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Vorteile für Schiffe unter US-Flagge: Jones Act und PVSA

Der „Jones Act“ und seine skurrilen Auswirkungen auf die Kreuzfahrt

Der „Jones Act“ spielt bei Kreuzfahrten von amerikanischen Häfen aus eine wichtige Rolle – oder genau genommen: der „Passenger Vessel Services Act“. Das US-Gesetz verhindert bestimmte Fahrtrouten, erschwert Passagieren das spätere Zusteigen bei verpasstem Schiff und treibt auch sonst einige skurrile Blüten. Cruisetricks.de hat sich dieses rund hundert Jahre alte Gesetz einmal genauer angesehen.

Der „Jones Act“ beschäftigt sich mit inländischem, küstennahem Schiffsverkehr (Fachbegriff: „Kabotage“). Wenn landläufig vom „Jones Act” die Rede ist, geht es für die Kreuzfahrt genau genommen um zwei verschiedene Gesetze: den Passenger Vessels Services Act (PVSA oder PSA) von 1886 (46 U.S. Code, §55103) und den Merchant Marine Act von 1920. Letzteres ist der ursprüngliche „Jones Act“ (46 U.S. Code, §55102), der vom republikanischen Senator Wesley Livsey Jones initiiert wurde, dessen Namen das Gesetz daher trägt. Heute werden zumeist beide Gesetze zusammengenommen als „Jones Act“ bezeichnet.

Jones Act: Sonderrechte für Schiffe unter US-amerikanischer Flagge

Merchant Marine Act und PVSA erlauben inneramerikanischen Passagier- und Warentransport von A nach B nur für Schiffe, die unter amerikanischer Flagge fahren. Unter US-Flagge registriert werden können ausschließlich Schiffe, die einige strenge Bedingungen erfüllen: Die Schiffe müssen in den USA gebaut worden sein, einen US-amerikanischen Eigentümer haben und mindestens 75 Prozent der Besatzung muss aus amerikanischen Staatsbürgern bestehen (bezieht sich auf „unlicensed crew“, also beispielsweise nicht auf Offiziersränge). Daraus ergibt sich auch, dass amerikanisches Arbeitsrecht gilt, inklusive Mindestlohn und gewerkschaftlichem Einfluss.

Skurriler Randaspekt: Der Jones Act trifft in Ausnahmefällen sogar Besatzungsmitglieder, wie der Senior Cruise Director von Carnival Cruise Lines John Heald kürzlich wieder feststellte. Um als Besatzungsmitglied im Sinne des Jones Act zu gelten, muss die Person nämlich einen signifikanten Teil seiner Zeit an Bord Aufgaben erfüllen, die für den Betrieb des Schiffs relevant sind. Reederei-CEOs beispielsweise, die ihren Schiffen einen kurzen Besuch abstatten, dürften daher ebenfalls betroffen sein.

Noch skurriler: Ein Expeditionskreuzfahrtschiff wie die Scenic Eclipse darf ihr bordeigenes Mini-U-Boot nicht in amerikanischen Gewässern einsetzen, weil es ja, so absurd es klingt, Passagiere innerhalb der USA befördert – nämlich vom Schiff einige hundert Meter weg und wieder zum Schiff zurück, also dazwischen keinen ausländischen Hafen anläuft.

Am schwierigsten ist die Jones-Act-Bedingung zu erfüllen, dass das Schiff in den USA gebaut sein muss. Denn es gibt aktuell keine Werft in den USA, die große Kreuzfahrtschiffe bauen könnte und die entsprechende Erfahrung hätte. Aber auch ausreichend qualifiziertes und motiviertes Personal mit US-Staatsbürgerschaft zu bekommen, ist nicht ganz einfach, wie Norwegian Cruise Line zu Beginn seiner Hawaii-Aktivitäten schmerzvoll erfahren musste. Inzwischen hat die Reederei dieses Problem aber im Griff.

