Das oberflächliche Image von Miami als Kreuzfahrt-Metropole und CSI-Miami-Drehort täuscht. Auf den zweiten Blick ist die Kreuzfahrt-Hauptstadt der Welt in Südfloridas eine Stadt mit erstaunlich viel Kultur, unbeschwert-kreativer Küche und einem Hauch kubanischer Lebensart.
Im protzigen Cabrio fuhr Don Johnson einst den Ocean Drive entlang und kümmerte sich scheinbar mehr um knappe Bikinis als um die Aufklärung von Verbrechen. Die TV-Serie Miami Vice hat besonders in Deutschland ein Bild von Miami geprägt, das die Stadt so schnell nicht wieder loswird. Doch abseits dieser Klischees ist der weltgrößte Kreuzfahrthafen auch ein echter Geheimtipp mit überraschenden und faszinierenden Seiten, die nur wenige Touristen kennen.
Für viele Touristen ist Miami nur eine Durchgangsstation, denn von hier aus fahren in der Hochsaison täglich mehrere Kreuzfahrt-Giganten in Richtung Karibik. Kreuzfahrer sehen von Miami daher bestenfalls das touristische Standard-Programm mit Stadtrundfahrt, Ausflug in die Sümpfe der Everglades und ein Strandbesuch in Miami Beach. Aber wer erwartet in Miami schon eine lebendige Kunst-Szene oder einen der größten Konzertsäle der USA? Auch die Food-Szene entwickelt sich gerade zu einem absoluten Highlight. Mit ein wenig Entdeckergeist wird das Klischee-behaftete Miami schnell zu einer überraschenden Entdeckung selbst für vielgereiste Urlauber.
Kulinarik: von experimentierfreudig bis genial
Frischer Fisch, Shrimps, karibische und südamerikanische Einflüsse und experimentierfreudige Köche aus aller Herren Länder lassen das kulinarische Herz höher schlagen. Die Food-Szene in Miami ist spannend und lebendig, noch nicht so etabliert wie in Chicago oder New York und deshalb kreativ, überraschend und in ständigem Wandel. Nicht die In-Lokale aus dem Reiseführer sind in Miami wirklich cool, sondern die vielen kleinen Restaurants, die vor allem im Wynwood Art District und im Design District ebenso schnell aus dem Boden schießen wie die Kunst-Galerien dort. Beispielsweise Joey’s Italian Café, in dem ein Koch aus Venetien den Amerikanern zeigt, wie echte italienische Pizza mit dünnem, knusprigem Boden schmeckt und gleichzeitig Verrücktes ausprobiert wie etwa eine ziemlich delikate Pizza mit Feigen, Honig und Chili.
Noch vor wenigen Jahren hatte das Stadtviertel und die Gegend rund herum einen recht zweifelhaften Ruf. Sicherheitshalber lässt man sich auch heute noch lieber im Taxi hierher chauffieren. Der Art District ist Brennpunkt der Kunst-Szene, ganz lässig im Miami-Style und mit seinem Markenzeichen, den Wynwood Walls – riesige Wand-Graffitis entlang der ehemaligen Lagerhäuser, die wie eine gigantische Freiluft-Bildergalerie wirken.
Im T-Shirt in die Oper
Etablierter, aber nicht weniger faszinierend ist das Kulturangebot des zunächst recht unnahbar wirkenden Adrienne Arsht Center for the Performing Arts. Ein Konzertsaal nützt Touristen normalerweise wenig. Weder haben sie passende Abendkleidung für einen Konzertbesuch dabei, noch gibt es kurzfristig Tickets. Aber wir sind in Miami. Da geht man in Jeans und T-Shirt in die Oper, Karten sind meist auch an der Abendkasse noch verfügbar und das Programm reicht von klassischen Konzerten über Cirque du Soleil bis zu Rock-Konzerten.
Doch Miami hält auch viele Überraschungen für klassisches Sightseeing bereit. Das berühmte Art-Deco-Viertel in Miami Beach ist Pflichtprogramm, doch die wirklichen Entdeckungen liegen abseits der üblichen Touristenpfade. Da ist beispielsweise die Miami City Hall. 1933 gebaut, war sie viele Jahre lang das legendäre Wasserflugzeug-Terminal der Fluggesellschaft Pan Am. Im heutigen Sitzungssaal ist das nostalgische Design der früheren Schalterhalle erhalten, die Besichtigung für Luftfahrt-Fans ein absolutes Muss.
