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Müssen Kreuzfahrtgesellschaften für schlechtes Wetter haften?

Zahlreiche Kreuzfahrtschiffe sind in den letzten Tagen in schweres Wetter geraten. Von den sonnigen Palmenstrände der Reisekataloge konnten die Passagiere nur noch träumen. Aber mit einer Kreuzfahrt bucht man eben ausdrücklich keine 100%-Garantie für Sonne und glatte See. Eine Kreuzfahrt ist vom Wetter abhängig und das bekommen zurzeit viele Passagiere deutlich zu spüren.

Warum ich darüber schreibe? Offenbar wollen viele die Tatsache nicht wahrhaben, dass eine winterliche Seereise im Mittelmeer – siehe Brilliance of the Seas – eben auch mal ziemlich rauh werden kann. Dass schlechtes Wetter auch im Golf von Mexiko schonmal das Einlaufen eines Schiffs in einen Hafen verhindert – siehe aktuell die Carnival Inspiration. Dass eine Antarktis-Kreuzfahrt keine Kutschfahrt durch den New Yorker Central Park ist, sondern eine echte Expedition in eine der unwirklichsten Gegenden dieser Erde – siehe Clelia II.

Tipp: Für einen Überblick zu allen rechtlichen Themen rund um die Kreuzfahrt, lesen Sie unseren Beitrag Reiserecht in der Kreuzfahrt: Worauf Sie achten sollten und wie Sie zu Ihrem Recht kommen“.

Überzogene Anspruchshaltung

Was mich dabei reichlich verwundert, ist die Anspruchshaltung vieler Passagiere. Kaum verhindert Wetter einen Hafenstopp, schon geht ein Aufschrei durch die Passagiere und Medien nach Entschädigung. Und zwar nicht ein paar Dollar Bordguthaben als nettes Signal der Reederei. Nein, am besten gleich den kompletten Reisepreis zurück. Schließlich ist es schon unglaublich traumatisch, ja lebensverändernd, wenn man nicht ein paar Stunden in Rhodos spazieren gehen kann (vgl. MSC Magnifica am Wochenende). Schließlich hat man sich darauf schon sein ganzes Leben lang gefreut. Stattdessen landet man in einem unerträglichen Kaff namens Marmaris (wer’s nicht merkt: das meine ich ironisch …).

Waren die Minuten (nicht Stunden oder Tage!) mit heftigen Schiffsbewegungen auf der Brilliance of the Seas so unglaublich schlimm, dass man dafür tatsächlich den gesamten Reisepreis für eine 12-tägige Kreuzfahrt zurückerstatten muss? Vielleicht für die beiden Passagiere, die Knochenbrüche davon getragen haben. Vielleicht ist auch eine nette Summe plus kostenlose medizinische Behandlung angebracht für die weiteren 58 Passagiere mit Prellungen und blauen Flecken. Aber für alle anderen über 2.000 Passagiere, die sich ein wenig erschreckt haben und ansonsten ganz offenbar fast zwei Wochen lang Ihren Spaß hatten und Erinnerungen mitbringen, die sie noch ihren Enkeln erzählen können? Nicht, dass ich den Passagieren das Geld nicht gönne, aber das ist doch bei Weitem überzogen! Denken wir doch einfach mal über die Folgen nach …

In Foren und bei Facebook wird schon diskutiert, wie man eine Kreuzfahrt findet, auf der so etwas potenziell wieder passieren könnte – schließlich kann man auf diese Weise sehr günstig Urlaub machen.

Warum zahlt Royal Caribbean dennoch den kompletten Reisepreis zurück? Anfänglich hatte man den Passagieren 200 Dollar pro Kabine als Onboard-Credit versprochen – das klingt fair, vielleicht hätten es auch 200 Dollar pro Passagier sein können, darüber kann man reden. Schließlich fiel der zweitägige Hafenstopp in Alexandria aus.

Dann brach die Medien-Hölle über RCI herein, Fernsehsender machten aus den paar Minuten heftigen Seegangs eine Höllen-Kreuzfahrt geradezu biblischen Ausmaßes. Der beste Beweis für die ungeheuerlichen Vorkommnisse auf der Brilliance of the Seas ist wahrscheinlich das Foto des umgefallenen Weihnachtsbaums. Unter diesem – völlig überzogenen – öffentlichen Druck blieb RCI offenbar gar nichts übrig, als die medialen Wellen mit einer überaus großzügigen Geste zu glätten, längst nachdem die realen Wellen schon wieder verschwunden waren. Nur um einmal die Dimension aufzuzeigen: Wir reden hier von – ganz grob geschätzt – mindestens 3 Millionen Euro Rückerstattungen.

