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Was macht eigentlich … der Umweltoffizier an Bord?

An Bord eines Kreuzfahrtschiffs arbeiten viele Menschen, mit denen die Passagiere kaum in Kontakt kommen. Der Umwelt-Offizier ist einer von ihnen. Wir haben den Umweltoffizier der AIDAstella, Stefan Bock, getroffen und ihn zu seinen Aufgaben und Erfahrungen an Bord interviewt.

Ein Umwelt-Offizier gehört bei den meisten Reedereien inzwischen zu den selbstverständlichen Positionen an Bord. Bei AIDA ist das schon seit 2003 so – eine Vorgabe des Mutterkonzern Carnival Corporation. Eine gesetzliche Pflicht, einen Umweltoffizier an Bord zu haben, gibt es nicht.

Als Voraussetzung für den Job als Umweltoffizier wird bei AIDA ein Hochschulabschluss aus dem Bereich Umwelt verlangt. Stefan Bock hat Entsorgungstechnik studiert, andere Umweltschutz-Offiziere bei AIDA kommen beispielsweise aber auch aus den Bereichen Umwelttechnik oder Meeresbiologie.

Was sind die Aufgaben eines Umweltoffiziers?

Unsere allererste und Hauptaufgabe ist natürlich die Überprüfung der gesetzlichen Vorgaben. Es ist ja nicht so, dass es ein Gesetz weltweit gibt, sondern es gibt einmal als oberste Gesetzgebung MARPOL als internationaler Standard der IMO (International Maritime Organization), und dann teilt sich das auf in Fahrtgebiete und es gibt regionale Vorgaben, zum Teil auch spezifische in manchen Häfen. Da frage ich im Vorfeld ab, welche zusätzlichen Vorschriften es jeweils gibt.

Grundlage ist immer die internationale Gesetzgebung, dann kommen die regionalen hinzu und oftmals ist es auch so, dass wir zusätzlich AIDA- oder Carnival-interne Vorgaben haben, die darüber hinausgehen.

All das checken wir, bevor wir die Routen anfahren, stellen es zusammen und kommunizieren es an Bord. Und wenn es dann soweit ist, überprüfen wir natürlich auch selbst, ob wir die Vorgaben tatsächlich einhalten. Das geht los mit den verschiedensten Einträgen in Tagebücher. Es gibt beispielsweise ein Öl-Tagebuch, ein Müll-Tagebuch, da muss alles dokumentiert werden.

Haben Sie ein Beispiel für eine Vorschrift, die nur einen bestimmten Hafen betrifft?

Kreuzfahrtschiff-Anleger "Lange Linie" in Kopenhagen: Hier ist Lärmschutz gefragt.
Lärmschutz-Vorschriften: „Lange Linie“ in Kopenhagen

In Kopenhagen gibt es den Liegeplatz „Lange Linie“, der ist so ähnlich wie Hafen City in Hamburg, wo in den letzten Jahren viel Wohnraum geschaffen wurde und da beschweren sich die Anwohner wegen Lärmbelästigung. Wir haben ein extra Papier von unserer Agentur in Kopenhagen bekommen, dass auf die Benutzung des Typhons zu verzichten ist, nicht mit irgend welchen lauten Geräten an Deck gearbeitet werden darf und so weiter.

Wie muss man sich den konkreten Tagesablauf eines Umweltoffiziers vorstellen?

Das ist natürlich abhängig davon, ob wir gerade wie heute auf See sind, oder beispielsweise einen Hafen anlaufen, in dem eine Müllabgabe geplant ist. Dann würde sich das schonmal vom normalen Tagesablauf unterscheiden.

Heute Morgen war ich zum Beispiel im Maschinenraum und habe mir die Daten geholt für eine Tabelle, die wir regelmäßig an Bord erstellen und dann nach Rostock [Anm.: der AIDA-Firmensitz] weiterleiten, wo alle möglichen Umweltdaten gesammelt werden. Jede Cruise Line, die unter Carnival fährt, muss vierteljährlich einen Umweltbericht erstellen und dafür brauchen wir diese Daten.

eines der Themen bei Crew-Schulungen: Mülltrennung
Eines der Themen bei Crew-Schulungen: Mülltrennung

Um 9 Uhr hatte ich ein Training mit neu aufgestiegener Besatzung. Jedes neu aufgestiegene Crew-Mitglied kriegt auch immer eine Umweltschulung, in der auf die verschiedenen Themen eingegangen wird, beispielsweise: Was machen wir mit den unterschiedlichen Abfallströmen an Bord? Wie ist der Müll an Bord zu trennen?

Dann haben wir noch so genannte HESS-Rundgänge, neun Mal im Monat insgesamt. „HESS“ steht bei uns für Health and Environmental Safety and Security. Das betrifft nicht nur mich persönlich, sondern eine kleine Gruppe, in der auch immer einer der Sicherheits-Offiziere dabei ist. Pro Abteilung gestaffelt machen wir Rundgänge und schauen, ob unsere Regularien eingehalten werden. Da schaue ich beispielsweise, ob die Mülltrennung so funktioniert wie gedacht.

