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Ausflaggung der „Deutschland“ – was steckt dahinter?

Über die ursprünglich geplante Ausflaggung der Deutschland, dem Wechsel von der deutschen zur maltesischen Flagge wurde viel spekuliert. Die Reederei Peter Deilmann hielt lange an Plänen fest, die Deutschland aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr unter deutscher Flagge fahren zu lassen und musste sich dafür heftige Kritik aus der Politik, von der Besatzung und selbst von ZDF-Traumschiff-Produzent Wolfgang Rademann gefallen lassen. Aber was genau bedeutet „Ausflaggung“ eigentlich? Wir haben uns die Details angesehen.

(Update 30.7.2012: Deilmann hat dem öffentlichen Druck nachgegeben und die Ausflaggung abgesagt.)

Zunächst einmal muss jedes Schiff mit deutschem Eigner ab einer Schiffslänge von 15 Metern im zuständigen Schiffsregister eingetragen werden – das ist Pflicht. Solange der Firmensitz des Eigners in Deutschland liegt, ist eine Löschung aus diesem Schiffsregister selbst bei Ausflaggung nicht möglich. Für die Deutschland  ist wegen des Firmensitzes der Reederei Peter Deilmann in Neustadt/Holstein das Seeschiffsregister am Amtsgericht in Kiel zuständig, wo die Deutschland unter der Nr. 52593 eingetragen ist.

Wird freilich ein Schiff ins Vermögen eines ausländischen Unternehmens überführt, dann wird das Schiff aus dem deutschen Schiffsregister ganz gelöscht. Ist eine dauerhafte Ausflaggung gewollt, wird das Schiff ins Ausland transferiert, bleibt aber faktisch unter der Kontrolle des deutschen Unternehmens. Diesen Weg wird wahrscheinlich auch die Aurelius AG gehen, der die Reederei Peter Deilmann gehört (siehe: „Deutschland bald unter der Flagge Maltas“).

Deutsches Seeschiffsregister (DSR – „Erstregister“)

Das Deutsche Seeshiffsregister wird auch als „Erstregister“ bezeichnet und entspricht einer Art Grundbuch für Schiffe. Dementsprechend wird es öffentlich geführt und kann von jedermann eingesehen werden. Zugleich ist mit einem Eintrag ins DSR auch die Staatszugehörigkeit eines Schiffs im internationalen Verkehr definiert.

Verbunden mit dem Eintrag ins deutsche Seeschiffsregister ist die Verpflichtung des Reeders, sich an das deutsche Arbeits- und Tarifrecht zu halten. Da dies im Zuge der Globalisierung immer schwieriger geworden ist, hat sich Deutschland, neben vielen anderen europäischen Ländern mit hohen und damit teuren nationalen Standards einiges einfallen lassen, um die eigene Handelsflotte wettbewerbsfähig zu halten – vor allem Subventionen, Steuererleichterungen und ein zusätzliches Schiffsregister.

Internationales Schiffsregister (ISR – „Zweitregister“)

In Deutschland gibt es seit 1989 zusätzlich zum Erstregister das so genannte Internationale Schiffsregister (ISR) als Zweitregister, das es deutschen Hochseeschiffen im Wesentlichen erlaubt, die deutsche Flagge zu führen, ohne das strenge deutsche Arbeits-und Tarifrecht zu beachten und von Steuererleichterungen zu profitieren. Einzige Voraussetzung für die Eintragung ins ISR: Das Schiff muss im internationalen Verkehr tätig sein.

In das zentral vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) geführte ISR wird ein Schiff zusätzlich eingetragen, der Eintrag im Erstregister bleibt bestehen. Das ISR ist nicht öffentlich, welche Schiffe dort eingetragen sind, bleibt der Öffentlichkeit also im Wesentlichen verborgen.

Größter Vorteil eines Eintrags ins ISR für ein Schiff: Deutsches Arbeits- und Tarifrecht gilt nur noch eingeschränkt, ausländische Besatzungsmitglieder dürfen zu den Konditionen ihres Heimatlandes beschäftigt werden.

Die „Deutschland“ ist schon seit Längerem in das Internationale Schiffsregister eingetragen, nutzt also auch derzeit schon die Möglichkeiten in Hinblick auf Arbeits- und Tarifrecht und kann von den steuerlichen Vorteilen profitieren.

Ausflaggung

Eine Ausflaggung, also das, was die Reederei Peter Deilmann für die Deutschland plant, ist nach deutschem Recht zunächst einmal kaum möglich. Denn solange das Schiff einen deutschen Eigner hat, muss es im Deutschen Schiffsregister eingetragen sein und die deutsche Flagge führen. Aber es gibt eine Ausnahmeregelung – und von dieser machen deutsche Hochseeschiffe regen Gebrauch: Mit Stand 31. August 2011 waren 3.172 deutsche Schiffe ausgeflaggt, lediglich 565 Schiffe fuhren zu diesem Zeitpunkt unter deutscher Flagge.

