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Niedriger Schwefelanteil in Schiffstreibstoffen fördert die Erwärmung der Ozeane

Es ist paradox, was mehrere Studien jetzt zeigen: Die 2020 verschärften Schwefelgrenzwerte für Treibstoffe und Emissionen in der Schifffahrt wirken sich negativ auf die Erwärmung der Ozeane aus. Warum Umweltschutz und Klimaschutz bei diesem Thema in Widerspruch zueinander stehen, fassen wir in diesem Beitrag zusammen – und was man vielleicht dagegen tun kann.

Anfang 2020 sind strengere Umweltschutz-Vorschriften in der weltweiten Schifffahrt in Kraft getreten, der sogenannte „Sulfur Cap“: Seit 1. Januar 2020 darf der Schwefelgehalt in Schiffstreibstoffen weltweit nur noch maximal 0,5 Prozent betragen, oder ein äquivalenter Wert in den Emissionen. Zuvor lag der Grenzwert bei 3,5 Prozent. Niedrigere Werte galten auch davor schon in Schutzzonen. Das führte zu einem Rückgang der Luftverschmutzung durch Schwefel um mehr als 80 Prozent.

Eine negative Auswirkung dieses eigentlichen Erfolgs ist nun aber offenbar eine reduzierte Wolkenbildung entlang der Schifffahrtsrouten – negativ deshalb, weil sich das sich auf die Erd- beziehungsweise Meereserwärmung auswirkt. Ein Artikel im Wissenschaftsmagazin Science spricht sogar von einem unfreiwilligen Geo-Engineering-Experiment.

Science berichtet, dass Forscher in mehreren Studien riesige Mengen an Satelliten- und Wetterdaten ausgewertet haben, teils mithilfe von künstlicher Intelligenz. Dabei sind sie auf die überraschende Beobachtung gestoßen. Weil die Menge des emittierten Schwefeloxids auf den Schifffahrtsrouten rund um die Welt seit Inkrafttreten neuer Grenzwerte Anfang 2020 drastisch zurückgegangen sind, bilden sich über diesen Routen viel weniger Wolken.

Laut dem Science-Artikel verstärkt der mangels Wolken höhere Lichteinfall die wärmende Wirkung der menschlichen Kohlenstoffemissionen um 50 Prozent – bezogen auf die Schifffahrtsrouten. Das betrifft also laut der Studie von Science Advances mindestens 0,3 Prozent der weltweiten Meeresoberfläche, wobei die Wolkenbildung in den Tropen nicht sinnvoll gemessen werden könne. Lokal seien aber teils in bis zu zwei oder drei Prozent der Wolkenfläche über Meeren Wolkenspuren nachgewiesen, die von Schiffen verursacht werden.

„Die kühlende Wirkung eines ziemlich großen Vulkanausbruchs“

Science zitiert Michael Diamond, Atmosphärenforscher an der Florida State University, mit einer Einordnung: „Das ist so, als ob die Welt plötzlich die kühlende Wirkung eines ziemlich großen Vulkanausbruchs pro Jahr verlieren würde.“

Aber was hat der neue Schwefelgrenzwert überhaupt mit der Wolkenbildung zu tun? Die Sulfate in den Emissionen von Schiffen, gleichermaßen bei Fracht- wie Kreuzfahrtschiffe, fördern die Bildung von Wolken.

Feinste Wassertröpfchen setzen sich an Sulfaten fest. Dadurch entstehen neue Wolken, die zudem besondere hell und damit das Sonnenlicht besonders stark reflektierend, weil Sulfate zu besonders feinen Tröpfchen führt. Auch bereits bestehende Wolken werden damit heller und reflektieren mehr Licht zurück ins Weltall.

Reflektieren Wolken jedoch einen Teil des Sonnenlichts, bremst das die Erwärmung der Erdoberfläche oder des Ozeans darunter. Oder im Umkehrschluss: Fehlen die Wolken, erwärmen sich die Ozeane an diesen Stellen stärker. Und entlang der viel befahrenen Schifffahrtsrouten habe die Forscher nun einen Rückgang der Wolkenbildung um mehr als 50 Prozent seit Inkrafttreten der strengeren Grenzwerte 2020 beobachtet.

Gegenmaßnahme: Geo-Engineering?

Wie man den problematischen Auswirkungen des „Sulfur Cap“ und damit rückläufiger Wolkenbildung entlang der Schifffahrtsrouten begegnen könnte, führt zurück zum Thema Geo-Engineering: Marine Cloud Brightening ist eine Strategie, die das Magazin Science in seinem Artikel anspricht. Dabei könnten Schiffs während der Fahrt Salzpartikel in die Luft abgeben, die den gleichen Effekt wie Sulfate haben: Sie bilden Wolken aus feinsten Wassertröpfchen und würden damit bestehende Wolken aufhellen oder neue, helle Wolken bilden, die mehr Sonnenlicht zurück ins Weltall reflektieren würden.

Freilich ist das bislang bestenfalls ein Gedankenspiel, zumal Geo-Engineering insgesamt umstritten ist. Und noch sind die Zusammenhänge und Auswirkungen des Sulfur Cap nicht ausreichend und vor allem über einen längeren Zeitraum hinweg erforscht.

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Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

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