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Von Luxuslinern, Dampfern, Pötten und Kähnen

Glaubt man den Medien, dann sind auf unseren Meeren immer noch jede Menge von Dampfern und Linien-Passagierschiffen unterwegs. Es gibt kaum eine Kreuzfahrt-Reportage in einer Tageszeitung, in der nicht ein „Luxus-Dampfer“ oder ein „Ozeanliner“ vorkommt. Dabei hat Dampfantrieb im herkömmlichen Sinne längst ausgedient und Flugzeuge haben schon vor Jahrzehnten den Passagier-Linienverkehr über Atlantik oder Pazifik abgelöst.

Zugegeben, auch in Reportagen, die ich selbst in Tageszeitungen veröffentlicht habe, sind immer wieder solche Begriffe aufgetaucht. Redakteure korrigieren Texte gerne mal nach ihrem Gusto – beispielsweise weil „Dampfer“ so schön kurz ist und deshalb besser in die Überschrift passt als „Kreuzfahrtschiff“. Da ist man als Autor ziemlich machtlos.

Ein Redakteur hat’s nicht leicht – oder wie man unter Journalisten gerne mal (oft mit leicht ironischem Beigeschmack) sagt: „Der Redakteur hat’s schwör.“ Was soll er tun, wenn die Überschrift in eine Zeile passen muss, „Kreuzfahrtschiff“ aber schon die halbe Breite einnimmt? Außerdem soll ein Text ja auch etwas locker daherkommen, da ist ein „Luxus-Dampfer“ eine schöne Abwechslung zum trägen „Kreuzfahrtschiff“. Und will man etwas unterschwellige Kritik oder Skepsis am Gesamtkonzept Kreuzfahrt unterbringen, greift man auf „Vergnügungskahn“ oder „Pott“ zurück.

Trotzdem will ich – zumindest mit einem kleinen Augenzwinkern – die beliebtesten Begriffe einfach mal aufgreifen und diskutieren, warum sie vielleicht nicht ganz so optimal sind, wenn es um Kreuzfahrtschiffe geht. Ich finde: Lieber einmal mehr das Wort „Kreuzfahrtschiff“ wiederholen, als mit schrägen oder unzutreffenden Begriffen vermeintlich für Abwechslung, in Wirklichkeit aber für Verwirrung beim Leser zu sorgen. Mitdiskutieren ist ausdrücklich erwünscht und erhofft.

Luxus-Dampfer, Luxusliner

Europa: zweifelsfrei "Luxus"
Europa: zweifelsfrei "Luxus"

Was ist schon Luxus? Immer eine Frage der Perspektive, zweifellos. Aus Sicht eines 3-Sterne-Urlaubs für 400 Euro inklusive Flug irgendwo am Mittelmeer ist auch das einfachste Massenmarkt-Kreuzfahrtschiff Luxus. Aber ich finde, in Zusammenhang mit Kreuzfahrtschiffen sollte man genauer differenzieren.

Die meisten Kreuzfahrtschiffe sind wie ein gutes Hotel ausgestattet, echter Luxus hält sich auf diesen Schiffen aber in Grenzen. Und wenn schon ein Massenmarktschiff als „Luxus“ definiert wird (sehr beliebt im Reederei-Marketing), was sind dann die Schiff der wirklichen Luxus-Reedereien wie beispielsweise Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, Deilmann, Seabourn, Crystal, Seadream, Compagnie du Ponant et cetera?

Mein Plädoyer: „Luxus-Schiff“ nicht inflationär für jedes beliebige Kreuzfahrtschiff verwenden, sondern nur dann, wenn es wirklich auch im Vergleich zur Mehrzahl der restlichen Schiffe „Luxus“ im eigentlichen Sinne ist.

Traumschiff

TV-"Traumschiff" MS Deutschland
TV-"Traumschiff" MS Deutschland

Ähnlich wie der „Luxus“ bringt auch der „Traum“ so seine Probleme mit sich. Denn längst nicht alle Kreuzfahrtschiffe sind wirklich ein „Traumschiff“ – nicht schlecht, die meisten sogar ziemlich gut. Aber als „Traum“-Irgendwas bezeichnet man gewöhnlich nur wirklich absolute Spitzenleistungen, die jede Erwartung übersteigen. Im Vergleich zu den meisten anderen Kreuzfahrtschiffen trifft das aber nicht zu. Verwendet man „Traumschiff“ leichtfertig, läuft man schnell Gefahr, in Marketing-Spreche zu verfallen.

Und, nebenbei, ist der Begriff „Traumschiff“ natürlich auch von einem ganzbestimmten Schiff und einer TV-Serie besetzt – der MS Deutschland. Zur sprachlichen Problematik gesellt sich also auch noch die Verwechslungsgefahr.

