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Seabourn konsequent: keine Rettungsübung, keine Kreuzfahrt

Der Kapitän der Seabourn Sojourn hat ein älteres Ehepaar von Bord verwiesen, nachdem die 84jährige Frau die Teilnahme an der Rettungsübung verweigert hatte. Das berichtet USAtoday unter Bezugnahme auf Cruise Week. Der aktuellen Fahrtroute der Seabourn Sojourn zufolge ist das Ehepaar vermutlich in Lissabon an Land gesetzt worden.

Zusammen mit ihrem 90jährigen Mann war die 84jährige auf einer dreiteiligen Kreuzfahrt auf der Seabourn Sojourn vom Mittelmeer ins Baltikum. Laut Cruise Week habe sie sich zu Beginn der zweiten der drei Teilstrecken nicht wohl gefühlt und argumentiert, dass sie an der Rettungsübung bereits zu Beginn der ersten Teilstrecke ihrer Kreuzfahrt teilgenommen habe. Wegen ihrer Weigerung, an dieser Rettungsübung teilzunehmen, sei sie dann von Bord verwiesen worden.

Formell besteht eine Kreuzfahrt, die sich aus mehreren Teilstücken zusammensetzt, aus mehreren voneinander unabhängigen Kreuzfahrten, zu deren Beginn die Rettungsübung jeweils für alle Passagiere vorgeschrieben ist. In Kommentaren und Forenbeiträgen wird gleichwohl heftig diskutiert, ob Seabourn möglicherweise etwas überzogen auf die Situation reagiert hat.

Der Vorfall ist bereits der zweite, bekannt gewordene Fall seit Januar 2012, bei dem Passagiere vom Kapitän eines Kreuzfahrtschiffs des Schiffs verwiesen wurden, nachdem sie die Teilnahme an der Rettungsübung verweigert hatten. Ende Januar musste ein Passagier der Westerdam in Fort Lauderdale wieder aussteigen – laut Holland America Line wegen „non-compliance“ in Zusammenhang mit dem Muster Drill.

Generell haben zahlreiche Reedereien seit der Costa-Concordia-Katastrophe ihre Sicherheitsmaßnahmen verschärft und insbesondere striktere Regeln für die Rettungsübung eingeführt. Costa selbst kontrolliert die Teilnahme an der Rettungsübung inzwischen konsequent mit Hilfe von zusätzlichen „Emergency Drill Cards“ für alle Passagiere. Diese Karten werden bei der Rettungsübung mit Hilfe elektronischer Lesergeräte erfasst, was die Teilnahme aller Passagiere sicherstellen soll.

Ähnliche Verfahren gibt es bereits seit einiger Zeit auch bei anderen Reedereien, etwa bei Royal Caribbean International, wo die Kabinen-Keycards mit mobilen Lesegeräten beim Muster Drill erfasst werden und so auf den ersten Blick erkennbar ist, welche Passagiere bei der Übung fehlen. Auch in einem realen Notfall haben diese Verfahren den Vorteil, dass sofort erkennbar ist, welche Passagiere fehlen und in welchen Kabinen gegebenenfalls nach ihnen gesucht werden muss.

7 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

7 Gedanken zu „Seabourn konsequent: keine Rettungsübung, keine Kreuzfahrt“

  1. es ist einerseits für die betroffenen Passagiere sehr hart. Der Hinweis auf ein „sich-nicht-wohlfühlen“ im Zusammenhang mit dem Hinweis, man habe bereits an einer Rettungsübung teilgenommen, scheint mir vorgeschoben.
    Aber wo soll man andererseits die Grenze ziehen? Wer nicht gerade im Bordhospital liegt, muss eben an der RÜ teilnehmen, das dient eines jeden Sicherheit, und wenn man ein Mal damit anfängt, Ausnahmen zu machen, dann weiß man aus Erfahrung, wo das hinführen kann.
    Insofern: der Kapitän hat aus meiner Sicht Recht. Die Teilnahme an einer RÜ ist sowohl zumutbar als auch verpflichtend.
    henry

  2. Wenn es tatsächlich so war, dass die beiden gerade 2 oder 3 Wochen vorher auf derselben Kreuzfahrt an der Rettungsübung(für den Passagier ist es ja ein und dieselbe Kreuzfahrt) teilgenommen haben, dann finde ich die Reaktion des Kapitäns völlig überzogen, um nicht zu sagen schikanös.

    Im Fall der Reiseroute der Costa Concordia beispielsweise würde das bedeuten, dass man auf einer 7-tägigen Kreuzfahrt drei Sicherheitsübungen mitmachen muss, denn es gibt ja drei Abfahrtshäfen.

    Man kann alles übertreiben.

  3. SOLAS schreibt vor, dass zu Beginn jeder „voyage“ eine Rettungsübung durchzuführen ist. Wie diese Begriff juristisch ausgelegt werden muss, ist mir allerdings im Detail nicht bekannt. Die Frage scheint mir vor allem zu sein: Gilt als „voyage“ die von der Reederei im Katalog ausgeschriebene Kreuzfahrt? Dann wäre bei einer Kombination aus drei Kreuzfahrten dreimal die Rettungsübung fällig. Ist eine Weltreise ausgeschrieben und zusätzlich jedes Teilstück einzeln müßte wiederum eine einzige Rettungsübung am Anfang für die Weltreisenden reichen.

