Hat eine siebentägige Kreuzfahrt einen persönlichen CO2-Fußabdruck von 280 oder jenseits der 1.500 Kilogramm? Während manche Schiffsreisen kaum schlechter als ein Urlaub im Campingmobil abschneiden, verursachen andere so viel CO2-Ausstoß wie ein Langstreckenflug.
Wir analysieren, wie klimaschädlich die Kreuzfahrt wirklich ist und haben Emissionswert zu konkreten Schiffen berechnet, die Reedereien selbst nicht herausrücken. Und wir geben Tipps, wie Sie möglichst klimaschonend auf Kreuzfahrt gehen können.
Looking for the English version of this article? Navigating Emissions: A Comprehensive Look at Cruise Ship Carbon Footprints
Die Emission von Treibhausgasen wie CO2 und Methan zu senken, ist eine komplexe Herausforderung. Die öffentliche Diskussion darüber wird typischerweise so weit trivialisiert, dass sie nutzlos, ja kontraproduktiv ist.
Schon den persönlichen CO2-Fußabdruck für eine bestimmte Aktivität wie etwa eine Kreuzfahrt zu ermitteln, ist komplizierter, als man annehmen würde. Die dafür nötigen Zahlen sind nämlich einfach nicht öffentlich zugänglich.
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Doch selbst wenn man diese Zahlen kennt, benötigt man Vergleichswerte. Denn sonst ist kaum zu beurteilen, wie problematisch der jeweilige Fußabdruck ist. Und da wird es richtig kompliziert. Vor allem auch deshalb, weil in der Öffentlichkeit ständig Werte miteinander verglichen werden, die nicht vergleichbar sind.
Themen in diesem Beitrag:
- Der allgegenwärtige Vergleich von nicht vergleichbarem
- Fehlannahme: Mit Abschaffung der Kreuzfahrt würden auch die Emissionen entfallen
- Klimaschaden durch die Kreuzfahrt – die Fakten
- CO 2 -Emissionen von Kreuzfahrtschiffen: konkrete Zahlen
- Persönlicher CO 2 -Fußabdruck: AIDAcosma, AIDAstella, MSC World Europa und MSC Lirica
- CO 2 -Emissionen in der Kreuzfahrt: Grafiken, Trends und Dimensionen
- Zur Einordnung: konkrete Zahlen zu CO 2 -Emissionen in der Reise-Branche, von Flügen und Wohnmobil-Reisen
- Das Zuordnungsproblem: Wer ist für welche Emissionen verantwortlich?
- CO 2 -Fußabdruck vs. absolute Emissionen
- Was hält die Kreuzfahrt davon ab, die CO 2 e-Emissionen schneller zu senken?
- Fazit: Wie klimaschädlich ist die Kreuzfahrt nun wirklich?
- Praktische Tipps: So finden Sie möglichst klimafreundliche Kreuzfahrten
- Diskutieren Sie mit uns!
Der allgegenwärtige Vergleich von nicht vergleichbarem
Und dabei geht es nicht nur um das Offensichtliche: Dass man Emissionen in der Kreuzfahrt nicht direkt mit Flugzeugen oder Autos vergleichen sollte, weil sich ein wesentlicher Teil der Emissionen in der Kreuzfahrt auf den Hotel- und Entertainment-Bereich beziehen, während beim Fliegen und Autofahren nur der reine Transport zugrunde liegt.
„Lösen lässt sich das Klimaproblem nur über die Senkung der absoluten Treibhausgas-Emissionen: auf null, so schnell wie möglich.“
Meist fehlt bei Vergleichen die Information, welche Emissionen in der jeweiligen Zahl überhaupt enthalten sind: nur die direkten Emissionen bei der Verbrennung von Kraftstoff? Oder auch die Emissionen, die bei der Förderung, Verarbeitung und Transport des Kraftstoffs entstehen? Gibt die Zahl nur CO2 an, oder CO2-Äquivalente (CO2e), letztere auch intensive Treibhausgase wie Methan oder Lachgas berücksichtigen?
Das Thema hat neben Fußabdruck und Vergleichswerten noch eine dritte Dimension – und das ist eigentlich die entscheidende: die absoluten CO2e-Emissionswerte. Denn der Fußabdruck hilft zwar, den eigenen Beitrag zur Klimakrise abzuschätzen. Lösen lässt sich das Klimaproblem aber nur über die Senkung der absoluten Treibhausgas-Emissionen: auf null, so schnell wie möglich.
Fehlannahme: Mit Abschaffung der Kreuzfahrt würden auch die Emissionen entfallen
Öffentlich Diskussion betrachtet die Kreuzfahrt sehr isoliert, so wie auch andere Reiseformen wie Fliegen – und das ist irreführend. Denn wenn Zahlen genannt werden, schwingt immer eine latente, aber falsche Annahme mit: Würde es die Kreuzfahrtschiffe nicht geben, würden auch die aus ihr resultierenden Emissionen wegfallen. Es wäre jedoch naiv anzunehmen, dass ein Kreuzfahrturlauber, dem man die Kreuzfahrt wegnimmt, gänzlich auf Urlaubsreisen verzichten würde.
„Wohin würden verhinderte Kreuzfahrt-Urlauber im Urlaub stattdessen fahren? Und mit welchem Verkehrsmittel?“
Eine realistische Rechnung müsste einbeziehen, worauf Urlauber ersatzweise zurückgreifen: Wohin würden sie stattdessen in Urlaub fahren, und mit welchem Verkehrsmittel? Welche Gastronomie, welches Entertainment würden sie dabei nutzen?
Das darf aber auch nicht als Ausrede dafür dienen, dass die Kreuzfahrt in absoluten Zahlen nicht unerhebliche Mengen an CO2-Emissionen verursacht. Jedes Gramm CO2 ist eines zu viel. Aber eine Quelle für CO2-Emissionen durch eine andere zu ersetzen, ändert nichts am Problem.
Klimaschaden durch die Kreuzfahrt – die Fakten
Als ich für die Recherchen zu diesem Beitrag vor fast einem Jahr begann, dachte ich: Leg‘ ein paar Emissionszahlen auf den Tisch und vergleiche sie mit CO2-Emissionen anderer Urlaubsformen, dann ergibt sich eine gute Einordnung, wo die Kreuzfahrt bei diesem Thema wirklich steht.
Ernüchterndes Ergebnis: Öffentlich zugänglich gibt es solche Zahlen nahezu nicht. Und zwar nicht nur in der Kreuzfahrt, sondern auch in den meisten anderen Bereiche unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Ganze wissenschaftliche Studien räumen ein, dass sie gescheitert sind beim Versuch, reale und konkrete Zahlen zu ermitteln, und ziehen sich auf Durchschnittswerte oder fundierte Schätzungen zurück.
„Fakten allein dienen oft nur populistischen Argumenten. Ohne ihre Einordnung und echte Vergleichswerte taugen sie nicht für eine sachliche Auseinandersetzung.“
Das hält freilich weder Umweltverbände noch Medien davon ab, die Zahlen aus solchen Studien als wissenschaftlich erwiesene Fakten darzustellen und für entsprechend falsche Argumentation zu missbrauchen – möglichst populistisch und schwarz-weiß-malerisch.
Wie hoch ist der CO2-Ausstoß bei einem Langstreckenflug? Nun, das hängt unter anderem erheblich vom Flugzeugtyp ab. Wieviel Klimagase verursacht ein Campingmobil-Urlaub? Selbst beim selben Typ von Campingmobil hängt das wesentlich von dessen Ausstattung und damit vom Gewicht und Kraftstoffverbrauch ab.
Wie viele solcher Variablen es in der Kreuzfahrt gibt, die beispielsweise den persönlichen Fußabdruck der Passagiere durch kleine Veränderungen leicht verdoppeln oder halbieren können, sehen wir später noch.
Überhaupt, CO2-Ausstoß: Natürlich muss es auch um Methan (LNG) gehen. Methan ist wesentlich klimaschädlicher als CO2, verhält sich aber anders: Es baut sich nach durchschnittlich 12,4 Jahren in der Atmosphäre ab, während CO2 für Jahrhunderte bleibt. Die Umrechnung von Methan in CO2-Äquivalente (CO2e) erfolgt zur Vergleichbarkeit mit anderen Treibhausgasen und zur Erstellung von Klimamodellen auf einen Zeitraum von 20 Jahren (80-fache Wirkung im Vergleich zu CO2) oder 100 Jahren (28-fache Wirkung).
