Die Beschichtung des Unterwasserschiffs ist bei Kreuzfahrtschiffen ein heikles Thema: Wirksame Antifouling-Anstriche sind meist giftig, verhindern aber den Bewuchs, der höheren Treibstoffverbrauch verursachen würde. Der Beschichtungsspezialist Lars-Eric Etzold von ND Coatings, einem Unternehmen der Meyer-Gruppe in Papenburg, erklärt im Interview die Zusammenhänge und zeigt, wie sich Meeresschutz und Energie-Effizienz von Kreuzfahrtschiffen vereinbaren lässt.
In Hinblick auf Umwelt- und Meeresschutz ein heikles Thema ist die Beschichtung des Unterwasserschiffs, also dem Teil des Rumpfes, der unter Wasser liegt. Im Rahmen unserer Schiffbau-Serie in Zusammenarbeit mit der Papenburger Meyer-Werft erklärt der Beschichtungsspezialist Lars-Eric Etzold von ND Coatings, wie die Werften und Reedereien die schwierige Balance zwischen geringem Reibungswiderstand und damit effektivem „Antifouling“ sowie umweltfreundlichen Beschichtungsmaterialien finden.
Der Zielkonflikt ist mehrschichtig: Die in einigen Antifouling-Beschichtungen enthaltenen Biozide, sind zweifelsfrei schädlich für die Meeresfauna. Andererseits lässt Bewuchs am Unterwasserschiff beispielsweise durch Muscheln den Treibstoffverbrauch von Kreuzfahrtschiffen deutlich ansteigen – und das erhöht wiederum die Emissionen von Luftschadstoffen und von CO2.
Um mehrere Prozent kann sich der Treibstoffverbrauch durch Bewuchs am Unterwasserschiff erhöhen, wie Schiffbau-Ingenieur Henning Luhmann, Head of Product Development der Meyer-Werft in Papenburg, bereits in unserem Interview „Kreuzfahrtschiffe mit Rumpf- und Strömungsoptimierung energieeffizienter machen“ erklärt hat.
Warum ist es so schwierig, Meeressschutz und den Schutz vor Bewuchs am Unterwasserschiff unter einen Hut zu bringen?
Lars-Eric Etzold: Lassen Sie mich zunächst einen kurzen Blick in die Vergangenheit werfen. Früher hatte man TBT, Tributylzinn. Das hatte teilweise zur Folge, dass Meeresorganismen, Muscheln bisexuell geworden sind. Dieser Giftstoff hat aber auch dafür gesorgt, dass die Schiffe immer sauber waren, sogar wenn sie wochen- und monatelang stilllagen. Dann wurde TBT richtigerweise verboten und man ist hauptsächlich zu dem zurückgegangen, was man vorher hatte, nämlich Kupfer.
Man hat dann Kupferpartikel eingesetzt, bei der sich die Organismen nicht festsetzen. Trotzdem ist das ein Biozid und muss von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) freigegeben werden.
„Diese Antifoulings sind, wenn man so will, von einer Matrix umwickelt, wie ein Honigwabensystem. Sobald sie mit Wasser in Kontakt kommen, fangen die an, sich aufzulösen.“
Diese Antifoulings sind, wenn man so will, von einer Matrix umwickelt, wie ein Honigwabensystem. Sobald sie mit Wasser in Kontakt kommen, fangen die an, sich aufzulösen – die sogenannte Selbstpolier-Rate. Das Wasser macht die Matrix nach und nach kaputt und dadurch werden die Giftstoffe eben auch an die Umwelt abgegeben.
Kupfer könnte unter Umständen jahrelang arbeiten, bleibt aber letztlich nur für vielleicht sechs Wochen an der Oberfläche, bevor die Matrix weggewaschen ist und das Kupfer verloren geht.
Das ist dann immer ein Balance-Akt: Entweder habe ich einen Anstrich, der im Unterwasserbereich umweltfreundlich ist. Dann kriege ich aber Bewuchs und verbrauche mehr Treibstoff. Oder ich setze Biozide ein, die ins Wasser gehen, habe dafür aber einen günstigeren Treibstoffverbrauch.
Gibt es dazu inzwischen keine umweltfreundlicheren Alternativen, die zugleich gut vor Bewuchs schützen?
Lars-Eric Etzold: Eine Alternative sind Silikonbeschichtungen. Die wurden teilweise auch schon während der TBT-Entwicklung in den 1960er-Jahren eingesetzt. Aber weil TBT so gut funktionierte, hatte man sich erst einmal dafür entschieden.
