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Norovirus auf Kreuzfahrt – und wie man sich schützt

Der Noro-Virus auf Kreuzfahrtschiffen macht immer wieder Schlagzeilen, vor allem in der Wintersaison. Auffällig oft wird über den Magen-Darm-Virus in den Medien immer dann berichtet, wenn Kreuzfahrtschiffe betroffen ist. Gerne fällt da auch mal das Stichwort „Noro-Epidemie“. Das liegt in den USA vor allem daran, dass Norovirus-Infektionen auf Kreuzfahrtschiffen meldepflichtig sind, an Land jedoch selbst bei hohen Infektionszahlen nicht.

Vor Begeisterung über das Thema machte sich ein CNN-Reporter offenbar nicht einmal die Mühe, ein Foto des richtigen Schiffs herauszusuchen und zeigt – wie in diesem Beispiel – sogar ein (gar nicht betroffenes) Princess-Cruises-Schiff zum Bericht über die vom Magen-Darm-Virus auf der Anfang 2010 besonders intensiv heimgesuchten Celebrity Mercury.

Prompt fallen Leser auf diese Art der Berichterstattung herein und kommentieren den Beitrag beispielswiese mit „Cruise ships should be ordered to make better health precautions.“ Dabei wird kaum irgendwo so gründlich auf Hygiene geachtet wie auf Kreuzfahrtschiffen. Und zwar schon aus Eigeninteresse – denn eine Noro-Infektion an Bord kommt die Kreuzfahrtgesellschaft teuer zu stehen, denn das Schiff muss komplett mit Chlor desinfiziert, häufig die nächste Kreuzfahrt abgesagt oder verspätet begonnen werden, infiziertes Personal kann tagelang nicht eingesetzt werden.

Noro-Virus: eine der häufigsten Krankheiten

Dass Noro ein spezielles Problem von Kreuzfahrtschiffen sei, ist einer der Mythen, die immer wieder dankbar von den Medien gefördert werden. Dabei sind Noro-Virus und seine Verwandten eine der häufigsten Krankheiten überhaupt. Die staatliche britische Health Protection Agency HPA beispielsweise schätzt die Zahl der Infektionen in Großbritannien auf jährlich bis zu eine Million (bei knapp 60 Millionen Einwohnern), die Schweiz schätzt die Zahlen auf 400.000 (bei 7,5 Millionen Einwohnern). Krankenhäuser, Altersheime, Schulen, Kindergärten sind fast täglich irgendwo betroffen, Kreuzfahrtschiffe dagegen sogar extrem selten.

Statistik: Noro-Virus auf Kreuzfahrt-Schiffen

Da in den USA statistische Daten leicht zugänglich sind, will ich anhand von Zahlen aus dem Zuständigkeitsgebiet der amerikanischen CDC (Centers for Desease Control and Prevention) die Dimensionen aufzeigen. Alle Zahlen sind circa, da der genaue Typ der Magen-Darm-Viren nicht immer eindeutig bestimmt werden konnten.

In den letzten fünf Jahren gab es auf Kreuzfahrt-Schiffen im Zuständigkeitsbereich der CDC jährlich in Schnitt knapp 20 Noroviren-Ausbrüche auf Kreuzfahrtschiffen.

Noro-Ausbrüche 2005: 16 | 2006: 33 | 2007: 20 | 2008: 14 | 2009: 13
Noro-Ausbrüche 2005: 16 | 2006: 33 | 2007: 20 | 2008: 14 | 2009: 13

Machen wir also mal ein Rechenspiel und nehmen an, dass – absichtlich hoch angesetzt – im Schnitt 15 Prozent der Passagiere vom Noro-Virus betroffen sind. Nehmen wir dazu die Zahlen der MARAD über Kreuzfahrten und Passagierzahlen mit vermutlich ungefähr deckungsgleicher Basis: in einem Jahr circa 3.980 Kreuzfahrten mit insgesamt circa 9,6 Millionen Passagieren, durchschnittlich also 2.400 Passagiere pro Kreuzfahrt. Bei 15 Prozent Betroffenen auf durchschnittlich 20 Kreuzfahrten ergibt das rund 7.200 Infizierte gegen 9,59 Millionen gesunder Passagiere. Bei allem Übel, das die Betroffenen ein bis zwei Tage lang durchmachen – statistisch ist diese Zahl nahezu vernachlässigbar. Die Zahlen von Cruise Junkie zeigen übrigens, dass tatsächlich sogar noch weniger Passagiere infiziert waren als in unserem Rechenbeispiel.

