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Gehört „MS“ zum Namen eines Kreuzfahrtschiffs?

Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, Phoenix Reisen und Plantours tun es. AIDA und TUI Cruises dagegen nicht. Gehört vor den Namen eines Kreuzfahrtschiffs das Präfix „MS“? Auf eine philosophische Diskussion darüber wollen wir uns erst gar nicht einlassen – aber ein paar Fakten klären und Erklärungsversuche wagen.

MS“ – die Abkürzung steht für „Motorschiff“ – ist nicht Bestandteil des Schiffsnamens und ist deshalb auch nirgendwo am Schiffsrumpf oder im Schiffsregister zu lesen. Dort ist immer von „Artania“, „Hamburg“ oder „Europa“, die Rede – ganz ohne „MS“. Im Englischen lautet die Abkürzung übrigens „MV“ für „motor vessel“.

Vor  allem international ist es bei Kreuzfahrtschiffen kaum mehr üblich, dem Schiffsnamen ein Attribut hinzuzufügen, das die Methode der Energiegewinnung an Bord beschreibt – denn darum geht es bei Abkürzungen wie SS (Steam Ship), TS (Turbinenschiff) oder eben MS. Eine Ausnahme ist dabei lediglich das „RMS“, aber dazu später mehr.

Motor statt Dampfmaschine

Unspektakuläre Optik, aber mit viel Power: einer der Maschinen der Allure of the Seas

Vor allem in Zeiten des schnellen technischen Wandels in der Schifffahrt wollten Passagiere immer das modernste und neueste. Vermutlich schmückten sich Reedereien deshalb stolz damit, wenn ihre Schiffe modernste Technik einsetzten. Im Gegenzug dazu argumentierten technisch etwas rückständige Reedereien gerne mit der Zuverlässigkeit bewährter Technologien. Dampfschiffe führten das „SS“ genauso stolz wie die moderneren (Dampf-) Turbinenschiffe ihr „TS“ und später die Motorschiffe das „MS“.

Wie wir bereits zu Beginn unserer Recherchen vermutet hatten, gibt es keinen handfesten Grund, warum einige Reedereien an dem „MS“ festhalten. Im Wesentlich ist es einfach Tradition und Gewohnheit, wie uns Hapag-Lloyd bestätigte. Aber man verwende das „MS“ auch, um Verwechslungen zu vermeiden. Bei Schiffsnamen wie Europa oder Hamburg soll „MS Europa“ oder „MS Hamburg“ also sicherstellen, dass man auch wirklich die Schiffe und nicht etwa den Kontinent oder die Stadt meint.

Sind alle Kreuzfahrtschiffe „MS“?

Überraschenderweise erzeugen keineswegs alle Kreuzfahrtschiffe ihre Energie mithilfe von Diesel-/Schweröl-Generatoren. Dampf ist in Sachen Schiffsantrieb durchaus noch existent und sogar ziemlich zeitgemäß. Nicht in Form altmodischer Dampfmaschinen freilich, sondern als Dampfturbinen in Kombination mit Gasturbinen.

Turbinen-Schiff Celebrity Summit

Bei Celebrity Cruises verfügen die Schiffe der Millennium-Klasse allesamt über hochmoderne Dampfturbinen. Genau genommen haben Celebrity Constellation, Celebrity Infinity, Celebrity Millennium und Celebrity Summit ein kombiniertes System aus Gasturbine und Dampfturbine, kurz: COGES. Die Celebrity Millennium war im Jahr 2000 das erste Kreuzfahrtschiff mit dieser neu entwickelten Technik.

Auch einige Schiffe der Schwester-Reederei Royal Caribbean International fahren mit solchen COGES-Systemen: Brilliance of the Seas, Jewel of the Seas, Radiance of the Seas und Serenade of the Seas.

Ohne Dampf, aber mit ganz ähnlicher Technik arbeiten einige Schiffe bei Princess Cruises, Holland America Line und Cunard Line. Dort arbeiten kombinierte Systeme aus Diesel- und Gasturbinen (CODAG). Ausgestattet mit CODAG-Technik sind die Coral Princess, Diamond Princess, Island Princess und Sapphire Princess, bei Holland America Line die Oosterdam, Zuiderdam, Westerdam und Noordam und bei Cunard Line die Queen Mary 2.