Silikon kennt man aus dem Haushalt von Kuchenformen. Leider funktioniert das im Unterwasserbereich nicht so 100prozentig. Es setzen sich zwar keine Muscheln daran fest, aber es bildet sich eine Schleimschicht. Wenn Sie mal im Sommer einen 10-Liter-Eimer, am besten schwarz, mit Wasser in die Ecke stellen, wird der auch nach ein paar Tagen schleimig. Und genau das passiert im Unterwasserbereich auch. Und dieser Schleim ist wiederum die Grundlage für Bewuchs.
Die Entwickler von Silikonbeschichtungen haben immer gesagt: Sobald das Schiff Geschwindigkeit aufnimmt, „pustet“ es diesen Schleim weg. Das ist aber leider nie so gewesen.
Silikonbeschichtungen zu reinigen ist wiederum ein Problem, weil Sie wirklich sehr, sehr weiche Bürsten dafür nehmen müssen. Und die meisten Unterwasser-Reinigungsfirmen nehmen eher etwas Hartes. Dann geht das Silikon teilweise kaputt. Oder Sie haben das Problem, dass sie mit der weichen Bürste viel zu spät anfangen. Wenn Sie also wöchentlich reinigen würden, wäre das anders, als wenn Sie das nur alle zwei Jahre machen.
Infolge der TBT- oder kupferhaltigen Anstriche haben die Hafenbehörden das Unterwasserreinigen fast überall verboten. Denn jedes Mal, wenn ich reinige, bürste ich ja den Unterwasseranstrich und damit diese Giftstoffe der Antifoulings ab. Die würden sich dann im Hafenbecken konzentrieren.
Komplett vergessen wurde bei diesen Verboten aber, dass silikonhaltige Anstriche eben nichts rauslassen. Wenn ein Schiff mit TBT- oder Kupfer-Antifouling fünf Jahre fährt, sind von den ursprünglich 350 bis 400 µ Anstrich vielleicht noch 50 µ drauf. Beim Silikon ist der Anstrich immer noch da – außer er wurde kaputt gemacht. Der wäscht sich nicht ab. Den Silikonanstrich wird man je nach Situation nach einem oder auch erst nach fünf Jahren überstreichen. Komplett erneuert man die Silikonbeschichtung typischerweise erst nach 15 und dann nochmal nach 30 Jahren.
Das klingt nach einer ziemlich gute Lösung …
Lars-Eric Etzold: Das Problem ist, dass die Silikonbeschichtungen in der Praxis trotzdem leichten Bewuchs bekommen. Ein Hersteller hat es geschafft, mit Silikon zu arbeiten, dass sich nicht auswäscht, und zugleich Biozide einzusetzen. Da ist der Biozid-Anteil weniger als zehn Prozent im Vergleich zu den anderen Antifoulings.
Dieses Produkt performt über fünf Jahre tatsächlich besser als die modernen mit Kupfer und die einfachen Silikonbeschichtungen. Das Problem ist nur, ich habe wieder einen leichten Biozid-Anteil. Ohne geht es da nicht. Zumindest ist es in den ersten drei Jahren definitiv besser gegen Bewuchs, ich habe also weniger Treibstoffverbrauch.
Ganz ohne Biozid geht es wirklich nicht?
Lars-Eric Etzold: Eine weitere Alternative ist eine harte Beschichtung. Irgendetwas auf Basis eines sehr harten Epoxy-Anstrichs. Und es gibt auch noch andere Systeme in diesem Bereich.
„Man nimmt den Bewuchs bewusst in Kauf und reinigt regelmäßig. Das bedeutet aber, dass die Crew bei den Hafenbehörden durchsetzen muss, dass sie reinigen darf.“
Da nimmt man den Bewuchs bewusst in Kauf und reinigt regelmäßig. Das bedeutet aber, dass die Crew bei den Hafenbehörden durchsetzen muss, dass sie reinigen darf. Dass man erklären muss, dass es keinen Bewuchs gibt, nur diesen leichten Schleim, den man regelmäßig abwaschen will. Die meisten Behörden wollen nicht, dass gewaschen wird. Aber wenn man das genau erklärt, dann gibt es die Genehmigung meist.
Sobald das Schiff drei oder vier Knoten schnell fährt, kann sich nichts mehr daran festsetzen. Aber was einmal drauf ist, das geht nicht mehr runter. Das heißt, schon nach den typischen acht bis zwölf Stunden Hafenliegezeit beginnt das Problem. Wenn ich das Schiff in dieser Zeit putze, habe ich weniger Probleme im nächsten Hafen, weil sich dann keine Gräser oder Muscheln festsetzen können.
Im Hafen putzen klingt aufwendig. Wie macht man das?
