Werden Kreuzfahrten bald deutlich teurer? Die IMO hat eine Bepreisung von CO2-Emissionen in der Schifffahrt beschlossen, wenn auch noch nicht final. Das gilt auch für Kreuzfahrtschiffe. In der Europäischen Union gibt es den CO2-Zertifikatshandel ETS schon seit 2024. Für CO2-Emissionen müssen die Reedereien künftig also bezahlen. Die Kosten dafür variiert in kommenden Jahren irgendwo zwischen 70 und 350 Euro pro Tonne CO2, bei Überschreitung des EU-Grenzwerts sogar noch deutlich mehr.
Aber heißt das automatisch, dass die Preise für Kreuzfahrten steigen? Eine Antwort darauf ist schwieriger, als man meint. Denn die CO2-Kosten einfach auf die Passagiere umzulegen, würde die Wettbewerbssituation der Kreuzfahrt-Reedereien ebenso ignorieren wie die Komplexität der Klimaschutz-Regularien in der Schifffahrt.
Sehen wir uns zunächst an, wie hoch die Preiserhöhung eigentlich ausfallen würde, könnten die Reedereien die CO2-Kosten direkt in Preiserhöhungen für Kreuzfahrten umsetzen. Denn schon da wird deutlich: Es trifft nicht jede Reederei, jedes Schiff und jede Reederei gleichermaßen. Wer frühzeitig in Klimaschutz investiert hat, steht jetzt besser da.
CO2-Kosten pro Passagier und Kreuzfahrt-Woche
Für meine ausführliche Analyse „CO2-Emissionen in der Kreuzfahrt: Wie klimaschädlich sind Kreuzfahrtschiffe wirklich?“ habe ich Berechnungen und Abschätzungen über die CO2-Emissionen pro Passagier pro Woche für einzelne Schiffe vorgenommen. Und die zeigen: Die Unterschiede sind enorm.
Man muss die Zahlen genau differenzieren und meine Berechnungen beziehe sich auf Kreuzfahrten in der EU im Jahr 2023, sind also nur eine Momentaufnahme zu diesen konkreten Bedingungen. Aber sie liefern eine Größenordnung und Einordnung.
Die AIDAcosma emittierte beispielsweise 280 kg CO2 pro Passagier pro Woche. Die von Größe, Baujahr und Treibstoff (LNG) recht vergleichbare MSC World Europa 412 kg. Schon das zeigt, dass selbst bei den neuesten und effizientesten Schiffen mehr Faktoren die CO2-Emissionen beeinflussen als nur Bauart und Treibstoff. Unserer Analyse nach entsteht die Diskrepanz zwischen diesen beiden Schiffen in diesem Beispiel mindestens zum Teil durch eine längere Fahrtstrecke und mutmaßlich höhere Geschwindigkeit der MSC World Europa.
Wichtig zu beachten: Das Folgende ist eine rein hypothetische Berechnung, denn die Pflicht zu CO2-Zertifikaten in der EU wird stufenweise seit 2024 eingeführt und wirkt sich zu 100 Prozent erst ab dem Jahr 2026 aus.
Zu den gängigen Preisen für CO2-Zertifikate in diesem Zeitrahmen, um die 65 Euro pro Tonne CO2, wären mutmaßlich Mehrkosten pro Passagier von 18,20 Euro bei der AIDAcosma und 26,80 Euro bei der MSC World Europa pro Woche entstanden.
Berücksichtigt man die ab 2028 potenziell anfallenden CO2-Kosten durch die neuen IMO-Regularien, wird es komplizierter. Denn LNG wird die Grenzwerte noch bis 2030 nicht überschreiten, Schweröl und MGO dagegen bereits 2029.
Wer es ganz genau wissen will, dem sei die Lektüre zweier Studien zur Treibhausgas-Intensität unterschiedlicher Schiffstreibstoffe nahegelegt: pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.est.1c03937 und pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10884460/ .
Für 2031 würden also sowohl bei Schiffen mit LNG aus auch mit Schweröl und MGO zusätzliche 100 Dollar pro Tonne CO2 anfallen. Es sei denn, die Reedereien mischen ihren Treibstoffen ausreichend Bio-Gas beziehungsweise Bio-Diesel bei, um unter diesen Grenzwerten zu bleiben.
Müssten für die AIDAcosma und MSC World America also auch die CO2-Zertifikate der IMO (von der IMO „units“ genannt) bezahlt werden, summiert sich das zusammen mit den EU-Zertifikaten und den prognostizierten Zertifikatspreisen für 2031 (irgendwo zwischen 135 und 160 Euro pro Tonne) auf wahrscheinlich um die 70 Euro pro Passagier bei der AIDAcosma und 105 Euro bei der MSC World Europa (Dollarkurs der Einfachheit halber 1:1). Unberücksichtigt bleibt hier die Anrechnung von Methanemissionen in den EU-Regularien ab 2025 aus Methanschlupf – ein weiteres, reichlich komplexes Thema.
Im Durchschnitt aller Kreuzfahrtschiffe in meinen Berechnungen liegen die CO2-Emissionen bei knapp 800 kg pro Passagier und Woche. Bei einem solchen fiktiven Durchschnitts-Schiff hätten die Mehrkosten für CO2-Zertifikate pro Passagier und Woche 2023 also bei 52 Euro gelegen, beziehungsweise prognostiziert für das Jahr 2031 inklusive IMO-Units bei 200 Euro.