Nur ein paar Minuten südlich von Miami, im an sich schon sehenswerten Villenviertel Coral Gables steht eines der nobelsten Hotels der USA, das Biltmore. Hier übernachten US-Präsidenten. Der Hotel-Pool war einst der größte der Welt und schon Schauspieler Johnny Weissmüller (Tarzan) soll hier als Bademeister gearbeitet haben.
Ein Hauch von Kuba
Eines sollte man im Miami aber auf keinen Fall verpassen: den Duft nach kubanischem Kaffee und Zigarren in Little Havanna. Vor der kleinen Zigarrenfabrik Cuba Tobacco Cigar Company sitzt Pedro Bello, eine Legende im kubanischen Viertel von Miami. Jahrelang war er politischer Gefangener Fidel Castros, bevor er in die USA ausreisen durfte. Seitdem produziert er hier seine Zigarren aus einem besonderen Tabak, der aus original kubanischen Samen gezogen wird. Zigarren, die besser sind als die kubanischen selbst, wie er sagt.
Wer Little Havanna erleben will, sollte sich etwas Zeit nehmen, einen kubanischen Kaffee trinken, sich mit den Leuten unterhalten, beim Domino-Spiel im Maximo Gomez Park zusehen. Authentischer als hier erlebt man kubanische Lebensart nur in Kuba selbst.
Eine besondere Attraktion Miamis ist der gut gepflegte Privatzoo Jungle Island mit seiner tropischen Tierparklandschaft. Hier trifft man beispielsweise einen Gibbon namens Watson, erklärter Besucher-Liebling, oder Pinky, den ersten Fahrrad fahrenden Kakadu des Zoos und die größte Raubkatze der Welt, den Liger Vulcan, einer mächtigen Kreuzung aus Tiger und Löwe.
Überraschend vielfältige Hotels
Geheimtipps gibt es auch bei den Hotels, jenseits der immer gleichen Betonburgen, selbst wenn die strenge Bauordnung in Miami hier die schlimmsten Design-Sünden verhindert hat. Fast schon einen Zeitsprung in die Vergangenheit macht, wer sich in ein kleines, historisch anmutendes Hotel am Ocean Drive von Miami Beach wie das Edgewater Hotel ein mietet.
Die denkmalgeschützte Fassade stammt von 1935, der Rest ist großzügig und modern. Vom Zimmer aus schweift der Blick durch Palmen direkt über den Strand. Auf die Frage nach dem Hotel-Pool erntet der Gast hier nur verständnislose Blicke: Natürlich gibt es einen Pool – der heißt Atlantik und ist gleich vor der Hoteltür. Vor dem Frühstück nur mal schnell in die Wellen springen, das hat Qualität.
Aber auch in Downtown Miami gibt es so manche Perle zu entdecken. Etwas das reichlich ausgefallene, aber exquisite Epic Hotel. Es hat sogar einen eigenen Yacht-Parkplatz am Miami River, eine Pool-Terrasse im 16. Stock mit grandiosem Blick auf die Stadt und auch sonst einigen wirklich ungewöhnlichen Features. Hunde der Hotelgäste werden beispielsweise auf einer Schiefertafel am Eingang mit Namen begrüßt. Und wer möchte, kann sich ein Aquarium mit Goldfisch aufs Zimmer stellen lassen.
Das Risiko ist groß, sich in Miami zu verlieben, sobald man die weniger bekannten Seiten dieser vermeintlich so oberflächlichen Stadt für sich entdeckt. So mancher Kreuzfahrt-Tourist würde wohl zu der Erkenntnis kommen, dass die Karibik-Kreuzfahrt nur das zweitschönste Erlebnis des Urlaubs war.
Es ist wirklich schade, wenn man vor oder nach einer Karibik Kreuzfahrt keine Zeit für Miami hat. Uns gefällt auch das historische und unheimlich grüne Viertel Coconut Grove rund um die Villa Viscaya sehr gut. Eine unserer Lieblingsorte ist auch der Crandon Park Beach auf Key Biscayne.