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Auslauf-Musik: Romantik pur oder emotionale Manipulation?

Bei kaum einem Kreuzfahrt-Thema gehen die Meinungen so weit auseinander wie bei der Auslaufmusik – also dem Song, der über die Lautsprecher des Kreuzfahrtschiffs schallt, wenn das Schiff einen Hafen verlässt. Die einen schwelgen dabei in Fernweh und Romantik, die anderen sind genervt und würden das Auslaufen ganz in aller Ruhe genießen.

Auf den ersten Blick scheint es, als sei die Auslaufmusik ein rein deutsches Phänomen: Auf der MS Deutschland läuft natürlich die Traumschiff-Melodie der gleichnamigen TV-Serie, TUI Cruises hat sich eigens zur Taufe der Mein Schiff 2 von James Last und Unheilig eine neue Version von „Große Freiheit“ arrangieren lassen und setzt den Song nun auf beiden Schiffen als Auslaufmelodie ein und bei AIDA gehört Enyas „Sail Away“ zum Auslaufen wie das Ablegesignal vom Schiffshorn.

Aber auch internationale Reedereien spielen durchaus Auslaufmelodien: Auf Segelschiffen scheint Vangelis‘ „Conquest of Paradise“ beliebt zu sein – sowohl bei Star Clippers als auch bei Windstar Cruises schallt der Song beim Auslaufen so laut über Deck, dass der halbe Hafen mithören kann. Irgendwie naheliegend als Auslauf-Musik ist auch Andrea Bocellis „Time to Say Goodbye“, das unter anderem bei Princess Cruises und Regent Seven Seas läuft.

Aber warum braucht es eigentlich überhaupt eine Auslaufmelodie? Ist der Moment des Auslaufens eines Kreuzfahrtschiffs nicht schon beeindruckend und emotional genug? Die Befürworter lieben die zusätzliche Romantik, das Gänsehautgefühl, dass durch die Auslaufmusik noch verstärkt wird. Erst mit der Auslaufmelodie kommen sie so richtig in Seereise-Stimmung. Hört man später zuhause diese Melodie wieder, erinnert man sich an die wunderschönen Momente einer Kreuzfahrt, wohlige Sehnsucht macht sich breit.

Gegner der Auslaufmelodie – meist eher traditionell eingestellte Kreuzfahrer – fühlen sich gestört oder gar genervt von dem „Krawall aus den Lautsprechern“. Für sie ist die Musik eine Manipulation ihrer Gefühle, ein Killer für individuelle Emotionen, der die eigene Gefühle mit vorgestanzten Musik-Schablonen-Emotion überlagert. Nicht jeder mag dieses „Wir“-Gefühl, viele bevorzugen die Individualität. Das Auslaufen des Schiffs aus einem Hafen ist ein romantischer, emotionaler, beinahe magischer Moment, den viele Passagiere lieber mit eigener Fantasie und mit eigenen Träumen füllen möchten.

Regelrecht traumatisch kann eine Auslaufmelodie auf Passagiere wirken, für die ein bestimmter Song bereits mit negativen, emotionalen Erinnerungen verbunden ist. Der Song, den man auf dem Heimweg von eine Beerdigung eines engen Verwandten gehört hat will man beim Auslaufen schließlich ebenso wenig hören wie das gemeinsame Lied mit dem Ex-Ehepartner, wenn man gerade auf Hochzeitsreise mit Ehepartner Nr. 2 ist. Und was ist, wenn der Song an die letzte Kreuzfahrt erinnert, auf der man schrecklich seekrank war? Dann fängt die Kreuzfahrt gleich mit einer leichten Depression an.

Musik löst Emotionen aus (fast so intensiv wie Duftstoffe, mit denen auf Kreuzfahrtschiffen ja auch gerne mal experimentiert wird), die man kaum unterdrücken oder steuern kann. Ohren zuhalten ist keine wirklich schöne Alternative. Die Assoziationen, die Menschen – oft unbewusst oder doch zumindest wenig beeinflussbar – mit Musik verbinden, sind etwas sehr Individuelles und Intimes. Dem sollte man sich entziehen können. Zumindest sollte es auf jedem Schiff auch einen (attraktiven) Außenbereich geben, in dem Passagiere das Auslaufen aus den Häfen erleben können, ohne per Lautsprecher musikalisch beschallt und emotional manipuliert werden.

Immerhin ist – zumindest in jüngerer Zeit – noch niemand auf die Idee gekommen, „Muss I‘ denn zum Städtele hinaus“ zu spielen – das wäre dann wirklich eine Nummer zu heftig, oder? Selbst wenn es die Version von Elvis wäre … ;-)

Wie ist Eure Erfahrung mit Auslaufmelodien? Toll oder überflüssig? Gibt’s einen guten Kompromiss? Und wo hat Euch eine Auslaufmelodie schonmal übel genervt, oder im Gegenteil so richtig glücklich gemacht?