COGES und CODAG gemeinsam ist, dass sie die Abwärme der Hauptturbinen noch einmal für die Nebenturbinen zu nutzen und damit eine höhere Energie-Effizienz zu erzielen. Vorteile der Energiegewinnung per Gasturbine sind unter anderem das sehr günstiges Verhältnis von Leistung zum Gewicht der Maschine, geringerer Anteil von Stick- und Schwefeloxiden in den Abgasen, geringe Vibrationen und hohe Flexibilität in Hinblick auf den verwendeten Treibstoff. Die Nachteile: teuer, unflexibler bei schwankendem Energiebedarf und wenig effizient im Leerlauf. Ein englischsprachiger Beitrag von Cruise Ship Project beschreibt sehr anschaulich, wie COGES im Detail funktioniert.

TS – Turbinenschiff

Turbinen-Schiff Westerdam
Turbinen-Schiff Westerdam

Eigentlich könnte man all diese Schiffe also als „TS“ – Turbinenschiff – bezeichnen. Da traditionell „TS“ aber auch für „Turbine Steamer“ steht, ist die Bezeichnung „TS“ für die modernen Kreuzfahrtschiffe mit kombinierten Diesel-, Gas- und Dampfturbinen nicht gebräuchlich. Korrekt, aber im Alltag ebenfalls ziemlich ungebräuchlich ist „GTS“ für „Gas Turbine Ship“.

Die letzten Kreuzfahrtschiffe, die ihre Energie ausschließlich über eine Dampfturbine gewonnen haben, sind übrigens die Emerald (Louis Cruise), die seit 2009 stillgelegt ist sowie die ebenfalls noch bis 2009 als Kreuzfahrtschiff betriebenen Sky Wonder (zuletzt Atlantic Star, Pullmantur Cruises) und Oceanic (Pullmantur Cruises, heute als „Peaceboat“ im Einsatz). Das letzte Flusskreuzfahrtschiff mit Dampfturbine war die 2011 verschrottete Mississippi Queen. Aber auch die in Deutschland so beliebte Maxim Gorkiy was ein klassisches Dampfturbinenschiff, neben vielen weiteren klassischen Kreuzfahrtschiffen vergangener Zeiten.

NS – Nuclear Ship

Ein ziemlich kleiner, exklusiver Club ist die Gruppe der „NS“ – Zivilschiffe mit Nuklearantrieb. Im Kreuzfahrtbetrieb ist derzeit (beziehungsweise war bis vor der Pandemie) nur ein einziges Schiff mit Atomreaktor an Bord, der russische Eisbrecher „50 Years of Victory“.

Atom-Kreuzfahrtschiff NS Savannah (Bild: National Archives)

Ein echtes Kuriosum ist das in den späten 50er-Jahren in den USA gebaute NS Savannah. Das als kombiniertes Fracht- und Passagierschiff gebaute Schiff diente rund zehn Jahre lang als Vorzeigeprojekt der Amerikaner für die zivile Nutzung von Kernenergie, bevor sie 1972 stillgelegt wurde. Bis zu 60 Passagiere konnten auf der Savannah mitfahren – zu wenig für den rentablen Betrieb. Schon nach drei Jahren stiegen die Betreiber aus dem Kreuzfahrtgeschäft wieder aus und konzentrierten sich aufs Frachtgeschäft. Heute ist sie im Hafen von Baltimore zu besichtigen.

Auch in Deutschland hätte es in den 60er-Jahren beinahe ein Atom-Kreuzfahrtschiff gegeben: Das NS Otto Hahn war ursprünglich ähnlich wie die Savannah als kombiniertes Passagier- und Frachtschiff geplant, ging dann 1970 aber letztlich als reines Frachtschiff in Betrieb.

RMS – Royal Mail Ships

Kommen zu dem vielleicht bekanntesten Kürzel, denn die Titanic war ein Schiff dieses Typs. „RMS“ ist dem „MS“ zwar sehr ähnlich ist, hat aber eine völlig andere Bedeutung hat. Die Abkürzung „RMS“, die wir vor allem von den Cunard-Schiffen kennen, hat nämlich nichts mit dem Schiffsantrieb zu tun, auch wenn das „RMS“ manchmal auch als „Royal Mail Steamer“ ausgeschrieben wird.

RMS "Queen Victoria" (Bild: Cunard)
RMS „Queen Victoria“ (Bild: Cunard)

RMS bedeutet „Royal Mail Ship“ und darf – unabhängig von der Antriebsart – von Schiffen geführt werden, die Post für die britische Royal Mail befördern. Echte Postbeförderung findet freilich auf Cunards Transatlantik-Fahrten nur noch sehr selten statt – Frachtflugzeuge sind in der Postbeförderung viel schneller. Trotzdem haben sowohl Queen Mary 2 als auch Queen Victoria bereits formell britische Post befördert und dürfen sich daher mit dem „RMS“ schmücken. Die Queen Elizabeth beförderte auf ihrer Weltreise 2012 einen Sack voll britischer Post über den Atlantik und verdiente sich damit ebenfalls diese Ehre.