Unter den größeren Kreuzfahrtschiffen erfüllt diese strengen Bedingungen für die US-Flagge derzeit nur die Pride of America von Norwegian Cruise Line. Deshalb darf sie als einiges Kreuzfahrtschiff dauerhaft von Honolulu aus zu den übrigen Hawaii-Inseln fahren, obwohl das eine rein inneramerikanische Route ohne ausländischen Hafenstopp ist.

Auswirkungen auf Kreuzfahrtschiffe unter ausländischer Flagge

Für alle anderen Kreuzfahrtschiffe, beispielsweise unter der Flagge von Malta, den Bermudas oder Bahamas, der Niederlande oder Panamas gelten Einschränkungen.

Ausländische Schiffe dürfen generell nur Reisen von US-Häfen aus anbieten, wenn die Fahrtroute einen ausländischen Hafen beinhaltet – es sich also um eine internationale Kreuzfahrt handelt. Die US-Gebiete Puerto Rico und U.S Virgin Islands (St. Thomas, St. Croix, St. John) gelten in diesem Sinne nicht als US-Häfen, würden die Bedingung „ausländischer Hafen“ also erfüllen.

Beinhaltet die Fahrtroute keinen „distant foreign port“ („weit entfernten, ausländischen Hafen“), dürfen ausländische Kreuzfahrtschiffe nur Kreuzfahrten mit identischem Start- und Zielhafen anbieten („closed loop“). Als „distant foreign port“ gelten nicht die Häfen von Kanada, Bermudas, Bahamas, Mexiko und die meisten Karibik-Inseln. Südamerika und ABC-Inseln (Aruba, Bonaire, Curacao) gelten dagegen als „distant foreign ports“.

Miami-Miami: ja, Miami-New Orleans: nein

Eine Karibik-Kreuzfahrt mit Start-/Zielhafen Miami ist also möglich. Eine Reise von Miami beispielsweise nach New Orleans geht dagegen in der Regel nicht. Denn Letzteres wäre ein Passagiertransport von einem amerikanischen Hafen zum anderen, der gemäß Jones Act und PVSA ausschließlich Schiffen unter amerikanischer Flagge vorbehalten ist.

Das genannte Beispiel von Miami nach New Orleans wäre für ein Schiff mit nicht-amerikanischer Flagge nur dann legal möglich, wenn die Kreuzfahrt-Route einen Zwischenstopp beispielsweise in Curacao oder auch Panama (Südamerika) beinhaltet. Ein Stopp auf den Bahamas oder einer anderen Karibik-Insel würde dagegen nicht genügen.

Hawaii: schwierig zu erreichen

Ebenfalls unmöglich sind Kreuzfahrten von Schiffen ohne US-Flagge von einem US-Hafen aus nach Hawaii umgekehrt. Außer, die Reise beginnt und endet im selben Hafen und beinhaltet einen ausländischen Hafen (typischerweise: Ensenada in Mexiko). Dadurch werden Hawaii-Kreuzfahrten aber sehr lang, weil sowohl am Hin- als auch am Rückweg jeweils vier Seetage liegen. Oder sie beginnen in Kanada und enden in Hawaii. Noch längere Routen von den USA aus via Hawaii in die Südsee oder nach Australien/Neuseeland funktionieren ebenfalls.

Folgen des Jones Acts und PVSAs für Passagiere und Reedereien

Die Verletzung von Jones Act und PVSA zieht eine Strafzahlung von 300 Dollar pro Passagier nach sich, welche die Reederei bezahlen muss.

Das Skurrile daran ist, dass dies auch in Notfällen und Ausnahmesituationen gilt. Verpasst also beispielsweise ein Passagier wegen Flugverspätung das Kreuzfahrtschiff in Miami, ist ein Zustieg am nächsten Tag etwa in Key West laut Jones Act nicht zulässig.

