Ende November 2020 schwebt die Kreuzfahrt weltweit zwischen Frustration und positiven Signalen, zwischen Hoffnung und konkreten Neustart-Vorbereitungen: Nach einem relativ aktiven Sommer fahren aktuell immerhin noch eine Handvoll Schiffe. Wir fassen den Status der Kreuzfahrtindustrie zusammen, zeigen die aktuellen Trends und Entwicklungen.

Die Kreuzfahrt im Dezember 2020: von Impfstoff-Hoffnungen bis Widrigkeiten in den USA
Der Zertifizierungsprozess für die Kreuzfahrtschiffe bei der US-Gesundheitsbehörde sei verbunden mit „Verzögerungen über das hinaus, was wir erhofft hatten, um unsere Schiffe wieder in Dienst zu stellen“, fasste es der CEO der Disney Co., Bob Chapek, in einer Telefonkonferenz zum Quartalsbericht des Unternehmens nüchtern zusammen.
Zugleich haben viele Reedereien Kreuzfahrten ab US-Häfen, die länger als sieben Nächte dauern, vorerst aus dem Verkauf genommen. Einige – wie etwa Holland America Line – haben diese Reisen bis Ende Oktober 2021 sogar schon ganz abgesagt. Denn bis 31. Oktober 2021 läuft nach aktuellem Stand die „Conditional Sailing Order“ der CDC, die keine Kreuzfahrten länger als sieben Nächte zulässt. Freilich hoffen die meisten Reedereien noch, dass diese Anordnung früher als erst im November aufgehoben wird.
Vorbereitungen in den USA laufen auf Hochtouren
Auch wenn die aktuell weiter sehr hohen Infektionszahlen in den USA wenig Hoffnung auf einen baldigen Neustart machen und die CDC Mitte November die höchste Reisewarnstufe für Kreuzfahrten ausgerufen hat: Die Vorbereitungen der Reedereien laufen auf Hochtouren. Denn bis die aufgelegten Schiffe wieder einsatzfähig und mit Crew besetzt sind sowie der Zertifizierungsprozess der CDC durchlaufen ist, dauert es ohnehin zwei, vielleicht drei Monate.
Die Reedereien verlegen zahlreiche Schiffe zurück in US-Gewässer, um mit der Zertifizierung zu beginnen. Einige Kreuzfahrtschiffe beispielsweise von Norwegian Cruise Line, die zuletzt im Sommer ihre Crew direkt nach Hause nach Asien gefahren hatten, holen Crew-Mitglieder dort nun auch wieder ab und machen sich ebenfalls auf den Weg in die USA. Royal Caribbean International sucht über die Facebook-Gruppe „Volunteers of the Seas“ nach Freiwilligen, die an den vorgeschriebenen Test-Fahrten vor dem offiziellen Neustart teilnehmen wollen – und der Andrang ist groß.
Sorge um Alaska-Saison 2021
Bis die Kreuzfahrtschiffe in den USA wieder in Fahrt kommen, ist die Hochsaison für die Bahamas und Karibik schon beinahe vorbei. Hinter der Alaska-Saison 2021, die fürs US-Geschäft im Sommer so wichtig ist und 2020 bereits komplett ausgefallen ist, steht aber ebenfalls noch ein Fragezeichen.
Kanada gestattet nach aktuellem Stand bis mindestens Ende Februar keine Kreuzfahrtschiffe in den Häfen des Landes und lässt keine Zweifel daran, dass dieses Verbot noch deutlich verlängert werden könnte. Sowohl für Neuengland- als auch Alaska-Kreuzfahrten benötigen die Reedereien aber mindestens einen kanadischen Hafen auf ihren Fahrtrouten. Das schreibt der amerikanische Passenger Vessel Service Act vor. Erste Stimmen fordern bereits, dieses ebenso umstrittene wie hartnäckige Gesetz für den Sommer 2021 auszusetzen.
Princess Cruises hat indes mit der Sapphire Princess bereits eines der sechs Schiffe, die ursprünglich 2021 in Alaska fahren sollten, nach Taiwan verlegt. Von Juni bis Oktober 2021 bedient das Schiff nun voraussichtlich den asiatischen Markt.
Grundsätzlich grünes Licht für die Kreuzfahrt in Großbritannien
Die Empfehlungen der Global Travel Taskforce der britischen Regierung vom 24. November stehen einem Kreuzfahrt-Neustart positiv gegenüber, sobald das auf sichere Weise möglich sei. Wegen der hohen Infektionszahlen in UK gibt es aber keinen konkreten Zeitpunkt, wann der dafür vorgesehene, schrittweise Neubeginn stattfinden kann. Die entsprechende Reisewarnung bleibt dementsprechend vorerst bestehen.
Die Branchenvereinigung Clia für UK und Irland rechnet einem Statement auf Twitter zufolge mit dem Beginn nationaler Reisen Anfang 2021 und zu internationalen Zielen im Frühjahr. Sie fordert, die pauschale Kreuzfahrt-Reisewarnung aufzuheben.
Was an dem Taskforce-Bericht positiv auffällt: Er erkennt ausdrücklich an, dass der Umgang mit den wenigen Fällen von Covid-19 an Bord von Kreuzfahrtschiffen in den vergangenen Monaten von den Reedereien erfolgreich und konform mit den neuen Covid-19-Protokollen abgewickelt wurden. Der Bericht führt auch die Konzepte von Reedereien, Verbänden und Organisationen zum sicheren Umgang mit der Pandemie an. Im Gegensatz dazu hält sich die amerikanische CDC in ihrer „Conditional Sailing Order“ immer noch viele Seiten lang mit der Situation zu Beginn der Pandemie auf und ignoriert weitgehend die erfolgreiche Sommersaison in Europa.
