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„Noro-Virus sucht Kreuzfahrtschiff heim“

Es ist wieder Norovirus-Saison und die Schlagzeilen über Kreuzfahrtschiffe mit infizierten Passagieren und Crew bleiben nicht aus. In den vergangenen Tagen und Wochen beispielsweise betroffen: Explorer of the Seas und Norwegian Star.

Doch die Schlagzeilen erwecken leicht den Eindruck, dass Noro und ähnliche Magen-Darm-Viruserkrankungen ein Kreuzfahrtschiff-Problem sind. Doch tatsächlich gehören sie zu den meistverbreiteten Krankheiten überhaupt und treten auf Schiffen sogar vergleichsweise selten auf.

Der erfahrene britische Kreuzfahrt-Experte Tim Moore hat sich in einem nachdenklichen und sehr interessanten Blog-Beitrag mit dem Thema Noro beschäftigt, den wir Tims freundlichen Genehmigung hier in deutscher Übersetzung veröffentlichen dürfen.

Tim Moore
Tim Moore (Bild: privat)

Tim Moore  war 14 Jahre lang Manager für Landausflüge bei einer britischen Kreuzfahrtgesellschaft. Davor war er, vorwiegend in Managementpositionen, im allgemeinen Reisebereich, für Firmenreisen, Qualitätsmanagement, in der Luftfahrt und als Logistiker für das US-Militär tätig. Heute ist Tim Moore als Berater in der Tourismusindustrie (DMC World Representatives).

“Kreuzfahrtschiff von Krankheit heimgesucht” – ein Beitrag von Tim Moore:

“Kreuzfahrtschiff von Krankheit heimgesucht” – Das gibt immer eine beeindruckende Schlagzeile, so wie alles Negative über Kreuzfahrtschiffe. Aber die Öffentlichkeit soll doch bitte die ganze Wahrheit erfahren, nicht nur die kleinen Bruchstücke, die eine Erwähnung auf der Titelseite einer Zeitung oder die Top-News im Fernsehen rechtfertigen.

Angehörige des Mediziner-Berufsstandes werden vielleicht alles abstreiten, was ich schreibe, aber eines steht fest: Norovirus ist die am häufigsten auftretende Magen-Darm-Erkrankung in Großbritannien und betrifft Menschen jeden Alters.

Jede eng zusammen lebende Gemeinschaft kann von diesen Viren heimgesucht werden. „Norovirus“ ist der geläufigste Name dafür, aber ich bin mir sicher, dass es noch andere medizinische Bezeichnungen für die Krankheit gibt, die Übelkeit, Erbrechen und heftigen Durchfall auslöst. Seniorenheime, Krankenhäuser, Pflegestationen – die Liste der Einrichtungen, die bis zu einem gewissen Grad davon betroffen sein können, lässt sich noch lange fortsetzen.

„Krankenstation nach Norovirus-Ausbruch wieder geöffnet – NHS Tayside teilt mit, dass eine Krankenstation des Ninewells Hopital in Dundee, das wegen eines ernsten Ausbruchs von Noro geschlossen worden war, jetzt wieder geöffnet hat.“

„Besuche im Krankenhaus Worchester Royal streng limitiert, um Norovirus-Ausbruch einzudämmen.“

„Norovirus erzwingt Schließung des East Surrey Krankenhauses.“

Das sind nur drei der Schlagzeilen aus der jüngsten Vergangenheit. Es kann also kaum verwundern, dass Menschen, die sich gerade von eine Krankheit oder Operation erholen, indem sie eine Kreuzfahrt buchen, diesen bösartigen Erreger aus den Krankenhäusern mitbringen und auch auf die Schiffe einschleppen.

Bevor die Passagiere bei der Einschiffung an Bord gehen, ist das Schiff in jeder Hinsicht frei von Viren. Trotzdem bricht auf der folgenden Reise der Virus aus. Zusteigende Passagiere werden sogar ausdrücklich gebeten, ein Informationsblatt zu lesen und müssen unterschreiben, dass sie in jüngster Zeit weder selbst krank waren noch mit infizierten Personen in Kontakt standen.