Echte Royal Mail Ships gibt oder gab es ansonsten unseres Wissens nur noch zwei: Das RMS St. Helena (inzwischen außer Dienst) und das RMS Segwun. Die St. Helena transportierte tatsächlich die Post im Auftrag der Royal Mail (sowie alle Arten von Fracht und auch Kreuzfahrtpassagiere) zwischen St. Helena, Ascension und Kapstadt. Das historische RMS Segwun fährt heutzutage nur noch Sightseeing-Touren auf den Muskoka-Seen in Ontario, Kanada, darf aber mit Erlaubnis der kanadischen Post weiterhin die Bezeichnung „RMS“ führen.

7 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

7 Gedanken zu „Gehört „MS“ zum Namen eines Kreuzfahrtschiffs?“

  1. Hallo Franz,
    auf Schiffsrümpfen habe ich den Zusatz „MS“ oder „TS“ noch nie gesehen, wohl aber auf Titeln diverser Bücher. Beispiele: Merian extra MS Europa
    oder Hans Gsellmann/ms Europa im Hohen Norden oder
    MS Europa, das Schiff.
    Auch auf Speisekarten (Menukarten) der Europa(s) taucht der MS-Zusatz auf. So auf Menukarten aus den Jahren 1968, 1973, 1980 oder 1986. Auch die „United States“ hatte das SS auf ihrer Menukarte (1956) sowie die „Hanseatic“ das TS 1958.
    Noch heute wirbt Deilmann mit dem Zusatz MS für seine „Deutschland“ oder Hapag Lloyd Kreuzfahrten mit „MS Hanseatic“.

  2. Interessieren würde mich, warum man immer „die MS Berlin, die MS Lofoten, usw“ sagt, obwohl es ja eigentlich „das Motorschiff“ (MS) heisst.

  3. @Karl-Heinz: Vermutlich liegt das daran, dass es irgendwie Gewohnheit geworden ist; ich versteh’s auch nicht, dass sich das so lange hält. Vor Jahrzehnten war es noch ein Qualitätsmerkmal zu betonen, dass es sich bei einem Schiff um ein ultramodernes Motorschiffe – und eben nicht ein Dampf- oder Segelschiff – handelt. Aber heute hat das seinen Sinn ja verloren, weil nahezu alle Schiffe Motorschiffe sind. Mit Dampfmaschine ist jedenfalls (bis auf ein apar wenige historische Schiffe) kein Schiff mehr unterwegs ;-)

  4. Bei den vielen Schlffstaufen , die unter meiner Leitung erfolgten , waren die Buchstaben MS für Motorschiff nie ein Thema.wenn ich lese die MS = die Motorschiff kann ja etwas mit der deutschen Sprache nicht stimmen. Meinungen von Kapitänen sprechen sie über ihr Schiff richtiger weise ich fahre auf dem MS oder ich fahre auf der z.B. Berlin, Hamburg usw. Schlmm, wenn ich lese z.B. die MS also die Motorschiff Europa befindet sich…..

  5. @Oswald Müller: Vermutlich hat das auch etwas damit zu tun, dass Menschen dazu neigen, sich durch „Fachsprache“ von anderen, den „Ahnungslosen“ abzusetzen – das reicht von Jugend- bis Wissenschaftssprache. Echte AIDA-Fans erkennen sich eben beispielsweise gegenseitig daran, dass sie „auf AIDA fahren“, während er normale Kreuzfahrer „mit/auf der AIDAnova fährt“. Und dazwischen liegen all die, die eine solche Insider-Sprache versuchen nachzuahmen, um sich selbst oder anderen zu suggerieren, dazuzugehören. Da entsteht dann so Unsinn wie eben „auf MS Europa fahren“ oder „die MS Albatros“ o.ä. Und dann gibt’s noch ganz viele, die sich dazu einfach gar keine Gedanken machen und einfach übernehmen, was sie anderswo hören …

  6. Lieber Herr Neumeier, ich folge Ihnen mit der Info, der Unsinn mit der MS Schiffsnamennennung erfolgt ja über Presseorgane inkl. der Ostseezeitung, die es wohl am ehesten wissen müssten. Rückfragen bei der Redaktion und weteren ergaben Unwissenheit was das MS überhaupt bedeutet. Aufgegeben und das war es dann auch. Viele Gr. O.M

  7. Ein kleiner Nachsatz zu meiner Person, wenn es Sie inter. im Internet unter- der Ossi aus wismar- gibt es einen Artikel im Hamburger Abendblatt Redakteur Rolf Zamponi. Unter anderem die Columbus für Conti und 2 Aida schiffe gebaut.

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