Der Bundesgerichtshof hat ein überraschendes Urteil gefällt: Ist die unabhängig von der Kreuzfahrt gebuchte Anreise zu einer Kreuzfahrt wegen höherer Gewalt nicht möglich, kann der Passagier auch den Kreuzfahrt-Reisevertrag kündigen und infolgedessen eine geleistete Anzahlung zurückverlangen und muss auch keine Stornogebühren bezahlen.
Im konkreten Fall hatte ein Passagier für sich und seine Frau für April 2010 eine Kreuzfahrt ab Fort Lauderdale und separat die Fluganreise in die USA gebucht. Wegen der Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull waren die Flüge in die USA annulliert worden. Daraufhin kündigte der Passagier die Kreuzfahrt und verlangte vom Reisebüro die Anzahlung für die Reise zurück, selbiges allerdings wiederum vom Passagier die Stornogebühren haben wollte.
Der Bundesgerichtshof entschied nun, dass eine Kündigung des Reisevertrags in diesem Fall wegen höherer Gewalt zulässig sei, obwohl der annullierte Flug nicht Bestandteil des (Kreuzfahrt-)Reisevertrags war. Das Reisebüro könne daher keine Stornogebühren verlangen. Die Anzahlung müsse der Passagier allerdings direkt bei beim Reiseveranstalter geltend machen und nicht beim Reisebüro.
Eine wichtige Frage in dem Verfahren war, ob es sich bei der Kreuzfahrt um einen Reisevertrag handelte, die Kreuzfahrt also als Pauschalreise zu werten ist. Das Landgericht Kiel hatte das nämlich nicht so gesehen, obwohl die bisherige Rechtsprechung zu diesem Thema eigentlich eindeutig ist. Der BGH stelle denn auch klar, dass der Vertrag über eine Kreuzfahrt ein Reisevertrag in diesem Sinne sei – und als solcher laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) §651j bei höherer Gewalt kündbar. Dieses Kündigungsrecht gilt übrigens sowohl für Reisenden als auch für den Reiseveranstalter.
Bislang war man allerdings – und das ist das überraschende an dem aktuellen BGH-Urteil – immer davon ausgegangen, dass sich die höhere Gewalt unmittelbar auf den Vertragsgegenstand des Reisevertrages beziehen muss. Deswegen galt bisher, dass Kreuzfahrt-Passagiere das Risiko der Anreise selbst tragen mussten, wenn sie die Anreise nicht im Pauschalpaket zusammen mit der Kreuzfahrt gebucht hatten. Das neue BHG-Urteil stellt nun klar, dass auch höhere Gewalt, die indirekt den Antritt der gebuchten Reise faktisch unmöglich macht, zu einer Kündigung berechtigt.
Auch wenn die Urteilsbegründung noch nicht vorliegt, scheint sich zumindest laut der Pressemitteilung des BGH auch für Reisebüros ein interessanter Aspekt aus dem Urteil zu ergeben: Der BGH stellte nämlich fest, dass das Reisebüro nicht verpflichtet gewesen sei, seinen Kunden darüber aufzuklären, dass er das Risiko für die separat und unabhängig vom Kreuzfahrt-Vertrag gebuchte Flug-Anreise selbst trage. (BHG-Urteil vom 18. Dezember 2012 – X ZR 2/12)
(Bildquelle: Bjarki Sigursveinsson, Lizenz CC BY 2.0)
Lieber Franz,
vielen Dank für diesen Beitrag. Ich gehöre auch zu der dank Internet ständig wachsenden Fraktion der “Individuell-und- selbständig-Bucher” – was nicht bedeutet, dass ich mich bei der Kreuzfahrt-Buchung nicht auf Rat und Tat eines spezialisierten Reisebüros verlasse. Aber meine Anreise gestalte ich gerne unabhängig.
Ich habe deshalb dieses Urteil mit besonderem Interesse vernommen. Respekt vor den Richtern des BGH – eine sehr verbraucherfreundliche Entscheidung. Die Beteiligten haben bewiesen, dass sie nicht in einem juristischen Elfenbeinturm sitzen und Paragraphen sezieren, sondern mitten im Leben stehen – oftmals die beste Grundlage für sinnvolle Urteile.
Reisebüros, Veranstalter und Reedereien sollten mit dieser Entscheidung im Sinne ihrer Kunden auch leben können. Insbesondere in Anbetracht der damaligen, wirklich ungewöhnlichen Situation, in der auch kulantes Denken und Handeln aller Beteiligten angemessen gewesen wäre. Die Betroffenen waren durch den vereitelten Urlaub schließlich schon gestraft genug.
Herzliche vorweihnachtliche Grüße
Andreas
Also wenn ich ehrlich bin, Andreas, dann traue ich der Sache noch nicht so richtig. Ich bin sehr gespannt auf die ausführliche Urteilsbegründung dazu. Denn so sehr mich das Urteil freut, weil es Kreuzfahrt-Passagieren einen Vorteil bringt, zweifle ich doch an der Logik des Urteils.
Denn es ist doch so: Ich schließe mit der Reederei einen Reisevertrag über eine Kreuzfahrt ab, die in Fort Lauderdale beginnt und die, wie in diesem Fall, ja auch regulär stattfindet. In dem Vertrag geht es ausdrücklich nicht um einen Flug. Warum sollte ich dann den Reisevertrag (=Kreuzfahrt) kündigen können, wenn doch die Kreuzfahrt gar nicht von höherer Gewalt betroffen ist?
Freilich kann die Reederei natürlich umgekehrt auch die Kreuzfahrt einfach absagen, wenn z.B. ein Hurrikan die Fahrt unmöglich macht. Dann bleibe ich auf meinem separat gebuchten Flug sitzen. Unter diesem Aspekt schafft das Urteil immerhin ausgleichende Gerechtigkeit.