Lars-Eric Etzold: Aktuell sind das Taucher, teilweise mit Hilfe von Unterwasser-Scootern. Es hängt auch ein wenig von der Form des Schiffs ab, ob ich mit großen Reinigungsgeräten rangehen kann. Und es gibt Entwicklungen, das automatisiert mit Robotern zu machen. Bei Kreuzfahrtschiffen mit vielen dreidimensional geformten Flächen stellt sich aber die Frage, wie weit beispielsweise die Magneträder des Roboters auseinander liegen dürfen, damit der Roboter unten nicht aufsitzt.
Und was ist aktuell der Standard bei neuen Kreuzfahrtschiffen?
Lars-Eric Etzold: Was wir aktuell auch machen, ist eine Kombination: beim Flachboden eine Hartbeschichtung und Silikon an den Seiten. Wenn das Schiff in fünf Jahren ins Dock geht, kann man den Hartboden anrauen und eine Silikonbeschichtung aufbringen.
Ich habe jetzt auch schon von vielen Schiffen gehört, bei denen die Reederei nach fünf Jahren die Hartbeschichtung so gelassen haben, wie sie ist, und sich entscheidet, regelmäßig zu reinigen. Das hat schon Vorteile. Denn man kann Taucher runterschicken, die mit groben Bürsten arbeiten, weil eben die Hartbeschichtung damit nicht kaputt geht.
In Bereichen mit starken Zielkonflikten gibt es oft auch ganz neue Ansätze. Deuten sich solche Innovationen an?
Lars-Eric Etzold: Ja, es gibt da ein Produkt, bei dem es schon weniger um die Entwicklung geht, als um die Frage, wie wir das aufs Schiff kriegen. Wir sind im Moment an einem EU-gefördertes Projekt dran, das „Aircoat“ heißt. Da geht es darum, Luftblasen auf der Beschichtung festzuhalten. Die Luft wird also nicht extra zugeführt, sondern die Blasen bilden sich von selbst, sobald die Beschichtung ins Wasser kommt. Das ergibt so eine silbrige Oberfläche, die aus viele vielen, winzigen Luftblasen besteht.
„Es gibt da ein Produkt, bei dem es schon weniger um die Entwicklung geht, als um die Frage, wie wir das aufs Schiff kriegen.“
Die Technik stammt ursprünglich vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Wenn das wirklich funktioniert, dann haben wir wirklich etwas ganz Tolles. Jetzt geht es aber erst einmal darum, wie man das aufs Schiff aufbringt. Denn die dafür nötige Struktur kann ich nicht spritzen, sondern nur vorfertigen und als Folie aufbringen. Und das ist die große Frage: Wie kriege ich diese Folie drauf?
Ein Problem ist die Struktur des Schiffs. Es ist aus Stahl gebaut und Stahl verzieht sich nach dem Schweißen. Im Schiff habe ich Spanten, quasi wie Rippen im Brustkorb. Die Stahlplatte dazwischen mit 700 Millimeter Breite beult sich nach dem Schweißen leicht nach innen, sodass ich letztlich vielleicht 702 Millimeter habe. Zugleich habe ich Horizontalstreben, die aber exakt 700 Millimeter haben. Die Folie darauf passend zu ziehen, funktioniert nur manuell.
Zweites Problem: Kreuzfahrtschiffe haben kaum ein paralleles Mittschiff, die laufen sofort in die 3D-Geometrie. Da kann es sein, dass wenn ich hier zwei Punkte gerade herunterziehe, dass oben der Abstand zwischen den beiden Punkten ein Meter ist, und unten sind es schon 1,14 Meter. Wenn ich da mit der Folie gerade runtergehe, brauche ich einen Keil, um das auszugleichen.
Ich könnte diese 15.000 Quadratmeter Unterwasserschiff also nur manuell folieren. Und dann liegt das Schiff ja auch auf Pallungen, das sind also nochmal etwas über 1.000 Quadratmeter.
Die sogenannten Flachböden, die im untersten Bereich vom Schiff sind, müssen wir ganz am Anfang beschichten. Dann werden sie gedreht, aufgesetzt und liegen auf den Pallungen. Da kommen wir später auch nicht mehr ran. Bei der Folie sprechen wir aber von einer Halbmillimeter-Struktur, die sehr filigran aufgebaut ist. Wenn die den Druck des ganzen Kreuzfahrtschiffs abbekommt, dann war‘s das wahrscheinlich in dem Moment.
Das sind so die komplizierten Zusammenhänge und Faktoren, die es nicht einfach machen, neue Lösungen für die Unterwasserbeschichtung nicht nur zu entwickeln, sondern dann auch praktisch einzusetzen.
Vielen Dank an die Meyer Werft und Lars-Eric Etzold von ND Coatings für die Einblicke und Details!