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NABU-Kampagne gegen Kreuzfahrtschiff-Abgase

Heftiger Rundumschlag gegen die Kreuzfahrtindustrie: Der Naturschutzbund Deutschland NABU prangert anlässlich des Hamburger Hafengeburtstags den Abgas-Ausstoß von Kreuzfahrtschiffen an und drischt dabei kräftig vor allem auf die deutschen Reedereien ein. Die Diskussion um Schiffs-Emissionen ist zweifelsfrei sehr wichtig. Doch mit seiner aktuellen Kampagne „Mir stinkt’s“ zu diesem Thema stellt der NABU seine eigene Seriosität infrage. Die aktuelle NABU-Pressemitteilung ist voll von Halbwahrheiten, Tatsachenverdrehungen und faktischen Fehlern. Nicht einmal im Ansatz erwähnt werden dagegen die Fortschritte, die ganz besonders die deutsche Meyer Werft beim Kreuzfahrtschiffbau und auch die internationalen Gremien bei den Schadstoff-Grenzwerten in den vergangenen Jahren gemacht haben.

Um das gleich vorweg deutlich zu betonen: Grundsätzlich halten wir es sogar für extrem wichtig, die Reduzierung von Schiffsabgasen zu fordern und zu diskutieren – nicht nur, aber eben auch bei Kreuzfahrtschiffen. Doch die Sachlage ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Wir haben dazu schon mehrfach berichtet und auch eine Studie der EU-Kommission von 2009 zeigt die Komplexität des Themas recht anschaulich.

Populistische Rundumschläge wie die es NABU machen die Lage nur verfahrener und verfestigen Vorurteile, die in vieler Hinsicht Teil des Problems sind. Stattdessen wäre Differenzierung gefragt. Ein nüchterner Blick auf die durchaus für sich sprechenden Fakten und kein gebetsmühlenartiges Wiederkäuen von teils veralteten Erkenntnissen teils schon längst überholten Vorurteilen. Denn das steht einer seriösen Suche nach dauerhaften und praktikablen Lösungen eher im Weg, als es hilft.

Richtige Forderung, aber unseriöse Vorgehensweise

Im Kern hat der NABU mit seiner Forderung nach einer schnellen Reduzierung von schädlichen Schiffsabgasen vollkommen Recht. In der Art, mit dem Thema umzugehen, liegt er aber leider so weit daneben, dass man ihn zu diesem Thema fast nicht mehr ernst nehmen kann. Dass es auf der NABU-Website immerhin eine recht umfangreiche und detaillierte Broschüre mit guten Informationen zu dem Thema gibt, macht das Ganze nur in Nuancen besser. Denn eine PR-erfahrene Organisation wie der NABU weiß ganz genau, dass die Massenmedien sich meist mit der platten, undifferenzierten Pressemitteilung zufriedengeben und relativierende Detailinformationen in ausführlichen Broschüren nicht wahrnehmen. Die Broschüre zeigt, dass der NABU es eigentlich besser weiß, in der Pressemitteilung aber trotzdem in die unterste Schublade der Stammtisch-Argumente greift.

Halbwahrheiten und falsche Zusammenhänge

Ein beliebtes Mittel zur Panikmache ist, für sich genommen richtige Fakten in einen falschen Zusammenhang zu setzen. Beispiel aus der aktuellen Pressemitteilung des NABU: „Die 15 größten Seeschiffe der Welt stoßen jährlich mehr schädliche Schwefeloxide aus als alle 760 Millionen Autos weltweit.“ – Stimmt schon, nur geht es da um Tanker, Container- und Frachtschiffe und nicht um Kreuzfahrtschiffe. Die Kreuzfahrt ist nämlich nur mit einem sehr geringen Anteil überhaupt am Schadstoffausstoß von Schiffen beteiligt. Laut Zahlen des NABU sind nur 0,52 Prozent der weitweiten zivilen Schifffahrtsflotte Kreuzfahrtschiffe. Selbst in der ausführlicheren Broschüre muss man sich das allerdings erst selbst ausrechnen. Dort werden zwar Zahlen für alle Handelsschiffe weltweit (99.000) und die Größe der weltweiten Kreuzfahrtflotte (513) genannt. Dann ist aber plötzlich von 8 Prozent Anteil die Rede, was sich auf alle Passagierschiffe bezieht, und eben nicht nur auf Kreuzfahrtschiffe, von denen in diesem Zusammenhang eigentlich die Rede ist.