Ich behaupte: Das ist organisierte Erpressung durch die Medien. Aber viel schlimmer ist, dass zukünftige Kreuzfahrt-Passagiere dafür bezahlen müssen in Form von höheren Preisen. Wenn sich vollkommen überzogene „Entschädigungs“-Zahlungen durch diese fatale Einstellung in den Medien und bei den Passagieren häufen, dann werden alle Kreuzfahrtgesellschaften dieses Kostenrisiko natürlich auf die Preise aufschlagen (oder zumindest die Versicherungsprämien dafür). Ist das wirklich die Lösung? Kreuzfahrt als Gewinnspiel, und den Jackpot haben die Passagiere geknackt, die vor Alexandria in einen Sturm geraten?

Aufwachen! Bitte zurück zur Realität!

Dass man im Zuge der Reise ein Schiff betreten wird, sollte man wahrnehmen, wenn man eine Kreuzfahrt bucht. Dass das Schiff auf einem Meer fahren wird, sollte den meisten ebenfalls klar sein. Und dass ein Meer aus Wasser besteht, dass auch man kräftigere Wellen wirft, hat jeder schon einmal gehört. Blöd nur, dass es keinen Knopf gibt, wie im Wellenbad, mit dem der Kapitän die Wellen einfach abschalten kann, wenn sein Schiff kommt. Und ganz nebenbei steht natürlich auch in den Reisebedingungen der Kreuzfahrtgesellschaften, dass man – ganz überraschenderweise – mit Wetter rechnen muss und die Kreuzfahrtgesellschaft – logischerweise – keine Verantwortung für das übernimmt, was Petrus und/oder die Naturgewalten für Seereisende bereithalten.

Wollen wir wirklich in Zukunft Kreuzfahrtgesellschaften für das Wetter nicht nur verantwortlich, sondern auch haftbar machen?

Nur sicherheitshalber angemerkt, um Missverständnisse zu vermeiden: Ein modernes Kreuzfahrtschiff wie die Brilliance of the Seas hält solche Bedingungen wie vor Alexandria locker aus, eine wirklich ernste Gefahr hat für die Passagiere oder das Schiff nie bestanden. Anders als beim Brand der Carnival Splendor vor ein paar Wochen ging es hier – etwas salopp formuliert – um ein wenig Schiffschaukeln und nicht im Geringsten um eine Seenot-Situation.

Wer cruisetricks.de regelmäßig liest, weiß, dass wir selbst im Sommer auf der Celebrity Summit in die Ausläufer eines Hurrikans geraten waren. Der Seegang mit Wellen von 10 bis 12 Metern hielt mehr als einen ganzen Tag lang an. Auch hier neigte sich das Schiff – wenngleich nur einmal – nachts ganz erheblich zur Seite. Sowohl in den Kabinen als auch in den öffentlichen Bereichen ging Vieles zu Bruch. Passagiere wurden verletzt. Ich weiß also in etwa, wovon ich spreche, wenn ich meine Meinung zu dem Brilliance-of-the-Seas-Vorfall schreibe, auch wenn die Wellen vor Alexandria höher und der Sturm stärker waren. Eine „Entschädigung“ gab es auf der Celebrity Summit übrigens nicht, und das ist auch völlig okay so.

7 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

7 Gedanken zu „Müssen Kreuzfahrtgesellschaften für schlechtes Wetter haften?“

  1. Ein TOP Bericht dem man sich nur anschließen kann.Jedoch muß man sich fragen im Zeitalter von doch einigermaßen guten Wetterberichten obdas überhaupt sein mußte????? Oder wurden sie von einer Extremwetterlage überrascht ? Jedenfalls als Gast an Bord würde mich nie eine Routenänderung aufgrund höhere Umstände stören,auch wenn man sich auf ein bestimmtes Ziel gefreut hat.Hier geht die Allgemeinsichert nunmal vor.
    Außerdem steht sowas in den Beförderungsbedingungen…“Höhere Gewalt“ …..und wenn eine Reederei dafür etwas gibt ist es ja wohl mehr wie kulant!
    Alle Achtung RCI

  2. Jürgen, laut Kapitän der Brilliance of the Seas war zwar schlechtes Wetter angesagt, der Sturm war aber wohl fast doppelt so stark wie von mehreren verschiedenen Wetterndiensten vorhergesagt. Alexandria ist natürlich ein Highlight auf der Route, sodass man den Hafenstopp nicht leichtfertig kippt. Hätten sie gewußt, wie schlimm der Sturm wirklich wird, hätten sie sicherlich einen großen Bogen darum gemacht (siehe MSC Magnifica, die einen Tag später bereits auf dem Weg nach Alexandria war und dann bei Rhodos wieder umgedreht ist – vermutlich nachdem sie von der Brilliance gehört hatten, wie schlimm es dort tatsächlich zugeht).

