Schiffbau ist faszinierend, selbst bei vermeintlich unspektakulären Themen wie die Innenbeschichtung von Tanks. Für unsere Schiffbau-Serie in Zusammenarbeit mit der Papenburger Meyer Werft haben wir den Beschichtungsspezialisten Lars-Eric Etzold interviewt und dabei festgestellt: Ein paar Tausend Liter Farbe können ganz schön spannend sein …
Zum Bau eines Kreuzfahrtschiffs fällt einem spontan einiges ein: der Moment, in dem das erste Stück Stahl für ein neues Schiff geschnitten wird; das Zusammenschweißen der riesigen Baublöcke; die Montage der Propeller; das Aufbringen der oft fantasievollen Rumpfbemalung; das Aufschwimmen, wenn das Schiff erstmals Wasser unter den Kiel bekommt.
Doch ein faszinierender Arbeitsschritt findet ganz im Verborgenen statt. Wir steigen gedanklich ganz tief hinunter in den Bauch eines Kreuzfahrtschiffs: zu den Tanks. Selbst langjährige Werftmitarbeiter haben das noch nie mit eigenen Augen gesehen.
Es klingt auf den ersten Blick unspektakulär, aber die Tanks müssen von innen beschichtet werden – ein Vorgang, der überraschende Details offenbart und zeigt, wie viel Know-how und Erfahrung in jedem Detail des Schiffbaus steckt.
Wir haben uns im Exklusiv-Interview mit dem Beschichtungsexperten Lars-Eric Etzold, zuständig für die Konservierungsspezifikation bei ND Coatings, unterhalten. Er erklärt unter anderem, welche Schwierigkeiten die Werftarbeiter beim Beschichte der Tanks bewältigen müssen und warum die Werft selbst bei einem riesigen Kreuzfahrtschiff mit Farbeimern hantiert, die von ihrer Größe her auch aus dem Baumarkt stammen könnten.
ND Coatings in Papenburg ist ein Teil der Meyer-Gruppe mit Sitz in Papenburg, am Rande des Werftgeländes der Meyer Werft.
Über welche Fläche sprechen wir bei der Beschichtung von Tanks?
Lars-Eric Etzold: Man unterschätzt das leicht. Alle Tanks zusammengerechnet sind wahrscheinlich mehr als alle Balkone und Aufbauten zusammen. Und das Unterwasserschiff beispielsweise sieht dagegen zwar groß aus, aber im Endeffekt gehen da keine acht Prozent unserer Beschichtungsstoffe drauf.
Wie beschichtet man denn enge, dunkle Tanks von innen? Mit Robotern? Menschen in Ganzkörper-Schutzkleidung?
Lars-Eric Etzold: Wir haben tatsächlich mal überlegt, das mit Robotern zu machen. Aber das geht nicht. Die Zuwegung ist einfach nicht da. Auch wenn ein Tank 1000 Kubikmeter, 4000 Quadratmeter an Innenfläche hat, habe ich immer noch das Problem, dass ich die Zuwegung in den Tanks aus 600 x 400 mm großen, ovalen Öffnungen besteht. Und da muss alles erst einmal durch. In den Tanks sind dann noch etliche Versteifungen und die haben wiederum auch diese 400x600mm-Löcher.
Warum beschichten Sie die Tanks nicht viel bequemer, bevor sie komplett zusammengebaut werden?
Lars-Eric Etzold: Weil das Sinn macht. Viele Werften gehen anders vor: Sie beschichten einen Tank, solange er noch nicht zusammengeschweißt ist. Dann müssen die aber nach dem Schweißen diesen Stoß nochmal abarbeiten. Das heißt, ich gehe dreimal in den Tank rein. Wir gehen lieber nur einmal rein, dafür aber erst, wenn das Schiff fertig zusammengebaut ist. Wir sehen, dass die Qualität dabei besser wird.
Okay, also durch enge Löcher und ohne Roboter. Erster Schritt ist vermutlich eine Entrostung. Wie geht das bei so großen Flächen?
