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Rettungsübung verweigert: Rausschmiss

Holland America Line setzt die Teilnahme an Rettungsübungen an Bord ihrer Schiffe nach dem schweren Unfall bei der Schwestergesellschaft Costa nun offenbar rigoros durch: Laut Cruise Critic musste am Sonntagnachmittag ein Passagiere der Westerdam in Fort Lauderdale wieder aussteigen, nachdem er die Teilnahme an der Rettungsübung vor Abfahrt des Kreuzfahrtschiffs verweigert hatte.

Holland America Line bestätigt dem Bericht zufolge, dass einem Passagiere die Teilnahme an der Kreuzfahrt verweigert und er an Land gesetzt wurde, wegen „non-compliance“ in Zusammenhang mit dem Muster Drill. In einem Cruise-Critic-Forum ist sogar die Rede von mehreren betroffenen Passagieren. Eine genauere Erläuterung, was im aktuellen Fall genau dazu geführt hat, dass der Passagier an Land gesetzt wurde, gab Holland America nicht. Die grundsätzliche Möglichkeit, Passagiere wieder an Land zu setzen, die sich nicht an die Spielregel halten, sind übrigens schon seit langem im Reisevertrag von Holland America Line enthalten.

Die genaue Formulierung des Kreuzfahrtvertrags lautet ganz allgemein: „Wir können entscheiden, dass es Ihre Sicherheit, (…) oder die Sicherheit und das Wohl anderer Passagiere oder unserer Mitarbeiter erfordert, dass Ihnen entweder bereits vor oder während der Kreuzfahrt (…) die Beförderung (…) verweigert wird (…), wenn Sie die Vorschriften oder Befehle des Schiffskapitäns oder anderer Schiffsoffiziere nicht befolgen“.

Ein Passagier an Bord der Westerdam berichten, dass bei der Ankündigung der Rettungsübung über die Bordlautsprecher neuerdings auch klar formuliert werde, dass Passagiere, die nicht an der Übung teilnehmen, nicht an der Kreuzfahrt teilnehmen dürften. Auch kontrolliere Holland America Line inzwischen wieder per Passagierlisten, dass tatsächlich alle Passagiere an der Rettungsübung teilnehmen.

Das Dilemma der bisherigen Vorschriften zur Rettungsübungen: Es ist zwar ein Muster Drill innerhalb der ersten 24 Stunden eine Kreuzfahrt vorgeschrieben – und viele Reedereien, darunter AIDA und TUI Cruises, wollen die Übung ab sofort immer schon vor Abfahrt des Schiffs durchzuführen. Nicht genauer geregelt ist aber, wie mit Passagieren zu verfahren ist, die nicht an der Übung teilnehmen. Entsprechend unterschiedlich wird das bei den einzelnen Reedereien gehandhabt. Bei einigen wurde bislang eine Nachschulung durchgeführt, bei anderen noch nicht konsequent einmal kontrolliert, wer überhaupt an der eigentlichen Übung teilnimmt.

Persönliche Anmerkung: Unsere private Erfahrung vor allem auf zahlreichen Kreuzfahrten mit Royal Caribbean International zeigt, dass man Rettungsübungen als Reederei durchaus sehr ernst nehmen und durchsetzen kann. Bei RCI wurde auch schon vor dem Costa-Concordia-Unfall die Anwesenheit der Passagiere mit Listen kontrolliert, auf einigen großen Schiffen inzwischen sogar mit WLAN-gestützten Lesegeräten für die Bordkarten.

Crew-Mitglieder räumen alle Decks und schicken die Passagiere konsequent zu ihrer Musterstation – die Crewmitglieder sind im Rahmen ihrer Rolle bei der Rettungsübung dafür verantwortlich, dass sich in ihrer jeweiligen Sektion während der Übung kein Passagier mehr aufhält, auch nicht in den Kabinen. Das entspricht einem realistischen Szenario auch in einem echten Notfall, in dem die Crew sicherstellen muss, dass niemand den Alarm überhört oder beispielsweise ohne fremde Hilfe seine Kabine nicht verlassen kann.