Auch unbeabsichtigte, unvorhersehbare Situationen setzen den Jones Act nicht außer Kraft. Verpasst ein Passagier also beispielsweise wegen einer Flugverspätung sein Schiff in Miami und will beim nächsten Hafenstopp in einem US-Hafen wie etwa Key West zusteigen, ist das eine Verletzung des Jones Acts. Denn die Kreuzfahrt würde diesen Passagier dann ja von Key West nach Miami befördern …

Probleme bei Flug-Verspätung

Reedereien gehen unterschiedlich mit solchen Situationen um. Viele verweigern den Zustieg und verweisen den Passagier auf den nächsten ausländischen Hafen als verspätete Zustiegsmöglichkeit. Andere, wie beispielsweise Carnival Cruise Line, ermöglichen auf Wunsch den Zustieg in nächsten US-Hafen zwar, reichen die entsprechende Strafzahlung von 300 Dollar aber an den Passagier weiter.

In jedem Fall sollte man in solchen Fällen zuerst die Reederei kontaktieren, bevor man entsprechende Flüge bucht, um sicher zu gehen, dass man auch tatsächlich an Bord gehen darf.

Bei entsprechenden Kreuzfahrten kann es daher auch aus diesem Grund sinnvoll ein, die Fluganreise über die Reederei im Paket zu buchen. Denn dann ist es das Problem der Reederei, die Passagiere möglichst bald aufs Schiff zu bringen und gegebenenfalls die Jones-Act-Strafe von 778 Dollar pro Passagier zu bezahlen.

Selbst medizinische Notfälle verletzen das Gesetz

Noch absurder: Auch bei einem medizinischen Notfall verlangt die U.S. Customs and Border Protection (CBP) die Strafe von der Reederei. Beispielsweise wenn das Schiff in New York startet und während der Reise in Richtung Karibik ein Passagier wegen eines medizinischen Notfalls aussteigen und sich in ein Krankenhaus auf dem amerikanischen Festland begeben muss. Ob dies auch bei Ausfliegen per Hubschrauber zutrifft, konnte ich übrigens trotz intensiver Recherche bislang nicht klären.

Unangenehmer Fallstrick für amerikanische Passagiere

Closed-Loop-Kreuzfahrten von US-amerikanischen Häfen aus gelten im Sinne der U.S. Customs and Border Protection nicht als Auslandsreise im engeren Sinne. Deshalb benötigen Amerikaner für diese Kreuzfahrten nicht zwingend einen Reisepass. Stattdessen genügt beispielsweise eine Geburtsurkunde („birth certificate“). Reedereien raten dennoch dringend zu einem Reisepass – aus gutem Grund …

Denn reist ein Amerikaner nur mit Geburtsurkunde und ohne Reisepass, darf er die Kreuzfahrt ausschließlich in dem Hafen beenden, in dem er das Schiff bestiegen hat. Gewöhnlich ist das bei einer Closed-Loop-Kreuzfahrt der Fall. Nicht aber in Ausnahmesituationen: nämlich, wenn das Schiff aus technischen Gründen, bei schlechtem Wetter oder einer Naturkatastrophe wie dem Hurrikan Harvey Ende August 2017 auf einen anderen Hafen ausweichen muss.

Unangenehmer Nebeneffekt für Passagiere der vier Kreuzfahrtschiffe, die wegen Hurrikan Harvey nicht (pünktlich) nach Galveston zurück konnten: Viele von ihnen durften nicht von den angelaufenen Ausweichhäfen Miami oder New Orleans nach Hause fliegen. Sie mussten die Kreuzfahrt bis zum ursprünglichen Starthafen – in diesem Fall Galveston – fortsetzen. In diesem Fall wäre ein Ausschiffen im Ausweichhafen auch nicht mit einer 300-Dollar-Strafe erledigt. Vielmehr würde die CBP wohl wegen eines Einreise-Vergehens ermitteln. Bei diesem Thema kennen US-Behörden keinen Spaß.

Nicht buchbare Kreuzfahrt-Routen

Schwer nachvollziehbar ist noch ein weiterer Effekt des Jones Acts und PVSAs: Bestimmte Kreuzfahrt-Routen können erst gar nicht gebucht werden. So ist es beispielsweise nicht zulässig, zwei aufeinander folgende Reisen zu buchen, die von Alaska nach Vancouver und anschließend von Vancouver nach Los Angeles führen. Wer eine solche Kombination online dennoch bucht, wird bald von der Reederei mitgeteilt bekommen, dass die Reise so nicht stattfinden kann.