Lars-Eric Etzold: Idealerweise arbeiten wir mit Strahl-Entrostung. Das heißt, ich habe Stahl-Kies und strahle mit fünf bis sechs Bar Druck auf die Oberfläche. Der Mitarbeiter hat dazu eine dicke Leder-Kombi an, entweder eine Schürze oder einen richtig dicken Kombi, dicke Schweißhandschuhe und so etwas wie einen Taucherhelm, kriegt externe Zuluft wegen dem ganzen Staub, der da drin ist.
„Rein theoretisch kann ich damit sogar ein Loch in die Stahlwand reinschießen.“
Dabei ist er natürlich nicht alleine, da müssen immer mehrere Leute mit und man braucht eine leistungsstarke Taschenlampe, um überhaupt noch etwas zu sehen. Der Mitarbeiter hat Glasscheiben zum Schutz im Helm, die er öfters austauschen muss. Denn das Problem ist ja: Schieße ich das Stahlmittel gegen die Wand, kommt das auch wieder zurück. Selbstverständlich versucht man das unter einen bestimmten Winkel zu halten und nicht gerade dagegen. Rein theoretisch kann ich damit sogar ein Loch in die Stahlwand reinschießen, wenn ich nur lange genug auf eine Stelle draufhalte.
Da sammelt sich in den Tanks jede Menge Staub und Strahl-Material …
Lars-Eric Etzold: Stimmt. Jedesmal, wenn ich strahle, bleibt das Medium da drin. Und in dem Moment kann ich es auch nicht absaugen. Das heißt, ich muss immer mit dem Fußboden anfangen, und mich quasi mit dem sich aufbauenden Strahlmedium, das zurückbleibt, nach oben arbeiten.
„Es dauert fast eine Woche, um zu strahlen und danach alles wieder herauszuholen.“
Das sind dann ungefähr 25 oder manchmal auch 35 Kilogramm Material pro Quadratmeter. Nach dem Strahlen muss ich das alles wieder herauspumpen. Zwischenzeitlich muss ich zusehen, dass der Staub, der sich bildet, gefiltert wird. Dann geht der nächste Trupp zum Strahlen rein. Es dauert fast eine Woche, um zu strahlen und danach alles wieder herauszuholen. Da muss ich aufpassen, dass der Tank durch Luftfeuchtigkeit nicht gleich wieder anfängt zu rosten.
Und dann kann man endlich mit dem Beschichten anfangen?
Lars-Eric Etzold: Da kommt eigentlich der große Knackpunkt: Dabei muss ich unwahrscheinlich viele Regularien beachten. Die verwendeten Produkte müssen teilweise eine Zulassung haben. Für Ballastwasser-Tanks braucht das Produkt ein Zertifikat einer Klassifikationsgesellschaft. Für Trinkwassertanks muss ich ein Trinkwasserzertifikat haben und so weiter. Das heißt, ich kann nicht alles mit einer Beschichtung, sondern ich habe meist zwei oder drei verschiedene Beschichtungen. Dann muss ich sehen, dass ich unsere Umweltauflagen einhalte, die wir uns teilweise auch selbst auferlegt haben.
Wie kommt die Beschichtung an die Stahlwände?
Lars-Eric Etzold: Wie beim Strahlen geht auch der Spritzer nicht alleine in den Tank. Er hat mindestens einen Mann dabei, teilweise zwei, weil ja zum Beispiel auch mal der Schlauch gezogen werden muss. Der Spritzer kriegt einen Vollanzug, Vollmaske, Handschuhe. Er ist komplett eingepackt, Haut sieht man gar keine mehr, durch die Glasscheibe der Maske kann man von außen ein bisschen das Gesicht sehen. Und dann muss er diese Tanks beschichten.
Da reden wir von Schichtdicken von 0,3 bis runter auf 0,16 Millimeter, also hauchdünne Beschichtungen. Teil weise muss der Trupp auch zweimal rein, wenn es ein sogenannter Zweischichter ist, früher sogar dreimal. Jedesmal muss der Tank danach belüftet werden, damit die ganzen Lösemittel raus können. Selbst bei Lösemittel-freien Systemen muss ich auslüften, um Ausschwitzungen von der Oberfläche zu vermeiden.
