Wie viel – oder wenig – Geld geben Kreuzfahrt-Passagiere bei Hafenstopps aus? Wie viel hat die lokale Bevölkerung vom Kreuzfahrt-Tourismus? Das Thema ist mit starken Vorurteilen besetzt. Eine neue Studie aus der Karibik liefert nun konkreten Zahlen und schlüsselt auch auf, für was Kreuzfahrt-Touristen ihr Geld ausgeben. Spoiler: Sie essen und trinken an Land mehr, als gemeinhin angenommen wird.
Der Kreuzfahrt wird häufig unterstellt, die Schiffe würden überdimensional zu Overtourismus und Umweltverschmutzung beitragen, während die lokale Bevölkerung zu wenig davon habe, weil Passagiere an Land kaum Geld ausgäben. Schließlich gebe es ja fast alles an Bord der Schiffe, inklusive Vollpension und Getränke über das ohnehin schon bezahlte Getränkepaket.
Die neue Studie zur Karibik „Economic Contribution of Cruise Tourism to the Destination Economy“ der Florida-Caribbean Cruise Association liefert konkrete und aktuelle Zahlen, wie groß der Umsatz durch die Kreuzfahrtschiffe in insgesamt 33 Destinationen in der Karibik und dem nördlichen Südamerika tatsächlich ist.
Eine Übersicht und Details zu früheren Studien auch in anderen Regionen finden Sie in unserem Beitrag „Bringen Kreuzfahrt-Touristen Geld in die Hafenstädte? Oder belasten sie nur?“
Lokale Umsätze mit Passagieren, Crew und Reedereien
33,3 Millionen Passagiere und Crew-Mitglieder gaben in der Karibik-Saison 2023/24 insgesamt 3,3 Milliarden Dollar an Land aus. Eine knappe Milliarde Dollar, genauer: 968,3 Millionen, kommt mit direkten Ausgaben der Reedereien hinzu – insgesamt also 4,3 Milliarden Dollar. 369.100 Dollar Umsatz bringt demnach jeder Anlauf eines durchschnittlichen Kreuzfahrtschiffs (4.000 Passagiere, 1.640 Crew) in den untersuchten Karibik-Häfen.
Die höchsten absoluten Umsätze verzeichnen dabei die Bahamas (655 Millionen Dollar), Cozumel in Mexiko (483 Mio.), US Virgin Islands (258 Mio.), die Dominikanische Republik (251 Mio.) und St. Maarten (238 Mio.). Schlusslicht ist Trinidad mit 5,4 Millionen Dollar.
Ausgaben pro Passagier in den Kreuzfahrt-Häfen
Besser nachvollziehbar und einzuordnen sind jedoch die Ausgaben pro Passagier. Die Studie hat dafür die erfassten Werte hochgerechnet auf die Zahl der Passagiere, die jeweils in einem Hafen tatsächlich an Land gegangen sind.
Denn auch diese interessante Zahl liefert die Studie: 83 Prozent der Passagiere gehen bei den Hafenstopps von Bord. Durchschnittlich 17 Prozent bleiben dagegen im jeweiligen Hafen an Bord. Im Vergleich zu 2018, als die Studie zuletzt erstellt wurde, hat sich daran kaum etwas geändert. Damals waren es 85 respektive 15 Prozent. Deutlich weniger oft kam die Crew dagegen an Land: waren es 2018 noch 39 Prozent, sind es jetzt nur noch 30 Prozent.
104,36 Dollar pro Hafen geben Kreuzfahrt-Passagiere an Land aus, am wenigsten in Trinidad (58,68 Dollar), St. Vincent (59,39 Dollar) und Grenada (62,83 Dollar), am meisten in Panama (190,61 Dollar), St. Maarten (163,45 Dollar) und US Virgin Islands (166,22 Dollar).
Crew-Mitglieder gab bei Landgängen laut der Studie übrigens durchschnittlich 58,78 Dollar aus.
Die Zahlen beziehen sich sowohl auf Hafenstopps als auch Basishäfen mit Ein- und Ausschiffung – letztere sind in dieser Studie: Barbados, Cartagena (Kolumbien), die Dominikanische Republik, Guadeloupe, Jamaika, Martinique, Panama und San Juan (Puerto Rico). Zu den Unterschieden später noch mehr.
