Generic selectors
Exact matches only
Search in title
Search in content
Post Type Selectors
"sponsored by Seabourn" - was bedeutet das für cruisetricks.de?

IMO plant weltweit Gebühren für CO2-Emissionen in der Schifffahrt

Es ist ein Durchbruch in den Verhandlungen um Klimaschutz in der Schifffahrt und damit auch in der Kreuzfahrt, wenn auch nur ein terminlich wenig ambitionierter Kompromiss: Die IMO hat eine Art Gebühr für CO2-Emissionen beschlossen, die weltweit gilt. Die neue Regelung muss im Oktober 2025 formell abgesegnet werden, könnte dann 2027 in Kraft treten und ab 2028 wirken.

Sollten die Beschlüsse im Oktober bestätigt werden, wäre es das weltweit erste solche System zur Bepreisung von CO2-Emissionen, das eine ganze Branche weltweit betrifft. Bei der jetzigen Abstimmung haben überraschend sogar China und Brasilien den Regelungen zugestimmt, während die USA sogar schon den Verhandlungen ferngeblieben waren.

Allerdings gibt es auch viel Kritik an den geplanten Regelungen: Umweltverbänden und vom Klimawandel besonders betroffene Staaten im globalen Süden gehen sie längst nicht weit genug, viele Erdöl- und Erdgas-fördernde Länder kritisieren sie als zu streng.

Ausführliche Informationen zu CO2-Emissionen in der Kreuzfahrt und eine Einordnung finden Sie übrigens in unserer Analyse „CO2-Emissionen in der Kreuzfahrt: Wie klimaschädlich sind Kreuzfahrtschiffe wirklich?

Festpreise für CO2-Emissionen beschlossen

Die im Marine Environment Protection Comittee (MEPC) der IMO vertretenen Länder haben ein relativ kompliziertes System entwickelt, nach dem jedes Schiff beim Überschreiten von zwei unterschiedlich hohen Grenzwerten für ihre CO2-Emissionen pro Tonne 100 beziehungsweise sogar 380 Dollar an die IMO bezahlen muss.

Eine Tabelle legt fest, um wieviel Prozent die Schiffe dann jedes Jahr von 2028 bis 2035 ihre CO2-Emissionen um 4 bis 30 Prozent beim unteren Grenzwert und 10 bis 43 Prozent beim oberen Grenzwert senken oder entsprechend zahlen müssen. Diese Zertifikate bezeichnet die IMO als „remedial unit“ oder RU in den Stufen („tier“) 1 und 2 für die beiden Grenzwerte.

Schiffe, die sogar den unteren Grenzwert unterschreiten, können die Differenz als „surplus units“ (SU) bis zu zwei Jahre quasi als Gutschrift behalten oder an andere Schiffe verkaufen. Letzteres geht allerdings pro Unit nur einmal, um Spekulationen mit diesen Zertifikaten zu unterbinden. Mit besonders niedrigen CO2-Emissionen kann ein Schiff also Geld verdienen und damit die eigenen Treibstoffkosten senken oder innerhalb der Flotte einer Reederei zu hohe Werte bei anderen Schiffen ausgleichen.

Unterschiede zum Emission Trading System der EU

In der Europäischen Union gibt es mit dem ETS (Emission Trading System) bereits jetzt einen Emissionshandel mit Zertifikaten, die Reedereien für jede emittierte Tonnen an CO2 erwerben müssen. Ab 2026 werden auch Zertifikate für die CO2-Äquivalente von Methan-Emissionen notwendig, respektive Methanschlupf beim Einsatz von LNG.

In einem wichtigen Punkt wäre die IMO dem ETS der Europäischen Union voraus: Sie wendet das „well-to-wake“-Prinzip direkt beid er CO2-Bepreisung an, also die Erfassung der CO2-Emissionen im gesamten Lebenszyklus eines Treibstoffs. Das ist vor allem für erneuerbare Kraftstoffe, wie etwa Bio-Diesel entscheidend. Denn sie emittieren bei der Verbrennung zwar CO2, selbiges aber nicht aus fossilen Quellen stammt und damit nicht zusätzlich in die Atmosphäre eingetragen wird. Die EU verfährt dagegen noch nach „tank-to-wake“ und hat lediglich ein Bonus-System für synthetische und Bio-Kraftstoffe. Allerdings gibt es im Rahmen der „Fuel EU Maritime“ ebenfalls Well-to-Wake-Vorschriften bezüglich der CO2-Intensität der verwendeten Kraftstoffe.