Mein Plädoyer: Das Alltägliche und Normale zum Traum zu erheben, sollte man vermeiden. Besser sollte man vom „Traumurlaub am Schiff“ sprechen als von einem „Traumschiff“. Außer es handelt sich wirklich um ein außergewöhnliche faszinierendes Kreuzfahrtschiff, das aus der Masse heraussticht.

Dampfer, Luxus-Dampfer, Vergnügungsdampfer

Die Zeit des Dampfantriebs ist definitiv vorbei, zumindest im klassischen Sinne mit Dampfmaschine und dem heißen, leicht öligen Geruch der Dampfschwaden aus den Überdruckventilen. Freilich gibt es tatsächlich auch moderne Schiffe, die mit Dampf arbeiten. Mit der guten alten Dampfmaschine hat das aber nichts zu tun. Und vor allem rechtfertigt der Einsatz von Dampf auf einigen wenigen Schiffen nicht, alle Kreuzfahrtschiffe pauschal als „Dampfer“ zu bezeichnen.

Mit Dampfturbine, aber gänzlich ohne Dampfer-Romantik: Brilliance of the Seas
Mit Dampfturbine, aber gänzlich ohne Dampfer-Romantik: Brilliance of the Seas

Wo kommt Dampf noch zum Einsatz? In hochmodernen Dampfturbinen, die heutzutage mit Gasturbinen zur sehr effizienten Stromerzeugung an Bord einiger Schiffe eingesetzt werden. Namentlich kommt diese als COGES bezeichnete Technik auf folgenden Kreuzfahrtschiffen zum Einsatz: Brilliance of the Seas, Jewel of the Seas, Radiance of the Seas, Serenade of the Seas, Celebrity Constellation, Celebrity Infinity, Celebrity Millennium und Celebrity Summit. Die Technik heißt COGES und steht für “COmbined Gas turbine and steam turbine integrated Electric drive System”. Dabei wird im Wesentlichen die Abwärme der Gasturbinen genutzt, um Dampfturbinen zu betreiben und damit die Energie-Effizienz deutlich steigert zu steigern.

Mein Plädoyer: Von Dampfer-Romantik – an die man bei der Bezeichnung „Dampfer“ unwillkürlich denkt – ist bei COGES-Systemen nichts mehr zu sehen, zu spüren oder zu riechen. Zudem kommen Dampfturbinen nur auf sehr wenigen Kreuzfahrtschiffen tatsächlich zum Einsatz. Pauschal sollte man deshalb den Begriff „Dampfer“ für moderne Kreuzfahrtschiffe komplett vermeiden.

Liner, Oceanliner, Ozeanliner

Am meisten streiten kann man sich über den Begriff „Liner“. Selbst eingefleischte Schiffs-Fans verwenden die Begriffe „Liner“, „Oceanliner“ oder auch das eingedeutschte „Ozeanliner“ gerne. Trotzdem, will man pingelig sein, dann ist die Bezeichnung zumindest nicht sehr treffend.

Denn „Liner“ stammt historisch gesehen aus der Zeit, als man noch nicht mit dem Flugzeug in sechs Stunden von Frankfurt nach New York jetten konnte. Passagierschiffe im Linienverkehr bedienten solche Strecken über den Atlantik, den Pazifik oder auch nach Asien und Australien. Feste Fahrpläne und möglichst hohe Fahrgeschwindigkeit bestimmten das Geschäft, Stopps unterwegs wurden nur gemacht, um zusätzliche Passagiere aufzunehmen und hauptsächlicher Zweck dieser Seereisen war es, die Passagiere möglichst schnell von A nach B zu bringen.

Geht gerade noch als "Liner" durch: Queen Mary 2
Geht gerade noch als "Liner" durch: Queen Mary 2

Bei Kreuzfahrten steht heutzutage aber das Vergnügen und der Urlaub im Vordergrund, Entschleunigung statt Höchstgeschwindigkeit ist angesagt und um von A nach B zu kommen, fährt (außer auf Fähren) niemand mehr mit dem Schiff. Mit Ausnahme vielleicht einiger unter extremer Flugangst leidender Passagiere.

Am ehesten erfüllen heute noch die Cunard-Schiffe auf ihren Transatlantik-Routen die Kriterien für einen „Oceanliner“. Diese Schiffe zeichnet sogar eine besondere Bauweise aus, die auf Geschwindigkeit und raue See ausgelegt ist, während typische Kreuzfahrtschiffe eher Schönwetter-Schiffe sind, die schlechtem Wetter ausweichen, statt hindurchzufahren.

Mein Plädoyer: Will man Tradition und Historie betonen, kann man „Oceanliner“ schonmal verwenden. Für schwimmende Ferienressorts wie eine Oasis of the Seas, Norwegian Epic oder Carnival Dream ist der Begriff aber schon sehr weit hergeholt und trifft die Sache nicht. Oder bin ich da zu pingelig?

