Die schlimmsten Befürchtungen von Raddampfer-Fans werden womöglich wahr: Das dampfgetriebene Flusskreuzfahrtschiff American Queen könnte demnächst verschrottet werden. Mit der Verschrottung von zwei Mississippi-Flusskreuzfahrtschiffen hat American Cruise Lines bereits begonnen, das Schicksal der American Queen sei noch „in Evaluierung“, heißt es von ACL.
Offenbar hatte American Cruise Lines von Anfang an vor, sich mit dem Kauf der Schiffe einen bislang wesentlichen Konkurrenten vom Hals zu schaffen. ACL hatte die American Queen und drei weiteren Schiffen aus der Insolvenzmasse von American Queen Voyages übernommen.
Klar ist nach einer aktuellen Mitteilung von ACL, dass die American Queen nicht mehr als Flusskreuzfahrtschiff zum Einsatz kommen wird. Man evaluiere die Möglichkeiten für die American Queen und erwäge unter anderem, das Schiff an eine Gemeinde oder Non-Profit-Organisation zu spenden. Die Verschrottung der American Countess und American Duchess bestätigt ACL explizit.
Ende einer über 200 Jahre andauernden Ära
Wenn die American Queen aus dem Kreuzfahrtmarkt genommen oder sogar verschrottet wird, geht wahrscheinlich eine historische Ära auf amerikanischen Flüssen zu Ende, die im frühen 19. Jahrhunderts begonnen hat. Denn sie war der letzte dampfgetriebene Raddampfer für Übernachtungspassagiere. Zwar erst 1994 gebaut, verfügte sie doch über eine historische Dampfmaschine für ihren Antrieb und war ganz in Stil der historischen Flussraddampfer am Mississippi gestaltet.
Nach dem Ausscheiden der American Queen ist dann nur noch die historische Delta Queen mit Baujahr 1927 übrig, die potenziell wieder als Flusskreuzfahrtschiff aktiv werden könnte. Allerdings liegt sie seit über zehn Jahren auf.
Die aktuellen Eigentümer der Delta Queen planen nach wie vor, sie wieder in Betrieb zu nehmen, die Hürden – behördlich und finanziell – sind aber sehr hoch. Und auch hier würde American Cruise Lines mutmaßlich seine politische und finanzielle Macht in die Waagschale werfen, um einen Neustart zu verhindern oder zu erschweren.
Auch historische Raddampfer, die als Ausflugsboote ohne Übernachtungsmöglichkeit aktiv sind oder zumindest gelegentlich noch fahren, gibt es nur noch ganz wenige: die Belle of Louisville (1914) in Louisville, Kentucky, und die Portland (1947) in Portland, Oregon. Daneben existieren einige historische Boote als Museumsschiffe sowie originalgetreu Nachbauten, insbesondere der große Ausflugsdampfer Natchez (1975) in New Orleans.
American Cruise Lines schafft Konkurrenten dauerhaft aus dem Weg
Nach der Insolvenz des bisherigen Eigentümers American Queen Voyages hatte der bislang größte Konkurrent, American Cruise Lines, die American Queen bei einer Auktion zusammen mit weiteren Schiffen günstig gekauft (siehe „ACL kauft American Queen und drei weitere Flusskreuzfahrtschiffe aus der AQV-Insolvenz“).
Insgesamt 6,1 Millionen Dollar hat ACL für die American Queen, American Countess und American Duchess am Mississippi River sowie American Empress am Columbia River bezahlt. So viel ist dem Unternehmen mit Sitz in Guilford im US-Bundesstaat Connecticut offenbar wert, eine über viele Jahre hinweg ungeliebte Konkurrenz aus dem Weg zu räumen.
Bereits früher hatte American Cruise Lines Branchenkenner zufolge immer wieder versucht, American Queen Voyages und dessen Vorgängerunternehmen mit verschiedenen Namen, unter anderem lange Delta Queen Steamboat Company das Leben schwer zu machen. Als der historische Raddampfer Delta Queen infolge einer Insolvenz des Eigentümers die Sondergenehmigung des US-Kongresses zum Betrieb des Schiffs verlor, hatte es bereits damals Gerüchte und Hinweise darauf gegeben, dass American Cruise Lines und dessen damaliger President und CEO Charles A. Robertson massiv Lobbyarbeit betrieben, um eine neuerliche Genehmigung zu verhindern. Offiziell begründete ACL die Lobbyarbeit mit Sicherheitsbedenken: Die Aufbauten der Delta Queen bestehen überwiegend aus Holz. Deshalb fuhr das historische Schiff über Jahrzehnte hinweg nur mit Sondergenehmigung des amerikanischen Kongresses.
