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Trotz Sicherungsschein: Versicherung zahlt längst nicht immer

Warum der Sicherungsschein für Reisen nutzlos sein kann

Der Sicherungsschein für Pauschalreisen soll Urlauber bei Zahlungsunfähigkeit des Reiseanbieters absichern. Das gilt auch für Kreuzfahrten, selbst wenn man die Anreise selbst organisiert. Doch längst nicht immer springt die Insolvenzversicherung des Sicherungsscheins auch für Schäden ein, wenn ein Reiseunternehmen oder eine Kreuzfahrtgesellschaft pleite geht. Das jedenfalls erlebten das im November 2010 die rund 400 Passagiere der MS Delphin, deren 15tägige Schwarzmeer-Kreuzfahrt Ende September schon nach wenigen Tagen im französischen Villefranche-sur-Mer vorzeitig zu Ende war – sie warten möglicherweise vergeblich auf Rückerstattung des Kreuzfahrtpreises.

Die Situation war verzwickt: Die Schwarzmeer-Kreuzfahrt der MS Delphin wurde von Hansa Kreuzfahrten abgebrochen, weil – so die offizielle Begründung – die Ölzufuhr zur Hauptmaschine defekt und eine Reparatur nicht sofort zu bewerkstelligen war. Also wurde die Kreuzfahrt abgebrochen, die Passagiere fuhren teils auf eigene Kosten nach Hause. Hansa Kreuzfahrten versprach den Passagieren die Rückerstattung des Kreuzfahrtpreises. Doch rund zwei Wochen später meldete das Unternehmen Insolvenz an, Zahlungen sind hier – zumindest vorerst – nicht mehr zu erwarten.

Trotzdem steht die zuständige Insolvenzversicherung, Zurich Versicherung AG, nach Auskunft eines Passagier-Anwalts auf dem Standpunkt, es handle sich bei der vorzeitig abgebrochenen Kreuzfahrt nicht um einen Versicherungsfall. Tatsächlich sieht das Gesetz über den Sicherungsschein vor, dass nur Schäden abgedeckt sind, die aus der Insolvenz direkt entstehen – also Rückerstattung des Reisepreises bei Reisen, die wegen einer Insolvenz von vorneherein abgesagt werden beziehungsweise Kostenübernahme für die Heimreise von Urlaubern, wenn die Insolvenz während des Urlaubs eintritt. Rückendeckung bekommt sie dabei vom Bundesgerichtshof, der 2005 in einem ähnlichen Fall zu Gunsten einer Versicherungsgesellschaft entschieden hat (Az.: IV ZR 275/03).

Klar ist: Die besagte Kreuzfahrt wurde Wochen vor dem offiziellen Insolvenz-Antrag abgebrochen, die Passagiere hatten also Forderungen gegenüber Hansa Kreuzfahrten, bevor diese Insolvenz anmeldete. Für solche Forderungen gilt: zusammen mit allen anderen Gläubigern des Unternehmens beim Insolvenzverwalter hinten anstellen und hoffen, dass genug Masse da ist, um Gläubiger zu bedienen.

Zahlungsunfähig oder nicht?

Streitpunkt im Falle MS Delphin ist nun, ob der Veranstalter möglicherweise schon zum Zeitpunkt der Kreuzfahrtabbruchs Ende September zahlungsunfähig war. Einige Passagiere sehen das so und wollen gerichtlich gegen die Zurich Versicherung vorgehen, um eine Entschädigung aus der Insolvenzversicherung zu erzwingen.