Kreuzliner, Cruiseliner

Auch „Kreuzliner“ liest man gelegentlich. Sprachlich stellen sich mir dabei die Nackenhaare auf. Zum einen kombiniert der Begriff einen englischsprachigen und einen deutschen Teil – das solle man wirklich vermeiden. „Cruiseliner“ vermeidet zumindest diesen ersten Teil des Problems, indem zumindest nicht zwei verschiedene Sprachen gemischt werden.

Doch beide Varianten bergen einen großen, inneren Widerspruch: Sie setzen sich aus „kreuzen“ und „Liner“ zusammen – ein Schiff kann aber entweder kreuzen oder eine Linie bedienen, beides gleichzeitig geht nicht. Es sei denn, man definiert den Rundkurs eines Kreuzfahrtschiffs sehr großzügig ebenfalls als Linienstrecke.

Mein Plädoyer: „Kreuzliner“ ist zumindest am Rande des Sinnvollen, sodass man dieses Wort besser nicht verwendet. „Cruiseliner“ ist für mein persönliches Empfinden zumindest sprachlich unsinnig, bei weiter Auslegung aber wohl vertretbar.

Boot, Kahn, Pott

Bleiben noch die gerne mal ironisch, polemisch oder auch nur leichtfertig verwendeten Bezeichnungen „Boot“, „Kahn“ oder „Pott“. Für Kreuzfahrtschiffe sind diese Bezeichnungen allesamt ungeeignet, außer man will damit etwas Gezieltes ausdrücken.

Die Bezeichnung „Boot“ ist schon allein wegen der immensen Größe heutiger Kreuzfahrtschiffe unsinnig. Trotzdem ist die Bezeichnung „boat“ vor allem bei Amerikanern durchaus häufig anzutreffen, selbst wenn die Rede von sehr großen Schiffen ist. Doch auch in den USA ist es sprachlich nur korrekt, Flussschiffe unabhängig von ihrer Größe als „boat“ zu bezeichnen. Kreuzfahrtschiffe sind definitiv keine Boote.

Kahn und Pott haben in der Regel einen despektierlichen und abwertenden Beigeschmack. In der Umgangssprache deuten sie auf altersschwache und schwerfällige Schiffe hin. Beides trifft auf moderne und für ihre Größe sehr wendige Kreuzfahrtschiffe wohl kaum zu. Will man unterschwellige, leicht polemische Kritik äußern, bieten sich „Kahn“ und „Pott“ aber durchaus als Möglichkeit an, um ein wenig zu sticheln, ohne genauer auf den Kern der Kritik eingehen zu müssen.

Ein Kahn ist laut Wikipedia ein „für Flüsse, Binnen- und Hafengewässer einsetzbares, kleines, flachbodiges, ungedecktes Wasserfahrzeuges“. Nichts von alledem trifft auf ein Kreuzfahrtschiff auch nur annähernd zu. Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen.

Mein Plädoyer: Bei der Optik einiger moderner Schiffe drängt sich der Begriff „Pott“ durchaus auf. Trotzdem finde ich, dass man seine Kritik zumindest zusätzlich zur Verwendung des Begriffs „Pott“ noch etwas differenzierter erläutern sollte. „Kahn“ ist dagegen beim besten Willen einfach schon sachlich falsch und sollte in Zusammenhang mit Kreuzfahrtschiffen nicht verwendet werden.

Kreuzfahrtschiff, schwimmendes Ferienressort

Was bleibt also an Begriffen, die man verwenden sollte, wenn man es sprachlich ganz genau nimmt? Vor allem natürlich „Kreuzfahrtschiff“ oder das noch neutralere „Schiff“. Salopp könnte man auch von „Kreuzfahrer“ sprechen, wobei je nach Kontext nicht immer eindeutig ist, ob das Schiff oder die Passagiere gemeint sind.

Leicht altbacken, aber nicht falsch wären Bezeichnungen wie „Urlaubsschiff“ oder „Ferienschiff“. Aber bitte nicht „Urlaubs-Dampfer“ ;-)

Besonders auf die Mega-Schiff (auch ein wie ich finde akzeptabler Begriff) trifft auch die Bezeichnung „schwimmendes Ferienressort“ zu. Etwas aus der Mode gekommen, aber ebenfalls zutreffend ist „Ozeanriese“.

Für das jeweils größte, mondernste oder wichtigste Kreuzfahrtschiff einer Reederei ist auch die Bezeichnung „Flaggschiff“ gebräuchlich und vertretbar. Der Begriff stammt zwar aus dem militärischen Bereich, wird aber längst auch im Zivilen verwendet.

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Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

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