IMO plant mit den Einnahmen die Unterstützung von Klimaschutz-Maßnahmen

Das eingenommene Geld will die IMO übrigens in Klimaschutzmaßnahmen investieren, dürfte Expertenmeinungen zufolge zumindest anfangs aber ganz über überwiegend in die Subventionierung von klimafreundlichen Treibstoffen fließen.

Denn sogenannte „ZNZ fuels“ (zero or near-zero emissions), also fast oder ganz klimaneutrale Treibstoffe, die bislang sehr teuer sind, werden von der IMO bezuschusst. Als „ZNZ fuel“ gilt ein Treibstoff, der zunächst weniger als 19 Gramm CO2-Äquivalente pro Megajule emittiert. Dieser Wert bezeichnet die Treibhausgas-Intensität eines Treibstoffs (Greenhouse Gas Fuel Intensity, GFI).

Zur Einordnung: Als Basis für die sich prozentual über die Jahre steigernden Emissionssenkungen dient der auf das Basisjahr 2008 bezogene GFI-Wert von 93,3 gCO2e/MJ.

Reedereien haben die Wahl zwischen Ausgleichzahlungen und klimafreundlicheren Treibstoffen

Die Betreiber von Schiffen, auch Kreuzfahrtschiffen, können im Rahmen dieser IMO-Regelung ab 2028 also weiterhin frei entscheiden, welchen Treibstoff sie einsetzen. Sie haben dabei die Wahl, für Treibstoff mit hoher Treibhausgas-Intensität entsprechend hohe Ausgleichszahlungen an die IMO zu leisten, einen Treibstoffmix einzusetzen, der diese Zahlungen zumindest unterhalb des oberen Grenzwertes hält, ab dem die Emissionen besonders teuer sind, oder ganz auf möglichst klimafreundlichen aber entspreched teuren Treibstoff zu setzen.

Mögliche Auswirkungen auf LNG als Treibstoff für Kreuzfahrtschiffe

Umweltverbände kritisieren, dass die geplanten IMO-Regelungen keine Regulierung des Einsatzes von LNG vorsieht.

Lloyd’s List rechnet in einem ausführlichen Beitrag zu dem Thema vor, dass mit LNG fahrende Schiffe bis 2032 regelkonform seien. Dann allerdings müssten sie beginnen, zunehmend Bio-LNG beizumischen oder in Carbon-Capture-Lösungen zu investieren, was beides potenziell recht teuer werden könnte.

Kritik am neuen Emissionskonzept der IMO von allen Seiten

Kritik kommt an dem im MEPC erzielten Kompromiss von allen Seiten:

  • Erdöl-fördernde Staaten empfinden es als zu strikt und sorgen sich um den Absatz ihrer fossilen Treibstoffe.
  • Vom Klimawandel betroffene Staaten vorwiegend im globalen Süden sowie Umweltschutz-NGOs gehen die Beschlüsse nicht annähernd weit genug.
  • Kritisiert wird auch, dass die Regelung viel zu spät greift und die Schifffahrt bis dahin „business as usual“ betreiben könne und erst dann in kleinen Schritten Verbesserungen erzielen müsse.
  • Als problematisch betrachtet wird auch die Subventionierung von Bio-Treibstoffen durch die IMO. Kritiker befürchten, das könne eine starke Zunahme dern Produktion solcher Treibstoffe aus Palm- und Soja-Öl zur Folge haben und damit die Abholzung des Regenwald weiter vorantreiben.   
  • Ein systematischer Kritikpunkt gilt den starr festgelegten Preisen von 100 beziehungsweise 380 Dollar pro Tonne CO2. Erst 2031 sehen die Pläne eine mögliche Anpassung der Regeln vor.

4 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

4 Gedanken zu „IMO plant weltweit Gebühren für CO2-Emissionen in der Schifffahrt“

  1. Hallo!
    Es befürchtet der eine oder andere Preissteigerungen bei Kreuzfahrten wegen dieser Abgabe. Nach Covid-19 scheint es zur Zeit eine hohe Nachfrage zu geben was die Preise ohnehin nicht zum Schnäppchen macht, und alles wird teurer. Auch mein Biohüttenkäse ging von 0,99 auf 1,29 EUR, also +30%. So weit, so unabwendbar.

    Im Netz heißt es dass große Kreuzfahrtschiffe bis zu 150t Treibstoff (Öl) verbrauchen, pro Tag. Nehmen wir dann einen Maximalwert von 1.000t pro Woche an, eine Dreckschleuder und somit 380 EUR Abgabe pro Tonne Treibstoff, dann fallen bei 2.000 Passagieren 190 EUR CO2-Abgabe pro Passagier für 1 Woche an.