Es fällt aber beispielsweise auch das Chemikalien-Management in meinen Aufgabenbereich: Wie sind die Chemikalien gelagert? Ist die Schutzausrüstung, die dafür zu tragen ist vorhanden?

Nehmen Sie auch konkrete Messungen vor, beispielsweise in den Schiffsabgasen am Schornstein?

Das machen wir auch, allerdings geht das mehr oder weniger schon durch die Technik. Am Schornstein haben wir ein Messgerät, das permanent misst, wie dicht der Qualm ist, der da rauskommt. Beim Bilge-Wasser ist es auch so, dass wir da eine so genannte „White Box“ haben, die elektronisch aufzeichnet und diese Aufzeichnungen überprüfe ich regelmäßig. Es ist ja gesetzlich vorgegeben, dass der Öl-Anteil im Wasser, das über Bord geht, nicht größer als 15 ppm [Anm.: ppm = Parts per Million] sein darf.

Zweimal im Monat machen auch wir eine komplette Analyse unseres Abwassers. Da messen wir wirklich den Phosphat- und Nitrat-Gehalt, Stickstoff-Anteil und so weiter. Das ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber wir machen das zur Eigenkontrolle.

Was passiert, wenn automatische Messsysteme feststellen, dass Grenzwerte überschritten werden?

Beim Bilgewasser-System, das ich gerade angesprochen habe, ist es beispielsweise so, dass automatisch die Außenbord-Abgabe des Wassers gestoppt wird. Das ist ein Drei-Wege-Ventil und wenn der Wert über die 15 ppm geht, macht das Ventil zu und das Wasser geht wieder in den Auffang-Tank an Bord.

Gibt es auch Situationen, in denen Sie direkt alarmiert werden?

In der Schulung, die ich heue vormittag gemacht habe, ist ein Punkt auch so genannte „Environmental Incidents“, also wenn beispielsweise mal tatsächlich irgendwo Öl auslaufen würde, oder eine Chemikalie oder Müll ginge außenbord, dann werden die Mitarbeiter geschult, mich direkt anzurufen, damit ich dem nachgehen kann.

Welche Stellung in der Hierarchie haben Sie? Wem können Sie im Bereich Umweltschutz direkte Anweisungen erteilen, die zu befolgen sind?

Ich bin offiziell dem Kapitän unterstellt. Aber es gehört immer zu meinen Aufgaben, bei einem Verstoß gegen Regularien an Bord die Firma [AIDA] an Land zu informieren.

Mit Passagieren kommen Sie nur einmal pro Kreuzfahrt bei Ihrer Umweltfragestunde in Berührung, oder?

Ja. Aber wir stehen natürlich immer zur Verfügung und wenn mal Fragen sind, kann man mich auch jederzeit gerne ansprechen aber direkte Berührung mit den Passagieren haben wir in unserem Job eigentlich nicht.

Bei mir persönlich ist das aber ziemlich selten. Ich bin jeweils zwischen drei und vier Monate an Bord und in dieser Zeit kommt das vielleicht zweimal vor. Das meiste, was ich bislang hatte, waren Passagiere, die aus dem Bereich Health, Safety and Environment an Land kommen und sich nach den entsprechenden Einrichtungen hier an Bord erkundigen, aus beruflichem Interesse.

Für die Passagiere im Hafen ist sichtbar: Sie treiben viel Aufwand, Müll an Bord fein säuberlich zu trennen. Können Sie eigentlich überall auf der Welt sicherzustellen, dass der Müll an Land auch tatsächlich getrennt entsorgt beziehungsweise wiederverwertet wird?

Stefan Bock erläutert das Müll-Entsorgungssystem an Bord der AIDAstella
Stefan Bock erläutert das Müll-Entsorgungs-System an Bord der AIDAstella

Es ist unser Bestreben zu gewährleisten, dass der Müll – übertrieben gesagt – nicht irgendwo in den nächsten Graben gekippt wird. Deswegen machen wir regelmäßig auch so genannte Entsorger-Audits. Da fahren wir wirklich mit dem Müllauto mit und schauen, wo dieser Müll verbleibt. Natürlich kann man nicht überall auf der Welt den europäischen oder deutschen Standard ansetzen, aber wir versuchen schon, das in die richtigen Bahnen zu lenken.  Also bei uns hört es nicht damit auf, dass wir den Müll im Container an der Pier abgeben und dann interessiert uns das nicht mehr, sondern wir erfolgen schon auch die Wege nach, die der Müll danach geht.

Vielen Dank an Stefan Bock Umweltoffizier der AIDAstella, für das interessante Gespräch.

2 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

2 Gedanken zu „Was macht eigentlich … der Umweltoffizier an Bord?“

  1. toll das man auch an Land schaut wo der Müll hingekarrt wird. Ist ja nicht immer üblichbei den großen Schiffen!

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