Das Fleet Operation Center von Carnival Maritime in der Hamburger Hafencity wirkt wie eine verkleinerte Version des NASA-Kontrollzentrums in Houston, das man von Raketenstarts kennt. Cruisetricks.de hatte Gelegenheit, sich diese operative Zentrale für Kreuzfahrtschiffe von AIDA, Costa, Cunard Line und P&O Cruises genauer anzusehen.
Ein Kreuzfahrtschiff zieht einsam seine Spur durch den weiten Ozean, dirigiert vom Kapitän in weißer Gala-Uniform, bewundert von den Passagieren, gefürchtet bei der Crew: Das ist Seefahrer-Romantik aus mindestens dem vorigen Jahrhundert. Längst ist die Navigation eines Kreuzfahrtschiffs eine Teamleistung. Und längst ist das Schiff nicht mehr relativ unbeobachtet und auf allein gestellt, sobald es einen Hafen verlässt.
Neben kooperativem Führungsstil auf der Brücke und Teamarbeit der Offiziere gibt es seit einem guten Jahrzehnt bei einigen, großen Reedereiunternehmen auch sogenannte Fleet Operation Center (FOC) wie das von Carnival Maritime in Hamburg. Über leistungsfähige Satellitenverbindungen kommt Unterstützung für die Schiffe damit auch von Land.
Auf großflächigen Bildschirmen im Hamburger FOC sind Live-Radar und -Videobilder, Wettermodelle, Seekarten und Maschinendaten der Kreuzfahrtschiffe in Echtzeit zu sehen. Das erinnert an die Kontrollzentralen der Flugsicherung. Doch Carnivals Fleet Operation Center hat einen anderen Zweck: Steuerung und Überwachung steht hier nicht im Vordergrund, sondern Unterstützung für die Kapitäne – und die Optimierung von Fahrtrouten und Emissionen.
Chef des FOC ist Adrian Graf Domaschke, mit vollständigem Titel „Senior Manager Nautical Operations & Fleet Operations Center“ bei Carnival Maritime in Hamburg. Er erklärt, wofür das FOC vor allem konzipiert ist: „Wir sind Ansprechpartner und Berater der Kapitäne und stellen sicher, dass die entsprechende Unterstützung gewährleistet ist. Wir sind dazu da, das Schiff zu unterstützen und vor allem dem Kapitän Arbeit abzunehmen, damit er sich auf seine Hauptaufgaben konzentrieren kann.“
Das FOC kann aber auch bei auf den ersten Blick wenig nautischen Anforderungen helfen: Passagiere sind nicht rechtzeitig zurück an Bord – wie lange kann der Kapitän warten, welche Konsequenzen entstehen daraus? Im FOC können dann beispielweise die Berechnungen stattfinden, wie viel Verspätung bei der Abfahrt akzeptabel ist, um bei höherer Geschwindigkeit den nächsten Hafen rechtzeitig zu erreichen – und mit wie viel höheren Kosten und Emissionen das verbunden wäre.
Wie viel Überwachung der Kreuzfahrtschiffe steckt im FOC?
Einen Hauch von Überwachung findet man auf der 18 Meter breiten und 1,5 Meter hohen Display-Wand dann aber doch – die aber ebenfalls vor allem die Kapitäne unterstützen soll.
Das FOC versieht die geplanten, detaillierten Fahrtrouten aller Kreuzfahrtschiffe der Carnival Corp. mit einer Art Sicherheitskorridor. Weicht das Schiff zu weit von der geplanten Route ab, schlägt das System in Hamburg Alarm.
An einem der rund um die Uhr besetzten Kontrollplätze des FOC prüft dann ein sogenannter Superintendent die möglichen Gründe für die Abweichung. Dabei kann er auf sämtliche Daten in nahezu Echtzeit zurückgreifen, die auch dem Kapitän an Bord des Schiffes vorliegen, von Radar- und Videokamera-Bildern über Motorleistungsdaten und anliegendem Kurs und Geschwindigkeit bis zu Wetter- und Seedaten.