    Es ist halt einfach so, dass man auch einer Kreuzfahrt – so luxuriös das Schiff sein mag – immernoch mit Naturgewalten, mit Seefahrt zu tun hat. Das übersieht man halt leicht. Ähnliches Problem: Kriminalität und Sicherheit bei Hafenstopps. Gerade in der Karibik wollen die Leute auch nicht wahrhaben, dass sie bei einem Landgang mit einem Schritt ihrer Luxuswelt verlassen und ein bitter armes Drittwelt-Land betreten und entsprechend verwundert sind, wenn ihnen die Handtasche gestohlen wird oder schlimmeres passiert, weil sie selbst die simpelsten Sicherheitsratschläge in den Wind schießen. (siehe: https://www.cruisetricks.de/mord-st-thomas-kreuzfahrten-karibik-sicher/ )

    Aber ich will nicht zu sehr jammern. Eine Kreuzfahrt ist was Tolles und wer sich nur ein klein wenig vorbereitet darauf, hat viel Spaß und muss sich keine Sorgen machen. Im zunehmenden Massengeschäft gibt’s halt immer auch Leute, die vermutlich ihr Leben lang nie in der Realität ankommen werden ;-)

  3. Hallo Franz,
    das musste einmal gesagt werden! Ich kenne keinen anderen, der das so glasklar formulieren kann.
    Mit Deinen Andeutungen, dass es wohl in besagten Kreisen ein „Sturm-Roulette“ gibt, liegst Du sicherlich nicht falsch. Bisher haben Pauschaltouristen dieses Genres nur die Reiseveranstalter mit (teils überzogenen) Reklamationen genervt (angeblich ungenießbares Essen, dokumentiert durch viele Fotos und die Aussagen von „Leidensgenossen“ und darauf spekuliert, vor Gericht ihr gesamtes Geld zurück zu erhalten. Nun tut sich ein neues Betätigungsfeld auf: die „Unwetter-Cruise“. Aber nicht nur DIE MEDIEN haben zu diesem Zustand beigetragen, auch die Reedereien haben sich nicht in allen Fällen professionell verhalten. Siehe Dein Beispiel „RCI und die Brilliance otS“. Noch vor der Buchung müsste man potentielle Kunden sehr unverblümt auf das Wetterrisiko aufmerksam machen und in den AGBs ausdrücklich Rückzahlungen wegen schlechten Wetters ausschließen.
    Wir sind gestern von einer Kurzkreuzfahrt auf der „Arosa Mia“ von Passau nach Wien und zurück heimgekehrt. Auf der gesamten Fahrt konnten wir das Sonnendeck nicht betreten: akute Verletzungsgefahr durch Eis und Schnee. Leider auch nicht am Samstag, als wir bei Sonnenschein unter strahlend blauem Himmel die Donau bergauf gen Linz fuhren. Ist das nun ein Grund, „Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreuden“ zu verlangen, wie es einige der 189 Passagiere angeblich vorhaben?
    Ganz klares NEIN. Auf das Wetter hat Arosa keinen Einfluss…
    In diesem Sinne noch viele erlebnisreiche Kreuzfahrten
    Uwe

  4. In den AGBs steht das zwar drin, aber oft doch sehr verklausuliert – das könnte wirklcih deutlicher formuliert sein. Schaden würde vielleicht auch nicht, im Katalog statistische Wetter-Angaben zu den jeweiligen Reiseterminen anzubieten – bei anderen Reiseangeboten gibt’s da ja beispielsweise oft Angaben zur Regenwhrscheinlichkeit, Durchschnittstemperaturen etc. Schließlich gibt’s ja eben auch einen Grund, warum Reisen zu manchen Jahreszeiten billiger sind als zu anderen – Wetter spielt da einen große Rolle. Wer billiger verreist, nimmt halt auch ein größeres Regel-/Sturm-Risiko in Kauf.

    Bei den Flussschiffen wäre es natürlich mal eine Überlegung für die Reedereien wert, eine Bodenheizung fürs Sonnendeck einzubauen, um das Deck auch im Winter benutzbar zu halten. Andererseits: Bei Fahrtwind und minus 10 Grad will ich da eh‘ nicht rauf ;-)

  5. Auf der „Swiss Coral“ letztes Jahr im Dezember auf dem Rhein war es sehr angenehm, auch einmal draussen sein zu dürfen. Gut, es war kein Schnee da und kein Eis, aber warm war es auch nicht. Da wurde mit Glühwein an Deck ausgeholfen….

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