Dann geht am nächsten Tag nochmal ein Trupp rein und guckt, wo eventuell Fehlstellen sind. Es wird auch gemessen und wenn es zu dünn ist, muss halt nachgearbeitet werden, gerade so bei Ecken und Kanten, da ist das schwierig.
Wie bekommt man eine Beschichtung von nur 0,16 Millimetern hin?
Lars-Eric Etzold: Zum Spritzen haben wir sogenannte Airless-Pumpen. Das Beschichtungsmaterial kommt nicht mit Luft in Kontakt, sondern wir einfach nur unter Druck gesetzt. Diese Airless-Pumpen haben eine Übersetzung von 72 zu 1. Das heißt, ich gebe ein Bar Druck drauf und habe 72 Bar auf der Pumpe. Die Systeme arbeiten teilweise mit sechs Bar, spritzen vorne also mit 432 Bar. Pro Meter Schlauchlänge geht etwa ein Bar verloren, bei einer bei uns normalen Schlauchlänge von 80 Metern also 80 Bar.
Vorne ist eine ganz feine Düse, die das Material zerstäubt. Dazu braucht es mindestens 100 Bar Druck. Vor die Düse sollte man den Finger nicht halten, das würde reinschneiden.
Was mich wirklich überrascht ist, dass Sie Beschichtungen aus Farbeimern verwenden, die aussehen, als würden sie aus dem Baumarkt stammen …
Lars-Eric Etzold: Ja, das stimmt, wir arbeiten tatsächlich mit 20-Liter-Eimern. Wir arbeiten in den Tanks fast ausschließlich mit Epoxid-Systemen. Dieses Material wird angemischt und gibt eine Reaktionszeit, die sogenannte Topfzeit. Das ist die Zeit, in der ich das Material verarbeiten kann, ohne dass es chemisch soweit ausreagiert hat, dass es auf der Oberfläche nicht mehr richtig haften würde.
„… etliche hundert Tonnen an Beschichtungsstoffen auf so einem Schiff …“
Die lösungsmittelfreien Systeme haben teilweise nur 30 Minuten Topfzeit. Also steht da einer an der Pumpe und mischt die Mengen, die man in dieser Zeit verarbeiten kann. 16 Liter von der Basis, 4 Liter vom Härter und das mischt man zu 20 Litern Beschichtungsmaterial, die sich dann typischerweise in etwa 20 Minuten verarbeiten lassen.
Es gibt auch andere Systeme wie Polyurethan-Anstriche, die gehen aber nicht in den 300-µ-Bereich, sondern eher in den 3-Millimeter-Bereich, also 3.000 µ. Das wiegt dann auch zehnmal so viel.
Und selbst wenn wir ja nur mit hauchdünnen Schichten arbeiten wie hier, über die Fläche haben wir am Ende doch noch etliche hundert Tonnen an Beschichtungsstoffen auf so einem Schiff drauf. Und wenn man das dann eben verzehnfacht – fragen Sie mal die Hydrodynamiker hier in der Werft, was passiert, wenn man das Schiff um nochmal 1.000 Tonnen schwerer machen würde …
Vielen Dank an die Meyer Werft und Lars-Eric Etzold von ND Coatings für die Einblicke und Details!
Hinweis: Wir haben mit Lars-Eric Etzold auch über die Antifouling-Beschichtung des Unterwasserschiffs gesprochen – ein heikles Thema in Hinblick auf Meeresschutz und zugleich für die Reedereien ein großer Aspekt bei der Energieeffizienz der Schiffe. Welche Fortschritte und Ideen es in diesem Bereich gibt, lesen Sie im zweiten Teil des Interviews: „Rumpfbeschichtung von Kreuzfahrtschiffen: Im Konflikt zwischen Meeresschutz und Treibstoffverbrauch?“