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50 Prozent sind als pauschale Stornokosten zu hoch

Eine unangenehme Niederlage hat AIDA vor dem Oberlandesgericht Rostock einstecken müssen. Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte gegen pauschale Stornokosten von 50 Prozent bei Kündigung einer Kreuzfahrt im „Just AIDA“-Tarif vor dem 60. Tag vor Reiseantritt geklagt – und Recht bekommen. 50 Prozent seien zu viel, urteilte das Gericht, weil der tatsächliche Schaden durch die Kündigung für die Reederei deutlich geringer sei.

Mit „Just AIDA“ bietet AIDA einen Tarif mit meist sehr günstigen Preisen, dafür nimmt der Passagiere einige Einschränkungen in Kauf – beispielsweise bestimmt er zwar den Reisetermin, bekommt dann aber von AIDA erst spätestens 14 Tage vor Abreise mitgeteilt, auf welcher Fahrtroute und welchem Schiff er fährt. Oder man ist terminlich flexibel und bucht eine bestimmte Fahrtroute. Auch die genaue Kabine an Bord kann der Kunde hier nicht frei wählen.

Tipp: Für einen Überblick zu allen rechtlichen Themen rund um die Kreuzfahrt, lesen Sie unseren Beitrag Reiserecht in der Kreuzfahrt: Worauf Sie achten sollten und wie Sie zu Ihrem Recht kommen“.

Und: Bei Kündigung des Reisevertrags bis spätestens 60 Tage vor Abreise wird im Tarif „Just AIDA“ pauschal eine Stornogebühr von 50 Prozent des Reisepreises fällig. In den Tarifen Vario und Premium verlangt AIDA dagegen bei gleicher Kündigungsfrist lediglich 35 beziehungsweise 20 Prozent Entschädigung bei Stornierung.

Diese Ungleichbehandlung insgesamt hat das Oberlandesgericht Rostock nun ebenso für unzulässig erklärt wie Höhe der Storno-Kosten von 50 Prozent (Urteil vom 4.9.2013, Aktenzeichen 2 U 7/13, OLG Rostock).

Grundsätzlich sind pauschale Storno-Kosten als Prozent-Wert vom Reisepreis zulässig. Allerdings muss der Reiseveranstalter nachweisen, dass diese Pauschale den tatsächlich bei solchen Kündigungen entstehenden Kosten entspreche. Und das ist AIDA laut Oberlandesgericht Rostock in dem Verfahren nicht gelungen.

AIDA hatte vor Gericht dargelegt, dass sich etwa 86 Prozent der Reisen gewöhnlich noch ab dem 49. Tag vor Reisebeginn wieder verkaufen ließen – und zwar im „Just AIDA“-Tarif oder sogar in einem teureren Tarif. Diese Einnahmen aus anderweitigem Verkauf der Reiseleistung, so das Gericht, müsse AIDA kostenmindernd bei der Stornierungspauschale berücksichtigen und somit sei der zu erwartende Verlust geringer als 50 Prozent des ursprünglich relevanten Reisepreises.

Interessant ist eine weitere Feststellung des Gerichts. AIDA hatte vorgerechnet, dass der durchschnittliche Erlöse bei einem Passagier-Tag im „Just AIDA“-Tarif um einiges niedriger sei als die durchschnittlichen Kosten pro Passagier-Tag, weswegen die Storno-Gebühren bei diesem Buchungstarif höher ausfallen müssten. Das Gericht stellt jedoch fest, dass die Reederei diese interne Mischkalkulation nicht dem Kunden anlasten dürfe. Kunden, die einen nicht kostendeckenden Tarif buchten, dürften nicht dazu herangezogen werden, die Stornokosten in teureren Tarifen quer zu subventionieren.

Da AIDA nach eigenen Angaben durchschnittlich zu 99,36 Prozent ausgebucht sei, dürfe AIDA die Kosten für diese Ausfälle nicht überproportional auf die Kunden des „Just AIDA“-Tarifs verteilen, sondern müsse die Kosten entsprechend der Buchungsgrade der einzelnen Preissegmente gleichmäßig verteilen.

Immerhin lies das Gericht ein Argument der Verbraucherzentrale nicht gelten: Sie hatte mit deutlich niedrigeren Storno-Kosten bei anderen Reiseveranstaltern argumentiert. Ein solcher Vergleich kann jedoch laut Gericht nicht für sich genommen als Indiz für eine zu hohe Entschädigung gesehen werden, da bei jedem Reiseveranstalter andere Verhältnisse, Strukturen und Erfahrungssätze vorlägen. Der vom Kunden zu begleichende Schaden kann demnach also je nach Reederei und Anbieter durchaus unterschiedlich ausfallen.

Eine Revision hat das Gericht nicht zugelassen, das Urteil ist aber aktuell noch nicht rechtskräftig. Sollte es rechtskräftig werden, dürfte AIDA die von der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisierte Vertragsklausel zur pauschalen Entschädigung bei Reise-Stornierung bis zum 60. Tag vor Abreise in Höhe von 50 Prozent nicht mehr in ihre Reiseverträge aufnehmen. Entsprechend müsste AIDA die Verträge ändern und niedrigere Storno-Entschädigungen vorsehen.

