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Nach tödlichem Sturz von der Freedom of the Seas: Eltern verklagen Reederei

Nach dem tödlichen Sturz eines 18 Monate alten Mädchens von der Freedom of the Seas im Hafen von Puerto Rico verklagen die Eltern jetzt die Reederei und werfen ihr vor, durch fahrlässiges Verhalten an der Tragödie Schuld zu sein.

Zum exakten Hergang des Unglücks am Sonntagnachmittag, 7. Juli 2019, gibt es abweichende Informationen. Klar scheint zu sein, dass das kleine Mädchen zunächst auf den Armen seines Großvaters saß, der es dann auf eine Reling an einem offenen Fenster des Pooldecks (Deck 11) setzte, um dem Kind einen besseren Blick nach draußen zu gewähren. Von da aus stürzte das kleine Mädchen rund 45 Meter in die Tiefe auf den Pier und starb an den Verletzungen.

Die Familie des Mädchens und deren Anwalt geben nun der Reederei die Schuld an der Tragödie und werfen Royal Caribbean Fahrlässigkeit vor – ein Rechtsbegriff, der in den USA häufig Basis für millionenschwere Schadensersatz-Klagen ist.

Update (29. Oktober 2019): Die Staatsanwaltschaft in Puerto Rico hat inzwischen Anklage wegen fahrlässiger Tötung gegen den Großvater des Kindes erhoben.

Laut MSN gründet der Anwalt der Familie den Vorwurf gegen die Reederei darauf, dass für den Großvater nicht erkennbar gewesen sei, dass das Fenster hinter der Reling geöffnet war. Er wirft die Frage auf, warum die Reederei nicht vor dieser, wie er es formuliert, versteckten Gefahr nicht gewarnt habe, obwohl sich das offene Fenster in der Nähe eines Kinderspielbereichs befinde. Mutmaßlich ereignete sich der Unfall nahe der mittig am Pooldeck der Freedom of the Seas angeordneten „H2O Zone“, einem Wasserspielplatz für Kinder, der hinter den beiden allgemeinen Swimmingpools gelegen ist.

Die Glaselemente an der Unfallstelle

Die bodentiefe Verglasung des Pooldecks der Freedom of the Seas besteht aus drei Elementen: Eine feststehende Glasscheibe vom Boden bis knapp auf Brusthöhe eines Erwachsenen. Darüber ist ein weiteres Glaselement angeordnet, das teils als Schiebefenster zur Seite geschoben werden kann und an der Unfallstelle offenbar geöffnet war. Diese beiden unteren Glaselemente neigen sich in einem geringen Winkel nach außen.

Ebenfalls etwa auf Brusthöhe befindet sich innerhalb der Glasscheiben eine Reling aus Holz (oder in Holz-Optik), wie sie auch auf den offenen Decks des Schiffes zu finden ist. Deutlich über Kopfhöhe befindet sich ein weiteres nach innen geneigtes und feststehende Glaselement bis zur Decke.

H2O-Zone des weitgehend baugleichen Schwesterschiffs Liberty of the Seas
H2O-Zone des weitgehend baugleichen Schwesterschiffs Liberty of the Seas (Archiv 2009)

Alle Glaselemente in diesem Bereich haben eine leichte Tönung, sodass eigentlich an den getönten Scheiben links und rechts sowie ober- und unterhalb eines geöffneten Fensters erkennbar ist, wenn eine dieser Scheiben zur Seite geschoben ist. Einige dieser Schiebefenster sind in warmen Fahrtgebieten wie der Karibik typischerweise geöffnet, um durch den Luftzug von außen die hohen Temperaturen am Pooldeck abzumildern.

Außenansicht der Glasfront des Pooldecks (Archivbild von 2009 des weitgehend baugleichen Schwesterschiffs Liberty of the Seas)
Außenansicht der Glasfront des Pooldecks (Archivbild von 2009 des weitgehend baugleichen Schwesterschiffs Liberty of the Seas)

Royal Caribbean International sprach der Familie ihr tiefes Mitgefühl aus und stellte laut einem Reederei-Statement psychologischen Beistand des unternehmenseigenen Care Teams bereit. Aus Respekt vor der Privatsphäre der Familie kommentiere man den Fall nicht weiter.

