ur-Ur-Großvaters.

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Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

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