Und nicht zu vergessen: Selbst auf den betroffenen Schiffen haben 80-95 Prozent der Passagiere keine Beschwerden. Diese Schiffe fahren also keineswegs als schwimmende Quarantäne-Stationen über die Weltmeere, quasi als geisterhafte Fliegene Holländer.

Update 02.02.2014: Eine ausführliche Analyse der CDC-Statistiken und einiger Studien zum Thema Noro-Virus auf Kreuzfahrtschiffen finden Sie in unserem Beitrag „Norovirus auf Kreuzfahrtschiffen: Statistiken, Fakten, Details„.

Vorbeugung und Symptome

Trotzdem darf man den Noro-Virus und verwandte Krankheiten nicht unterschätzen. Nicht umsonst ist der hochansteckende Virus auch in Deutschland meldepflichtig – allerdings mit hoher Dunkelziffer, da der Noro-Test aufwendig ist und viele Patienten erst gar nicht zum Arzt gehen.

Der Noro-Virus hat eine sehr kurze Inkubationszeit von ein bis zwei Tagen, hält typischerweise 1-3 Tage an und äußert sich meist durch heftiges Erbrechen, Durchfall, oft auch Schwindelgefühl und Magen-Darm-Krämpfe. Ein Heilmittel gibt es nicht, wohl aber begleitende Behandlungen, die den Flüssigkeits- und Mineralstoff-Verlust ausgleichen. Vor allem für Kinder und ältere Menschen kann der hohe Flüssigkeitsverlust unbehandelt schnell zu Austrocknung und damit im Extremfall auch zu lebensbedrohlichen Situationen führen.

Wie schützt man sich am besten vor dem Noro-Virus? Die Ansteckung erfolgt über kontaminiertes Essen und Trinken, direkten Kontakt mit Infizierten und – am einfachsten zu vermeiden – Berührung von infizierten Oberflächen und anschließend die Hand in Gesicht oder Mund.

Entsprechend ist die beste Taktik:

  • häufiges, sehr intensives Händewaschen und Benutzung von Einmal-Papierhandtüchern zum Abtrocknen.
  • Hände von Gesicht, Augen, Mund fernhalten. Viren an den Händen führen nicht zu einer Infektion; gelangen die Viren aber über die Hände in den Mund, die Augen, die Nase, dann ist eine Ansteckung wahrscheinlich.
  • Vermeiden von Kontakt mit typischen Übertragungsquellen wie Türgriffen, Aufzug-Knöpfen und Treppengeländern.
  • Auf Kreuzfahrtschiffen etwas schwierig, aber doch bis zu einem gewissen Grad machbar: Keinen zu engen Kontakt zu anderen Passagieren. Also lieber Treppe laufen statt Aufzug fahren, im Restaurant am Tisch bedienen lassen statt im Buffet-Restaurant drängeln.
  • Wenn der Virus bereits ausgebrochen ist, gibt es in den Restaurants üblicherweise keine Selbstbedienung mehr. Vermeiden Sie aber auch dann all das Essen am Buffet, das in Reichweite der Passagiere steht. Denn häufig ignorieren Mitreisende aus Ungeduld die Bedienung am Buffet und fassen Speisen oder Vorlegebesteck selbst mit der Hand an.

Reichlich nutzlos sind laut Klinik-Fachleuten, mit denen wir gesprochen haben, übrigens die vor allem auf amerikanischen Schiffen verbreiteten Hand-Sanitizer – also Spender für Desinfektionsmittel, meist am Eingang zu den Restaurants. Denn die Desinfektionsmittel wirken antibakteriell, nicht jedoch gegen Viren. Trotzdem schadet die Benutzung ganz und gar nicht, zumal man damit auch den Mitpassagieren deutlich signalisiert, wie wichtig Hygiene an Bord ist. Ich denke, zum Thema (nicht vorhandenes) Hygiene-Bewußtsein von Mitpassagieren kann jeder seine eigene Ekel-Geschichte erzählen, das muss ich nicht weiter ausführen.

Fairness gegenüber anderen Passagieren

Am schwersten fällt es, auf der teuer bezahlten Kreuzfahrt trotzdem fair gegenüber den Mitreisenden zu sein. Hat man sich angesteckt, sollte man in seiner Kabine bleiben, um den Noro-Virus nicht weiter zu verbreiten. Unglücklicherweise ist Noro auch noch rund 2 Tage nach Abklingen der Symptome noch ansteckend, weil schon sehr wenige Viren (10-100) die Krankheit übertragen und die Viren recht langlebig sind. Bei einem größeren Ausbruch des Noro-Virus stellen Kreuzfahrtgesellschaften betroffene Passagiere deshalb häufig auch unter Zwangsquarantäne. Zumindest solange die Symptome auftreten, hat der leidende Patient allerdings ohnehin kein gesteigertes Interesse, die Kabine zu verlassen.