Das kleine Mädchen und ihre Familie stammen aus dem amerikanischen Bundesstaat Indiana. Neben dem Mädchen waren ihre Eltern, ihr jüngerer Bruder sowie beide Großelternpaare für einen Familienurlaub an Bord der Freedom of the Seas.

6 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

6 Gedanken zu „Nach tödlichem Sturz von der Freedom of the Seas: Eltern verklagen Reederei“

  1. Hallo Franz,
    war schon klar, dass da eine Klage kommt, das liegt wohl in der Natur dieser Nation…
    Diese Schiebefenster gehen sehr schwer auf, was wird also die Folge sein, diese Fenster werden zugemacht. Wieder etwas weniger Luft für die Raucher.
    Schadenersatz bekommen sie bestimmt, da diese Gerichte anders entscheiden als der gesunde Menschenverstand, dies ist halt so, daran wird dieser Fall auch nichts ändern, so traurig wie er ist.
    Ganz sicher wird man ein Kreuzfahrtschiff nie bauen können, zumindest ist dann die vielgeliebte Freiheit dahin.
    Grüsse
    Gerhard

  2. „Achtung, der Inhalt dieses Bechers ist heiß!“ muss auf Pappbechern stehen, damit sich Kaffeebuden und Restaurants enthaften können, sollte sich ein Kunde mit dem überraschenderweise heißen Kaffee verbrühen. „Bitte keine Haustiere oder Kinder in die Mikrowelle legen“, muss erwähnt werden, weil bereits Haustiere auf diese Art den Hitzetod starben. Tragen auch Waschmaschinen schon Warnhinweise? „Vor dem Zusammenfalten des Kinderwagens ist das Kind zu entnehmen“. Wann werden an Flussufern Warnhinweise im Abstand von 5 Metern stehen müssen, dass es tödlich enden kann, wenn man weiter als zur Knöcheltiefe ins Wasser geht. Oder am Rande des Grand Canyons: „Vorsicht, zu weite Annäherung an den Abgrund kann mit schweren Verletzungen oder tödlichem Sturz enden.“ Es ist Ausdruck einer Vollkasko- und leider auch Verblödungs-Gesellschaft, dass eigene Dunnheit immer gern in die Schuld der anderen umgemünzt wird. Für die USA plädiere ich für einen Warnhinweis an der Wahlkabine: „Vorsicht! Das Kreuz an der falschen Stelle kann mit Freaks im Weißen Haus enden.“

    PS: kommt nicht heute, am Mittwoch,10.Juli 2019, ein neuer Podcast?

  3. Hallo allerseits,

    grundsätzlich teile ich die Meinung, dass eine Vollkaskogesellschaft, bei der gesunder Menschenverstand keine Rolle mehr zu spielen braucht und eine Rechtsprechung, die dieser Mentalität Rechnung trägt, eine bedauernswerte Sache ist.

    Andererseits muss ich sagen, dass ich mich selbst an Bord der älteren RCI- und Celebrity-Einheiten über diese dort immer wieder zu findende Konstruktion der Schiebefenster auf halber Höhe gewundert habe. Für idiotensicher halte ich sie nicht (und der offensichtliche Beweis dafür ist nun tragischerweise erbracht), aber ich bin der Meinung, wenn man etwas ohne große Nachteile idiotensicher machen kann, dann sollte man das auch tun. Zuletzt auf der „Connie“ 2017 habe ich selbst so eines aufgeschoben und mich ein Stück rausgelehnt um spontan aus schwindelerregender Höhe ein Fotomotiv einzufangen. Habe es danach aber gleich wieder verschlossen und dachte „wenn das nur mal immer gut geht mit den Dingern“.

    Vielen Dank, Franz, für diese recht neutrale Berichterstattung und die gute Fotodokumentation. Ich denke, jeder kann sich da nun selbst ein Bild machen. Ich persönlich bin der Meinung, dass man das besser konstruieren könnte (müsste), gerade im Kinderbereich, eine Belüftung wäre auch über die oberste kleine Fensterreihe realisierbar.

    Viele Grüße
    Andreas

  4. Ich kenne diese Schiffe sehr gut und kann dort keine größere Gefahr gegenüber einer normalen Reling erkennen. Wenn die Fenster eine Gefahr darstellen sollten müsste man auch alle Balkone vergittern und 2 Meter hohe Gitter vor jeder offenen Reling anbringen. Das kann wohl keiner wollen. Ein gewisses mass an Eigenverantwortung ist wohl jedem zuzumuten.

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