    Wenn es ein „sauberes“ Schiff wäre, nur 45 EUR. Bei Schiffen mit mehr Passagieren entsprechend weniger. Wenn das Schiff kurze Strecken und sparsam fährt, z.B. Kanaren-Dümpeln, noch weniger. Ob man bei 30 EUR oder weniger eine „steuernde Wirkung“ erwarten kann darf jedoch bezweifelt werden. Auf jeden Fall würde ich nicht erwarten dass die Kreuzfahrt „unerschwinglich“ werde. Mein Fazit: Goodwill-Aktion ohne wirklichen Einfluss auf CO2-Einsparungen und die Aufregung wegen ansteigender Preis nicht wert.

  2. @Volker: Danke für die Beispielrechnungen; das ganze System ist ziemlich komplex, aber ich denke, die ungefähre Dimension der Mehrkosten wird in etwa hinkommen. (spannend, ist am Rande bemerkt, auch die Frage, inwieweit die Reedereien eigentlich sowohl den IMO-Preis für CO2 bezahlen als auch die CO2-Zertifikate der EU kaufen müssen, wenn sie in der EU unterwegs sind, denn das würde die Sache dann gleich nochmal verdoppeln; ich denke, da wird es vielleicht noch Absprachen zwischen IMO und EU geben für eine sinnvolle Lösung).
    Der entscheidende Punkt ist aber eigentlich ein anderer: Es geht überhaupt nicht darum, den Preis einer Kreuzfahrt für den Passagier zu verteuern, damit er es sich vielleicht nochmal anders überlegt und doch keine Kreuzfahrt bucht. Den Passagier interessiert die IMO überhaupt nicht. Es geht darum, den aktuell vorhandenen Preisunterschied zwischen fossilen Kraftstoffen und den klimafreundlichen/neutralen Kraftstoffen abzumildern, aufzuheben oder sogar umzudrehen. Sprich: Es soll sich für die Reedereien wirtschaftlich lohnen, klimafreundlichen Treibstoff zu verwenden. Was zugleich zu einer verlässlich kalkulierbaren Nachfrage nach solchen Treibstoffen führt und das wiederum in Investitionen seitens der Treibstoffproduzenten, diesen Treibstoff eben auch in großen Stil herzustellen.
    Und auch zu bedenken: Die Kreuzfahrt ist in diesem ganzen Spiel ja nur ein ganz kleines Lichtlein. Es geht um die gesamte zivile Schifffahrt, also v.a. der enorme Fracht- und Containerverkehr weltweit, also eben auch um den (irgendwann einmal) klimaneutralen Transport der vielen iPhones, Fernseher und T-Shirts aus Asien etc. Und auch da geht es nicht darum, die Produkte zu verteuern, sondern mit Marktmechanismen zu erreichen, dass für den Transport klimafreundliche Treibstoffe zum Einsatz kommen.

  3. Hallo

    Das obige Beispiel stimmt aber wohl nicht ganz, wenn ich das richtig lese.
    Es geht um die Bepreisung einer Tonne CO2.
    Eine Tonne verbranntes Schweröl erzeugt aber über 3 Tonnen CO2.
    Damit müssten die Ergebnisse im obigen Beispiel mindestens mit dem Faktor 3 multipliziert werden.

    Beste Grüße

  4. @Thomas Kösting: ja, richtig. Solche Berechnungen sind immer ziemlich kompliziert und letztlich bestenfalls ein grober Näherungswert. Ich habe für meinen Beitrag „CO2-Emissionen in der Kreuzfahrt: Wie klimaschädlich sind Kreuzfahrtschiffe wirklich?“ https://www.cruisetricks.de/kreuzfahrt-co2/ die CO2-Emissionen pro Passagier und Woche mal berechnet bzw. hochgerechnet. Die CO2-Mengen liegen je nach Schiff irgendwo zwischen 280 und 2000 kg pro Passagier und Woche, im Durchschnitt bei 800 kg. Man würde also bei der günstigeren Variante bei 80 Euro, bei der teureren bei 304 Euro Mehrkosten herauskommen. Ich glaube, letztlich kommt es vor allem darauf an, die ungefähre Dimensionen der Mehrkosten zu verstehen. Denn eine ganz konkrete Berechnung ist komplex und hängt von vielen Faktoren ab, zu denen konkrete Werte öffentlich auch gar nicht zugänglich sind.

Schreibe einen Kommentar

E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.

Hinweis: Neue Kommentare werden aus technischen Gründen oft erst einige Minuten verzögert angezeigt.
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner