Für Aufregung in der Kreuzfahrt-Branche hat ein Text der Nachrichtenagentur Reuters und in Folge zahlreicher anderer Medien gesorgt: Marie-Caroline Laurent, Europa-Chefin der Kreuzfahrt-Branchenvereinigung Clia habe in Zusammenhang mit den Overtourism-Massenprotesten mit dem Boykott von Kreuzfahrt-Häfen gedroht, in denen es Proteste gegen Massentourismus gebe.
Bei einer Veranstaltung in Madrid hatte Laurent geäußert, gewaltsame Proteste könnten sich zukünftig auf die Reiserouten auswirken, so Reuters in dem Beitrag. Und weiter: „Es wird in Erwägung gezogen, die Reiserouten anzupassen, wenn wir aus irgendeinem Grund das Gefühl haben, dass nicht alle Passagiere gut behandelt werden.“
Was in der Reuters-Meldung noch wie eine logische und vernünftige Reaktion auf potenziell gewalttätige Proteste klang, wurde in anderen Medien zugespitzt zu einer Boykott-Drohung. Schlagzeilen wie „Anti-tourist backlash in Europe causes cruise ships to change course” (Fortune) oder „Kreuzfahrt-Boykott droht! Diese Ziele könnten bald nicht mehr angefahren werden“ (Der Westen) entstanden daraus. Die FVW hat ihre ursprüngliche Schlagzeile „Clia erwägt Boykott von Barcelona“ inzwischen in „Clia erwägt Anpassung der Reiserouten“ geändert.
Die Aufregung und das Unverständnis ob solcher Äußerungen der Clia ist groß, zumal die Clia sich zu solchen Themen in der Öffentlichkeit zumeist eher zurückhaltenden äußert. Reise-vor-9 kommentierte unter der Headline „Kreuzfahrtverband Clia droht mit Boykott populärer Häfen“ denn auch süffisant: „Nicht ohne Ironie ist bei alledem der Umstand, dass die Industrie die Haltung gegenüber ihren Reisenden, die bislang maximal mit Wasserpistolen attackiert wurden, nun ernsthaft zum Sicherheitsrisiko erklärt.“
Clia: „Keine Pläne, Häfen zu boykottieren“
So sei das überhaupt nicht gemeint gewesen, sagt jedoch die Clia auf Nachfrage gegenüber cruisetricks.de: „Es gibt keine Pläne der CLIA-Mitglieder, Häfen zu boykottieren, und CLIA hat auch nie kommuniziert, dass ein Boykott geplant sei.“
Die Zitate sei aus dem Zusammenhang der Veranstaltung in Madrid gerissen worden. Marie-Caroline Laurent habe lediglich auf die Frage „nach den Auswirkungen aufgebrachter Demonstranten die Möglichkeit eingeräumt wurde, dass eine Anpassung der Reiserouten bei Sicherheitsbedenken in Betracht gezogen werden könnte.“
Georg Ehrmann, Nationaler Direktor Clia Deutschland, kommentiert die Overtourismus-Debatte in diesem Zusammenhang so: „Kreuzfahrten werden immer beliebter. Küstenregionen profitieren wirtschaftlich unmittelbar durch das breite Angebot der Branche. Gleichzeitig bildet der Kreuzfahrttourismus nur einen kleinen Teil des gesamten Tourismus an unseren Destinationen – in Barcelona gerade einmal vier Prozent. Glücklicherweise hatten die Proteste wenig bis keine Auswirkungen auf unsere Kreuzfahrtpassagiere. Ein weiterer Aspekt in der aktuellen Overtourism-Debatte ist die Wohnungsnot der Bewohner, die durch die zunehmende Vermietung von Ferienwohnungen ausgelöst wird. Die Kreuzfahrtgäste übernachten auf den Schiffen (beziehungsweise in den Turn-around-Häfen in Hotels) und tragen zu dem Problem nicht bei.“