Ist kein offensichtlicher Grund für die Kursabweichung erkennbar, beispielsweise ein Fischerboot oder auch mal eine ganze Segelregatta, die den Schiffskurs kreuzt, nimmt der Superintendent Kontakt zur Brücke auf, um die Situation aufzuklären.
Direkt vom FOC aus steuern könne er die 31 Kreuzfahrtschiffe der europäischen Carnival-Flotte jedoch nicht, versichert Domaschke. Das sei schon technisch nicht vorgesehen. Die Verantwortung für das Schiff und die letzte Entscheidung liege immer beim Kapitän.
Nautisch geschultes Personal
Wie die insgesamt zwölf Superintendents, die für das FOC arbeiten, hat auch Domaschke viel Erfahrung als Nautiker, ist viele Jahre als Offizier selbst zur See gefahren. Vier sogenannte Operation Desks gibt es im FOC, zwei sind davon typischerweise rund um die Uhr im Schichtdienst besetzt. Über Satellitenverbindungen laufen hier alle wichtigen Daten aus dem Schiffsbetrieb zusammen.
Die Operation Desks sind das Herz des FOC. Und, so Domaschke, die hier gesammelten Daten „werden analysiert und fließt in die zukünftige Planung der Routen ein, damit die Routen so effektiv und emissionsarm wie möglich gestaltet werden können.“
13 Terabyte Daten sammelt und analysiert das FOC jährlich. Für eine ungefähre Vorstellung solcher Datenmengen: 13 Terabyte entspricht etwa einer Milliarde Seiten Text in MS-Word-Dokumenten oder 2,5 Millionen Handy-Fotos (Auflösung 4.096×3.072 Pixel).
Emergency Response Center: Hilfe in schwierigen Situationen
Zwei Räume des FOC, die wie kleine Konferenzräume aussehen, will eigentlich niemand nutzen müssen: die Emergency Response Center. Hier tagt bei größeren oder kleineren Notfällen ein Krisenstab, um Kapitäne in Krisensituationen mit zusätzlichen Ressourcen und Fachleuten zu unterstützen, die aus der Rufbereitschaft innerhalb von einer Stunde bereitstehen können, so Domaschke.
Wobei ein solcher Notfall durchaus auch so relativ harmlos sein kann wie ein Sturmtief, das den Anlauf eines Hafens unmöglich macht und das Krisenteam daran arbeitet, einen Ersatzhafen und dort entsprechende Landausflüge zu identifizieren und zu organisieren. Denn gerade in solchen Situationen kann das FOC der Schiffsbesatzung viel Arbeit abnehmen – bei „alle Unregelmäßigkeiten in den operativen Abläufen“, wie Carnival Maritime es bezeichnet.
Der „Tactical Table“: Ein Bildschirm wie bei „Navy CSI Hawaii“
Fast jeder hat in TV-Serien wie „Navy CSI Hawaii“ schon einmal diese futuristisch anmutenden, riesigen Touch-Screens in Tischgröße gesehen, auf denen die Ermittler digitale Dokumente, Fotos oder Landkarten mit ihren Händen oder Fingern hin und her schieben.
Genauso ein Tisch steht auch im FOC. Und auch die Arbeit an diesem „Tactical Table“ ähnelt dem der CSI-Ermittler. Er dient nämlich zur Simulation von Navigationssituationen in verschiedenen Varianten, zur Planung von Routen-Alternativen und Ähnlichem.
Dazu kann man die unterschiedlichsten Daten und Ansichten beispielsweise aus Radarbilder oder See- und Wetterkarten beliebig auf dem Tisch gruppieren, um sich einen Überblick zu verschaffen. Und über eine Kamera können auch die Offiziere auf der Brücke eines Kreuzfahrtschiffs in die Planung und Diskussion in Echtzeit mit einbezogen werfen.
Planen und Optimieren im Schiffssimulator
Konkrete Navigationssituationen durchspielen kann man auch im „Part Task Ship Simulator“, einem weiteren Teil des FOC. Anders als der große Kreuzfahrtschiff-Simulator des Maritimen Trainingszentrums (CSMART) im niederländischen Almere bei Amsterdam ist dieser Simulator eine Nummer kleiner – und hat einen anderen Zweck. Während der große Simulator für das Training von nautischen Offizieren eingesetzt wird, geht es in Hamburg um Planung und Optimierung.