Obwohl es sich dabei um zwei separate Kreuzfahrten handelt, verletzt dies dennoch das Gesetz, weil die gesamte Reise einen Passagiertransport von einem amerikanischen Hafen zu einem anderen darstellt. Jones Act und PVSA verhindern also eine eigentlich wunderschöne Überführungs-Kreuzfahrt von Alaska nach Miami oder Fort Lauderdale, wenn das Schiff vom Sommer- ins Winter-Fahrtgebiet wechselt.

Einzige, eher theoretische Ausnahme: wenn die beiden Teilstrecken auf jeweils unterschiedlichen Schiffen stattfinden würden. Selten jedoch wird man eine solche Konstellation in den Routenplänen der Reedereien finden.

Abschaffung des Jones Acts

Auch wenn es den Passenger Vessel Services Act schon über hundert Jahre gibt und der Merchant Marine Act nur wenige Jahre jünger ist: Eine Abschaffung der altertümlich anmutenden Regelungen ist nicht absehbar. Entsprechende Gesetzesinitiativen – insbesondere Senator John McCain war ein erklärter Gegner des Jones Acts – sind bislang immer gescheitert. In einer Studie von 2013 spricht die U.S. International Trade Commission von einem möglichen, wirtschaftlichen Vorteil von 5 bis 15 Milliarden Dollar jährlich, würde man den Jones Act abschaffen oder reformieren.

Als Gründe für die Beibehaltung der veralteten Gesetze werden die Erhaltung von Jobs in der amerikanischen Schifffahrt und die nationale Sicherheit genannt. Ein Grund ist aber auch, dass der Jones Act einige Regelungen zur Haftung von Reedereien und zum Schutz von Crewmitgliedern enthält, etwa wenn sie an Bord verletzt werden. Letzteres gilt natürlich nur dann, wenn der Jones Act auch anwendbar ist – also auf Kreuzfahrten ab US-amerikanischen Häfen.

17 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

17 Gedanken zu „Der „Jones Act“ und seine skurrilen Auswirkungen auf die Kreuzfahrt“

  1. Sehr interessanter Artikel. Ich habe bereits vorher gehört, dass die USA hier sehr strenge Vorschriften haben, aber das es so strikt ist hätte ich nie gedacht.
    Meiner Meinung nach sollten diese beiden, doch sehr alten, Gesetzte entfernt werden. Sie sorgen nur für unnötigen Aufwand und sind für die Reedereien sicherlich sehr lästig.
    Aber so ist das wohl, im Land mit den kuriosesten Gesetzen…

  2. Für die Kreuzfahrt allein betrachtet, trifft das sicherlich zu. Aber die Schifffahrt insgesamt, also v.a. auch Öltanker, Container- und Stückgut-Frachter ist da nochmal ein anderes Thema. Denn die Abschaffung würde am Arbeitsmarkt in diesem Sektor schon sehr viel verändern. Nicht ganz einfach zu lösen, aber reformbedürftig ist das Gesetz allemal.

  3. Sehr informativ, und sehr gut erklärt. Dies zeigt eben wieder einmal mehr auf, was für Vorschriften im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ herrschen.
    Hier kann wohl niemand über seinen Schatten springen, und dieses Gesetz abschaffen.

