Coronatests und Gesundheitsprüfungen verhindern idealerweise, dass Covid-19-Infizierte überhaupt an Bord eines Kreuzfahrtschiffs gelangen. Das schafft eine hohe, aber keine absolute Sicherheit. Anders als an Land gibt es auf Kreuzfahrtschiffen jedoch eine präzise und schnelle Nachverfolgung der Kontaktpersonen. Wir haben uns die Grundprinzipien für dieses Contact Tracing und die technische Umsetzung genauer angesehen.

Wer muss in Quarantäne? So funktioniert die Kontakt-Nachverfolgung am Kreuzfahrtschiff
Family-Tracker und Gesichtserkennung zur Kontaktverfolgung
Für das „MSC for Me“-System sind beispielsweise über 3.000 kleine Bluetooth-Beacons am Schiff verteilt. Sie werden auf der MSC Meraviglia, MSC Bellissima, MSC Grandiosa und MSC Virtuosa im Rahmen des „Family & Friends Trackers“ eingesetzt, um Familienangehörige automatisch am Schiff Orten zu können. Zusammen mit Ortung per Wlan und GPS, Datenerfassung im Nahbereich mit NFC und mit Gesichtserkennung über die Videoüberwachung am Schiff liegen damit umfassende Daten vor, mit denen sich das Contact Tracing nahezu vollständig automatisch abwickeln lässt.
Dass übrigens die reine Erfassung von Kontakten am Kreuzfahrtschiff nicht ausreicht, wie es etwa die deutsche Corona-Warn-App tut, hatten erste Tests bei Costa im Sommer 2020 gezeigt. Tracking-Armbänder hatten zwar aufgezeichnet, welche Passagiere sich mehr als 15 Minuten näher als 1,5 Meter zueinander aufgehalten haben. Ohne zusätzliche Ortung ist aus diesen Daten aber nicht ablesbar, ob die beiden Personen sich beispielsweise in benachbarten Kabinen aufhielten – getrennt durch eine Stahlwand und damit für die Kontaktverfolgung irrelevant. Die Tücken der Technik können also durchaus im Detail stecken.
Manuelle Datenerfassung für die Kontaktverfolgung
Steht am jeweiligen Kreuzfahrtschiff keine oder nur begrenzte Tracking-Technik zur Verfügung, ist viel Handarbeit gefragt. Die Reedereien lassen sich dabei alle möglichen Tricks einfallen, damit das lückenlos und dennoch effizient klappt.
Zwar werden auch hier einige Daten automatisch erfasst, nämlich Transaktionsdaten etwa beim Scan der Kabinenkarte beim Betreten und Verlassen der Kabine, in einem Bordshop, bei der Bestellung eines Drinks in einer Bar. Weitere Daten liefern zusätzliche Scans der Kabinenkarte etwa im Restaurant, beim Betreten und Verlassen des Fitnessstudios oder Ähnlichem.
Crew-Mitglieder müssen hierbei allerdings zusätzlich die Tischnummer und Sitzanordnung am Restauranttisch oder in der Bar oder des Trainingsgeräts im Fitnessstudio erfassen und die jeweiligen Passagiere beim Verlassen auch wieder ausbuchen.
Unkritisch ist dagegen, dass Bewegungen der Passagiere auf solchen Schiffen nicht erfasst werden können. Denn solange die Passagiere in Bewegung sind, ergeben sich dabei typischerweise keine relevanten Kontakte.
Anspruchsvoll ist die Datenerfassung im Bord-Theater, wo der jeweilige Sitzplatz registriert werden muss. TUI Cruises löst das beispielsweise recht effizient, aber aufwendig über Platzanweiser, die per Funk-Headset Kabinen- und Sitzplatznummer an Kollegen weitergeben, die diese Daten dann elektronisch erfassen. Auf der Costa Deliziosa wurde auf meiner Reise dagegen jeder Passagier am Eingang erfasst und in dieser Reihenfolge dann platziert.
Schwierig ist auch die Kontaktverfolgung bei Landausflügen. Hier muss der Guide zumindest die Sitzplatzverteilung im Bus erfassen und von den Passagien die Disziplin erwarten, dass sie diesen Platz während des Ausflugs auch nicht wechseln. Stehen dagegen aktive Tracking-Armbänder oder geeignete Smartphone-Apps zur Verfügung, ist selbst während eines Landausflugs die Kontaktermittlung automatisierbar. MSC beispielsweise gibt an, dass die Armbänder während der Ausflüge autonom Kontaktdaten aufzeichnen und bei Betreten des Schiffs automatisch übertragen.
Um zu verifizieren, ob ein aus diesen Daten nicht eindeutig identifizierter Kontakt relevant ist, können gegebenenfalls Videoaufzeichnungen der Überwachungskameras herangezogen werden und auch die betroffene Person befragt werden. Das verzögert gegebenenfalls den Tracing-Prozess, schafft aber Sicherheit.
Detaillierte Datenerfassung und schnelle Auswertung
Bei der Kontakt-Verfolgung auf Kreuzfahrtschiffen erfassen die Reedereien umfassende Bewegungs- und Verhaltensdaten der Passagiere. Allerdings war das auch vor der Covid-19-Pandemie schon so und die Reedereien haben solche „Smart Ship“-Konzepte stetig weiter ausgebaut. In Hinblick auf Datenschutz ist seitens der Passagiere viel Vertrauen gefragt, dass die Reedereien die gesammelten, persönlichen Daten relativ kurz nach der jeweiligen Reise löschen und nicht anderweitig auswerten.
In Coronazeiten hat diese Datenflut aber den entscheidenden Vorteil, dass die Kontakt-Nachverfolgung äußerst schnell möglich ist. Denn anders als an Land liegen alle nötigen Daten am Kreuzfahrtschiff bereits vor und müssen nur automatisiert ausgewertet werden.
Befragung der infizierten Person, Adressermittlung der Kontakte, Nachtelefonieren und Ähnliches entfällt an Bord von Kreuzfahrtschiffen im Wesentlichen. Statt mehrere Tage dauert die Kontaktermittlung an Bord eines Kreuzfahrtschiffs typischerweise weniger als eine Stunde und ist nach den bisherigen Erfahrungen der Reedereien sehr zuverlässig.