Wer es auf einem RCI-Schiff schafft, trotzdem nicht an dem Muster Drill teilzunehmen, wird persönlich per Brief auf der Kabine zur Teilnahme an einer Nachschulung aufgefordert. Lediglich Zwangsmaßnahmen für hartnäckige Verweigerer gab es bislang dem Vernehmen nach nicht. Nicht geübt wird dagegen auf den meisten Schiffen das Anlegen der Schwimmweste – die Übungen finden inzwischen auf fast allen Schiffen ohne die Rettungsweste statt, das Anlegen wird lediglich per Video oder von Crew-Mitgliedern demonstriert und erklärt.

10 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

10 Gedanken zu „Rettungsübung verweigert: Rausschmiss“

  1. Auch ich kenne diese strenge Vorgehensweise mit persönlicher Mitteilung und Nachschulung von vielen Schiffen.
    Dennoch gilt es zukünftig wieder mehr die Erntshaftigkeit der Übung den Gästen deutlich zu machen. Dabei sind sowohl die Besatzung gefordert (kein Animationsprogramm daraus zu machen) als auch die Gäste (es nicht als Entertainment für die eigenen – verbotenen – Kameras zu sehen).
    Ich erinnere mich gut, wie ich – um mit meinem Namen zu spielen – manchen Gast vergrätzt habe, weil ich eine geordnete Übung forderte, streng kontrollierte und korrigierte, Spieln mit der Pfeife und Boxkämpfe mit den Westen verboten habe. Auch erinnere ich mich, dass wir einen Gast im ersten Hafen des Schiffes verwiesen haben, der volltrunken zu spät zur Übung kam, keine Einsicht einer Nachschulung zeigte und auch sonst eher gefährdend agierte.

  2. Die Reedereien sind bei der Rettungsübung (vermeintlich) in einer Zwickmühle – einerseits verkauft man den Passagieren einen wunderschönen, unbeschwerten Urlaub und andererseits muss man den Leuten schon kurz nach dem Einsteigen erstmal für ein halbe Stunde „den Spaß nehmen“ und ihnen in aller Ernsthaftigkeit erklären, dass eine Seereise eben auch Gefahren birgt, auf die man sich vernünftigerweise gut vorbereitet. Der Costa-Unfall gibt hoffentlich Anlass dazu, dass die Passagiere sich dessen wieder etwas bewußter werden und die Übungen ernst nehmen. Für die Reedereien ist es ein Argument, die Übungen mit mehr Konsequenz durchzuführen.

    Von Flugzeugunfällen weiß man, dass Passagiere, die sich gewissenhaft die Sicherheitsvorträge am Anfang des Fluges anhören und sich den Reihenabstand zum nächsten Notausgang einprägen, bessere Überlebenschancen haben (hat jedenfalls mal ein Flugsicherheits-Experte in einer N24-Dokumentation gesagt). Für Kreuzfahrten sollte das noch viel mehr gelten. Denn sind wir ehrlich: Bei einem Flugzeugunfall sind die Überlebenschancen ziemlich gering, bei einem Schiffsunglück dagegen sogar recht hoch – wenn man denn weiß, wo die Schwimmweste ist, die Bänder schonmal bei der übung auf die richtige Länge gebracht hat und weiß, wie man sie anlegt, wo der Fluchtweg langgeht und wo die Musterstation ist …

  3. Zitat: „(kein Animationsprogramm daraus zu machen)“,
    was mir auf manchen Schiffen ausgesprochen gut gefallen hat.

    Dadurch hat bei Disney sicherlich jedes Kind (und von denen gab es viele) gewusst, welche Nummer sein Rettungsboot haben würde und wo es „in the unlikely event of an emergency“ zu finden sei. Great show!!!