    Vielen Dank dafür

  4. Ein paar milde Reformen könnten hier durchaus helfen, die Nachteile für Passagiere zu minimieren, ohne die Vorteile für die Besatzungen, die geschaffen werden sollen, zu reduzieren.
    Alleine schon eine Ausnahmeregelung für Situationen, in denen der Passagier nichts dafür kann, daß die Bestimmungen nicht eingehalten werden. Sei es im Falle eine Flugverspätung nicht den tatsächlichen Ort des Anbordgehens zu betrachten, sondern den gebuchten Reisebeginn, oder im Fall von witterungsbedingten Umroutungen, wo am Ende der Reise ein Ausweichhafen angelaufen wird. Auch das Thema Einreise, was im Artikel angesprochen ist – für US-Brger sollte (ich weiß, es ist in diesem Zusammenhang nicht so) die Einreise ins eigene Land doch eigentlich an jeder Grenze möglich sein, und Bürger anderer Staaten müssen an jeder US-Grenze die gleichen Formalitäten erfüllen.
    Oder auch bei einer Ausschiffung im medizinischen Notfall – ich wage mal zu behaupten, die wenigsten Passagiere buchen eine Kreuzfahrt, um diese irgendwo im Reiseverlauf aus medizinischen Gründen abzubrechen. ;-)

  5. @Eike: volle Zustimmung. Nur eine Anmerkung bzgl. Einreise von Amerikanern: Das Problem ist, dass in diesen Fällen (also Reise ohne Pass; so etwas wie Personalausweis gibt’s in den USA ja nicht) formell gar keine richtige Ausreise stattgefunden hat, weswegen eben das Zurückkommen an der selben Stelle stattfinden muss wie das Verlassen. Genau genommen ist die ganze Konstruktion dämlich, dass man ohne gültige Papiere das Land überhaupt verlassen darf. Aber das ist halt wohl ein Zugeständnis an die Kreuzfahrtindustrie, weil viele sonst keine Kreuzfahrt buchen würden. Wenn eine 4-Tage-Reise 300 Dollar kostet und ich dazu nochmal über hundert Dollar für einen Reisepass ausgeben soll, würde ich mir das auch genau überlegen …

  6. Daß in den USA der Personalausweis nicht existiert, ist mir auch klar – allerdings sollte es doch trotzdem möglich sein, wenn ein Staatsbürger, der sich mit ziemlicher Sicherheit durch die in den USA übliche Methode (Führerschein als ID) ausweisen kann, irgendwie den Grenzkontrollpunkt von außen nach innen überschreitet. Mir kann keiner weismachen, daß es im Land der unbegernzten Datensammelwut keine Möglichkeit gibt, festzustellen, daß Joe Smith aus Littleville, Alabama, geboren am…. US-Staatsbürger ist oder nicht, sofern er sich zweifelsfrei ausweisen kann. Zumal ich ja auch nur von Ausnahmesituationen rede. Ggfs. dauert die Einreise dann eben etwas, weil die Staatsbürgerschaft erst überprüft werden muß.

    Wobei ich den Preis von > $100 schon heftig finde für einen Reisepaß. Und ich dachte, der in Deutschland sei teuer.

  7. Dass man in Ausnahmesituationen wie dieser eine Lösung finden könnte, denke ich auch, keine Frage.

    Aber es ist wirklich so: Führerscheine werden in den USA von lokalen Behörden ausgestellt, da gibt es keine zentrale Datenbank, auf die die CBP so schnell und einfach zugreifen könnte, wie das bei einer Grenzkontrolle nötig wäre, wo gerade bei der Ausschiffung eines großen Kreuzfahrtschiffe ja bestenfalls ein, zwei Minuten Zeit für die Prüfung bleiben. Und hinzu kommt das grundsätzliche Misstrauen, das in den USA zwischen verschiedenen Sicherheitsbehörden herrscht – bei Führerscheinen vielleicht sogar zu Recht. Denn ein Führerschein hat ja, aus Sicht der ausstellenden Behörde, nur den Zweck zu zeigen, dass der Inhaber eine Fahrerlaubnis hat (in den USA ohnehin kinderleicht zu bekommen). Das erfüllt nicht den Sicherheitsstandard, den man für Homeland Security und CBP bei einem Grenzübertritt benötigt …