Große Differenz bei CO2-Kosten von Schiff zu Schiff
Das zeigt deutlich: Wer höhere CO2-Emissionen verursacht, müsste die Preise deutlich weiter anheben als eine CO2-sparsame Konkurrenz. Bei einer solchen Preisdifferenz würde die Kunden wahrscheinlich ihr Buchungsverhalten ändern. Reedereien, oder einzelne Schiffe der Flotte, die bei den CO2-Emissionen schlechter dastehen, wären weniger wettbewerbsfähig, wenn sie die Kosten direkt auf die Kunden umlegen würden, sprich: Das Produkt lässt sich zum höheren Preis schlechter verkaufen.
Die Lösung wird also eine andere sein – und genau das bewirken, was die Regularien zur Bepreisung von CO2 bezweckt: Reedereien werden alles daransetzen, weniger CO2 zu verursachen und damit die Kosten senken.
Eine sehr starke Motivation zumindest in der EU ist übrigens der stetig strenger werdende Grenzwert für die CO2-Emissionen, ähnlich wie bei der IMO. Nur dass in der EU das Überschreiten des Grenzwerts ab 2025 immens teurer werden kann und jedenfalls per Definition immer teurer ist, als einen Treibstoff-Mix einzusetzen, der die Regularien einhält. Die Berechnung der genauen Strafe ist komplex und bezieht sich auf die Differenz der tatsächlichen und der regulatorisch verlangten Treibhausgas-Intensität des verwendeten Treibstoffs.
Welche Maßnahmen sich günstig auf die CO2-Emissionen auswirken, habe ich schon in Statistiken und Grafiken in meiner CO2-Emissioneanalyse aufgezeigt.
Warum CO2-Zertifikatshandel nicht automatisch funktioniert
Ein Preisschild an CO2-Emissionen beziehungsweise der kontrollierte Handel mit der Erlaubnis zu CO2-Emissionen soll also zu einer Reduzierung eben dieser Emissionen führen. Zumindest in der Theorie, die hinter der Idee des Zertifikatshandels steckt.
So einfach ist es bei aller ohnehin vorhandenen Komplexität aber leider nicht. Der Teufel steckt im Detail, wie gescheiterte oder schlecht funktionierende Zertifikathandels-Systeme in anderen Bereichen zeigen. Selbst das heute als vorbildlich geltende EU ETS hatte zunächst nicht funktioniert, bevor die Regeln nachjustiert wurden.
Denn das Ziel, CO2-Emissionen unattraktiv, sprich: teuer zu machen, wird nur erreicht, wenn der Marktmechanismus auch greift, die Regeln also so geschickt gestaltet sind, dass sich keine Fehlentwicklungen oder Schlupflöcher ergeben.
Das passiert aber beispielsweise, wenn es ein Überangebot an Zertifikaten gibt, sei es durch zu lockere Ausgabe der Zertifikate oder später eine zu zögerliche Reduzierung der verfügbaren Menge. Würden die Zertifikate dadurch zu billig, würde es wirtschaftlich attraktiver, auf Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen zu verzichten und stattdessen billige Zertifikate zu kaufen.
Unterschiede der CO2-Bepreisung bei der IMO und in der EU
Schon beim Vergleich der CO2-Bepreisung in der EU und bei der IMO zeigen sich deutliche Unterschiede, die über die Klimaschutz-Wirkung der Systeme entscheiden könnten: EU und IMO setzen unterschiedliche Basiswerte für die Grenzwerte bei der Treibhausgas-Intensität (GFI) von Treibstoffen fest: 91,16 g CO2e/MJ gemäß Fuel EU Maritime beziehungsweise 93,3 gCO2e/MJ in den Marpol-Regularien der IMO.
Dafür reduziert die IMO den Wert schrittweise über die Jahre hinweg in zwei Grenzwerte geteilt teils strenger, teils lockerer als die EU. In der EU darf der Grenzwert nicht überschritten werden, und wenn doch, dann ist das mit der bereits erwähnten, hohen Strafgebühr belegt. Nach IMO-Regeln wird dagegen eher von einer gewissen Überschreitung der Grenzen ausgegangen – verbunden mit der Pflicht zum Kauf von Zertifikaten („units“), die allerdings günstiger sind als die Strafgebühr der EU.
Und: In der EU müssen die Reedereien Zertifikate für sämtliche CO2-Emissionen kaufen, nach den IMO-Regeln nur bei Überschreiten von über die Jahre zunehmend strikter werden Grenzwerten bei der Treibhausgas-Intensität der verwendeten Treibstoffe. Bei Unterschreiten der Werte erhalten die Reedereien von der IMO sogar Gutschrift-Zertifikate, die sie wiederum verkaufen können.
Werden Kreuzfahrten nun durch die CO2-Bepreisung teurer oder nicht?
Allein diese grobe Betrachtung unter Weglassung von vielen weiteren Details, die im Falle der IMO-Regelungen teils auch noch nicht genau ausgearbeitet sind, zeigen die Komplexität solcher Systeme – und wie kompliziert es für die Reedereien wird, die richtige Strategie zu finden, um die eigenen Kosten niedrig zu halten, andererseits aber auch zukunftssicher in entsprechende Klimaschutzmaßnahmen zu investieren.
Um die Eingangsfrage damit zu beantworten: Einfach den CO2-Preis nehmen und auf die Kreuzfahrt-Tickets aufzuschlagen, wäre viel zu kurz gedacht. Und auch aus Wettbewerbsgründen würde es nicht so einfach funktionieren – vor allem nicht bei Schiffen mit vergleichsweise hohem Treibstoffverbrauch und entsprechend hohen CO2-Emissionen.