Eine Ausflaggung mit Verbleib im Deutschen Schiffsregister ist offiziell lediglich „vorübergehend“ und auf zwei Jahre beschränkt, allerdings kann nach zwei Jahren ein neuer Ausflaggungsantrag gestellt werden, dem in eigentlich allem Fällen stattgegeben wird. 2010 wurden in Deutschland laut BSH 1.724 Ausflaggungsanträge gestellt, davon waren 1.379 wiederholte Anträge von Schiffen, die bereits zuvor ausgeflaggt waren.

Eine Ausflaggung muss von der Reederei begründet werden, das Gesetz sieht hier aber einen relativ weiten Rahmen der zulässigen Begründungen vor, sodass von 2004 bis 2011 laut Bundesregierung kein einziger der  11.525 Anträge mangels plausibler Begründung abgelehnt worden ist. Hauptgründe für einen Ausflaggungsantrag sind:

  • höhere Personal- und Betriebskosten unter deutscher Flagge
  • kein deutsches oder EU-Personal auf dem Arbeitsmarkt vorhanden
  • Frachtraten sind für den Betrieb unter deutscher Flagge nicht wirtschaftlich
  • drohende Insolvenz, Bankkredite können nicht mehr bedient werden

Die Nutzung von Steuererleichterungen, insbesondere der pauschalen Besteuerung nach der so genannten Tonnage-Gewinnermittlung ist übrigens nicht an die deutsche Flagge gebunden, obwohl diese steuerliche Sonderregelung eigentlich eingeführt wurde, um es den Reedern zu erleichtern, die deutsche Flagge zu behalten. Inwieweit die Deilmann mit der Deutschland von dieser steuerlichen Regelung profitiert, ist uns nicht bekannt.

Steuerrecht

Auch wenn eine deutsche Reederei ihr Schiff ausflaggt, bleibt sie am Firmensitz in Deutschland steuerpflichtig und kann daher auch die deutschen Steuererleichterungen für Hochseeschiffe in Anspruch nehmen. Dazu gehört beispielsweise sie Wahlmöglichkeit zwischen Einkommensbesteuerung und der pauschalen Besteuerung nach Tonnage, die für viele Reeder die deutlich günstigere Variante darstellt. Freilich ist es mit einem nicht unter deutscher Flagge fahrenden Schiff auch leichter, Steuerzahlungen in Deutschland weitgehend zu vermeiden.

Die typischen Flaggenländer mit offenem Schiffsregister („Flags of Convenience“, „Billigflaggen“) gewähren meist sehr hohe Steuererleichterungen oder verlangen gar überhaupt keine Unternehmenssteuern von den Reedereien. Wegen der überaus komplexen Sachlage in Sachen Steuern wollen wir dieses Thema hier aber nicht weiter vertiefen.

Arbeits- und Tarifrecht

Eine der großen Vorteile einer Ausflaggung liegt für die Reederei in der Flexibilität beim Arbeits- und Tarifrecht. Schon wenn ein Schiff, wie die Deutschland, im Zweitregister ISR eingetragen ist, sind deutsches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht und deutsche Tarifverträge nur noch eingeschränkt wirksam. Mit ausländischen Besatzungsmitgliedern sind dann auch Arbeitsverträge nach dem Recht derer Heimatländer zulässig, mit potenziell entsprechend niedrigen Löhnen und sozialer Absicherung.

Flaggt ein Schiff beispielsweise nach Malta aus, fallen weitere Beschränkungen weg und der Reeder ist in der Wahl seiner Crew und Offiziere völlig frei, einschließlich der Möglichkeit, Arbeitsverträge nach ausländischem Recht abzuschließen und unbegrenzt ausländische Mitarbeiter zu beschäftigen.

Ob das allerdings in der Kreuzfahrt zu deutlichen Einkommenseinbußen vor allem bei hochqualifiziertem Personal führt, ist nicht automatisch gesagt. Denn durch das rasante Wachstum der Kreuzfahrt ist der Bedarf an guten Offizieren und ausgebildetem Personal sehr hoch und kann in den klassischen Herkunftsländern von Schiffscrew wie beispielsweise den Philippinen oder in Indonesien schon kaum mehr gedeckt werden.

