Segel statt Pod-Antrieb, hölzernes Steuerrad statt Stick, offene Reling statt Glasverkleidung: Schon auf den ersten Blick unterscheidet sich die Star Flyer von anderen Kreuzfahrtschiffen ganz deutlich. Cruisetricks.de ist auf dem Großsegler-Kreuzfahrtschiff Star Flyer eine Woche lang vor der Küste Kubas und der Cayman Islands gekreuzt, hat Kapitän Jürgen Müller-Cyran über die Schulter geschaut und ihn ausführlich interviewt.
Bei dieser Gelegenheit haben wir mit dem Kapitän über die Herausforderungen bei der Navigation mit einem Segelschiff, besonders auch in den schwierigen Gewässern Kubas unterhalten und über die besondere Atmosphäre für Besatzung und Passagiere auf einem großen Segelschiff.
Wir haben ihn aber auch um Tipps für Kreuzfahrer gebeten, die zum ersten Mail eine Reise auf einem Großsegler planen. Und wir haben den Kapitän nach seinen Lieblings-Fahrgebieten gefragt, sowohl dienstlich als auch privat. Denn auch wenn er eigentlich in Urlaub ist, verbringt Jürgen Müller-Cyran viel Zeit auf Segelschiffen.
Wie stark unterscheiden sich Segelschiff und Motor-Kreuzfahrtschiff aus navigatorischer Sicht?
Natürlich ist ein Segelschiff abhängig von den Windbedingungen und wenn man auf einem Segelschiff ist, dann will man ja auch segeln. Also muss ich jede Wind-Möglichkeit nutzen, um ordentlich zu segeln. Es wird nicht nur gesegelt, um die Energie des Windes zu nutzen, sondern auch um hier die Atmosphäre eines Segelschiffs zu kreieren. Darauf kommt es uns eigentlich an, diese Nähe zu Wasser, zur Natur, zur Nutzung des Windes.
Die Atmosphäre auf einem Segelschiff vor 100 oder 200 Jahren zu kreieren ist ganz wichtig, dieses Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, mit den Gästen und der Besatzung quasi gemeinsam das Schiff und das Segeln zu genießen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu einem Motorschiff. Auf einem Motorschiff gibt es sicherlich auch schöne Aspekte mit Blick aufs Meer, aber das Konzept ist ein ganz anderes. Für uns ist es wichtig zu segeln und optimal die Bedingungen zu nutzen, um unsere Ziele unter Segeln zu erreichen.
Die Passagiere sind auf der Star Flyer ja sogar so weit einbezogen, dass sie auch auf die Brücke dürfen …
Ja, eine Besonderheit ist, dass wir die Brücke offen haben und dass das gesamte Deck offen ist, sodass die Passagiere sehr genau sehen, wie wir die Segel setzen und bergen. In den meisten Fällen ist die Brücke offen, Sie können also jederzeit auf die Brücke gehen, können sich mit dem Steuermann unterhalten. Sie können auch Fragen stellen wie: ‚Warum haben wir die Segel so gesetzt? Lässt sich das vielleicht verbessern? Warum ist das so?‘
„Die Passagiere sehen sehr genau, wie wir die Segel setzen und bergen.“
Wir versuchen natürlich auch in Vorträgen zu erklären, wie man ein solches Schiff optimal segelt, wie man überhaupt segelt und mit welchen Segeln man das schafft, was man eigentlich vorhat. Ein wichtigster Bestandteil unseres Konzeptes ist die Information. Wir möchten gerne, dass die Passagiere wissen, wie gesegelt wird, warum wir so segeln und wie wir navigieren, wie wir die Schiffsführung auf der Brücke machen. Das sind zwei Aspekte, die wir sehr intensiv auf einem Segler gemeinsam mit den Passagieren erleben können. Das ist wahrscheinlich auf Motorschiffen nicht so gut, da sind andere Schwerpunkte.
Wie hoch ist der Anteil der Fahrstrecken, die Sie bei komplett abgeschaltetem Motor nur unter Segeln fahren können?