7 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

7 Gedanken zu „50 Prozent sind als pauschale Stornokosten zu hoch“

  1. Die tatsächlich wichtigen Infos verstecken sich: Auslastung 99,36% und Kosten pro Passagiertag 92,60 Euro. Da ist bei der aktuellen Preislage kaum noch Marge drin, da kanns nur über Volumen und deftige Kostenreduzierung gehen (AIDAprima). Ich dachte, da wäre mehr Musik im Spiel. Dann dürfte es nicht mehr lange dauern, bis zur nächsten Konsolidierungswelle.

  2. AIDA gilt im Branchenvergleich eigentlich als sehr profitabel; ich glaube, da braucht man sich erstmal keine großen Sorgen machen.

    Solche in einem Prozess genannten Zahlen würde ich immer mit etwas Vorsicht genießen, weil die natürlich für einen ganz bestimmten Zweck ermittelt und berechnet wurden. Der Zweck hier: dem Gericht vorzurechnen, wie arm man dran ist ;-)

  3. Beachten muss man auch, daß die Maximalauslastung nicht bei 100% liegt, sondern dass 100% die Vollauslastung bei Doppelbelegung darstellen. Ein Schiff kann also ggf. durchaus auch mit 120% noch nicht voll sein, wenn entsprechend viele Oberbetten zur Verfügung stehen und das Passagierzertifikat dies zuläßt.

  4. @Raoul: Für das Gericht sicherlich eine sehr schwierige Materie und ich glaube, es hat gut daran getan, keine Berechnung anzustellen, welche genaue Storno-Entschädigung statt der 50% tatsächlich angemessen wären.

  5. Auch wenn das hier schon ein älterer Hut ist, so möchte ich trotzdem die Gelegenheit nutzen um meinen Quark dazu zu sagen.

    Ich halte dass mit den Stornogebühren für nicht gerechtfertigt und in fast allen fällen für zu hoch. Nehmen wir mal an, ich buche eine Reise und muss selbige einige Tage später aus persönlichen Gründen wieder stornieren. Die Buchung und Stornierung fand sehrweit (mehr als 100 Tage) im Voraus statt. Warum muss ich dann 20 oder 35 % Stornogebühren zahlen? Für den Reiseveranstalter sind doch noch keine wirklich relevanten Kosten angefallen. Hier wird nach meiner Meinung nur wieder Kasse mit uns Verbrauchern gemacht. Arm sind die alle nicht, haben halt nur eine bessere Lobby bei den Gerichten und in der Politik, die schon längst keine Bürgerinteressen mehr vertritt.

  6. >Für den Reiseveranstalter sind doch noch
    >keine wirklich relevanten Kosten angefallen.

    Naja, ganz so ist es auch nicht. Jedes Unternehmen macht Kalkulationen, wie viel das Werben eines Kunden kostet – vereinfacht gesagt: Marketing- und Vertriebskosten werden rechnerisch auf die Anzahl der Passagiere umgelegt. Um einen einzelnen Kunden dazu zu bringen, zu buchen, kostet also durchschnittlich Betrag X. Storniert der Kunde (sprich: hält er sich nicht an einen geschlossenen Vertrag), wurde dieser Betrag X vergeblich aufgewendet bzw. muss erneut ausgegeben werden, um die Reise einem anderen Kunden zu verkaufen. außerdem ist denkbar (und wahrscheinlich), dass sich die Kabine möglicherweise nicht mehr zum ursprünglichen, sondern „last minute“ nur noch zu einem niedrigeren Preis verkaufen lässt. Auch hier entsteht potenziell also ein Verlust.

    Sowohl diese mögliche Preisdifferenz als auch die Werbekosten halte ich durchaus für gerechtfertigt, an den stornierenden Kunden weitereichen. Und nachdem die Berechnung dieser Kosten in jedem einzelnen Fall viel zu aufwändig bzw. teils sicherlich auch unmöglich ist (v.a. bzgl. Werbekosten), sind in der Reisebranche pauschale, prozentuale Stornokosten üblich.

    Ob die Höhe dieser Kosten allerdings tatsächlich z.B. 20 oder 35 Prozent sind, lässt sich aber sicherlich in Frage stellen. Mangels genauer Zahlenkenntnis ist eine Beurteilung da schwierig. Sobald ein solcher Fall aber vor Gericht landet, nimmt das Gericht eine Prüfung im Einzelfall vor um eben genau festzustellen, ob die Höhe der Stornokosten angemessen ist. Insofern kann man schon davon ausgehen, dass vom Gericht bestätigte Kosten auch in etwa dem entsprechen, was tatsächlich an Kosten anfällt.

    Ich glaube, man darf bei der Sache einfach nicht übersehen, dass man als Reisender einen Vertrag mit der Reederei unterschrieben hat und ein Storno einem Bruch dieses geschlossenen Vertrages entspricht. Dementsprechend sind die entstehenden Kosten zu bezahlen. Die Reedereien kann ja nichts dafür, wenn beim Reisenden „etwas dazwischen kommt“. Dafür gibt’s Reiserücktrittversicherungen …

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