In keinem der beiden Modelle wird also die aktuelle Wirkung, auf die es ja gerade ankommt, ausreichend berücksichtigt. Die International Maritime Organisation (IMO) bezieht Methan derzeit noch nicht in ihre Regularien ein, die EU erfasst Methan-Emissionen in der Schifffahrt seit Januar 2024 (Veröffentlichung der Werte erstmals im Juli 2025).
CO2-Emissionen von Kreuzfahrtschiffen: konkrete Zahlen
Es ist erstaunlich schwierig, zu den CO2e-Emissionen in der Kreuzfahrt konkrete Zahlen zu ermitteln – zumindest solche, deren Dimensionen man verstehen und einordnen kann. Die Nachhaltigkeitsberichte der großen Kreuzfahrt-Unternehmen weisen durchweg die absoluten Emissionen in Tonnen pro Jahr aus. Für 2023 sind das:
- Carnival Corp. (92 Schiffe): 9.648.000 t CO2e
- MSC Cruises (22 Schiffe): 2.640.529 t CO2
- Norwegian Cruise Line Holdings (32 Schiffe): 3.167.697 t CO2e
- Royal Caribbean Group (65 Schiffe): 5.375.318 t CO2e
- Alle vier zusammen (211 von weltweit rund 385 Schiffen): 20.831.544 t CO2e – rund 20,8 Millionen Tonnen
Die genannten Zahlen beziehen sich auf Scope 1 und 2, erfassen aber nicht nur CO2 (wie weiter unten im Beitrag die Werte aus der EU-Datenbank), sondern auch Methan (außer MSC Cruises, dort nur CO2).
Zur Einordnung: Die International Maritime Organization (IMO) hat in ihrer umfassenden GHG Study 2020 für das Jahr 2018 in der gesamten zivilen Schifffahrt Emission von 1.076 Millionen Tonnen CO2e ermittelt, Tendenz deutlich steigend. Bezogen auf die weltweiten Gesamtemissionen von 36.573 Millionen Tonnen sind das etwa 2,89 Prozent.
Wie viele Schiffe gibt es weltweit?
Auch zur Zahl der zivilen Schiffe weltweit gibt die GHG Study der IMO Auskunft, ebenfalls bezogen auf das Jahr 2018:
- Fracht-/Container-/Tank-Schiffe: knapp 50.000 (41 Prozent aller Schiffe)
- sonstige Schiffe (Offshore, Schlepper, Fischerei, Yachten): 61.000 (51 Prozent)
- Fähren inklusive Ro-Ro: 8.000 (7,2 Prozent)
- Kreuzfahrtschiffe: 600 (0,5 Prozent)
„Der Anteil der Kreuzfahrt an den weltweiten CO2-Emissionen beträgt weniger als ein Promille.“
Mit Blick auf die Emissionen ist für die Kreuzfahrt anzumerken, dass ihr Anteil überproportional hoch ist. Aus OECD-Zahlen (Erfassung im 1. Quartal 2023) geht ihr Kreuzfahrt-Anteil an den Emissionen aus der Schifffahrt von 3,1 Prozent hervor. Der Grund dafür ist der Energiebedarf der Kreuzfahrtschiffe für den Hotel- und Entertainment-Betrieb.
In Bezug auf die weltweiten Gesamt-Emissionen ergibt sich daraus ein Anteil der Kreuzfahrt von 0,09 Prozent, also knapp 1 Promille.
Vollständige Emissionszahlen zu einzelnen Schiffen nicht öffentlich
Wesentlich besser vorstellen könnte man sich die Zahlen, wenn sie sich auf einzelne Kreuzfahrtschiffe beziehen würden. Das ließe vor allem auch eine Differenzierung zwischen verschiedenen Schiffen zu. Doch genau diese Zahlen sind öffentlich nicht vollständig verfügbar. Über die Gründe, warum die Reedereien mit den Zahlen nicht herausrücken, kann man nur spekulieren.
„Es fehlen konkrete und normiert vergleichbare Emissionszahlen für konkrete Kreuzfahrtschiffe.“
Ein wesentlicher Grund, das legen unsere Recherchen nahe, dürfte die negative Grundeinstellung vieler Medien und NGOs (Nabu, Deutsche Umwelthilfe) gegenüber der Kreuzfahrt sei. Jede konkrete Zahl, wie relativ positiv sie auch sein mag, würde von dieser Seite sofort gegen das jeweilige Unternehmen verwenden werden. Also schweigen die Reedereien lieber, um sich nicht freiwillig ins Fadenkreuz von Anti-Kreuzfahrt-Kampagnen zu stellen.
Was sich aus vorhandenen Zahlen berechnen lässt, ist ein Rederei-spezifischer oder branchenweiter Durchschnittswert, unter dem man sich etwas vorstellen kann: Den „Fußabdruck“ einer Kreuzfahrt-Reise pro Passagier. Für wieviel CO2-Emissionen ist ein Passagier bei einer siebtägigen Kreuzfahrt verantwortlich?
Persönlicher CO2-Fußabdruck einer Kreuzfahrt im Branchendurchschnitt
827 Kilogramm rechnet Prof. Andreas Humpe von der Hochschule München für eine durchschnittliche Kreuzfahrt von 7,2 Tagen im Jahr 2019 aus. Unsere eigenen Berechnungen ergeben für eine siebentägige Kreuzfahrt einen etwas niedrigeren Wert von 796 Kilogramm, aber die Dimension von rund 800 Kilogramm ist in etwa gleich. (Beide Berechnungen beziehen sich auf Scope 1 und 2 – näheres dazu im Kapitel „Zuordnungsproblem“).
„Branchendurchschnittswerte spiegeln den technischen Entwicklungsstand von vor rund 15 Jahren wider.“
Das Problem dieser Zahl aber ist: Sie spiegelt den technischen Stand von vor etwa 15 Jahren wider. Denn der Durchschnittswert berücksichtigt auch Kreuzfahrtschiffe, die vor 30 und mehr Jahren gebaut wurden. Heute gebaute Schiffe verursachen, bedingt durch den technischen Fortschritt, pro Passagier aber nur noch einen Bruchteil der Emissionen.
Wer also seinen Fußabdruck einer Kreuzfahrt auf einem nagelneuen Kreuzfahrtschiff wissen will, fängt mit diesem Wert nichts an. Wer wissen will, wo die Kreuzfahrt heute steht, braucht andere Zahlen.
Persönlicher CO2-Fußabdruck auf einem neuen Kreuzfahrtschiff
Einen großen Teil meiner Recherchezeit habe ich auf dieses Kapitel verwendet – und doch ist das Ergebnis nur ein Anhaltspunkt. Denn Zahlen für den CO2-Fußabdruck auf konkreten Kreuzfahrtschiffen gibt es schlicht nicht und sie lassen sich aus öffentlich zugänglichen Daten auch nicht einfach berechnen.
„Die EU erfasst und veröffentlicht wertvolles Datenmaterial zu den Schiffsemissionen. Doch ausgerechnet eine wesentliche Zahl fehlt …“
Dennoch ist es mir für einige Schiffe gelungen, halbwegs präzise Zahlen zu ermitteln. Wichtige Quelle dafür ist die THETIS-Datenbank der Europäischen Union auf Basis des MRV-Systems. Seit einigen Jahren müssen Reedereien der EU nämlich ihre Emissionszahlen melden und unabhängig prüfen lassen.
Doch ein wesentlicher Wert fehlt in dieser Datenbank: wie lange das jeweilige Schiff in Häfen lag. Somit ist auch die Angabe, wie viel CO2 das Schiff während der Hafenliegenzeiten ausgestoßen hat, weitgehend nutzlos, wäre für die Fußabdruck-Berechnung aber entscheidend.
Ich habe daher nach Datenmaterial zu den Hafenaufenthaltszeiten einzelner Kreuzfahrtschiffe gesucht, unter anderem durch Auswertung von Katalogen aus dem Jahr 2023, um das in der EU-Datenbank fehlende Puzzleteil zu ermitteln. Diese Zahlen sind – wahrscheinlich recht präzise – Näherungswerte, ohne dass ich jedoch feststellen kann, ob die Schiffe tatsächlich immer zur geplanten Zeit angekommen und abgefahren sind.
„Methanschlupf bleibt (bislang noch) unberücksichtigt.“
Zu beachten ist bei den folgenden Zahlen auch, dass AIDAcosma, Costa Smeralda und MSC World Europa als Treibstoff LNG nutzen, das bei der Verbrennung gut 20 Prozent weniger CO2 ausstößt als Schweröl oder Marinediesel. Dafür entsteht ein gewisser Methanschlupf – der aber in der EU-Datenbank für das Jahr 2023 noch nicht erfasst wurde.