Heute haben wir nach dem Auslaufen, nach dem Verlassen der Bucht die Segel gesetzt. Auch am ersten Tag, an dem wir gesegelt sind, haben die Maschine weitgehend aus gehabt. Das heißt also, wir haben hier ein sehr gutes Verhältnis zwischen Segeln und Maschine. Aber das kann sehr unterschiedlich sein.
Der Vorteil dieses Schiffes ist, dass wir mit unseren Rahsegeln, also mit den Segeln, die in der Mittschiffslinie festgemacht sind, auch die Segel setzen können zur Unterstützung der Maschine, sodass wir, wenn der Wind nicht ausreicht, aber doch so steht, dass er die Segel füllt, auch mit Maschine und Segeln fahren können. Wir verheimlichen das nicht, das ist ganz klar. Wenn wir zu einem bestimmten Zeitpunkt irgendwo sein müssen, dann müssen wir da sein. Das ist ja Teil des Programms.
Aber wir haben den großen Vorteil, dass wir mit den Segeln die Fahrt weitestgehend unterstützen können und das ist der Vorteil eines solchen Barkentinen-Riggs, dass wir nicht nur mit Rahsegeln, sondern auch mit den anderen Segeln sehr schön im Wind aufkreuzen können, auch mit Maschinenunterstützung.
Haben Sie in dieser Hinsicht persönliche Lieblingsfahrgebiete, wo das besonders gut geht?
„Die Karibik ist für Segler besonders gut geeignet.“Die Karibik ist für Segler besonders gut geeignet, weil wir hier den zuverlässigen Passatwind haben. Wir haben besonders an den Windward Islands und auch an den Virgin Islands diesen ständig wehenden Ostwind, auf den kann man sich einigermaßen verlassen. Natürlich gibt es hier auch Hurrikans, aber die sind in einer Jahreszeit, die für uns uninteressant sind. Das ist dann im Sommer, in dem die meisten Schiffe im Mittelmeer oder woanders sind. Aber dieses Seegebiet hat den Vorteil des Ostwindes.
Das Gleiche gilt beispielsweise auch in Südost-Asien, wo im Winter der Nordost-Monsun weht. Der Nordost-Monsun ist ein relativ trockener, nicht so heißer Wind, der von Indien und vom asiatischen Festland herunter weht und an der thailändischen, malaysischen und indonesischen Küste in den Wintermonaten diesen hervorragenden Nordost-Monsun wehen lässt, der nicht so heftig ist, der auch gleichmäßig weht. Es kann auch mal ein bisschen mehr, ein bisschen weniger sein.
Zum Segeln in dieser Form des Segelns, die wir machen, ist also vor allen Dingen die Karibik geeignet und auch Südost-Asien. Ich bin sicher, dass es noch andere Seegebiete gibt, wo man das machen kann, aber nach meiner Erfahrung sind das gerade für den Einsatz dieser Schiffe dieser Größe sehr geeignete Operationsgebiete.
Welche Fahrgebiete empfehlen Sie Segelschiff-Neulingen, die sich um Seegang und Seekrankheit sorgen?
„Die kubanische Küste ist dafür bekannt, dass sie wenig Wind hat.“Zum Beispiel die kubanische Küste, an der wir jetzt entlang segeln, ist eigentlich bekannt dafür, dass sie wenig Wind hat. Das hat für Anfänger den Vorteil, dass er sich in aller Ruhe und Gelassenheit mit dem Wetter, mit der See vertraut machen kann. Für die ersten Erfahrungen auf dem Gebiet gibt es in der Karibik auch noch andere Fahrtgebiete, etwa an den Virgin Islands – die Jungferninseln. Auch da kann man Gebiete haben, wo man wenig Wind hat, wo es keine Dünung gibt, wo also die See relativ glatt ist und man nicht gefordert wird durch ein sich bewegendes Schiff und starken Wind.
Welche besonderen Herausforderungen erleben Sie hier in Kuba?