    Also, ich kann’s verstehen, dass ein Füherschein oder eine Geburtsurkunde da nicht ausreichen. Andererseits könnte man bei einer solchen Notsituation wie bei Hurrikan Harvey und einer unvorhersehbaren Umroutung vielleicht dennoch die Kirche im Dorf lassen und akzeptieren, dass sich während der Reise vermutlich weder ein illegaler Mexikaner noch ein Terrorist an Bord geschmuggelt hat und auf diesen Weg versucht, ins Land zu kommen ;-)

  8. Ja gut, daß die Führerscheine lokal ausgestellt werden und sehr einfach zu bekommen sind, weiß ich ja. Aber es sollte irgendwo in den USA doch irgendeine zentrale Datenbank geben, in der die Staatsangehörigkeit (nicht aber der Wohnort, ein Meldewesen wie bei uns gibt es ja nicht) gespeichert ist. Möglicherweise über die Social Security Number verknüpft. Der Führerschein hätte in dem Moment nur dazu gedient, die Identität, die der Einreisende vorgibt, zu belegen… und selbst wenn’s dauert, geht es innerhalb mehrerer Stunden, anstelle mehrerer Tage, bis man am ursprünglichen Hafen ankommt.

    Aber wie dem auch sei, das merkwürdige Grenzwesen der USA werden wir von hier aus ohnehin nicht heilen. Wir dürfen nur, wenn wir mal wieder „drüben“ sind, uns wieder hinten in die Schlange einreihen und warten…

  9. Toller Artikel!

    Wegen der Route Alaska-Vancouver-Los Angeles: wäre das denn nicht möglich, wenn man – pro forma – in Vancouver aus- und wieder eincheckt?

  10. Ein ziemlich unsinniges Gesetzt mit furchbaren Auswirkungen. Eine Sache habe ich aber nicht ganz verstanden: „Verpasst ein Passagier also beispielsweise wegen einer Flugverspätung sein Schiff in Miami und will beim nächsten Hafenstopp in einem US-Hafen wie etwa Key West zusteigen, ist das eine Verletzung des Jones Acts. Denn die Kreuzfahrt würde diesen Passagier dann ja von Key West nach Miami befördern“
    Wie transportier das Schiff diesen Passagier denn von Key West nach Vancouver, der war doch gar nicht auf dem Schiff! Wenn das so stimmt wie ich das verstanden habe (er fuhr nuch theoretisch von einem zum anderen Hafen), dann ist das wirklich furchtbar. Die Folgen für die USA sind wohl am gravierendsden: Das Gesetzt wird duch Anläufe im Ausland umgangen, aber in den USA werden trotzdem keine Schiffe gebaut.

  11. @Hen: Gemeint ist folgendes: Kreuzfahrt von Miami über Key West in die Karibik und zurück nach Miami. Der Passagier verpasst das Schiff in Miami. Würde er in Key West zusteigen, würde die Reederei ihn von Key West (mit Umweg über die Karibik) nach Miami befördern – was eine unzulässige Beförderung von A nach B wäre. Steigt er in Key West nicht ein (bzw. lässt die Reederei das wegen der rechtlichen Folgen nicht zu), ist es natürlich kein Verstoß und wird auch nicht bestraft. Die Strafe würde natürlich nur verlangt, wenn er dennoch in Key West an Bord gehen würde. Fliegt er aber gleich zum nächsten Hafenstopp des Schiff in der Karibik und steigt dort zu, wäre das legal, weil er dann ja von einem ausländischen Hafen nach Miami befördert wird.

    Was man beim Jones Act nicht übersehend darf: Es geht nicht nur um die Kreuzfahrt, sondern vor allem auch um Frachtschiffe, beispielsweise Öltanker, die etwas von Houston aus die Ostküstenstädte der USA mit Öl versorgen. Da würde ein Zulassen von ausländischen Schiffen ziemlich sicher Arbeitsplätze für Amerikaner kosten. Sinnvoll könnte deshalb beispielsweise eine Ausnahmeregelung sein, die Kreuzfahrtschiffe ganz oder unter bestimmten Bedingungen vom Jones Act ausnimmt.