In den genannten Zahlen sind lediglich die direkten Ausgaben der Passagiere an Land berücksichtigt, nicht die indirekten über die Reedereien – also Steuern, Hafengebühren, Services und Wareneinkäufe. Bei den Landausflügen zählen bei den Passagierausgaben die Beträge mit, die an lokale Touranbieter bezahlt wurden, unabhängig davon, ob direkt vom Passagier oder über die Reederei.
Größte Ausgabeposten: Landausflüge
Landausflüge sind denn auch der größte Einzelposten bei den Passagier-Ausgaben. 40,44 Dollar (knapp 39 Prozent) der Ausgaben pro Hafenstopp stammen von Landausflügen, wobei für Ausflüge durchschnittlich 74,07 Dollar bezahlt werden – aber nur 54,6 Prozent der Passagiere überhaupt einen Landausflug buchen.
Große Unterschiede gibt es bei der Ausflugsbuchung zwischen den einzelnen Häfen: In Costa Rica buchen 80 Prozent der Passagiere einen Landausflug, während es in Key West nur 34 Prozent sind. Ähnlich wenig werden Ausflüge in Puerto Rico (34 Prozent), Turks & Caicos (38 Prozent), Ensenada (46 Prozent), auf den Bahamas (47 Prozent), Martinique (48 Prozent und Costa Maya (49 Prozent) gebucht. In allen anderen Häfen buchen mehr als die Hälfte der Passagiere, die an Land gehen, auch einen Ausflug.
74 Prozent der Passagiere buchen ihre Ausflüge übrigens über die Reederei, sieben Prozent direkt im Hafen an Land und 19 Prozent vorab über unabhängige Anbieter oder Reisebüros.
Besonderheit der Karibik: hohe Ausgaben für Uhren und Schmuck
Auf Platz zwei der Ausgaben und eine Besonderheit in der Karibik: 10,2 Prozent der Passagiere decken sich hier mit Uhren und Schmuck ein, auf alle Passagiere umgerechnet sind das 24,44 Dollar pro Person.
Unter anderem aus diesem Grund lässt sich die Umsatz-Studie kaum auf andere Fahrtgebiete übertragen. Das Verhalten überwiegend amerikanischer Kreuzfahrt-Passagiere in der Karibik unterscheidet sich von dem beispielsweise europäischer Kreuzfahrt-Touristen in europäischen Destinationen deutlich. In der Karibik entstehen vor allem deshalb hohe Umsätze im Uhren- und Schmuckhandel, weil diese Artikel in der Karibik relativ günstig und steuerfrei zu bekommen sind. So manches junge Paar kauft die Eheringe in der Karibik und spart damit trotz der Kosten für die Kreuzfahrt noch im Vergleich zu den Preisen in den USA.
Essen und Trinken auf Platz 3: knapp zehn Prozent der Ausgaben
Auf Platz drei der Ausgaben folgen dann schon: Essen und Getränke. 37,7 Prozent der Passagiere essen oder trinken etwas an Land und geben dafür jeweils 25,78 Dollar aus – auf alle Passagiere im Durschnitt umgerechnet 9,72 Dollar pro Passagier oder 9,3 Prozent der Ausgaben.
Für fast genau so viel, nämlich 9,10 Dollar, werden Kleidungsstücke – wohl vor allem Sonnenhüte und T-Shirts – gekauft, auf Souvenirs und lokales Kunsthandwert entfallen 5,95 Dollar.
Höhere Ausgaben in Basishäfen mit Ein- und Ausschiffung
Erwartungsgemäß höher fallen die Passagier-Ausgaben aus, wenn die Kreuzfahrt am jeweiligen Ort beginnt oder endet. In der Karibik spielt dieses Homeporting allerdings keine große Rolle, da die meisten Kreuzfahrtschiffe von Florida aus dorthin fahren.
Für lediglich drei Prozent der Passagiere in der Studie begann oder endete ihre Kreuzfahrt in einem der untersuchten Häfen. Bei den lokalen Umsätzen haben sie aber einen Anteil von immerhin fünf Prozent. Konkret liegen die Ausgaben hier durchschnittlich bei 187,78 Dollar pro Passagier.
Die Unterschiede sind geringer, als man vermuten würde. Für Essen und Trinken geben die Passagiere beim Homeporting durchschnittlich und auf alle hochgerechnet 22,04 Dollar aus (bei Hafenstopps sind es 9,72 Dollar, siehe oben). Nur 46 Prozent haben nämlich überhaupt Ausgaben bei diesem Posten.
