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Streitpunkt Giudecca-Kanal: Umweltminister will Kreuzfahrschiffe verbannen

Italienischer Umweltminister gegen Kreuzfahrt in Venedig

Die Hafeneinfahrt nach Venedig mit Kreuzfahrtschiffen entlang des Giudecca-Kanals, vorbei am Dogenpalast und Markusplatz, gehört in absehbarer Zeit womöglich der Vergangenheit an. Jedenfalls, wenn es nach dem Willen des italienischen Umweltministers Andrea Orlando geht. Der Tageszeitung Il Gazzetino kündigte er jetzt an, noch im Oktober dieses Jahres ein entsprechendes Gesetz im italienischen Parlament einzubringen.

Update: Inzwischen wurde die Verordnung zum Verbot großer Kreuzfahrtschiffe in der Lagune von Venedig von einem Gericht aufgehoben, die Begrenzung gilt also aktuell (letzte Aktualisierung: Oktober 2015) nicht mehr.

Auch der venezianische Bürgermeister würde die Kreuzfahrtschiffe offenbar lieber heute als morgen aus der Lagunenstadt verbannen. Er plädiert dafür, dass die großen Kreuzfahrtschiffe – es geht um alle Schiffe mit einer Tonnage von mehr als 500 BRZ – künftig die südliche Einfahrt zur Lagune nehmen und unweit Venedigs in Marghera am italienischen Festland anlegen. Dort befindet sich ein großer Hafen für Öltanker und Frachtschiffe sowie eine Werft des Schiffsbauers Fincantieri.

Bereits kurz nach der Costa-Concordia-Katastrophe hatte der damalige Umweltminister Corrado Clini zusammen mit dem Wirtschaftsminister ein Dekret erlassen, das alle Schiffe mit einer Tonnage von mehr als 40.000 BRZ mindestens zwei Seemeilen von Küstenstreifen von ökologischer oder kultureller Bedeutung fernhalten soll – allerdings mit der Ausnahme für Venedig, dass dies dort erst gelten soll, sobald es eine Alternative gibt. Macht Minister Orlando jetzt ernst mit der neuen Gesetzgebung, dann würde dies das Dekret seines Vorgängers ersetzen und möglicherweise keine Ausnahmeregelung für Venedig mehr vorsehen.

Die wirtschaftlichen Gegenargumente wiegen schwer: Der Interessenverband „Comitato Cruise Venice“ rechnete kürzlich vor, dass der Kreuzfahrtverkehr in Venedig zu rund 465 Millionen Euro direkter Ausgaben führe, davon rund 90 Prozent durch die nach dem Clini-Dekret von 2012 theoretisch bereits nicht mehr zugelassenen Schiffe größer 40.000 BRZ. Der Verband weist darauf hin, dass man hier von etwa 3,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Kommune und über 4.000 direkt betroffenen Arbeitsplätzen spreche.

Der Kreuzfahrthafen von Venedig erfreut sich seit Jahren immer weiter wachsender Beliebtheit, 2012 verzeichnete Venedig als neuntgrößter Kreuzfahrthafen weltweit knapp 1,8 Millionen Passagierbewegungen.

"No Grandi Navi": Info-Stand der Kreuzfahrtschiff-Gegner in Venedig
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Lokale Politiker und Kreuzfahrt-Gegner kritisieren jedoch, dass die Stadt nicht von den Einnahmen des von der italienischen Zentralregierung betriebenen Hafens profitiere. Aktivisten beklagen, dass die Wasserverdrängung der großen Schiffe die Fundamente der Lagunenstadt gefährdeten, Tourismus-Experten beklagen den zusätzlichen Zustrom an Touristen, die die Kreuzfahrtschiffe der ohnehin schon überlasteten Stadt bescherten.

Allerdings ist Marghera derzeit eigentlich nicht in der Lage, Kreuzfahrtschiffe aufzunehmen. Lediglich ein, möglicherweise zwei Schiffe mit einer Länge von bis zu 250 Metern Länge könnten dort wohl anlegen. Kostenschätzungen für einen Ausbau als Passagierhafen mit Mindestanforderungen vor allem auch in Hinblick auf die Sicherheit belaufen sich auf 400 bis 450 Millionen Euro.

