Zwei Urteile, die auch Kreuzfahrtpassagiere interessieren dürften: Weder die Aschewolke eines Vulkanausbruchs noch ein Pilotenstreik sind Ereignisse, die von der Fluggesellschaft zu vertreten sind. In beiden Fällen haben Gerichte zugunsten der Fluggesellschaften entschieden. Für Kreuzfahrtpassagiere bedeutet das vor allem ein höheres finanzielles Risiko bei selbst gebuchter Flug-Anreise zum Schiff, (Update: zumindest, sofern keine höhere Gewalt im Spiel ist).
Tipp: Für einen Überblick zu allen rechtlichen Themen rund um die Kreuzfahrt, lesen Sie unseren Beitrag „Reiserecht in der Kreuzfahrt: Worauf Sie achten sollten und wie Sie zu Ihrem Recht kommen“.
In dem einen Fall hatte ein Kenia-Urlauber beim Münchner Amtsgericht gegen seinen Reiseveranstalter geklagt, weil die Fluggesellschaft ihn nach Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im Frühjahr erst sieben Tage später als geplant wieder nach Deutschland zurückfliegen konnte. Der Kläger wollte die zusätzlichen Übernachtungskosten in Kenia, Verdienstausfall und Telefonkosten erstattet haben. Das Gericht stellt jedoch fest, dass es der Fluggesellschaft faktisch unmöglich war, den Urlauber zum gebuchten Termin nach Deutschland zu fliegen und der Ausbruch eines Vulkans nicht im Einflussbereich der Fluggesellschaft liege. Daher gab sie dem Reiseveranstalter recht, der dementsprechend keinen Schadenersatz leisten muss. (Amtsgericht München, Aktenzeichen: 222 C 10835/11)
Mit einem Streik von Piloten der Lufthansa musste sich der Bundesgerichtshof auseinandersetzen. Zwei Passagiere hatten gemäß der EU-Fluggastrechteverordnung Ausgleichszahlungen verlangt, nachdem ihre Flüge von Miami nach Düsseldorf beziehungsweise Frankfurt Anfang 2010 wegen eines Streiks der Piloten annulliert worden war. Die Passagiere konnten erst drei beziehungsweise sieben Tage später nach Deutschland zurückfliegen und hatten sich auf den Standpunkt gestellt, dass es Lufthansa durchaus möglich gewesen wäre, den Streik abzuwenden.
Der Bundesgerichtshof stellte nun im Wesentlichen fest, dass ein Anspruch aus Ausgleichszahlung nicht besteht, wenn die Fluggesellschaft bei einem Streik alles ihr Mögliche tue, um die Auswirkungen des Streiks so gering wie möglich zu halten. Der Streik selbst sei dann ein Eingriff „von außen“, den die Fluggesellschaft nicht zu vertreten habe. (Bundesgerichtshof, Aktenzeichen: X ZR 138/11 und X ZR 146/11)
Zu unterscheiden ist in solchen Fällen immer zwischen Gründen für die Flugannullierung oder Verspätung, die von der Fluglinie selbst zu vertreten sind, beispielsweise technische Probleme mit dem Flugzeug, und Gründen, auf die die Fluggesellschaft keinen Einfluss hat – sogenannte „unabwendbare außergewöhnliche Umstände“. In letzterem Fall muss zwar kostenlos umgebucht beziehungsweise der Ticketpreis erstattet werden, aber darüber hinaus hat der Passagier keinen Anspruch auf Entschädigung. Hätte die Fluggesellschaft jedoch den Flugausfall oder die Verspätung grundsätzlich vermeiden können, hätten den Passagieren nach der Fluggastrechteverordnung der EU zusätzliche Ausgleichzahlungen bis zu 600 Euro zugestanden.
BGH-Urteil: Kreuzfahrt bei Flugausfall wegen höher Gewalt kündbar
Im Dezember 2012 hat der Bundesgerichtshof hat ein überraschendes Urteil gefällt: Ist die unabhängig von der Kreuzfahrt gebuchte Anreise zu einer Kreuzfahrt wegen höherer Gewalt nicht möglich, kann der Passagier auch den Kreuzfahrt-Reisevertrag kündigen und infolgedessen eine geleistete Anzahlung zurückverlangen und muss auch keine Stornogebühren bezahlen.
Update 1. Juli 2018: Allerdings hat sich 2018 die Formulierung im Gesetz geändert, sodass unklar ist, ob dieses Urteil auch nach heutigen Gesetzesstand wieder so ergehen würde.
In dem bom BGH 2012 entschiedenen, konkreten Fall hatte ein Passagier für sich und seine Frau für April 2010 eine Kreuzfahrt ab Fort Lauderdale und separat die Fluganreise in die USA gebucht. Wegen der Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull waren die Flüge in die USA annulliert worden. Daraufhin kündigte der Passagier die Kreuzfahrt und verlangte vom Reisebüro die Anzahlung für die Reise zurück, selbiges allerdings wiederum vom Passagier die Stornogebühren haben wollte.
Der Bundesgerichtshof entschied nun, dass eine Kündigung des Reisevertrags in diesem Fall wegen höherer Gewalt zulässig sei, obwohl der annullierte Flug nicht Bestandteil des (Kreuzfahrt-)Reisevertrags war. Das Reisebüro könne daher keine Stornogebühren verlangen. Die Anzahlung müsse der Passagier allerdings direkt beim Reiseveranstalter geltend machen und nicht beim Reisebüro.
Eine wichtige Frage in dem Verfahren war, ob es sich bei der Kreuzfahrt um einen Reisevertrag handelte, die Kreuzfahrt also als Pauschalreise zu werten ist. Das Landgericht Kiel hatte das nämlich nicht so gesehen, obwohl die bisherige Rechtsprechung zu diesem Thema eigentlich eindeutig ist. Der BGH stelle denn auch klar, dass der Vertrag über eine Kreuzfahrt ein Reisevertrag in diesem Sinne sei – und als solcher laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) §651j bei höherer Gewalt kündbar. Dieses Kündigungsrecht gilt übrigens sowohl für Reisenden als auch für den Reiseveranstalter.
Bislang war man allerdings – und das ist das überraschende an dem aktuellen BGH-Urteil – immer davon ausgegangen, dass sich die höhere Gewalt unmittelbar auf den Vertragsgegenstand des Reisevertrages beziehen muss. Deswegen galt bisher, dass Kreuzfahrt-Passagiere das Risiko der Anreise selbst tragen mussten, wenn sie die Anreise nicht im Pauschalpaket zusammen mit der Kreuzfahrt gebucht hatten. Das neue BHG-Urteil stellt nun klar, dass auch höhere Gewalt, die indirekt den Antritt der gebuchten Reise faktisch unmöglich macht, zu einer Kündigung berechtigt.
Auch wenn die Urteilsbegründung noch nicht vorliegt, scheint sich zumindest laut der Pressemitteilung des BGH auch für Reisebüros ein interessanter Aspekt aus dem Urteil zu ergeben: Der BGH stellte nämlich fest, dass das Reisebüro nicht verpflichtet gewesen sei, seinen Kunden darüber aufzuklären, dass er das Risiko für die separat und unabhängig vom Kreuzfahrt-Vertrag gebuchte Flug-Anreise selbst trage. (BHG-Urteil vom 18. Dezember 2012 – X ZR 2/12)