Die Südküste Kubas hat schon so einige Probleme, einige Herausforderungen. Die erste ist, dass die Seekarten nicht 100-prozentig zuverlässig sind. Es gibt für alle Seegebiete hier an der Küste Seekarten, aber wir haben festgestellt, dass diese Seekarten lange Zeit nicht korrigiert wurden. Das heißt also, es wird hier das Seegebiet nicht neu vermessen, um Veränderungen einzutragen.
Wir haben an Inseln festgestellt, die nach den Broschüren und nach den Informationen, die wir bekommen haben, wunderschön sein sollten und alles haben. Nur dass da vor drei Jahren ein Hurrikan rübergefetzt ist und auch die Wassertiefen und die Insel selbst stark verändert hat. Die schönen Kokospalmen, die am Strand standen, die gibt es dort nicht mehr. Solche Überraschungen kann man erleben. Da muss man schon so ein bisschen vorsichtig sein und nicht alles sofort hinnehmen.
„Man sollte schon sehr misstrauisch sein.“ Die Navigation muss man sehr genau machen und muss da sehr vorsichtig sein. Aber grundsätzlich ist es möglich. Es ist also nicht so, dass wir hier keine Informationen bekommen über die Navigation und die Bedingungen des Segelns entlang der Küste. Aber man sollte schon sehr misstrauisch sein.
Wie kommen sie mit den kubanischen Behörden zurecht?
Hier an Bord haben wir eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Behörden. Die sind sehr freundlich und aufmerksam, aber sie haben ihre Regeln, nach denen sie natürlich vorgehen. Es kann bis zu zwei Stunden dauern, bis die Behörden so weit sind, dass sie das Schiff freigeben nach dem Einlaufen, damit die Passagiere an Land gehen können oder zum Strand. Sie haben ihre ganz bestimmten Verordnungen und da sitzen dann bis zu zehn Mann und checken sämtliche Pässe, alle Papiere.
Das wird sehr gründlich gemacht, aber man hat nicht den Eindruck, dass sie in militärischem Ton alles fordern, sondern sie sind sehr dankbar, wenn wir sie unterstützen. Und da unterstützen wir sie natürlich auch, damit wie schnell fertig werden.
Verbringen Sie ihren privaten Urlaub auch auf Schiffen? Und wenn ja, wo am liebsten?
Natürlich hat jeder so sein Traumsegel-Revier oder auch Traumland, wo er gerne Urlaub macht. Für mich wäre das zum Beispiel die Bretagne oder Schottland, das sind sehr schöne Gebiete. Dann chartern wir uns ein Schiff in Schottland. Da gibt es wunderschöne, geschützte Buchten und Wege. Also die Vorstellung, auf dem Segelschiff mit meiner Frau Seegebiete zu erobern, die ich mit diesem großen Schiff hier nicht kenne. Ich habe in meinem Leben sehr viel auf Yachten gesegelt und habe auch sehr viele Regatten gesegelt in der Ostsee und der Nordsee. Es gibt überall wunderschöne Segelreviere, auch an der deutschen Küste.
Und was machen Sie in der Zeit zwischen Urlaub und ihren Zeiten als Kapitän bei Star Clippers?
Ich wohne in Glücksburg bei Flensburg und ich versuche es so zu regeln, dass ich vier Monate im Jahr hier als Kapitän fahre. Das deckt dann ein Semester ab. Und das andere Semester mache ich Vorlesungen an der Hochschule in Flensburg über Schiffsführung und Navigation, sodass ich da auch gefordert bin. Ich meine, das einmal in der Praxis als Kapitän zu segeln und dann aber auch Studenten zu vermitteln, wie man ein Schiff führt, das ist eine Herausforderung, die ich gerne annehme.
Reise-Tipp: Die Star Flyer ist auch in der kommenden Winter-Saison wieder in Kuba unterwegs. Von Dezember 2014 bis März 2015 unternimmt sie 7-Nächte-Kreuzfahrten ab Cienfuegos mit Stopps voraussichtlich in Trinidad (Kuba), auf Inseln im Los-Canarreos-Archipel sowie auf zwei der drei Cayman-Inseln.