Wie schnell werden Covid-19-Impfstoffe der Kreuzfahrt helfen?
Große Hoffnung ruht auf den überraschend schnell entwickelten und demnächst zugelassenen Impfstoffen gegen Covid-19. Allerdings ist es derzeit noch zu früh, um genauer abschätzen zu können wie und insbesondere wann sich Covid-19-Impfungen auf die Kreuzfahrt positiv auswirken werden.
Ob beispielsweise eine Impfung für Passagiere zur Voraussetzung für die Teilnahme an einer Kreuzfahrt werden könnte, hängt nicht zuletzt davon ab, wann Impfstoff in ausreichenden Mengen auch für den freien Markt zur Verfügung steht und es eine ausreichende Zahl an bereits geimpften, potenziellen Kunden gibt.
Tatsächlich zeichnet sich aber ein erster Trend zu Reise-Angeboten mit Impfpflicht ab. Die australische Fluggesellschaft Quantas hat bereits angekündigt, eine Impfpflicht für Passagiere auf Langstreckenflügen einführen zu wollen. Andere Airlines setzen zunächst auf Einreiseregeln der angeflogenen Länder. In mehreren Urlaubsländern gibt es ebenfalls bereit erste Äußerungen, dass es eine Impfpflicht für Reisende geben könnte.
Relativ früh profitieren werden mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit also diejenigen, die eine Impfung vorweisen können. Was in der aktuellen Diskussion um Covid-19-Impfstoffe jedoch bislang weitgehend unbeachtet geblieben ist: Es gibt kaum Erkenntnisse zur Frage, ob von geimpften Personen dennoch eine Ansteckungsgefahr ausgehen kann. Lediglich beim Impfstoff von Astra-Zeneca gibt es Indizien dafür, dass geimpfte Personen nicht oder weniger infektiös sein könnten. Bei den anderen beiden auf R-DNA basierenden Impfstoffen von Pfizer/Biontec und Moderna könnte es dagegen sein, dass sich geimpfte Personen dennoch mit Covid-19 anstecken und zeitweise infektiös sein könnten, auch wenn sie selbst keine Symptome entwickeln. Darauf weist unter anderem der renommierte US-Mikrobiologe Florian Krammer in einem Fachbeitrag in der Zeitschrift Nature hin.
Einen vielversprechenden Ansatz, der dieses Problem lösen könnte, beschreibt Max-Planck-Innovation in Hinblick auf eine Impfung per Nasenspray.
All das ist noch höchst unsicher, könnte aber bedeuten, dass auch mit Impfpflicht auf Kreuzfahrtschiffen der Mundschutz, Abstand, Corona-Tests und andere Hygienemaßnahmen nicht entfallen könnten, selbst wenn nur geimpfte Passagiere zugelassen würden.
Wirtschaftliche Lage der Reedereien und Folgen für die Wirtschaft
Die wirtschaftliche Situation der großen, börsennotierten Kreuzfahrt-Unternehmen erscheint nach wie vor stabil. In unserem Beitrag „Finanzen und Status der vier größten Kreuzfahrt-Unternehmen in der Corona-Krise“ aktualisieren wir weiterhin die öffentlich bekannten Kennzahlen. Bisher gelingt es den Reedereien offenbar gut, sich neue Liquidität über Anleihen und Ausgabe neuer Aktien zu verschaffen.
Zwei Veröffentlichungen haben Mitte November gezeigt, welche Auswirkungen der Stillstand der Kreuzfahrt auf die Wirtschaftsleistung und den Arbeitsmarkt in den USA und in Großbritannien hat. Die Branchenvereinigung Clia rechnet für die USA vor, dass in diesem Jahr mehr als 254.000 Arbeitsplätze verloren gegangen seien, die direkt oder indirekt an der Kreuzfahrt-Industrie hängen. Von 55 Milliarden Wirtschaftsleistung in den USA im Jahr 2019 seien in diesem Jahr mehr als 32 Milliarden verloren gegangen, schreibt USA Today.
Der Report der Global Travel Taskforce in Großbritannien spricht für die sechs Monate von April bis September 2020 von einer verloren gegangenen Wirtschaftsleistung von rund 7,6 Milliarden Euro und einem Verlust an Arbeitsplätzen in Großbritannien von 52.700.
Schiffsverschrottungen
Traurig machen Kreuzfahrtschiff-Fans die Meldungen über immer mehr Schiffsverschrottungen. Mindestens 14 Kreuzfahrtschiffe sind der Coronakrise auf diese Weise bereits zum Opfer gefallen. Sehr wahrscheinlich werden es noch einige mehr werden.
Zu den Corona-Opfern unter den Kreuzfahrtschiffen zählt auch die deutsche Kreuzfahrtschiff-Ikone „Astor“. Sie wurde Mitte November im türkischen Aliaga zur Verschrottung auf Grund gesetzt. Ebenfalls in gewisser Weise eine deutsche Ikone ist die Marella Dream: Das offenbar zur Verschrottung vorgesehene Schiff lief 1985 als erstes dort gebautes Kreuzfahrtschiff in der Papenburger Meyer-Werft vom Stapel – damals unter dem Namen Homeric.