Trotz des geringen Anteils am Gesamtproblem können und müssen Kreuzfahrtschiffe natürlich ihren Beitrag zur Schadstoffreduzierung leisten. Aber das kann man eben auch sehr gut mit genau passenden Fakten und ganz seriös argumentieren und muss nicht mit in einen falschen Zusammenhang gesetzten Fakten agieren.

Um die schief hängenden Argumente noch weiter zu bekräftigen, zitiert der NABU den Schiffsabgas-Experten Dr. James Corbett: „Allein in Europa sterben daran bis zu 24.000 Menschen vorzeitig, die wachsende Zahl der Kreuzfahrtschiffe ist dafür mitverantwortlich, deshalb müssen wir dringend handeln“. Auch diese Zahlen sind nur wenig umstritten, beziehen sich aber nicht auf die Folgen aus den Emissionen der Kreuzfahrtschiffe allein, sondern der gesamten kommerziellen Schifffahrt. Anteil der Kreuzfahrt daran, siehe oben.

Einhacken auf die Falschen

NABU-Verkehrsexperte Dietmar Oelinger lässt sich zitieren mit der Aussage: „Hinter der polierten Fassade von AIDA, TUI und Queen Mary II stinkt es gewaltig.“ Nur ein Detail, aber TUI betreibt gar keine Kreuzfahrtschiffe! Denn TUI hält lediglich Beteiligungen an den eigenständig agierenden Reedereien TUI Cruises und Hapag-Lloyd Kreuzfahrten. Bei einem so heiklen Thema sollte man auch auf solche Details achten, oder? Ungeschickt, vielleicht auch bewusst populistisch ist auch, dass diese Aussage nicht berücksichtigt, dass AIDA eine der mondernsten, und damit auch umwelttechnisch fortschrittlichsten Flotten hat und auch die Queen Mary 2 recht neuen Baujahres ist. Wenn man dieses schon Argument fahren will, dann findet man in Deutschland doch deutlich ältere und damit mehr Schadstoffe ausstoßende Kreuzfahrtschiffe als die der genannten Reedereien.

Weiter wird Oelinger zitiert mit: „… blasen ihre Luxusliner riesige Abgaswolken in die Luft, selbst wenn sie in Hafenstädten mit laufendem Motor vor Anker liegen. Deshalb muss hier zuerst angesetzt werden.“ Detail am Rande: In deutschen Häfen liegen Kreuzfahrtschiffe nicht „vor Anker“ – da gibt’s nämlich überall Docks und Kreuzfahrt-Terminals. Bei vor Anker liegenden Schiffen wäre die vom NABU geforderte Landstrom-Versorgung etwas schwierig ;-)

Aber viel wichtiger: Auch hier scheint dem NABU entgangen zu sein, dass in vielen Häfen – auch in Hamburg – Frachtschifffahrt und Fähren einen mit weitem Abstand größeren Anteil an den Emissionen im Hafen haben als die vergleichsweise wenigen Kreuzfahrtschiffe. Wenn es also darum geht, irgendwo „zuerst anzusetzen“, dann wohl eher bei der Frachtschifffahrt. Nur: Warum überhaupt irgendwo „zuerst“ ansetzen? Ziel muss doch sein, die Schadstoffemissionen bei Fracht- und Kreuzfahrtschiffen gleichermaßen zu reduzieren, oder?

NABU als seriöser Gesprächspartner disqualifiziert

Fazit: Sollte es nicht das Ziel gerade eines Naturschutzbundes sein, durch präzise Fakten und verantwortungsvolle Aufklärung zu einem Umdenken in Politik, Industrie und Bevölkerung zu bewegen? Statt dessen holt der NABU platt und effekthascherisch, mit verdrehten Fakten und reichlich schief hängenden Argumenten zu einem Rundumschlag aus, der eine seriöse Diskussion zu dem Thema noch schwieriger macht. So senkt man das Niveau der dringend nötigen Auseinandersetzung mit den Emissions-Problemen dermaßen weit ab, dass kaum praktikable Lösungen zu erwarten sind. Traurig, dass der NABU meint, so populistisch und der Sache nicht zuträglich agieren zu müssen.