Aber auch diese Vorsichtsmaßnahme reduziert das Risiko nicht auf Null, das infizierte Passagiere an Bord gehen. Beispielweise kann es schon vor, dass ein Passagier diese Erklärung einfach unterschrieb, obwohl er im Taxi direkt auf dem Weg zum Schiff erbrechen musste. Da überrascht es nicht, dass es genau auf dieser Kreuzfahrt einen größeren Noro-Ausbruch an Bord gab.

Es gibt Hinweisschilder in allen öffentlichen Toiletten am Schiff, die Passagiere bitten, sich die Hände nach Benutzung der Toiletten zu waschen. Doch leider bleibt eben auch das, was im privaten Bad der Kabinen passiert, nicht zwangsläufig auch dort. Private Bäder sind eine wunderbare und von den Passagieren erwartete Einrichtung auf modernen Schiffen. Unglücklicherweise wäscht längst nicht jeder Passagier auch dort die Hände nach dem Toilettengang und verbreitet so die Erreger beispielsweise auf Handläufen im Treppenhaus, Tische und Armlehnen der Stühle im Restaurant, wo andere Passagiere damit in Berührung kommen.

Die Crew macht nach einem Viren-Ausbruch einen hervorragenden Job beim Desinfizieren und gründlichen Reinigen der Schiffe von oben bis unten, von Heck bis Bug. Die Betreiber der Schiffe scheuen nicht die hohen Kosten für diese notwendigen Maßnahmen. Während der gesamten Reise beobachten wir die Crew beim Desinfizieren der Handläufe überall am Schiff. Spender mit Desinfektions-Gels stehen vor jeder Lounge und Crewmitglieder stehen vor jedem Restauranteingang und bitten die Passagiere, sich vor jeder Mahlzeit vor Betreten des Restaurants die Hände zu desinfizieren. Selbst bei der Einschiffung und wenn man von einem Landausflug zurück aufs Schiff kommt, wird erwartet, dass man dieses Desinfektionsgel benutzt. Einen Passagiere habe ich am Ende einer Reise einmal sagen hören, dass er viel sauberer von seiner Kreuzfahrt zurückkehre, als er an Bord gegangen sei.

Ein sehr guter, leider verstorbener Freund von mir, der für mehrere große Reedereien im Top-Management gearbeitet hatte, sagte immer: „Die Menschen fangen sich den Norovirus nicht am Schiff ein, sie bekommen ihn von schmutzigen anderen Menschen.“ Wer bin ich, dass ich ihm da widersprechen könnte?

An die lieben Vertreter der Medien und Reisejournalisten: Bitte berücksichtigt auch die herausragende Rolle der Crew, die so viel unternimmt, um die Ausbreitung dieses fiesen Virus‘ zu unterbinden. Ohne deren Anstrengungen, ohne stundenlanges Desinfizieren und Reinigen wäre das Problem sehr viel größer.

Und schließlich: Freunde der Kreuzfahrt, bitte haltet euch peinlichst genau an Hygiene-Regeln an Bord der Schiffe, dann werden Sie und ihre Mitreisenden eine wunderbare und gesunde Kreuzfahrt genießen können.

Sie werden bemerkt haben, dass wir in diesem Beitrag keine Fotos von Kreuzfahrtschiffen zeigen. Erstens wäre es viel zu einfach, das konkrete Schiff zu identifizieren, was zu der falschen Annahme führen könnte, dieses spezielle Schiff sei gerade von Noro betroffen. Vor allem aber: In diesem Beitrag geht es primär um persönliche Hygiene, nicht um Kreuzfahrtschiffe.

Cruisetricks.de dankt Tim Moore für seine Einschätzung auf Grundlage seiner langjährigen Erfahrung mit diesem Thema an Bord von Kreuzfahrtschiffen.

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Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

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