Seit 2019 wird ACL von Charles B. Robertson geführt, dem Sohn des Gründers. ACL betreibt aktuell zehn Flusskreuzfahrtschiffe auf dem Mississippi River mit Seitenflüssen sowie dem Columbia River, davon vier mit klassischem Schaufelrad am Heck. Zur ACL-Flotte gehören außerdem sieben kleine Hochsee-Kreuzfahrtschiffe für den küstennahen Betrieb in den USA plus zwei für Sommer 2024 und zwei für 2025 geplante, neue Schiffe.
Neben ACL ist auf den amerikanischen Flüssen nur noch Viking River Cruises aktiv, bislang allerdings mit nur einem Schiff: Die Viking Mississippi ging 2022 in Dienst. Am Columbia River hat ACL seit der Insolvenz von American Queen Voyages keine Konkurrenz mehr.
Die Geschichte der American Queen
Die American Queen ist 127,40 Meter lang und 27,23 Meter hoch. Ausgestattet mit 222 Kabinen bietet sie Platz für bis zu 436 Passagiere. Die American Queen verfügt über eine Calliope (Dampforgel) mit 37 vergoldeten Messingpfeifen, die speziell für die American Queen gebaut wurde.
Aufgrund des Konkurses der Muttergesellschaft der Delta Queen Steamboat Co (American Classical Voyages), wurde die American Queen im Oktober 2001 außer Dienst gestellt. Delta Queen Steamboat Co. wurde schließlich von Delaware North Companies, Inc. gekauft und ging im Januar 2003 wieder in den operativen Betrieb.
Ende der Saison 2008 beschloss auch Majestic America Line, wie das Unternehmen inzwischen hieß, ihren Kreuzfahrtbetrieb einzustellen. Die American Queen wurde an die MARAD zurückgegeben, die das Schiff teils finanziert hatte, und lag bis August 2011 auf einem See in der Nähe von Beaumont, TX, auf. Dann wurde sie von Hornblower erworben und zur Überholung in eine Werft in Louisiana gebracht. Die neue Great American Steamboat Company, später umbenannt in American Queen Steamboat Company, mit Sitz in Memphis, Tennessee, nahm die American Queen ab April 2012 wieder als Flusskreuzfahrtschiff in Betrieb.
Als Teil der Hornblower Group und unter dem inzwischen erneut geänderten Namen American Queen Voyages (AQV) mit einigen zusätzlichen Schiffen in der Flotte meldete das Unternehmen am 21. Februar 2024 unter Chapter 11 Insolvenz an. Im März 2024 wurden die Schiffe versteigert, American Cruise Lines erwarb dabei die American Queen und drei weitere Schiffe. Nun wird die American Queen wohl nach knapp 30 Jahren in Dienst dauerhaft aus dem Kreuzfahrtmarkt verschwinden, wenn nicht sogar verschrottet.
American Duchess, American Countess und American Empress
Neben der American Queen verschrottet American Cruise Lines zwei weitere Flussschiffe aus der Insolvenzmasse von American Queen Voyages (AQV) und nimmt sie damit dauerhaft vom Markt.
Die beiden Schiffe American Duchess und American Countess hatte AQV jeweils auf der Basis existierender Casinoschiffe als Luxusschiffe in Anlehnung an den historischen Raddampfer-Stil neu gebaut. Die American Duchess kam im August 2017 in die Flotte, die American Countess pandemiebedingt verspätet im März 2021.
Offen ist bislang noch das Schicksal der American Empress, die 2003 als Empress of the North für das Vorgängerunternehmen von AQV gebaut wurde und das auf dem Columbia, Snake und Willamette River im Nordosten der USA sowie zeitweise auch in der Alaska Inside Passage fuhr. Ob ACL dieses Schiff ebenfalls verschrotten lässt oder in die eigene Flotte aufnimmt, ist noch nicht bekannt.