Für die Insolvenzversicherung ist nicht der formelle Insolvenzantrag maßgeblich, sondern wann tatsächlich Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Allerdings muss der Passagier das beweisen – keine leichte Aufgabe. Das stärkste Indiz dafür, dass Hansa Kreuzfahrten möglicherweise schon Ende September zahlungsunfähig war, ist die Beschlagnahme der MS Delphin in Villefranche durch die französischen Behörden. Mit dieser Beschlagnahme sollten nämlich Schulden von Hansa Kreuzfahrten in Höhe von 2,4 Millionen Euro gegenüber dem Geschäftspartner First Cruise One mit Sitz auf den Bahamas (zur griechischen Restis Group gehörig) abgesichert werden. Eine solche Maßnahme legt die Vermutung nahe, dass First Cruise One schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an die Zahlungsfähigkeit von Hansa Kreuzfahrten glaubte. (Am Rande bemerkt: Die Beschlagnahme wurde bald wieder aufgehoben.)

Immerhin: Anders als die Crew der MS Delphin, die immer noch am Schiff festsitzt, sind die Passagiere längst wieder wohlbehalten zu Hause – wenn auch um die Erfahrung reicher, dass der gesetzlich vorgeschriebene Sicherungsschein keineswegs immer schützt. Denn die faktische Zahlungsunfähigkeit eines Veranstalters zu beweisen, wenn der noch keinen Insolvenzantrag gestellt hat, ist reichlich aussichtslos. Bei Reisemängeln vor Ort sollte man daher – vor allem bei etwas dubiosen Umständen – auf keinen Fall weitere Zahlungen an den Veranstalter leisten oder zusätzliche Hotelübernachtungen sowie eine vorzeitige Rückreise aus eigener Tasche vorstrecken, selbst wenn der Veranstalter eine nachträgliche Erstattung zusagt. Denn geht der Veranstalter kurz darauf Pleite, ist eine solche Zusage trotz Sicherungsschein wertlos.

10 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

10 Gedanken zu „Warum der Sicherungsschein für Reisen nutzlos sein kann“

  1. Hallo zusammen,
    auch ich gehöre zu den „betroffenen“ 400 Passagieren, der in Nizza abgebrochenen Kreuzfahrt. Nun hat diese ja überhaupt nicht stattgefunden – zurückgelegte Seemeilen = 0,0 und hierin sehe ich einen erheblichen Unterschied zu dem zitierten Gerichtsurteil, denn dort geht es um Schadensersatzansprüche wegen Reisemängeln. Davon kann bei uns ja nun nicht die Rede sein.

    Ich bin auf der Suche nach ebenfalls betroffenen Passagieren. Möglichereise können wir gemeinsam mehr erreichen.
    Mail: [email protected]

  2. Ich bin kein Jurist und will auch auf keinen Fall diesen konkreten Fall juristisch bewerten. Aber ich denke schon, dass diese Kreuzfahrt als „vorzeitig abgebrochen“ zu sehen ist, denn Sie waren ja auf dem Schiff, sind damit wohl auch bis Villefranche gefahren und viele Passagiere sind dort auch ein paar Tage noch an Bord geblieben, oder? Natürlich ist der Fall in dem BGH-Urteil anders gelagert, aber letztlich geht es um die selbe Sache: Urlauber haben aus einer Reise Forderungen gegen den Veranstalter, der *später* Insolvenz anmeldete und deshalb dann die ausstehenden Zahlungen (im Urteil die Erstattung für Mängel, bei der MS Delphin die Rückerstattung des Reisepreises) nicht mehr leisten konnte.

    Die Schwierigkeit – da ähneln sich die Fälle dann doch sehr – ist aber doch, dass die Insolvenzversicherung (=Sicherungsschein) nur bezahlt, wenn eine Reise wegen Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters abgesagt oder abgebrochen wird. War also der Grund tatsächlich ein Maschinenschaden (und nicht eine von vielen vermutete bereits bestehende Zahlungsunfähigkeit, den die Passagiere leider erst einmal beweisen müßten), dann greift die Insolvenzversicherung eben nicht. Das meinte ich mit „Lücke im Gesetz“ – die gesetzliche vorgeschriebene Versicherung deckt nur unmittelbare Reiseabsagen wegen Insolvenz ab, nicht jedoch Forderungen von Passagieren aus vor der Zahlungsunfähigkeit eingetretenen Ereignissen, die dann wegen einer späteren Insolvenz von Veranstalter mangels Geld und weil die Konten gesperrt sind nicht mehr bezahlt werden. Ist die Reise beendet, bevor Zahlungsunfähigkeit eintritt, greift die Versicherung nicht. Jetzt liegt es an den Passagieren bzw. ihren Anwälten zu beweisen, dass der Veranstalter möglicherweise schon vorher zahlungsunfähig war.

    Ich drücke jedenfalls allen Passagieren die Daumen, dass sie letztlich doch noch ihr Geld zurück bekommen – ob vom Insolvenzverwalter oder von der Versicherung. Besonders wünsche ich es allerdings dem Ehepaar, von dem ich gehört habe und deren Geschichte einem das Herz zerreißen kann: Die Frau hat auf diese Kreuzfahrt offenbar über elf Jahr hinweg gespart, um ihrem Mann zum Goldenen Hochzeitstag eine besondere Freude zu machen – und dann das …

  3. Hallo Franz,
    ich kenne natürlich die Argumentation und der „Maschinenschaden“ macht es nicht einfacher…

    In der Meldung der französischen Zeitung Metro ist im übrigen nur die Rede davon, dass das Schiff von den französischen Behörden an die Kette gelegt wurde, von einem Maschinenschaden weiß man dort nichts zu berichten:

    Ich denke interessant ist in diesm Zusammenhang vor allem, dass der Gerichtsbeschluß vom 15. September stammt. Die Kreuzfahrt aber erst am 22. September hätte beginnen sollen.
    Das Schiff ist an dem Tag zwar von Nizza nach Villefranche gefahren, aber das war dann wohl eher ein Verholen auf den Arrestplatz.

    Da passt dann auch die offizelle Aussage von Hansa, dass ein Geschäftspartner aufgrund der abgesagten Schwarzmeer-Reise „kalte Füße“ bekommen hat und die Delphin erst daraufhin per einstweiliger Verfügung an die Kette gelegt wurde – zumindestens vom zeitlichen Ablauf her – nun überhaupt nicht…

  4. Spannend! Dass der Gerichtsbeschluß schon vom 15.9. stammt, war mir nicht bewußt. Das könnte bei der Argumentation helfen, die Zahlungsunfähigkeit sei schon vorher vorhanden gewesen.

    Allerdings ist auch zu bedenken, dass First Cruise One die Beschlagnahme auch noch aus einem anderen Grund veranlaßt haben könnte: Hansa Kreuzfahrten streitet sich mit der griechischen Restis Group (Muttergesellschaft von First Cruise One) schon lange über angebliche oder tatsächliche Mängel bei der Renovierung eines anderen Schiffs, der Delphin Voyager. Und da wäre natürlich denkbar, dass sie aus diesem Grund Zahlungen an First One Cruises zurückgehalten haben, quasi als Mietminderung. Möglicherweise hatte Restis Group einfach ihrerseits die Schnauze voll von dem Streit und hat versucht, so die (von mir vermuteten) Mietrückstände einzutreiben. Darauf deutet auch hin, dass Restis die Delphin Voyager etwa zur selben Zeit ebenfalls schon in Piräus festgesetzt hatte.

  5. Hallo Franz,

    Auch ich gehöre zu den Geschädigten der in Nizza abgebrochenen Hansa Kreuzfahrt und bin mehr als wütend über das gesamte Procedere und die Weigerung der Zurich-Versicherung,die Schadensansprüche zu regulieren.
    Der Sicherungsschein sagt doch eindeutig für einen Reiseantritt zwischen dem 01.09.2010 und dem 31.05.2011 eine Reisepreisversicherung infolge einer Zahlungsunfähigkeit oder Eröffnung eines Insolvenzverfahren aus.
    Unser Reisebeginn war der 23.09.2010 (also klar im Versicherungszeitraum)und irgendwelche eventuellen Leistungseinschränkungen in Bezug auf Termine, die sich auf Daten vor/nach Zahlungsunfähigkeit oder Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beziehen, gibt es im Sicherungsschein nicht.
    Evtl. doch existierende Einschränkungen, die eine Leistung so gravierend ausschließen können, müßten m.E. im Sicherungsschein aufgeführt werden. Dieser ist ansonsten nicht korrekt und somit irreführend.
    Ich habe dieserhalb die Geschäftsleitung der Zurich-Versicherung um schriftliche Informationen gebeten und bin auf deren Äußerungen gespannt.

    Die Frage, ob nun tätsächlich ein Maschinenschaden (Ölzufuhr) bestand und zum Abbruch/Nichtdurchführung der Reise geführt hat oder schon vor Reiseantritt Zahlungsunfähigkeit bestanden hat, müßte sich doch gerichtlich klären lassen.(Beschlagnahmungsbechluß bereits vom 15.09.2010)
    Da müßten zur Not eidesstattliche Erklärungen eingefordert werden (Hansa Geschäftsführung, Schiffs-Kapitän/Offiziere und Kreuzfahrt-Direktor).

    Wird das nicht automatisch vom Insolvenzverwalter geprüft und veranlaßt, der doch alle Rechtsmittel versuchen muß, um Forderungen gegenüber der Insolvenzmasse abzuwehren; d.h. die Zurich-Versicherung zu belangen?
    Kann da jemand etwas zu sagen, oder sollte man eigenen Anwalt einschalen?

  6. Paul,

    vor allem wenn Du eine Rechtsschutzversicherung hast, würde ich auf jeden Fall einen Anwalt konsultieren. Ich bin mit dem Insolvenzrecht nicht vertraut – darauf, dass der Insolvenzverwalter irgend etwas automatisch für Dich tut, würde ich mich nicht verlassen.

  7. Es kommt nicht darauf an, ob die Reise wegen des angeblichen Maschinenschadens oder wegen der Insolvenz ausfiel. § 651 k BGB geht auf eine EG-Richtlinie zurück und ist richtlinienkonform auszulegen. Danach hat die Versicherung im Falle der Insolvenz in jedem Fall zu leisten.

    Ich habe in einem vergleichbaren Fall (da wurde wg angeblich zu geringer Buchung abgesagt und dann die Insolvenz angemeldet) Ansprüche Geschädigter gegen die Versicherung durchsetzen können.

    Es scheint eine neue Masche zu sein, dass die Versicherungen in kollusivem Zusammenwirken mit den Reiseveranstaltern versuchen, sich den gesetzlichen Pflichten zu entziehen. Dem ist entgegen zu wirken.

    Rechtsanwalt
    Hartmann Vetter
    Windscheidstr. 20
    10627 Berlin
    Tel.: 030 28832274
    Fax.: 030 28833207
    Mobil 01792171030
    Mail [email protected]

  8. Sehr geehrter Herr..,

    Bin ebenfalls „Geschädigter“.
    Können Sie mir sagen, welche ungefähren Kosten
    bei einer Sammelklage auf den Einzenen zu kämen?

    Danke für Ihre Antwort

  9. Hallo Herr Busch,

    da ich kein Jurist bin, kann ich Ihnen diese Frage leider nicht beantworten. Soweit ich weiß, gibt es dafür Gebührentabellen, sodass jeder Anwalt Ihnen diese Auskunft geben kann.

    Wenn Sie mir Ihre E-Mail-Adresse mailen (an franz | at | cruisetricks . de), schicke ich Ihnen gerne die Kontaktdaten einiger Anwälte, die bereits Hansa-Kreuzfahrten-Kunden in der Angelegenheit vertreten.

    Franz Neumeier
    http://www.cruisetricks.de

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