  12. Wie ich schon schrieb, gerade für die (in der Kreutfahrt nicht ungewöhnliche) Situation, daß ein Passagier den eigentlichen Abgangshafen zu spät erreicht, würde es ja schon ausreichen, nur die *gebuchte* Route als Grundlage zu nehmen, nicht die letztlich tatsächlich gereiste Teilstrecke. Der Anteil derer, die eine Kreuzfahrt buchen, *absichtlich* das Schiff im ersten Hafen verpassen, dann im zweiten Hafen zusteigen, um dann mit einem mehrtägigen Umweg wieder zum allerersten Hafen zurückzukehren, dürfte so klein sein, daß er statistisch nicht relevant ist.
    Mit minimalem Aufwand könnte man hier für eine deutliche Verbesserung im Sinne der Passagiere sorgen, ohne für irgendwen einen Nachteil entstehen zu lassen.

    Die Frage ist, was wäre im genannten Beispiel, wenn der Passagier, der verspätet in Key West zusteigt, einfach „bei der nächsten Runde“ dort wieder von Bord geht? (Klar, das setzt voraus, daß das Schiff Kapazitäten frei hat und dürfte auch von der Reederei nicht für lau angeboten werden – aber nur mal im Bezug auf das Gesetz, denn dann findet ja kein Transport von A nach B statt…)

  13. Ich bin völlig bei Dir. Aber Du kennst doch auch amerikanische Bürokratie – so flexibel ist die nicht ;-) Und ob man nun absichtlich oder wegen besonderer Umstände das Schiff verpasst hat, ist in der Praxis natürlich kaum nachzuweisen, insofern dürften da dann auch die Reedereien die damit verbundene Bürokratie scheuen. Denn die Strafe trifft ja immer die Reederei und das dann wieder vom Passagier zurück zu holen, dürfte einfach zu viele Probleme und Ärger machen. Ich denke, es würde am meisten Sinn mache, Jones Act einfach auf Kreuzfahrten nicht anzuwenden, denn in der Kreuzfahrt gibt es eh‘ nahezu keine Arbeitsplätze für Amerikaner, andererseits verlieren die USA aber durch das faktische Verbot inneramerikanischer Kreuzfahrten viel Geschäft, dass dann eben in ausländischen Häfen gemacht wird.

  14. Der Jones Act treibt schon merkwürdige Blüten. Werden in den USA mehr Kreuzfahrtschiffe gebaut? Nein. Von allen, die ich kenne, erfüllt gerade einmal eines die Voraussetzungen: Die Pride of America, und die musste mangels Kompetenz in Deutschland fertiggestellt werden.

    Daneben lässt er sich ganz einfach aushebeln, indem mal kurz in einem Hafen anlegt, ohne dass man von Bord gehen könnte oder Waren abladen könnte.

    Selbst bei Bau der Frachtschiffe gibt es keine signifikanten Vorteile. Zwar werden in den USA deutlich mehr Frachtschiffe gebaut als z.B. in Deutschland. Dafür bleiben sie aber auch deutlich länger in Fahrt. Einen Vorteil gegenüber z.B. Südkoreanischen Werften sichert man sich damit nicht. Google mal nach Sea-Land D-7-Klasse. Gebaut Ende der 80er Jahre. In Fahrt sind die immer noch. Andere Containerschiffe werden schon verschrottet, wenn sie ~ 15 Jahre alt sind. Die einheimische Werftindustrie fördert man damit kaum.

    Alles in Allem: Der Jones Act muss weg. Er steht dem Welthandel und der Globalisierung im Wege und bringt den USA überhaupt nichts.

  15. @Ralph: In abgeschwächter Form gilt das für eigentlich jeden Staat auf der Welt. Nationaler Egoismus ist sicherlich keine Trump-Erfindung ;-) Aber in Hinblick auf Jones Act/PVSA: Cabotage-Gesetze gibt es in unterschiedlicher Ausprägung ebenfalls in vielen Ländern. In den USA wirkt es sich halt nur besonders seltsam aus, wenn man das auf die moderne Kreuzfahrt anwendet.

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