Ab 2024 wird auch die Klimawirkung von Methan berücksichtigt. Da es für die Methan-Emissionen aber noch keine standardisierte Messmethode gibt, werden die Reedereien vorerst einen rechnerischen Wert dafür ansetzen müssen, der zwar mehr Vergleichbarkeit der Klimawirkung verschiedener Treibstoffe bringt, über den tatsächlichen Methanschlupf des konkreten Schiffs kaum Aussagekraft hat.
Persönlicher CO2-Fußabdruck: AIDAcosma, AIDAstella, MSC World Europa und MSC Lirica
Schiff | Baujahr | Tonnage (BRZ) | Passagierzahl | BRZ pro Passagier | CO2 pro Passagier pro Woche in kg |
AIDAcosma (LNG) | 2021 | 183.774 | 5.252 | 35,0 | 280 |
AIDAstella | 2013 | 71.304 | 2.194 | 32,5 | 457 |
MSC World Europa (LNG) | 2022 | 215.863 | 5.264 | 41,0 | 412 |
MSC Lirica | 2003 | 65.591 | 1.984 | 31,1 | 617 |
Mein Schiff 4 | 2015 | 99.526 | 2.506 | 39,7 | 546 |
Costa Smeralda (LNG) | 2019 | 185.010 | 5.224 | 35,4 | 279 |
Symphony of the Seas | 2018 | 228.081 | 5.518 | 41,3 | 539 |
Norwegian Prima | 2022 | 143.535 | 3.099 | 46,3 | 822 |
Mittelwert aller Schiffe | 2011 | 80.930 | 1.990 | 40,7 | 765 * |
* Der nach Passagierzahl gewichtete Durchschnittswert basiert, anders als die Werte für die konkreten Schiffe, auf Hochrechnungen und Abschätzungen bezügliche der Hafenliegezeiten und ist daher lediglich ein ungefährer Anhaltspunkt.
Zu beachten: Die CO2-Werte in der Tabelle stellen kein Ranking dar, weil die Daten wegen unterschiedlicher Treibstoffe (siehe oben) und unterschiedlichen Fahrtgebieten und Strecken nicht direkt vergleichbar sind. Die Zahlen zeigen lediglich eine Momentaufnahme im realen Betrieb der Schiffe in der auch recht unterschiedlich langen Europa-Saisons 2023 der Schiffe.
AIDAcosma, Costa Smeralda und MSC World Europa fuhren 2023 überwiegend eine jeweils gleichbleibende Route im westlichen Mittelmeer, allerdings mit sehr unterschiedlichen Distanzen, was teils den relativ deutlichen Unterschied des jeweiligen Fußabdruck-Wert erklärt.
Die Strecke der MSC World Europa betrug etwa 1.700 Meilen, die der Costa Smeralda 1.480 Meilen, die der AIDAcosma rund 1.200 Meilen. Die Distanzen haben wir mit Hilfe von sea-distances.org überschlagen.
Bei der Norwegian Prima erkennt man gut, wie sich ein luxuriöseres Raum-Passagier-Verhältnis auch bei einem ganz neuen Schiff negativ auf den persönlichen Fußabdruck auswirkt. Zudem ist die Norwegian Prima in ihrer Europa-Saison 2023 teils relativ weite Strecken gefahren.
Auch bei der Mein Schiff 4 und der Symphony of the Seas wirkt sich das relativ gute Raum-Passagier-Verhältnis auf den persönlichen CO2-Fußabdruck aus. Zudem ist das Schiff von Royal Caribbean mit rund 1.500 Meilen auf der über den gesamten Sommer gleichbleibenden Mittelmeer-Route eine weitere Strecke gefahren als die AIDAcosma im gleichen Fahrtgebiet. Die Mein Schiff 4 fuhr 2023 einen Mix aus mittleren Strecken auf den Kanaren mit Madeira und Marokko sowie langen Strecken in Norwegen.
Was auf den ersten Blick überrascht: Auch ältere Kreuzfahrtschiffe (mit Rohöl-basiertem Treibstoff) können einen im Vergleich zu Branchendurchschnitt relativ niedrigen Fußabdruck haben, wie wir für beispielhaft die AIDAstella oder die MSC Lirica errechnet haben. Aufgrund vielfältiger Routen lassen sich die gefahrenen Distanzen für diese beiden Schiffe nicht sinnvoll ermitteln. Die relativ guten Werte lassen sich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit durch kürzere Distanzen und niedrigere Fahrgeschwindigkeiten erklären, die den Treibstoffverbrauch senken.
Es gibt aber auch Ausreißer in die andere Richtung: Werte jenseits der 1.500 kg pro Passagier-Woche bis hin zu einem einzelnen Schiff mit dem Extremwert um die 5.000. Solche Werte treten insbesondere (aber längst nicht in jedem Fall) bei kleineren oder älteren Luxusschiffen mit wenigen Passagieren in Relation zur Tonnage auf. Auf eine Namensnennung solcher Schiffe verzichte ich hier bewusst, weil ich dazu nur sehr überschlagsmäßige Hochrechnungen in Unkenntnis der jeweiligen Hafenliegezeiten anstellen kann – und solche Zahlen zu einem konkreten Schiff daher auch weit neben der Realität liegen könnten.
CO2-Emissionen in der Kreuzfahrt: Grafiken, Trends und Dimensionen
Einige Grafiken auf Basis der Zahlen der EU-Datenbank zeigen Tendenzen und grundsätzliche Zusammenhänge auf. Allerdings zeigen auch diese Grafiken, dass der persönliche CO2-Fußabdruck für die Passagiere dieser Kreuzfahrtschiffe ganz erheblich von weiteren Faktoren abhängt als nur dem Baujahr und der damit typischerweise einhergehend besseren Energieeffizienz.
Insbesondere niedrige Fahrtgeschwindigkeit, kurze Strecken und die Dauer der Hafenliegezeiten können auch bei einem älteren, weniger effizienten Schiff zu einem niedrigeren Fußabdruck führen als bei einem ganz neuen Schiff mit langen Strecken und hohen Geschwindigkeiten.
CO2-Emissionen pro Passagier und Distanz in Relation zum Baujahr der Schiffe
Eine Relation zum Baujahr der Schiffe ist deutlich erkennbar, wenn man den Premium- und Massenmarkt betrachtet, also vereinfacht die Schiffe mit mehr als 1.000 Passagieren. Hier ist im Durchschnitt ein deutlich niedrigerer Fußabdruck erkennbar, je neuer das Kreuzfahrtschiff ist.
Bezieht man die kleineren Schiffe mit ein, dreht sich das Bild und der Durchschnittswert wird ab etwa Baujahr 2010 wieder schlechter.
CO2-Emissionen in Kilogramm aller Kreuzfahrtschiffen in Relation zum Baujahr
Sieht man sich an, welche Schiffe hier die Ausreißer nach oben verursachen, sind das sehr luxuriöse, kleine Schiffe, die in den vergangenen Jahren auf den Markt gekommen sind. Diese Schiffe sind zwar technisch hocheffizient, die geringe Zahl an Passagieren pro Tonnage verdirbt ihre Fußabdruck-Klimabilanz aber gründlich.
CO2-Emissionen in Kilogramm aller Kreuzfahrtschiffen in Relation zum Baujahr
Durchschnittliche Geschwindigkeit in Relation zum Alter des Schiffs
Besonders interessant ist, mit welchen Geschwindigkeiten die Reedereien ihre Schiffe in Abhängigkeit zum Baujahr, respektive Energieeffizienz (und damit auch Treibstoffkosten) fahren lassen.
Die sehr alten Schiffe mit besonders hohem Treibstoffverbrauch, der bei höheren Geschwindigkeiten exponentiell ansteigt, fahren gezielt langsamer. Die Schiffe mittleren Alters, die beim Bau auf höhere Geschwindigkeiten von über 20 Knoten optimiert wurden, fahren tendenziell schneller. Sie sind effizienter, sodass höhere Kosten nicht so stark zu Buche schlagen.
Die neuesten Kreuzfahrtschiffe werden dagegen schon beim Bau meist auf niedrigere Fahrtgeschwindigkeiten optimiert und sind zudem noch energieeffizienter, woraus sich hier ein Abfallen der Kurve und damit ein geringerer Fußabdruck ergibt.