  4. Das ist ja auch ein Trick, den die Fluggesellschaften gelegentlich anwenden – die ganze Sache witzig rüberbringen, um wieder etwas Aufmerksamkeit zu bekommen. Bei Celebrity Cruises demonstrieren die überaus attraktiven Tänzerinnen das Anlegen der Schwimmweste – zumindest die Männer schauen da vermutlich sehr genau zu ;-)

    Was man aber unbedingt vermeiden muss – und da stimme ich Sebastian vollkommen zu – ist, dass die Passagiere das als Themen-Party o.ä. wahrnehmen, Scherze mit den Schwimmwesten treiben (Trillerpfeifen-Wettkämpfe, Box-Übungen etc.), den gesamten Muster Drill hinter dem Sucher ihrer Video-Kamera verbringen oder mit einem Cocktail in der Hand schonmal für das Besäufnis am Abend vorglühen. Denn bei dieser Art von Show/Party geht jeglicher Lerneffekt komplett verloren.

  5. @Ludwig: Mit allem Respekt, diese Aussage halte ich für haarsträubend. Je besser Notfallübungen geübt sind, desto zivilisierter läuft eine reale Notsituation ab. Denn Panik entsteht, wenn Menschen keinen Ausweg mehr sehen und sich an keinen eingeübten Abläufen festklammern können. Der Sinn einer Übung ist ja gerade, das ruhige und zielgerichtete Verhalten in einem Notfall einzuüben. Routine hilft Panik zu vermeiden. Und eine besonnene (ebenfalls gut trainierte) Crew, die in einer Notsituation überzeugend und ruhig die Aktionen leitet und steuert, tut den Rest, um Chaos und Panik zu vermeiden.

    Insofern sind es genau die Übungsverweigerer, die letztlich in einer Notsituation maßgeblich zu Chaos und Panik beitragen, weil sie nicht wissen, was sie tun sollen, hysterisch herumschreien, Anweisungen der Crew ignorieren, weil sie mangels Teilnahme an der Übung den Sinn der Anweisungen nicht verstehen und kein Vertrauen in die Abläufe habeb.

    Die Frage ist letztlich: Will man in einer Notsituation mit roher Ellbogengewalt nur sich selbst retten und egostisch in Kauf nehmen, dass dafür vielleicht Hunderte andere sterben oder akzeptiert man, dass ein gut eingeübtes Gesamtkonzept allen eine sehr gute Überlebens-Chance gibt?

    Abgesehen davon: Selbst wenn ich extremer Egoist bin, hift es mir, wenn ich an der Übung teilnehme. Denn dann habe ich auch selbst mehr Routine, weiß wo ich hinlaufen muss, wo mein Rettungsboot ist, das mich rettet.

  6. Wie soll das mit den Übungen funktionieren, wenn es auf einer 7-tägigen Kreuzfahrt drei verschiedene Abfahrthäfen gibt, wie bei der Costa Concordia?

    Ich kenne übrigens (von der MS Europa und den Seabourn-Schiffen) nur ernsthafte Übungen kurz nach der Abfahrt, mit Schwimmwesten und Kontrolle der Teilnehmer durch Aufruf der Kabinennummern.

  7. @Marita: Ich hab‘ solche Rettungsübungen schon miterlebt. Da werden die neu zugestiegenen Passagiere in eine Lounge oder ins Theater eingeladen; dort wird dann das Anlegen der Schwimmweste erklärt, ein Sicherheitsfilm gezeigt oder ein Crewmitglied hält einen kurzen Vortrag dazu. Auf vielen Schiffen entspricht das exakt dem, was auch am Hauptanreisetag als große Rettungsübung abgehalten wird.

  8. Man kann sie gar nicht wichtig genug nehmen und das konsequente verhalten von HAL finde ich absolut lobenswert. Auch ich kenne es von vielen Kreuzfahrten – auch auf deutschen Schiffen – so, dass wenn nicht jede Bordkarte – zumindest aber jede Kabinennummer kontrolliert wird. Dazu werden auch teilweise die Kabinen selbst ebenfalls kontrolliert, ob sich dort noch Passagiere aufhalten. Entsetzt war ich bestenfalls bei MSC, wo nicht mal die Kabinennummern überprüft wurden sehr halbherzig das ganze …

    Ebenfalls sehr erwähnenswert finde ich das Bestreben einiger Kreuzfahrtgesellschaften zusätzliche Rettungsübungen mit Kindern abzuhalten.

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