Wer sehr gut ausgebildetes Schiffspersonal – möglicherweise auch gut deutsch sprechendes oder deutsches Personal – braucht, wird also ganz unabhängig von der Flagge des Schiffs gute Konditionen bieten müssen. Das gilt besonders für Luxus-Schiffe wie die Deutschland, wo die Passagiere angesichts des hohen Reisepreises Wert auf deutsches Personal zumindest im Service und bei den Offizieren legen.

Ausflaggung der Deutschland

Die Reederei Peter Deilmann begründete noch einen Tag, bevor sie die Ausflaggung der Deutschland absagte in einem Brief an Bundespräsident Joachim Gauck vom 29. Juli 2012 die geplante Ausflaggung so: „Es ist überlebenswichtig, mit ähnlichen Rahmenfaktoren wie die Schiffe anderer deutscher Kreuzfahrtreedereien arbeiten zu können, die alle seit vielen Jahren unter einer nicht-deutschen Flagge fahren. Nach der Reduzierung der Fördermittel von 1,5 Millionen Euro um mindestens 80 Prozent ist ein Verbleiben in der deutschen Flagge angesichts anstehender Tilgungen an die Banken in Höhe von ca. 6 Millionen Euro sowie angesichts eines operativen Verlustes von ca. 1,5 Millionen Euro (Geschäftsjahr 2011) nicht länger finanzierbar.“

Nun hat sich die Reederei Peter Deilmann, wohl auch um weiteren Image-Schaden für die Reederei zu vermeiden, dem öffentlichen Druch gebeugt und sich entschlossen, die Deutschland weiterhin unter deutscher Flagge fahren zu lassen.

1 Kommentar

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

1 Gedanke zu „Ausflaggung der „Deutschland“ – was steckt dahinter?“

  1. Ihr Bericht über die Ausflaggung der „Deutschland“ ist sehr ausführlich und Aufklärend, dafür Danke Herr Neumeier. Dadurch kann man auch gut die Gründe der Reederei verstehen. Am Beispiel der „Europa“ ist zu erkennen, hohe Serviceleistungen funktionieren auch unter ausländischer Flagge. Die „Bild“ macht da etwas zu viel Wirbel und erzeugt Unruhe.
    Trotzdem halte ich sehr viel von Kapitän Jungblut – hier mein Kommentar:

    Kapitän Jungblut und die „Deutschland“
    Ich kenne Kapitän Andreas Jungblut noch von meiner Tätigkeit im Proviant der „Berlin“ (1990/1991).
    Er ist ein sehr erfahrener und beliebter Kapitän. Die jetzige Art und Weise wie Aurelius mit ihm Umgeht ist natürlich nicht die feine Art.
    Im Informationsblatt der Reederei Peter Deilmann vom 21. Mai ist zu lesen der Grund der Ausflaggung. Der Gesetzgeber hat die Finanzmittel gekürzt, das bedeutet erhebliche Kostennachteile im deutschen Schiffsregister. Aurelius teilt weiter mit, die Sicherheit an Bord bleibt unverändert. Man will den hohen Servicestandart, auch mit der deutschen Crew, weiterhin den Gästen anbieten.
    Die „deutsche Kreuzfahrttradition“ ist aus der Reederei- Werbung fast verschwunden.
    Unseren Bundespräsidenten will man noch unter „deutscher“ Flagge empfangen. Gleich danach wechselt Aurelius nach Malta. Ich kann wegen der Kosten die Reederei verstehen.
    Sie hat nicht die alleinige Schuld zum Wechsel. Die Deutschen wollen alles „billig“ haben.
    Ob das auf die vielen Stammwiederholer zutrifft mag ich zu bezweifeln, die können sich eine Fahrt mit der „Deutschland“ leisten. Ich sehe folgende Möglichkeiten: „deutsche“ Flagge und wenn nötig höhere Passagierpreise. Oder unter Malta den Passagepreis nach unten verändern, bei gleich bleibenden hohen Standard.. Das der Kapitän die Besatzung unterstützt, ist sehr Lobenswert. Als Führungskraft muss er einerseits die Interessen der Reederei wahren, aber sich auch für die Belange der Crew und Passagiere einsetzen. So kann er sich nicht ganz neutral verhalten. Kapitän Jungblut hat richtig gehandelt. Nach seinem Urlaub sollte er wieder die „Deutschland“ führen. Ansonsten kann das Auswirkungen auf Passagiere und als „Traumschiff“ haben. Mit den Meldungen in „Bild“ kann man geteilter Meinung sein, auch mit den vielen (teilweise unüberlegten) Kommentaren. Ich wünsche Aurelius die richtige Entscheidung (nicht einfach). ..Und die Bitte von sicher Vielen und von mir: Kapitän Jungblut muss weiter an Bord bleiben.
    Peter Stilbach, Wriedel – ehem. Proviantmeister der MS „Berlin“

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