Die folgende Grafik berücksichtigt lediglich Schiffe mit weniger als 1.000 Passagieren, also im Wesentlichen aus dem Luxusbereich. Recht deutlich erkennbar fahren manche Reedereien mit sehr niedrigen Geschwindigkeiten und gleichen damit geringere Effizienz und/oder die Nachteile des in dieser Hinsicht ungünstigen Verhältnisses von Passagierzahl zur Tonnage aus. Besonders positiv fällt hier Ponant auf, aber beispielsweise auch Windstar oder Hapag-Lloyd Cruises.
Je größer, desto schlimmer? CO2 pro Passagier und Distanz in Relation zur Tonnage
Ein Vorurteil, dass man zur Kreuzfahrt immer wieder liest: je größer das Schiff, desto schlimmer. In absoluten Emissionswerten stimmt das natürlich. Beim individuellen Fußabdruck stimmt eher das Gegenteil: je größer, desto besser, respektive niedriger.
Die folgende Grafik zeigt die CO2-Emissionen pro Passagier und nautischer Meile in Gramm und in Abhängigkeit von der Bruttoraumzahl des jeweiligen Schiffs im Jahr 2023 innerhalb der EU. Um die Grafik übersichtlich zu halten, haben wir die Zahl der Schiffe reduziert und beispielsweise von jeder Schiffsklasse jeweils nur ein Schiff aufgenommen.
In der folgenden Grafik betrachten wir die gleiche Statistik noch einmal mit nur Kreuzfahrtschiffen deutscher Reedereien.
Wichtig zu verstehen an beiden Grafiken ist, dass es sich hier um Momentaufnahmen für 2023 abhängig von den jeweils gefahrenen Routen handelt und nicht um eine generelle Einordnung der Klimafreundlichkeit der aufgeführten Schiffe – was an dem einen oder anderen vermeintlichen Ausreißer deutlich erkennbar ist.
Zur Einordnung: konkrete Zahlen zu CO2-Emissionen in der Reise-Branche, von Flügen und Wohnmobil-Reisen
Mit dem Vergleich der Kreuzfahrt zu anderen Reiseformen möchte ich mich nicht lange aufhalten. Denn ein direkter Vergleich ist nahezu unmöglich, weil die zu berücksichtigenden Aspekte so variabel und letztlich willkürlich sind, dass man mit solchen Statistiken so ziemlich alles beweisen kann und doch der Realität nicht näherkommt.
Dennoch will ich ein paar ungefähre Zahlen vorlegen, damit sich die Kreuzfahrt zumindest grob einordnen lässt. Vor allem aber sollen die Zahlen zeigen, dass die Kreuzfahrt oft zu Unrecht dämonisiert wird – als sei sie die einzige Urlaubsform (neben dem aber irgendwie als gegeben hingenommenem Fliegen), die in Hinblick auf den Klimawandel problematisch sei.
Bemerkenswert für die Einordnung der Kreuzfahrt ist auch eine Abschätzung, die das World Travel & Tourism Council in Kooperation mit den Vereinten Nationen mit Zahlen von 2019 vorgenommen hat. Der Report „A Net Zero Roadmap für Travel & Tourism“ von 2021 zeigt die Anteile der unterschiedlichen Branchen und Bereiche an den CO2-Emissionen des gesamten Reisesektors weltweit. Die folgende Grafik basiert auf diesen Zahlen (ohne Scope 3, wofür 2019 noch zu wenig Zahlen vorlagen).
Tourismus-bezogene Treibhausgas-Emissionen nach Branche, 2019
Anm.: Die Prozentwerte der Quelle ergeben weniger als 100 Prozent, weswegen ich die fehlenden 1,4 Prozentpunkte der Zahl zu „sonstiges“ zugeschlagen habe.
Fliegen, Campen, Heizen
Zu den folgenden Zahlen sei angemerkt, dass sich die bereits genannten Werte in der Kreuzfahrt auf die komplette Reise inklusive Hotelleistung (insbesondere Klimaanlage) und Entertainment an Bord beziehen, während die folgenden Werte lediglich die pure Transportleistung umfassen.
Anzumerken ist ebenfalls, dass die genannten Werte – vor allem auch in Ermangelung weiterer Daten) lediglich die direkten Emissionen (Scope 1) berücksichtigen.
Bei einer Fahrt von zwei Personen mit dem Wohnmobil von Frankfurt nach Rimini und zurück liegt der CO2-Fußabdruck für den Treibstoffverbrauch bei 193 Kilogramm pro Person.
Basismodell des beliebtesten Campers, Fiat Ducato (Ducato L1H1 250.0K1.0 Diesel, 100 PS), Verbrauch 7,1 Liter pro 100 Kilometer, CO2-Emissionen: 193 Gramm pro Kilometer laut mobile.de. Wir lassen unberücksichtigt, dass der Fiat Ducato zum Wohnmobil ausgebaut einen Verbrauch von wohl über 10 Litern haben dürfte.
Bei einem Flug von München nach Mallorca und zurück entsteht laut My Climate je nach Flugzeugtyp ein CO2-Fußabdruck von rund 500 Kilogramm pro Passagier. Bei einem Langstreckenflug München–Bangkok und zurück liegt der Wert bei 2.700 bis 3.900 Kilogramm, je nach Flugzeugtyp.
Und wie groß ist der CO2-Fußadruck zu Hause fürs Heizen mit Erdgas? Eine durchschnittliche Zwei-Personen-Wohnung mit 90 Quadratmetern Wohnfläche hat einen Gasverbrauch von 12.600 kWh, 1.260 Kubikmeter Erdgas pro Jahr. Umgerechnet auf sieben Tage, den Vergleichszeitraum für eine Kreuzfahrt, ergibt sich daraus ein CO2-Fußabdruck von 24,3 Kilogramm pro Person.
Berechnung der CO2-Werte laut Go Climate: 201 g CO2 / kWhPE.
Wichtiger Faktor: Art der Anreise in den Urlaub
Für derartige Vergleiche gibt es einen wichtigen Aspekt, den es vernünftigerweise zu berücksichtigen gilt: die Anreise zum Urlaubsort oder Abfahrtshafen des Schiffs. Unabhängig von der Urlaubsform verschlechtert sich die individuelle Klimabilanz des Reisenden bei der Anreise mit dem Flugzeug erheblich – je weiter der Flug, desto deutlicher.
Der Kreuzfahrt wird hierbei pauschal immer die Anreise per Flugzeug unterstellt – mit entsprechend schlechten Gesamtwerten. Doch das wird der Sache oft nicht gerecht. So reisen bei beispielsweise bei AIDA im Jahresdurchschnitt nur rund 50 Prozent der Passagiere mit dem Flugzeug an, im Sommer kommen sogar nur zwischen 20 und 30 Prozent per Flieger – denn die Schiffe fahren dann überwiegend ab deutschen Häfen, sodass die Passagiere überwiegend per Auto, Bus oder Bahn anreisen. Die Angaben stammen von AIDA Cruises selbst.
Das Zuordnungsproblem: Wer ist für welche Emissionen verantwortlich?
Es klingt trivial, ist aber eine große Herausforderung: Wem ordnet man Treibhausgas-Emissionen zu? Wer ist also dafür verantwortlich, die jeweiligen Emissionen zu unterbinden?
Für die Einordnung von Treibhausgas-Emissionen hat sich das Greenhouse Gas Protocol etabliert, das zwischen drei Stufen, den sogenannten „Scopes“, unterscheidet.
Scope 1: Emissionen, die das Unternehmen direkt verantwortet und kontrolliert. In der Kreuzfahrt kommen um die 99 Prozent davon aus dem genutzten Treibstoff.
Scope 2: Emissionen aus zugekaufter Energie wie beispielsweise Strom oder Fernwärme, die außerhalb des Unternehmens erzeugt, aber von ihm genutzt werden. In der Kreuzfahrt entstehen diese Emissionen vorwiegend in den Büros und Kreuzfahrt-Terminals an Land, in zunehmendem Maße aber auch durch Landstrom-Nutzung.
Scope 3: In der Kreuzfahrt sind das knapp zur Hälfte zugekaufte Waren (Lebensmittel, Getränke, Ausstattung der Schiffe) und Dienstleistungen, zudem in größerem Umfang Anlagegüter (insbesondere auch der Bau der Schiffe in der Werft) sowie mit Treibstoffen und Energie zusammenhängende Aspekte (Förderung/Produktion, Verarbeitung, Bereitstellung) und in kleinerem Umfang Geschäftsreisen, Müllentsorgung und der Transport von Waren und Treibstoffen.
In der Kreuzfahrt sind Scope-2-Emissionen sehr gering und daher kaum relevant. Scope 1 und 3 dagegen haben fast die gleiche Größenordnung (laut Umweltberichten der Reedereien zwischen 56:44 Prozent und 50:50 Prozent), wodurch es in dieser Branche entscheidend ist, wem die Scope-3-Emissionen zugeordnet werden. Zur Einordnung: In der Luftfahrt entsprechend die Scope-3-Emissionen wahrscheinlich etwa 30 Prozent der Scope-1-Emissionen (laut Lufthansa Group Factsheet 2023: 27,2 Prozent der CO2e-Gesamtemissionen), im Durchschnitt der Unternehmen aller Branchen möglicherweise aber sogar bis zu 70 Prozent der Gesamtemissionen, weil dort oft weniger direkte Emissionen als im Transportwesen entstehen.
„Scope-3-Emissionen zu erfassen ist eine Sisyphus-Arbeit. Selbst mit großem Aufwand sind Unternehmen hier meist auf Schätzungen und Hochrechnungen angewiesen.“
Der Umgang mit Scope 3 ist ziemlich schwierig, ganz unabhängig von der Kreuzfahrt. Einerseits ist die Berechnung der Emissionen in diesem Bereich sehr komplex ist, weil in der Wertschöpfungskette zahlreiche Unternehmen und Staaten mit unterschiedlichen Regularien beteiligt sind. An Schätzungen kommt man hier gar nicht vorbei.
Andererseits bringt die Zuordnung unterschiedliche Nachteile und Anreize mit sich: Ordnet man Emissionen dem Erzeuger zu, gibt es für den Verbraucher wenig Anreiz, die Emissionen daraus zu reduzieren. Ordnet man sie dem Verbraucher zu, gibt es für den Erzeuger bestenfalls einen indirekten Druck über Marktwettbewerb, das Produkt klimafreundlicher zu gestalten.
„Für den Einsatz von klimaneutral hergestellten, aber kohlenstoffhaltigen Treibstoffe in der Kreuzfahrt müssen die Scope-3-Emissionen einbezogen werden.“
Auf den ersten Blick überraschend: Die Kreuzfahrt-Branche will explizit auch für die Scope-3-Emissionen geradestehen. Blickt man auf die absehbaren Alternativ-Treibstoffe, gibt es dafür einen triftigen Grund: Auch bei den in der Zukunft essenziellen E- und Bio-Treibstoffen entsteht bei der Verbrennung CO2. Nur in Verbindung mit ihrer Herstellung, und damit Scope 3, werden diese Treibstoffe klimaneutral.
Die großen, börsennotierten Kreuzfahrt-Unternehmen Carnival Corp., Royal Caribbean Group und Norwegian Cruise Line Holdings, nicht jedoch bislang das Privatunternehmen MSC Cruises, weisen in ihren Nachhaltigkeitsberichten spätestens seit dem Berichtsjahr 2023 auch die Scope-3-Emissionen aus.
TUI Cruises gibt im Nachhaltigkeitsbericht 2023 einen einordnenden Vergleich zwischen Tank-to-wake- (Scope 1) und Well-to-wake-Berechnung (inklusive Scope 3) konkret auf den Treibstoff bezogen. Hier liegt der Well-to-wake-Wert etwa 22 Prozent höher als der Tank-to-wake-Wert. Konkret liegen diese Gesamtemissionen von TUI Cruises im Jahr 2023 bei 573.933,76 beziehungsweise 704.401,92 Tonnen CO2e.
CO2-Fußabdruck vs. absolute Emissionen
Ehrlicherweise habe ich mich in diesem Beitrag viel zu lange mit dem Blick nur auf den persönlichen CO2-Fußabdruck beschäftigt. Denn der ist eigentlich nicht relevant, wenn man den Klimawandel aufhalten will. Das trifft auf alle Bereiche des Lebens zu, nicht nur auf die Kreuzfahrt, und ist die größte Herausforderung in der Klimadiskussion.
Die Betrachtung von CO2e pro Passagier ist legitim und wichtig, um den persönlichen Fußabdruck besser einschätzen zu können. Aber als globaler Maßstab taugt der individuelle Fußabdruck nicht.
Was einzig zählt: Der absolute Wert der gesamten, weltweiten CO2e-Emissionen muss so schnell wie möglich fallen und zügig bei null ankommen.
Jeder einzelne kann dazu mit einem möglichst niedrigen, individuellen Fußabdruck beitragen. Aber eine wesentliche Forderung auf diesem Weg klingt zunächst radikal: Unternehmen sollen nur noch klimaneutral wachsen dürfen. Auf die Kreuzfahrt bezogen, würde das bedeuten: Wer ein neues Kreuzfahrtschiff in Dienst stellen will, darf das nur noch, wenn dabei der Gesamtausstoß der Reederei an CO2e höchstens gleichbleibt, idealerweise aber sinkt.
Das ist übrigens keine utopische Forderung der Klimakleber. Das sagen selbst Manager in der Kreuzfahrtbranche, beispielsweise Lucienne Damm, TUI Cruises‘ Head of Sustainability, gegenüber Cruisetricks.de: „Die absolute Reduktion muss das Ziel sein. Alles andere, meiner Meinung nach, ist Augenwischerei. Denn dann lebe ich in einer alten Welt. TUI Cruises hat sich deshalb trotz dreier neuer Schiffe in den Jahren 2024 bis 2026 zu einem absoluten Emissionsreduktionsziel verpflichtet, das von der Science Based Targets Initiative (SBTi) verifiziert wurde“, sagt sie.
Lucienne Damm ergänzt: „Wir haben im Moment vielen Technologien und Treibstoffe noch nicht oder nicht in ausreichendem Maße, die dazu führen können, das Wachstum von der CO2-Entwicklung zu entkoppeln. Das ist aber genau die Aufgabe, die wir haben, als Unternehmen – vor allem als Reiseunternehmen, vor allem als Schifffahrtsunternehmen. Nachhaltige Verantwortung heißt, wir wachsen und haben einen Plan, der genau das aufzeigt.“
Was hält die Kreuzfahrt davon ab, die CO2e-Emissionen schneller zu senken?
Beschäftigt man sich genauer mit der Frage, warum die Kreuzfahrt die Emissionen nicht schneller reduzieren, sitzt man schnell haareraufend vor den Fakten: Es ist, wieder einmal, ziemlich kompliziert. Vor allem aber hört man von Verantwortlichen in der Kreuzfahrt regelmäßig: „Wir würden ja gerne, aber …“. Denn Vorschriften und Regularien machen technischen Fortschritt oft nicht so einfach, wie man sich das wünschen würde.
Nick Rose, Vice President Environmental, Social and Governance der Royal Caribbbean Group, drückt das im cruisetricks.de-Interview so aus: „Wenn wir allgemein über globale Vorschriften sprechen, wollen viele, dass die Dinge vom ersten Tag an 100 Prozent perfekt sind, und das ist ein Nachteil für den technischen Fortschritt. Ich denke, dass Technologie und Regulierung sich gegenseitig vorantreiben müssen. Aber Regulierung darf nicht so weit gehen, dass sie die Menschen davon abhält, Fortschritte zu machen.“
Es ist ein nur mühsam aufzulösender Konflikt zwischen technischer Entwicklung, Regularien, Investitionssicherheit und den langen Zeitrahmen, in denen das stattfindet, während es diesen zeitlichen Spielraum für den Klimaschutz potenziell gar nicht mehr gibt.
Weil das ein ausführliches, eigenes Thema ist, habe ich hier nur die wesentlichen Aspekte in Stichpunkten zusammengefasst:
- Die lange Lebensdauer von Kreuzfahrtschiffen von rund 30 Jahren: Entscheidend ist die bei Planung und Bau des Schiffs verfügbare Technik. Allerdings bieten beispielsweise E- und Bio-Fuels auch Optionen für bestehende Schiffe.
- Klimaneutrale Lösungen für Kreuzfahrtschiffe zeichnen sich ab, sie sind aber technisch noch nicht so ausgereift, dass sie einsatzfähig wären.
- Selbst wenn sie einsatzfähig sind, fehlen oft noch die nötigen Regularien. Werften und Reedereien können nur Technik einsetzen, die von den Behörden akzeptiert ist, wollen sie nicht riskieren, ein Schiff zu bauen, das womöglich gar nicht fahren darf.
- Eine ausreichende Verfügbarkeit von alternativen Treibstoffen ist schwer abschätzbar und macht die Entscheidung für eine bestimmte Technologie zum Risikofaktor.
- Regularien sind in Hinblick auf alternative Treibstoffe (noch) unzureichend. Aktuelle Regularien wie die zwingend einzuhaltenden Energieeffizienz-Grenzwerte beim EEDI (Energy Efficiency Design Index) und CII (Carbon Intensity Indicator) der IMO erschwert durch ihrer Berechnungsmethode eher den Einsatz von E- und Bio-Treibstoffen. Zudem sind die Indizes für die gesamte Schifffahrt entwickelt worden, sodass sich daraus für die Kreuzfahrt dem Ziel widersprechende Konsequenzen ergeben – beispielsweise führen lange Hafenliegezeiten und langsame Fahrtgeschwindigkeiten zu Nachteilen bei der Berechnung des CII.
- Aktuelle Regularien insbesondere der IMO beziehen sich auf das Tank-to-Wake-Prinzip: Es zählen die CO2-Emissionen bei der Verbrennung des Treibstoffs. Unter Klimaaspekten und für die sinnvolle Anwendung von Treibstoffen aus regenerativen Quellen ist aber nur das Well-to-Wake-Prinzip mit Einbeziehung der gesamten Wertschöpfungskette zielführend. Auch Anpassungsfaktoren für Bio-Fuels ändern daran nur begrenzt etwas. Das Problem ist erkannt, Änderungen auf IMO-Ebene benötigen aber eine Einigung unter 175 Mitgliedsstaaten – und das dauert.
Gijs Streppel, Programme Manager Sustainability der Meyer Group, kommentiert: „Es ist sehr schwierig, einen zukunftsträchtigen Entwurf zu machen, weil ein wirklich zukunftsträchtiger Entwurf nicht den heutigen Vorschriften entspricht. Die müssen wir wie damals bei LNG erst gemeinsam entwickeln. Denn wenn ich auf regenerative Brennstoffe umstellen würde, die aber Carbon-haltig sind, zum Beispiel E-Methanol, dann haben sie (beim Tank-to-Wake-Ansatz) keinen Vorteil. Somit kann ich aktuell keine grüneren Schiffe konzipieren als auf LNG-Basis. Denn alle heute für Kreuzfahrtschiffe in Frage kommenden Optionen auf Basis von E oder Bio sind Carbon-haltig.“
Die Kreuzfahrt-Branche reagiert auf dieses Problem zunehmend mit einem relativ teuren und aufwändigen Kompromiss, der möglichst viele Türen offenhält: auf den Methanol-Betrieb vorbereitete Maschinen, Dual- oder sogar Tri-Fuel-Motoren (Celebrity Xcel, 2025). Diese Motoren sind in der Lage sowohl – primär – LNG zu nutzen, als auch alternativ Marinediesel mit der Perspektive auf Wechsel zu klimaschonenden oder klimaneutralen E- und Bio-Fuels sowie (grünem) Methanol.
Bereits in der Gegenwart die richtigen regulatorischen Impulse gibt die Europäische Union. Seit 2024 ist die Schifffahrt und damit auch die Kreuzfahrt, Teil des Emissionshandels ETS. Das ist ein aus anderen Bereichen bewährtes und wirksames Mittel zur stetigen Reduzierung der CO2-Emissionen. In seiner Methodik stehen die Anforderungen für das ETS aber zumindest aktuell noch in gewissem Widerspruch zu den genannten Indizes EEDI und CII.
TUI Cruises‘ Lucienne Damm begrüßt die Einbeziehung der Kreuzfahrt in den Emissionshandel der EU: „Dadurch werden die fossilen Kraftstoffe grundsätzlich immer unattraktiver und die anderen auch kommerziell attraktiver. Noch sind sie nicht auf dem gleichen Level. Nach wie vor sind sie noch sehr viel teurer.“
Der Emissionshandel zielt nicht auf eine relative Emissionssenkung pro Passagier, sondern auf die absolute CO2-Menge (ab 2026 auch Methan). Und weil CO2-Emissionen mit einem konkreten Preis bedacht werden, ist die Kostenkalkulation für die Reedereien präzise und planbar. Zudem ist ETS ein System, das auch für Nicht-Techniker einleuchtend und nachvollziehbar ist.
Fazit: Wie klimaschädlich ist die Kreuzfahrt nun wirklich?
Die Länge dieses Beitrags ist eine Zumutung für meine Leser, ich weiß. Aber will man ernsthaft erkunden, wie klimaschädlich die Kreuzfahrt ist, reichen ein paar einfache Schlagworte, ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Zahlen, ein paar vorurteilige Allgemeinplätze nicht aus.
Wie klimaschädlich ist die Kreuzfahrt? Schon die Frage ist falsch gestellt. Unsere gesamte Gesellschaft ist klimaschädlich, solange sie Treibhausgase emittiert. Die Kreuzfahrt ist ein kleiner Teil davon. Welchen Weg wollen wir einschlagen, um den weltweiten Treibhausgas-Ausstoß zu auf null zu senken? Wollen wir das überhaupt? Ernsthaft, meine ich, nicht als Lippenbekenntnis und um sich ein gutes Gewissen einzureden?
Wie klimaschädlich ist die Kreuzfahrt? Es ist die richtige Frage, wenn man einen bequemen Buhmann sucht, um sich nicht wirklich mit Klimaschutz auseinandersetzen zu müssen. Denn als Buhmann eignet sich die Kreuzfahrt besonders gut, weil sie als Freizeitspaß vorgeblich schonmal überflüssig ist und Vorurteile zur Kreuzfahrt vermeintlich Allgemeinwissen sind.
Noch dazu haftet der Kreuzfahrt der – längst nicht mehr zutreffende – Nimbus des Reichen-Luxus an. Das ist eigentlich eine politisch linke Perspektive, die erstaunlicherweise aber auch Menschen mit eher konservativem Weltbild einnehmen. Der Grund dafür liegt vielleicht darin, dass man bequem mit dem Finger auf die Schiffe zeigen kann, weil von Einschränkungen der Kreuzfahrt kaum jemand betroffen wäre – schließlich macht die Hochsee-Kreuzfahrt derzeit geschätzt nur etwa fünf Prozent der deutschen Reisemarktes aus (Anhaltspunkte, siehe DRV). Der Anteil an Fernreisen ist übrigens mit 9,3 Prozent fast doppelt so hoch.
Wie klimaschädlich ist die Kreuzfahrt? Je nach ideologischem Hintergrund und je nach Betrachtungsmaßstab fällt die Antwort sehr unterschiedlich aus. Welchen dieser Maßstäbe wir anlegen, hängt von unserer Entscheidung ab, wie wir mit der Klimaerwärmung grundsätzlich umgehen wollen.
Diese Entscheidung will und kann ich der Gesellschaft hier nicht abnehmen. Aber ich habe in diesem Beitrag versucht, Fakten und Zusammenhänge aufzeigen, die dabei helfen, die Kreuzfahrt in unser gesamtes System einzuordnen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.
Praktische Tipps: So finden Sie möglichst klimafreundliche Kreuzfahrten
Zurück auf der persönlichen Ebene gibt es viele Aspekte, die eine Kreuzfahrt relativ klimaschonend machen können – nicht absolut, aber in Relation zu anderen Urlaubsformen. Die folgenden Aspekte sind keine Garantien, aber Hinweise auf einen vergleichsweise niedrigen, persönlichen CO2e-Fußabdruck:
- An-/Abreise mit Bahn (Norddeutschland/Nordeuropa) oder Bus (Norditalien), notfalls mit dem Auto, jedenfalls möglichst nicht per Flugzeug
- großes, modernes Kreuzfahrtschiff mit hoher Passagierdichte
- lange Hafenliegezeiten
- kurze Fahrtstrecken und daraus resultierend potenziell niedrige Fahrtgeschwindigkeiten
- besser einmal im Jahr einen längeren als mehrmals einen kürzeren Urlaub reduziert die Emissionen aus der Anreise.
Auch wenn die EU-Datenbank THETIS mit ihrem umfangreichen, aber leider unvollständigen Zahlenmaterial keine konkrete Berechnung des Fußabdrucks pro Passagier für einzelne Schiffe zulässt, lassen sich doch einige Tendenzen erkennen:
Ein sehr modernes Schiff, das zusätzlich nur kurze Strecken mit niedriger Geschwindigkeit fährt, wird ein älteres Schiff typischerweise schlagen, das sich ebenso verhält. Nur verhalten sich nicht alle großen Schiffe so.
Große Schiffe sind tendenziell effizienter – allerdings nicht so stark, wie man aufgrund der technischen Energieeffizienz annehmen würde. Denn sehr große Schiffe haben, mutmaßlich wegen des aufwändigeren Hotel- und Entertainment-Betriebs, einen höheren Energiebedarf pro Passagier auch im Hafen. Ganz kleine Schiffe fahren dagegen sowohl ihren relativen (pro Passagier) als auch absoluten Energiebedarf im Hafen sehr weit herunter.
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Ich hoffe, aus Ihren Kommentaren zu erfahren, wie gut es mir gelungen ist, das komplexe Thema der Klimaschädlichkeit der Kreuzfahrt sachlich, ideologiefrei und verständlich aufzubereiten. Ich bin auf Ihre Meinung gespannt!
Lieber Franz, eine sehr interessante und lobenswerte Fleißarbeit, die man gerne bis zum Ende durchliest.
Lieber Herr Neumeier
dies ist eine einzigartige, nahezu wissenschaftliche Darstellung mit einem ersichtlich enormen Aufwand auf Ihrer Seite. Ich muss mir dies nochmals in allen Einzelheiten ansehen. Der geringe Anteil der Kreuzfahrtschiffe um Vergleich zu allen anderen Schiffen würde das Klima nicht retten selbst bei kompletter Einstellung des Betriebes
Ihr Juergen Kutzer
Neue Munition für den Kampf gegen die Vorurteile – vielen Dank dafür! Ein bisschen ist das auch meine Lebensaufgabe geworden.
Ganz entscheidend finde ich, dass die Alternative zur Kreuzfahrt keineswegs „gar keine Reise“ ist und andere Urlaubsformen nicht zwangsläufig weniger klimaschädlich sind.
Unvergessen der Bekannte aus Hamburg, der statt der angedachten Norwegenkreuzfahrt ab Hamburg samt Familie nach Bergen geflogen ist und dort mit dem gemieteten Wohnmobil die Fjorde besucht hat – um klimafreundlich zu reisen. Allein die Flugreise nach Bergen hat dem Klima wohl mehr geschadet als die ganze Kreuzfahrt.
Aber diese gigantischen Schiffe, die die Landschaft verschandeln? Das Camping-Äquivalent der AIDAnova wären 2626 Fiat Ducatos mit je 6 Metern Länge: Stoßstange an Stoßstange gereiht ist das ein Fahrzeugschlange von knapp 16 km. Frag mal die Leute in Nordfjordeid, ob sie lieber (a) 16 km Wohnmobile im Ort haben oder (b) die AIDAnova im Fjord. Ich tippe auf Antwort (b).
Einen fundierten Vergleich einer Mittelmeerkreuzfahrt mit einem Hotelurlaub auf Mallorca wünsche ich mir sehr, aber ich weiß ja, wie unmöglich das ist. Man denke nur an die Kellner, die meistens nicht direkt im Urlaubsort wohnen (zu teuer) und täglich zwei Mal (Frühstück und Abendessen) pendeln. Unter anderem diese Fahrten müsste man berücksichtigen und zu Hause verbrauchen diese Leute ja auch Strom und Wasser und vieles mehr. Beim Kreuzfahrtschiff sind diese Positionen schon in der Umweltbilanz eingeschlossen.
@Knud: Ich habe schon oft darüber nachgedacht, wie man eine solche Vergleichsrechnung mit einem Resort-Urlaub an Land anstellen könnte. Aber das übersteigt zumindest meine Möglichkeiten und Ressourcen bei weitem und wäre vermutlich auch nicht ohne sehr viele Annahmen und Schätzungen möglich, weil viele der dazu nötigen Daten einfach nicht zugänglich wären. Und dann würde sich eine solche Rechnung auch nur auf ein ganz spezifisches Resort beziehen und die Werte schon für ein direkt benachbartes, geschweige denn eines in einem anderen Land, wären wahrscheinlich komplett anders. Selbst wenn man diesen riesigen Aufwand also irgendwie bewältigen könnte, wäre die Aussagekraft doch äußerst begrenzt.
RESPEKT Franz für diese detaillierte Recherche! Ich möchte mir gar nicht ausmalen wie viele Tage du dafür aufwenden musstest…
Whow, Danke Franz für die gewaltige Arbeit. Etliche male habe ich versucht Daten zu finden was mir aber nicht gelungen ist.
Du hast da viel Licht ins Dunkle gebeacht. Herzlichen Glückwunsch und Dank nochmals!!!!!!!
Aufwändige Recherche, aber…
Die Recherche ist ein großes Stück Fleißarbeit, die Lob verdient. Aber:
Letztlich geht es darum, dass die Kreuzfahrtbranche, wie alle anderen Emittenten auch, zur Eindämmung der Erderwärmung ihre Emissionen reduzieren muss, und zwar möglichst schnell, deutlich und nicht nur mit im Grunde vagen Zielvorstellungen (www.klimawandel-report.com). Von primärem Interesse ist dabei weniger der persönliche Fußabdruck eines Passagiers, sondern der weltweite Gesamtausstoß aller Kreuzfahrtschiffe. Diesen zu berechnen ist für Außenstehende praktisch unmöglich, denn es geht um Fragen wie z.B. folgende: Welche Schiffe werden erfasst (meines Wissens gibt es ca. 500 Kreuzfahrtschiffe und nicht nur 350)? Sind überhaupt alle in Betrieb? Wie lange je Reise laufen die Hauptmotoren und bei welcher Last? Welcher Kraftstoff wird verwendet (die meisten Kreuzfahrtschiffe fahren außerhalb der Emissions-Schutzzonen leider nach wie vor mit klimaschädlichem Schweröl und nicht einmal mit Dieselkraftstoff)? Sollen auch die Emissionen der Hilfsmotoren mit eingerechnet werden?
Einigen, wenn aus Zeitgründen auch nur wenigen Aussagen im Artikel bin ich nachgegangen:
IMO und Umweltbundesamt kommen für eine 1-wöchige Standard-Mittelmeerkreuzfahrt auf ca. 1,9 Tonnen (t) Treibhausgase (CO2e) je Person, aber ohne Emissionen, die bei der An- und Abreise des Personals entstehen. Dies mitberücksichtigt ergibt mit rund 3,7 t CO2e fast das Doppelte. Im Vergleich zum weltweiten Fußabdruck von 6,6 t CO2e für 2023 eine enorme Zahl!
Der im Artikel erwähnte Anteil der Kreuzfahrtbranche von nur knapp 1 Promille am gesamten globalen Jahres-Treibhausgasausstoß mag Kreuzfahrt-Gegner besänftigen. Aber dieser Wert gilt für nur 350 (wenn auch große) Schiffe, während die internationale Schiffsflotte aus über 100.000 seegehenden Schiffen mit einer Tonnage von über 100 gt (BRZ) besteht.
Die Aussage, dass neue Kreuzfahrtschiffe im Vergleich zu denen vor 30 Jahren nur noch einen „Bruchteil“ Emissionen erzeugen, kann ich nicht bestätigen. Moderne Antriebsmotoren mögen zwar kraftstoffoptimiert sein, doch zwischen niedrigerem Verbrauch (= geringere Emissionen) einerseits und dem Ausstoß der gesundheitsschädlichen Stickoxide andererseits besteht ein grundsätzlicher Zielkonflikt. Außerdem lassen sich die ohnehin schon hohen Wirkungsgrade von Verbrennungsmotoren, wenn überhaupt, nur noch marginal erhöhen.
Diese wenigen Ausführungen mögen zeigen, wie komplex die Materie ist. Darüber hinaus traue ich weder den Aussagen der Motorenindustrie, noch der Reeder, noch der Mineralölindustrie. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Berechnungen einiger Wissenschaftler und von mir für das Jahr 2001, als wir für die gesamte damalige weltweite zivile und militärische Schiffsflotte einen Jahres-Kraftstoffverbrauch (incl. Hilfsmotoren) bestimmten, der drei Mal höher war als die Mineralölbranche publizierte.
Lieber Herr Köhler,
ich denke, ich habe in dem Beitrag sehr deutlich gemacht, dass es natürlich vor allem um die Senkung der gesamten CO2e-Emissionen weltweit auf Null geht. Dennoch halte ich es für wichtig und legitim, das Ganz auch auf den Fußabdruck einzelner Menschen in ihrer jeweiligen Lebenssituation herunterzubrechen, um eine Vorstellung davon zu vermitteln, wo Potenziale liegen und es dem einzelnen zumindest etwas einfacher zu machen, die Dimension dieser Aufgabe verständlicher zu machen.
Auf einige Ihrer Punkte gehe ich gerne genauer ein:
Zahl der Kreuzfahrtschiffe: Ich beziehe bei meiner Zählung von 385 (ich habe die Zahl im Beitrag von 350 auf 385 korrigiert) Kreuzfahrtschiffen alle ein, die mehr als 49 Passagiere haben (https://www.cruisetricks.de/wie-viele-kreuzfahrtschiffe-gibt-es-weltweit/). Die IMO weist ca. 500 Schiffe aus (was in meinem Beitrag oben auch steht), weil sie auch noch so kleine Schiffchen mit ein paar Passagieren einbezieht, die irgendwo regional Segelreisen anbieten. Eine realistische Zahl zu ermitteln, ist da kaum möglich und macht in Zusammenhang mit diesem Thema auch keinen Sinn, weil die im Vergleich zu 6.000-Passagiere-Schiffen einfach nicht ins Gewicht fallen.
Man kann die Sache natürlich bis in alle Unendlichkeit noch komplexer aufdröseln, als es ohnehin schon ist. Aber das Ziel dieses Beitrags ist es, ein halbwegs übersichtliches Verständnis für das Thema zu erzeugen und nicht eine wissenschaftliche Arbeit zu verfassen, die allenfalls noch für Experten verständlich ist, die das alles aber ohnehin wissen. Ein paar Vereinfachungen an Stellen, wo es für das Gesamtergebnis keinen nennenswerten Unterschied macht, sind dazu nötig.
Für die CO2-Emissionen beispielsweise macht es nahezu keinen Unterschied, ob ein Schiff mit Niedrigschwefel-Schweröl oder MGO fährt.
Gestatten Sie mir folgende Aussage, wenn Sie das Bundesumweltamt zitieren: Was dort an Zahlen genannt wird, ist leider sehr fragwürdig, weil wesentliche Rahmenbedingungen bei der Ermittlung der Zahlen nicht genannt werden, sodass eine vergleichende Einordnung nicht möglich ist. Oder anders gesagt: Diese Zahlen sind weitgehend wertlos. Und auch das Bundesumweltamt tut etwas, das ich für sehrunlauter halte: Sie formulieren „Standard-Mittelmeerkreuzfahrt“. Was soll das denn sein? Jedes Schiff ist anders, die CO2-Emissionswerte gehen von Schiff zu Schiff, von Route zu Route extrem auseinander. Solche Durchschnittswerte (wenn dem überhaupt Durchschnitte zugrunde liegen; wie der Wert zustande kommt, wird ja nicht erklärt) sagen einfach nichts über den aktuellen Stand der Technik aus, weshalb ich sie für grob irreführend halte.
Die Angabe zum Anteil der Kreuzfahrtschiffe an der Gesamtzahl der Schiffe bezieht sich übrigens auf die 500 Schiffe, die die IMO angibt, nicht auf keine Zählung von 385 – das ergibt sich aus dem Zusammenhang oben im Beitrag denke ich recht deutlich. Auch hier muss man aber sagen: Es ist im Grunde ziemlich egal, ob es 385 oder 500 sind, denn auch bei der Zahl der übrigen zivilen Schiffe gehen die Schätzung sehr weit auseinander, irgendwo zwischen 60.000 und 90.000. Es geht nicht um wissenschaftliche Exaktheit von Nachkommastellen, sondern um eine grobe Einordnung.
Wo Sie recht haben, ist natürlich bei der Einbeziehung des Scope 3, die würde die Zahlen deutlich nach oben treiben. Ich denke, das habe ich in meinem Beitrag auch hinreichend deutlich erklärt. Aber auch hier: Nahezu keine der vorliegenden Vergleichszahlen aus anderen Bereichen bezieht bislang Scope 3 mit ein. Es ist also sinnlos, der Kreuzfahrt doppelt so hohe Emissionswerte vorzuwerfen, wenn man gleichzeitig nicht einordnen kann, wie hoch diese Werte beispielsweise bei einem Resort-Urlaub in der Türkei oder in Spanien liegen würden. Denn natürlich muss auch dort die Energie irgendwie bereitgestellt werden, die Mitarbeiter müssen morgens zum Hotel pendeln etc.
Letztlich war für mich der Antrieb, diesen Beitrag zu schreiben, um genau diese nutzlosen Vergleiche mit anderen Branchen und Bereichen nicht anzustellen, und Zahlen, die eben nicht vergleichbar sind, weil völlig andere Basisdaten für die Berechnung verwendet werden (meist übrigens, ohne genauer zu spezifizieren, wie die berechneten Werte überhaupt zustande kommen), nicht für Vergleiche heranzuziehen.
Sie kritisieren die Aussage, dass bei Langsamfahrt die NOx-Emissionen steigen – das mag sein, oder auch nicht, je nach Motor etc. Das muss an dieser Stelle aber auch gar nicht erörtert werden, weil NOx kein Treibhausgas darstellt, bei der Betrachtung der CO2- oder CO2e-Emissionen also keine Rolle spielt. Erneut: Es macht keinen Sinn, das Thema noch um ein Vielfaches zu verkomplizieren, wenn man auch noch versucht, Treibhausgas-Emissionen gegen gesundheits- und umweltschädliche Emissionen aufzurechnen. Das ist ein anderes Thema, das für ich genommen schon kompliziert genug ist. Hier geht es nur um Treibhausgase.
Bzgl. Glaubwürdigkeit von Zahlen aus der Industrie: Klar, das kann man anzweifeln, das ist legitim. Aber zum einen beziehe ich mich in diesem Beitrag vor allem auf die Thetis-Datenbank der EU, deren Daten von (halbwegs unabhängigen) Klassifikationsgesellschaften verifiziert werden. Wenn man versucht, ein Thema verständlich darzustellen und halbwegs einzuordnen, bringt es ab einer bestimmten Grenze dann auch nichts mehr, alles und jedes in Frage zu stellen. Ich versuche konstruktiv zu sein; alles in Frage zu stellen und überall Zweifel zu sähen, ist aus meiner Sicht aber sehr destruktiv, weil es einfach nicht weiterhilft. Besser ein ungefähres Ergebnis und eine ungefähre Einordnung, als gar keine, denke ich …
Eine sehr beeindruckende Fleissarbeit – Respekt! Aber das Gefühl angesichts der vielen Komponenten, die in das Thema einfliessen, bleibt irgendwie haften: Es kommt drauf an… Was aber letztlich nicht die grosse Geschichte ist, sondern die Frage, wann, wie und wie vehement der CO2-Ausstieg kommt, resp. effektiv angepackt wird.
Ja, absolut richtig, lieber Beat. Letztlich hängt sehr viel an der Verfügbarkeit von klimaneutralem Treibstoff und den zugehörigen Regularien. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass wir am schnellsten vorankommen, wenn möglichst schnell die Weichen gestellt werden, welche Treibstoffe in der Zukunft die relevanten sein werden, damit Reedereien gezielt in diese Technik investieren und Energie-Unternehmen gezielt in die Produktionsanlagen investieren.
Das kann/muss sowohl durch mutige Entscheidungen in der Kreuzfahrt- und Energie-Branche geschehen, als auch durch staatliche Forschungsförderung (wie beispielsweise der deutschen Bundesregierung bei Brennstoffzellentechnik) und klaren, regulatorischen Vorgabe, damit es Investitionssicherheit für die Unternehmen gibt.
Technologie-Offenheit, wie sie v.a. von der CDU/CSU und FDP in Deutschland propagiert wird, verkennt, dass wir nicht mehr die Zeit haben, um das Thema sich über womöglich Jahrzehnte hinweg durch den Markt regeln zu lassen. Immerhin ist die Einbeziehung der Schifffahrt in den Emissionshandel ETS der EU (inkl. Methan) schonmal ein ganz wichtiger Schritt, der die Entwicklung beschleunigen wird.
Aber das ist natürlich erstmal nur meine ganz private, persönliche Meinung.
Ich finde jegliche Kritik ohnehin unseriös, sofern man nicht selbst zeigt, wie es besser geht. Betreibt z.,B. die Deutsche UMwelthilde Kreuzafahrtschiffe und setzt hier saubere Technoloien um? Nein.
Wenn aber etwa Silversea auf Marella Cruises zeigt und dafür kritisiert, dass man nichts fürs Klima tun würde, dann ist das seriös. Während Marella nur mit altem Schrott umherfährt, ist Silversea Vorreiter in Sachen Klimaschutz und betreibt eines der saubersten Kreufahrtschiffe überhaupt. Solche Unternehmen sorgen dafür, dass saubere Technologien in die Realität umgesetzt werden.