Und auch für Übernachtungen werden durchschnittlich nur 89,79 Dollar ausgegeben – denn nur ein Drittel bucht überhaupt ein Hotel vor oder nach der Kreuzfahrt, die übrigen fliegen am selben Tag ein oder aus.
Und an Souvenirs, T-Shirts, Schmuck und Alkohol verdienen die Einheimischen in den Ein- und Ausschiffungshäfen nur sehr wenig.
Ausgaben der Reederei vor Ort
Zusätzlich zu den Passagier-Ausgaben kommt auch einen knappe Milliarde Dollar von den Reedereien direkt. Die Bahamas haben daran den höchsten absoluten Anteil mit 160,2 Millionen Dollar. Auch Panama liegt – wohl vor allem wegen der hohen Gebühren für den Panamakanal – mit 56,9 Millionen Dollar ebenfalls weit vorne. Zu den Top 5 gehören aber auch die Dominikanische Republik (80,4 Mio.), Cozumel (58,3 Mio.) und Jamaika (49,7 Mio.).
94.000 Jobs in den insgesamt 33 beteiligten Destinationen hängen der Studie zufolge direkt am Kreuzfahrt-Tourismus, aus denen sich Gehaltszahlungen von 1,27 Milliarden Dollar ergeben. Das sind 19 Prozent mehr als bei der vorausgegangenen Studie von 2018.
Die Studie im Auftrag der Florida-Caribbean Cruise Association
Erstellt wurde die Studie von der US-amerikanischen Marktforschungsfirma Business Research & Economic Advisors (BREA), die ihre Kunden überwiegend im Tourismusbereich und vor allem in der Kreuzfahrt-Branche hat. Auftraggeber der Studie ist die Branchenvereinigung Florida-Caribbean Cruise Association gemeinsam mit den beteiligten Destinationen.
Die Studie beruht insbesondere auf Befragungen der Passagiere über ein Online-Formular, das für die Passagiere über einen in der Schiffskabine ausgelegten QR-Code zugänglich war, sowie bezüglich der Reedereiausgaben deren eigene Angaben. Über 40.000 Kreuzfahrt-Passagiere haben sich an der Befragung beteiligt.
Hallo Franz,
So schön die Statistik ist – so falsch ist sie auch.
Der deutsche Kreuzfahrtourist unterscheidet sich deutlich gegenüber dem amerikanischen Tourist.
Ich bin leidenschaftlicher Kreuzfahrer und halte mich in den Wintermonaten in der Karibik auf – speziell in Cartagena (Kolumbien)
Ich bummelte durch die Altstadt von Cartagena und begegnete einer Gruppe deutscher Touristen von „Mein Schiff“ die in ein Restaurant besuchten. Es waren 8 Personen. Dann bestellte EINER einen Espresso (ca. 70 cts.) und alle 8 Mann zückten ihre Handys – loggten sich ins hausinterne Internet und telefonierten mit Whats up wie die Weltmeister.
Nach einer halben Stunde sind sie gegangen. Ich saß an der Theke und habe mich mit dem Besitzer unterhalten und ich habe mich geschämt ein Deutscher zu sein – . Der Wirt nahms dank der gastfreundlichen Mentalität der Kolumbianer leicht mit dem Kommentar :“Typisch deutsch“ – darauf genehmigte ich mir einen Caipirinha –
Viele Grüße
Karl-Ludwig
Hallo Karl-Ludwig,
„falsch“ ist die Statistik nicht, sie bildet nur nicht das Verhalten deutscher Kreuzfahrt-Touristen ab. In der Karibik kommt der überwiegende Teil der Touristen aus den USA, sodass eine solche Statistik natürlich von deren Verhalten geprägt ist.
Und ja, das Gefühl, sich im Ausland als Deutscher für meine Landsleute zu schämen, kommt mir sehr bekannt vor, leider.
Herzliche Grüße
Franz
Junger Mann,
dass gerade die TUI-Cruises-Passagiere eine ausgeprägte Alles-Inklusive-Mentalität besitzen, liegt in der Natur der Sache, entwertet die Studie aber keineswegs, vor allem angesichts der Tatsache, dass deutsche Schiffe in der Karibik eine verschwindende Minderheit sind.