Kritiker der Verbotspläne weisen aber auch auf Sicherheitsprobleme hin: Auf der relativ schmalen, südlichen Anfahrtroute nach Marghera herrscht reger Frachtverkehr mit zahlreichen Öl- und Chemie-Tankern. Und auch in Hinblick auf die zahlreichen Öl-Lager entlang der Küste bei Marghera sei das Unfallrisiko hier hoch. Die Unfallrisiken sind das derzeitige Hauptargument gegen die Kreuzfahrtschiffe im Giudecca-Kanal.

Die Fahrrinne von der südlichen Lagunen-Einfahrt bis nach Marghera ist derzeit nur im Einbahnstraßen-Prinzip befahrbar – wechselweise drei Stunden in die eine und drei Stunden in die andere Richtung. Experten halten den Passagier- mit dem Frachtverkehr daher ohne vorhergehende Ausbaumaßnahmen auf dieser Strecke sogar für gänzlich unvereinbar.

Als Alternative gilt das Ausbaggern einer Fahrrinne, die von der südlichen Route abzweigen und zum bestehenden Kreuzfahrt-Terminal Statione Marittima in Venedig führen würde. Derzeit ist diese Fahrrinne für große Schiffe bei Weitem nicht tief genug. Damit ließe sich sowohl der Schiffsverkehr durch den Giudecca-Kanal in Venedig vermeiden als auch längere Strecken der Kreuzfahrtschiffe in der Fahrrinne der Frachtschiffe.

4 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

4 Gedanken zu „Italienischer Umweltminister gegen Kreuzfahrt in Venedig“

  1. Hallo liebes Cruisetricks-Team!

    Naja – dann wird künftig sicher Triest wieder ein immer wichtigeres Thema für Kreuzfahrt-Schiffe. Die Stadt ist ohnehin bemüht, wieder mehr Kreuzfahrt-Schiffe anzulocken. Und so nebenbei ist es eine wunderbare Stadt, die Venedig zwar nicht ersetzen kann, aber dennoch einen wunderbaren Start einer Reise bedeutet.

    Ich verstehe die Bedenken, dass die Schiffe der Lagunenstadt zusetzen können. Gar keine Frage! Aber wenn ich lesen muss, dass die Stadt so überfüllt ist, dass man die Kreuzfahrttouristen gar nicht mehr will, dann muss ich den Reedereien raten: Lieber heute als morgen aus Venedig abwandern. Diese Präpotenz, wie man sie nun auch schon in Dubrovnik spürt, ist ja nicht auszuhalten.

    Triest wir kommen! Am Einschiffungstag einen Besuch im Schloß Miramare und danach in die Stadt auf einen guten Illy-Cafe. K&K-Flair aus vergangenen Zeiten, als Triest noch österreichisch war und dann zu Mittag an Bord – ein Traum!

    Alles Liebe!

    Olaf …

  2. Auch Ravenna bietet sich Alernativ-Hafen an und einige Reedereien u.a, RCCL haben sich da schon „eingekauft“. Costa ist eher an Triest interessiert.
    Ravenna kann noch einige Piers anbauen und ins Meer verlängern. Auch in Triest gäbe es im Hafen noch einige Liegeplätze.

    Gruß Hans Jörg

  3. Ich finde das Alles ein Wenig übertrieben – als wäre das ganze nun soo schlimm – außerdem fahren auch die Fähren durch den Giudecca-Kanal nach Griechenland!!

    Ausbaggern an sich wäre eine gute Lösung, aber auch da würden sich die Umweltschützer sicher wieder über die entstehenden Schadstoffe der Baggerschiffe aufregen!

    Und wenn man Marghera erwägt, warum hat die Stadt dann nicht angeordnet und unterstützt, dort ein kreuzfahrtterminal zu bauen??

    Rummeckern können die Umweltaktivisten, aber selbst Eigeninitiative zu ergreifen, ist wohl zu viel verlangt!!

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