(Bildquelle „Noten-Motiv“: photosteve101, Flickr, Lizenz: Attribution 2.0 Generic CC BY 2.0)

11 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

11 Gedanken zu „Auslauf-Musik: Romantik pur oder emotionale Manipulation?“

  1. Das wurde ja bei uns im Kids on Cruise Forum auch schon heiß diskutiert inkl. vieler Videos zum mitträumen übrigens…: – Der schönste Moment ist doch eigentlich, wenn man wieder daheim ist und sich beim hören dieser teilweise wirklich schönen Melodien wieder aufs Schiff zurückversetzt fühlt…

    Lieben Gruß Christine

  2. Für mich ist die schönste „Auslaufmelodie“ das Schiffshorn. Möglichst laut und möglichst tief brummend.
    Auf musikalische Auslauf-Untermalung kann ich gerne verzichten.
    Auch deshalb ist für uns mittlerweile ein Balkon (bei längeren Reisen) eigentlich ein MUSS. Denn dort entgeht man dieser Qual.

  3. Das Auslaufgedudel ist meistens nicht nur viel zu laut, sondern einfach nur nervig.
    Wir ziehen uns da auch lieber auf den privaten Balkon zurück und geniesen das Auslaufen in Ruhe.

  4. Ein „Kompromiss“ (obwohl o. g. Gründe auch durchaus gegen eine Komplett-Beschallung sprechen) wäre die Auslaufmelodie auf das erste Auslaufen am Beginn der Kreuzfahrt zu beschränken. Und die Idee eines ruhiges Ortes finde ich prima… (das wäre dann wohl auch meine Zone :-) Viele Grüsse Marita

  5. Ich bin pro Auslaufmusik beim 1. Ablegen – bei Costa gab es früher immer „Conquest of Paradise“ – Gänsehaut pur ! Nebelhorn dazu ist auch toll ! Absolut gräßlich war es hingegen letztes Jahr beim Auslaufen aus Guadeloupe mit Costa – da plärrte auf einmal „Love Boat“ aus den Lautsprechern – das war absolut lächerlich und grauenhaft, die ganze Stimmung war dahin. Wenn es keine Musik gibt ist zumindest Nebelhorn Pflicht.

  6. Ich finde es schön, wenn das Auslaufen in irgendeiner Form akustisch begleitet wird. Das schlimmste ist, was ich auch schon einige Male erlebt habe, wenn das Schiff ohne Ankündigung, vorzeitig einfach ausläuft. Natürlich löst eine spannungsgeladene Melodie wie das „Conquest of Paradise“ Emotionen aus. Emotionen sind für mich Glücksgefühle. Natürlich müssen diese nicht ständig angestoßen werden. Aber beim Auslaufen, wenn viele Passagiere an der Reeling stehen, kann eine passende Melodie schon ergreifend sein.
    Es passiert was – wie im Film und den wollen wir doch schließlich mit „Ton“.

  7. Also ich finde die Frage kann man nicht so allgemein beantworten. Neuere Lieder oder sogar eigens fürs Auslaufen geschaffene finde ich auch verfehlt. Dagegen gibt es auch manche Schiffe bei denen eine Boardkapelle ruhige Live-Musik spielt und dadurch das Schiffshorn noch gut hörbar bleibt. Das finde ich ist Gänsehautstimmung pur…wobei ich sagen muss, dass Sail Away natürlich auch schon hervorragend geeignet ist…

  8. Ich finde Auslaufmelodien vom Band meist nicht gut. Denn oft dröhnt und scheppert der Lautsprecher. Auch die Lautstärke ist manchmal nicht angemessen. Besonders nervte das auf der guten, alten AIDA BLU, wenn man beim Auslaufen gerade im Bedienrestaurant Bella Donna romantisch beim Abendessen saß und Vangelis‘ „Conquest“ das Gespräch wohl oder übel verstummen ließ…

    Das Beste ist – wie oftmals im Leben – ein Kompromiss. Der Zielkonflikt in Punkto Auslaufmelodie wurde bei den Karibikkreuzfahrten von Princess Cruises wie ich finde hervorragend gelöst. Auf dem Pooldeck spielte eine Steelband live karibische Rhythmen, die einfach mitreißend waren. Hier war Party angesagt. Auf den vorderen und achteren Aussichtsdecks blieb es dagegen ruhig.

  9. Auch wenn dieser Beitrag schon ein paar Tage steht, fand ich ihn wieder sehr überzeugend…wie immer bei Euch.
    Als früherer CD hat mich die regelmäßige Wiederholung der Auslaufmusik ebenso wie die jeden Morgen erklingende Bordradiotitelmelodie eher genervt. Aber die Mehrheit der Gäste wünschte es sich so.
    Aber eigentlich gab es gerade einen anderen Auslöser, den Bericht zu kommentieren… Zu den Stichworten Emotionen, traumatisch, Beerdigung, magischer Moment…
    Ich war bei der Taufe der Mein Schiff 2 geladen, somit auch bei der Premiere von „Grosse Freiheit“… Auch wenn ich weder ein Fan von Unheilig noch von James Last bin, hat der Song mich sehr beeeindruckt. So sehr, dass ich – ich hörte den Song nochmals auf der Autofahrt dorthin – spontan entschied (und meinen Bruder überzeugte) „Grosse Freiheit“, weil inhaltlich wie auch historisch zu ihr passend, als Begleitmusik zur Beerdigung unserer Mutter zu verwenden. Sie wäre begeistert gewesen.

  10. Für mich ein schöner Bestandteil einer Kreuzfahrt.
    Das gehört zum Auslaufen einfach dazu und eine Kreuzfahrt ohne Auslaufmelodie nicht komplett.

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