    Bei den nachträglich in anderen Häfen zusteigenden Passagieren sind sie SOLAS-Regularien eigentlich eindeutig: Da müssen nur die zusteigenden Passagiere nachgeschult werden. Andererseits stehen inzwischen bei vielen Reedereien in den Katalogen für verschiedene Länder auch unterschiedliche Abfahrthäfen: Franzosen fahren auf dem selben Schiff von Marseille bis Marseille, Italiener steigen in Civitavecchia ein und drehen von dort die Runde – sodass ein und die selbe Rundtour mit verschiedenen Abfahrtsdaten verschiedene „voyages“ darstellen würden.

    Die Frage, ob der aktuelle Fall übertrieben ist oder nicht, halte ich für wenig relevant – auch wenn’s natürlcih erstmal ziemlich hart klingt, eine alte, gebrechliche Frau aus einem scheinbar nichtigen Grund an Land zu setzen. Für entscheidend halte ich in allen sicherheitsrelevanten Fragen, ob die Vorschriften streng eingehalten werden. Da geht’s ums Prinzip und um die Gunrdeinstellung gegenüber Vorschriften. Denn sobald wieder angefangen wird, Vorschriften zu dehnen und und unterminieren, haben wir aus der Concordia-Katastrophe absolut nichts gelernt …

  4. ich finde bei allen Regeln und Vorschriften die ja durchaus richtig sind sollte man den Menschen nicht vergessen. Gerade auf so einem kleinen Schiff der Luxusklasse sollte es doch möglich sein individuell im Einzelfall zu reagieren. Im Notfall müsste ja hier auch gesondert reagiert werden. Regeln hin oder her es sollte doch immer Spielraum für solche Fälle geben. Die Reederei mag Ihre Pflichten erfüllt haben. Menschlich haben Sie jedoch versagt. Dieses Schiff ist in Zukunft für ältere Menschen wohl nicht mehr zu empfehlen.

  5. danke Franz für den letzten Absatz. Alleine die angebl Aussage der Reisenden, zu Beginn der ersten Teilstrecke an einer Übung teilgenommen zu haben, zeigt, daß sie einfach nicht wirklich gewillt war, und das geht gar nicht! Nicht können, weil man im Hospital liegt, OK, alles andere gilt nicht!!!
    Und bei mehreren aneinander gehängten Abschnitten nur ein Mal 2zu müssen“ birgt die Gefahr, daß neu zugestiegene Gäste ggf auch nicht teilnehmen, denn die wissen ja nicht, daß manche schon einen Abschnitt gefahren sind, und „wenn der nicht miotmacht, muss ich das auch nicht“.
    Daher: neue Reise – neue Übung, für alle!!!
    safety-first, also yours!
    henry

  6. @ Franz und Henry: Ich kann eure Position nicht nachvollziehen. Es geht doch einzig und allein darum, dass jeder Passagier weiß, wie er sich im Ernstfall zu verhalten hat. Wenn er die Übung also einmal während seiner Reise absolviert hat, dann muss das doch reichen. Das beste Beispiel dafür führt Franz selber an: „Bei den nachträglich in anderen Häfen zusteigenden Passagieren sind sie SOLAS-Regularien eigentlich eindeutig: Da müssen nur die zusteigenden Passagiere nachgeschult werden.“ Warum sollte das dann für Passagiere, die schon länger an Bord sind, nicht gelten? Das macht den im Artikel zitierten Fall für mich noch schleierhafter. Dabei bin ich durchaus ein Fan von den Seabourn-Schiffen.

  7. @Marita: Och stimme Dir vollkommen zu – es geht darum, dass im Notfall jeder Passagier weiß, was Sache ist. Und das war in diesem Einzelfall sehr wahrscheinlich gegeben.

    Aus systemischer Sicht würde ich Dir trotzdem widersprechen, auch wenn das erstmal paradox klingt.

    Mein Argument kommt aus einer anderen Perspektive, nämlich der generellen Durchsetzbarkeit von Sicherheitsvorschriften industrieweit auf dem selben, hohen Niveau. Ich glaube, die Concordia-Katastrophe hat leider sehr deutlich gezeigt, was vor allem in großen Unternehmen passieren kann, wenn man Sicherheitsvorschriften nicht konsequent definiert und einhält. Der eine fährt etwas näher an die Küste heran als sinnvoll, der nächste deht das noch ein wenig weiter aus, weil’s das Letztemal ja gut gegangen ist und der übernächste reizt die Grenzen noch in weniger weiter aus. Das alles in der Denkweise – „ach, das bischen geht schon noch, ist ja im Einzelfall okay, weil Ausrede X, Y, uder Z.“

    In großen Unternehmens-Strukturen (was Reedereien heutzutage einfach sind) darf man meines Erachtens nach die Auslegung von Vorschriften nicht jedem Einzelnen überlassen, sonst macht letztlich jeder, was er persönlich für richtig hält – und dann kann man sich die Regel auch gleich ganz sparen.

    Aber das ist natürlich wie der Streit um die Frage, ob ich um 3 Uhr morgens in der Tempo-30-Zone auch mal 60 fahren darf, weil um diese Zeit ja meiner Meinung nach ganz sicher keine spielenden Kinder gefährdet sind …

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