Rund 150 Häfen weltweit kann der Simulator bis ins kleinste Detail darstellen, inklusive detailreicher Strömungssimulationen, die den realen Bedingungen im jeweiligen Hafen entsprechen. So lassen sich beispielsweise effizientere Manöver testen und Alternativen für kritische Bedingungen wie schlechtem Wetter oder starken Winden finden. Oder auch für die Routenführung analysieren, ob und wie man einen bestimmten Hafen mit dem Schiff einer bestimmten Klasse und Größe sinnvoll anlaufen könnte.
Für Simulator-Fans ist dieser Kreuzfahrtschiff-Simulator mit seiner enormen Detailtreue genau das, was man sich für den eigenen Hobby-Keller wünschen würde – was für die allermeisten freilich weder finanziell noch räumlich machbar wäre.
Im Austausch mit dem Schwester-FOC in Miami
Das Fleet Operation Center von Carnival Maritime gibt es übrigens schon seit 2012, damals noch in Rostock bei AIDA angesiedelt. Seit 2015 hat das Fleet Operation Center eigene Räume in der Hafencity Hamburg und wurde jetzt 2024 noch einmal umfassend modernisiert und erweitert.
Ein weiteres Fleet Operation Center von Carnival Maritime steht in Miami. Von dort aus werden die Kreuzfahrtschiffe der amerikanischen Carnival-Marken weltweit betreut, derzeit sind das 64 Schiffe. Das FOC in Hamburg betreut aktuell 31 Schiffe. Ein AIDA-Kreuzfahrtschiff steht also immer mit dem FOC in Hamburg in Kontakt, auch wenn es beispielsweise in der Karibik oder in Neuengland unterwegs ist.
Regen Austausch gibt es zwischen den beiden FOCs dennoch: Die Mitarbeiter nehmen an Austauschprogrammen teil und arbeiten zeitweise im jeweils anderen FOC. Die Schiffsdaten sind ohnehin in beiden FOC jeweils von allen knapp 100 Carnival-Kreuzfahrtschiffen verfügbar – ein Datenschatz, in dem enormes Potenzial für weiter Optimierungen steckt, nicht zuletzt, um den Treibstoffverbrauch und damit auch der Emissionen der Schiffe weiter zu senken.
Danke an AIDA, die den Besuch im FOC ermöglicht hat, und Danke an Adrian Graf Domaschke für die ausführliche, persönliche Führung.
Hallo Jerome, hallo Franz,
die aktuelle Folge über das Fleet Operations Center war wieder recht unterhaltsam, wenngleich ich hier schon anmerken möchte, dass ich schon mehrere Videos darüber gesehen habe und ihr ein wenig verspätet berichtet. Zugutehalten möchte ich euch aber schon, dass z.B. Hr. Morr eine wesentlich kürzere Anreise hatte! :)
Beste Grüße
Johann Kohler
@Johann Kohler: ich halte überhaupt nichts von diesem „ich bin Erster“-Rennen bei journalistischer Arbeit. Erst recht nicht bei einem Thema, das keine Tagesaktualität hat. Mir geht es generell um Qualität, nicht Geschwindigkeit (was ich in diesem konkreten Fall ausdrücklich nicht als Wertung der Qualität der Berichterstattung an anderer Stelle meine). Wenn es danach ginge, ob jemand anders schonmal irgendwo anders über ein Thema berichtet hat, dann könnte man den Job gleich aufgeben, weil es dann kaum noch etwas gäbe, über das man berichten könnte. Warum soll ich keine Podcast-Episode oder einen Text über etwas machen, zu dem es schon irgendwo ein Video gibt? In diesem konkreten Fall lag’s bei mir übrigens schlicht an Terminüberschneidungen; ich kann nicht immer überall gleichzeitig sein ;-)
Ja das mag so sein, aber wenn ich schon mehrere Videos über ein Thema gesehen habe, wer hört sich dann noch einen Podcast zum selben Thema an.