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EU-Verordnung über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr

Neue EU-Verordnung: nur geringe Auswirkungen auf Kreuzfahrt

Am 18. Dezember 2012 tritt eine neue EU-Verordnung in Kraft, die Schiffspassagieren ähnliche Rechte wie Flugpassagieren bei Verspätungen und Annullierungen einräumen soll. Die „EU-Verordnung über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr“ gilt ausdrücklich auch für die Kreuzfahrt.

In einigen wesentlichen Aspekten sind Kreuzfahrtschiffe aber von der Verordnung ausgenommen, sodass sich die Auswirkungen in der Praxis sehr in Grenzen halten. Wichtige Verbesserungen dürfte die Verordnung aber für Behinderte bringen. Cruisetricks.de hat sich die Verordnung genauer angesehen und fasst die wichtigsten Aspekte zusammen.

Für welche Kreuzfahrten gilt das neue Recht?

Gültig ist die für Kreuzfahrtschiffe mit Einschiffungshafen in Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten. Entscheidend ist also der Abfahrtshafen der Kreuzfahrt, nicht das Ziel oder die Fahrtroute. Die Verordnung gilt sowohl für Hochsee- als auch Flussschiffe.

Die Regelungen gelten auch für Gebiete, die ansonsten einigen Ausnahmeregelungen im EU-Vertrag unterliegen: die Kanarischen Inseln, Madeira, die Azoren sowie die französischen Überseegebiete wie Saint Martin, Martinique, Réunion, Saint Barthélemy, Guadeloupe und Französisch-Guayana. Dagegen gelten die Regelungen nicht für die Färöer-Inseln. Freilich sind diese Definitionen des EU-Hoheitsgebiets lediglich in Hinblick auf die Kanarischen Inseln wirklich relevant, weil für die Gültigkeit bei Kreuzfahrten ja ausschließlich der Einschiffungshafen zählt.

Interessanterweise definiert die Verordnung eine Schiffsreise erst als Kreuzfahrt, wenn sie ausschließlich „Vergnügungs- und Freizeitzwecken“ dient und mehr als zwei Nächte an Bord umfasst. Kurzkreuzfahrten mit nur zwei Nächten würden also den strengeren Regeln für den „Personenverkehrsdienst“ unterliegen – was vor allem in Hinblick auf Entschädigungszahlungen relevant ist.

Übrigens: EU-Verordnungen sind direkt geltendes Recht – im Gegensatz zu EU-Richtlinien, die nicht direkt wirken, sondern mit denen die EU-Mitgliedsstaaten lediglich gefordert sind, entsprechende nationale Gesetze zu erlassen. Die „EU-Verordnung über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr“ ist also bindendes Recht in der gesamten EU.

Verspätung und Annullierung

Bei verspäteter Abfahrt oder gar Absage einer Kreuzfahrt greift die neue Verordnung nur sehr eingeschränkt. Grund: Über die Pauschalreise-Richtlinie beziehungsweise die nationalen Gesetze dazu gibt es hier bereits Entschädigungsregelungen (Details zu diesem Thema in unserem Beitrag „Routenänderung wegen Sturm: Entschädigung?“). Kreuzfahrtschiffe sind daher ausdrücklich von Entschädigungszahlungen nach der neuen Verordnung ausgenommen.

Immerhin haben die Passagiere bei einer verspäteten Abfahrt von mehr als 90 Minuten Anspruch auf angemessene Verpflegung und Erfrischungen – sofern sie nicht ohnehin bereits am Schiff sind und dort bestens versorgt sind.

Verzögert sich die Abfahrt so lange, dass eine Übernachtung nötig ist (und die Passagiere nicht trotzdem bereits an Bord gehen können), muss die Reederei Hotelübernachtungen und Transport zum Hotel nur dann bereitstellen, wenn sie nicht nachweisen kann, dass die Verspätung wegen Wetterbedingungen entstehen, die die Schiffssicherheit gefährden.

In Hinblick auf mögliche Hotelübernachtungen kann die Reederei ihre Verantwortung übrigens auf maximal drei Nächte und 80 Euro pro Passagier und Nacht begrenzen. Entsprechende Änderungen in den AGB beziehungsweise Reisebedingungen sind also zu erwarten.

Hilfestellung und Informationspflicht für Behinderte

Am meisten dürfte die Fahrgastrechte-Verordnung für den Schiffsverkehr für Behinderte bringen. Hier sind unter anderem umfangreiche Informationspflichten der Reedereien über die Eignung ihrer Schiffe für Behinderte und die zur Verfügung gestellten Hilfeleistungen vorgesehen als auch eine Verpflichtung, Behinderte grundsätzlich gleich zu behandeln wie alle anderen Passagiere.

Die Ausstellungeines Tickets beziehungsweise die Beförderung darf nur abgelehnt werden, wenn dies aus insbesondere aus Sicherheitsgründen nicht möglich ist oder wenn die Bauart des Schiffs oder des Passagierterminals eine Ein- oder Ausschiffung beziehungsweise Beförderung unmöglich macht.

Außerdem legt die Verordnung zahlreiche Leistungen fest, die Reedereien und Terminalbetreiber für Behinderte kostenlos erbringen müssen, um ihnen die Ein- und Ausschiffung und die Reise zu erleichtern. Dazu zählt auch ein entsprechendes Training der Crew.

Informationspflicht und geregelter Beschwerdeweg

Wie bei der Fluggast-Verordnung sind auch die Reedereien und Terminal-Betreiber verpflichtet, die Passagiere über ihre Rechte aufzuklären. Inwieweit das in der Schifffahrt besser funktioniert als bei den Airlines, bleibt allerdings zunächst einmal abzuwarten.

Damit die Rechte aus der Verordnung auch durchsetzbar sind, gibt es genaue Regelungen über den Beschwerdeweg. So müssen Passagiere ihre Ansprüche spätestens zwei Monate nach der Reise geltend machen und die Reederei muss innerhalb eines Monats reagieren.

Wetterbedingungen und außergewöhnliche Umstände

Ein Aspekt der neuen Verordnung hat zwar keine direkten Auswirkungen auf Kreuzfahrten und auch nicht auf deutsches Pauschalreiserecht, wo er für einiges an Klarheit sorgen könnte, liest sich aber dennoch sehr interessant. Die Verordnung beschäftigt sich nämlich mit der Frage, in welchen Situationen die Reederei kein Verschulden an Verspätungen oder Annullierungen trifft: bei extremen Wetterbedingungen und außergewöhnlichen Umstände. Zu letzteren zählt die EU ausdrücklich Terroranschläge, bewaffnete Konflikte und Kriege, Naturkatastrophen, Arbeitskämpfe, Verbringung von kranken Passagieren an Land, Such- und Rettungsaktionen, Umweltschutzgründe sowie Anweisungen und Entscheidungen von Behörden. Den Beweis für das Vorliegen eines solchen Grundes muss übrigens im Rahmen der neuen Verordnung immer die Reederei führen.

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Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

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