4 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

4 Gedanken zu „NABU-Kampagne gegen Kreuzfahrtschiff-Abgase“

  1. Ich halte es für falsch, Dinge in Zusammenhang zu setzen, die so nicht zusammengehören.

    Damit hier kein Mißverständnis aufkommt: Das grundlegende Anliegen des NABU unterstütze ich vollkommen. Deshalb finde ich es ja umso ärgerlicher, dass in der Pressemitteilung Äpfel mit Birnen verglichen und Dinge in falsche Zusammenhänge gebracht werden. Mit ehrlicher und auch im Detail korrekter Argumentation könnte man meiner Überzeugung nach mehr erreichen als mit Argumenten, die populistisch die Dinge weit über die akzeptablen Grenzen hinaus dehnen. Es ist ja nicht so, dass es bei diesem Thema keine wirklich starken und vollkommen korrekten Argumente für den Umweltschutz gäbe …

  2. Sehr geehrter Herr Neumeier,

    Ihr Beitrag ist eine typische, reflexartige Abwehrhaltung, die wir so bereits aus vielen anderen Bereichen kennen. Sie verfahren nach dem Motto „wir haben ja nur kleinen Anteil an dem Problem, die anderen sind ja noch viel schlimmer“.

    Es ist schade, dass im Jahr 2011 immer noch geglaubt wird, man könne die eigene Verantwortung an dem Dreck den man verursacht, an andere weiterschieben. Auch die Deutsche Bahn hat anfangs seinem Anteil an den gefährlichen Russemissionen klein geredet, jetzt werden 300 Diesellokomotiven mit Russfilter bestellt. Gleiches gilt für Baumaschinen, wo jetzt erste Städte Vorgaben für Russfilter machen.

    Sie werden sehen: sehr bald wird der erste Reeder auf Schweröl verzichten und einen Russfilter an Bord einsetzen. Erst dann hört der Albtraum mit den Schiffsemissionen auf und eine Schiffsreise kann mit gutem Gewissen empfohlen und angetreten werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dietmar Oeliger
    http://www.nabu.de/kreuzfahrtschiffe

  3. Hallo Herr Oeliger,

    ich glaube, dann haben Sie meinen Beitrag grundlegend falsch verstanden. mein Argument ist überhaupt nicht das von Ihnen vermutete „Kreuzfahrtschiffe haben einen so kleinen Anteil, dass man woanders anfangen sollte“. Absolut nicht! Ich bin ganz auf Ihrer Seite, dass man auch im Kleinen, also selbstverständlich auch bei den Kreuzfahrtschiffen, ansetzen muss. Als unabhängiger – zugegebenermaßen kreuzfahrtbegeisterter – Journalist habe ich auch gar keinen Grund, reflexartig abzuwehren. Ganz im Gegenteil – es ist in der Verantwortung jedes Beteiligten in der Kreuzfahrt-Welt, auf umweltfreundliche Technik und Reduzierung der Schadstoff-Emissionen hinzuarbeiten. Und ich will das Thema auch überhaupt nicht kleinreden. Es ist sehr wichtig, sich damit zu beschäftigen.

    Nur ist es auf der anderen Seite auch nicht so, dass sich die Reedereien damit nicht auseinandersetzen würden – das sollte man fairerweise zumindest nicht ganz unter den Tisch fallen lassen. Wenn die Meyer Werft beispielsweise mit der Celebrity-Solstice-Class Schiffe baut, die 30 % weniger Energie verbrauchen als vergleichbare ältere Schiffe, dann ist das wie ich finde zumindest ein guter Anfang, denn man nicht komplett ignorieren sollte und auf den man weiter aufbauen kann.

    Was mich an Ihrer Pressemitteilung und Kampagne so stört ist die Art und Weise, wie Fakten in falsche Zusammenhänge gestellt werden; Zahlen zusammengeführt werden, die nicht zusammen gehören und damit einen verzerrten Eindruck erweckt. Ich habe vom NABU grundsätzlcih eine sehr hohe Meinung und schätze Ihre Arbeit, würde mir aber bei diesem Thema sehr wünschen, dass Sie das Thema nicht so platt-populistisch angehen, sondern an der Lösung der komplexen Probleme in diesem Zusammenhang konstruktiv mitarbeiten.

    Dazu gehört allerdings auch anzuerkennen, dass eine Umstellung auf Diesel von heute auf morgen bei großen Kreuzfahrtschiffen wirtschaftlich absolut unrealistisch ist. Die Kosten würden die betreffende Reederei von schlagartig konkurrenzunfähig machen, kein Passagiere würde zu den dann deutlich höheren Kreuzfahrtpreisen mehr buchen. Das Ziel kann nicht sein, Reedereien aus dem Geschäft zu werfen. Also ist die echte Herausforderung, in gemeinsamer Arbeit einen Weg zu finden, wie man mittelfristig (evtl. stufenweise) Treibstoffe mit hohen Schadstoff-Emissionen verzichten kann, ohne die Existenz der jeweiligen Reederei zu gefährden.

    Eine solche konstruktive Sacharbeit würde die Sache meiner Ansicht nach viel effektiver voranbringen.

    Herzliche Grüße
    Franz Neumeier

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