Meldepflichtig ist ein Ausbruch aus US-Schiffen übrigens in dem Moment, wo mehr als 2% der Passagiere betroffen sind. In einigen Fällen kann es passieren, dass Hafenbehörden bei Noro-Infektionen an Bord das ganze Schiff unter Quarantäne stellt und niemanden mehr an Land gehen lässt – wie kürzlich in Brasilien auf der Vision of the Seas geschehen. In solchen Fällen fallen die Landausflüge dann auch für die gesunden Passagiere aus.

Wie Kreuzfahrtgesellschaften gegen den Noro-Virus vorgehen, hat der frühere Celebrity Cruises President Dan Hanrahan in einem Interview mit Cruisecritic geschildert. Wir haben auch eine Zusammenfassung auf Deutsch: Celebrities Kampf gegen den Noro-Virus.

3 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

3 Gedanken zu „Norovirus auf Kreuzfahrt – und wie man sich schützt“

  1. Beio einer Flußkreuzfahrt durch Deutschland, Holland und Belgien
    erkrankte meine Frau -neben anderen Passagieren und Besatzuungsangehörigen (Kellner)- an der „sogenannten 24 Stunden
    Magen- und Darmgrippe“ wie sich das Unternehmen ausdrückte. Durch
    diese 24 Stunden Magen- und Darmgrippe war meine Frau für drei
    Tage an´s Bett gefesselt. Am Tage der Rückkehr fanden wir ein
    Schreiben mit einer umwunden formulierten Entschuldigung und einer
    „Wiedersehens-Ermäßigung“ in Höhe von € 50,- pro Person für eine
    künftige Buchung im Briefkasten vor.
    Ich sehe das als eine Art von Schuldanerkenntnis an, die mir aber nicht reicht.
    Könnte ich eine echte Erstattung – 3 Tage à € 80,- – fordern?
    Außerdem fiel mir die SChiffsführung vor Antritt der Reise unangenehm auf, da sie die Personalausweise
    aller Reisenden unter Hinweis auf Grenzformalitäten einsammelte.Da wir nur im Schengen-Raum unterwegs waren, schien
    mir das eine unnötige Schikane zu sein, zumal das in Deutschland verboten ist. Um nicht gleich mit Ärger anzufangen.
    lieferte ich meinen Ausweis ab. Frage: Gelten auf Kreuzufahrtschiffen eventuell abweichende
    Regelungen?
    Mit freundlichen Grüßen
    G. Andre

  2. Hallo Herr Andre,

    es ist bei vielen Flusskreuzfahrt-Reedereien üblich, die Personalausweise/Reisepässe einzusammeln beim Check-In, selbst wenn die Reise noch nicht einmal außerhalb Deutschlands führt. Den Grund dafür müssen Sie bei der Reederei erfragen. Ich kann nur vermuten, dass der Ausweis sozusagen als Pfand für die Zeche an Bord dient.

    In der Regel werden Magen-Darm-Viren (Noro und andere) aber auch Erkältungskrankheiten von Passagieren an Bord gebracht. Ein Gutschein seitens der Reederei ist da grundsätzlich noch kein Schuldanerkenntnis. Im Fall eines Rechtsstreits müssten Sie zunächst nachweisen, dass die Reederei Schuld an dem Krankheitsausbruch trägt. Das dürfte in den seltensten Fällen gelingen. Viren und bakterielle Erkrankungen breiten sich an allen Orten, an denen viele Menschen sozusagen auf engem Raum zusammen sind, rasend schnell aus. Ob dies ein Flusskreuzfahrtschiff, ein Kindergarten oder ein Krankenhaus oder eine Altenpflegeeinrichtung oder eine Schule ist. Das gehört leider zu bestimmten Jahreszeiten (sprich vor allem im Winter) zum allgemeinen Lebensrisiko.

    Gruß
    Carmen

  3. Sehr interessant, dass es auf Kreuzfahrten Leute gibt, die sich mit dem Novovirus anstecken. Davon habe ich noch nie gehört. Ich habe schon sehr viele Kreuzfahrten gemacht und auch jede einzelne sehr genossen, aber noch nie habe ich solch ein Erlebnis gemacht, als ich auf einer Kreuzfahrt war. Desinfektion scheint aber hier wie immer, die beste Lösung zu sein, um schlimmere Folgen zu vermeiden!

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