Der Auftritt des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki in einer Diskussionsrunde mit Sabine Christiansen auf der Europa 2 schlägt hohe mediale Wellen. Die Tatsache, dass er sich um Gegenzug für seine Teilnahme an dem Christiansen-Talk-Format mit seiner Frau auf diese Kreuzfahrt hat einladen lassen, stößt auf lautstarke Kritik. Dabei ist der Fall keinesfalls außergewöhnlich. Ein paar übersehene Fakten und meine persönlichen Anmerkungen zu diesem Fall …
Ich halte mich auf cruisetricks.de aus politischen Diskussionen heraus, weil sie nichts mit meinem Thema zu tun haben – auch wenn es mich als diplomierten Politikwissenschaftler manchmal schon arg reizen würde, meine Meinung kundzutun. Hier, im Fall Europa 2 und Wolfgang Kubicki, mache ich einmal eine Ausnahme, weil der Bezug zur Kreuzfahrt gegeben ist …
In die Bundespolitik schaffen es Kreuzfahrt-Themen nur sehr selten. Doch der Auftritt des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki im Rahmen einer Diskussionsrunde von Sabine Christiansen auf der Europa 2 von Hapag-Lloyd Cruises schlägt gerade hohe Wellen.
Sicherlich haben vor allem die provokativen Äußerungen Kubickis an Bord der Europa 2 die Aufmerksamkeit der Medien auf die Luxus-Kreuzfahrt von Wolfgang Kubicki gelenkt, die er als Sachleistungshonorar für seine Teilnahme am Edutainment-Format „Talk 2 Christiansen“ auf der Europa 2 erhalten hat.
Eine rhetorische Frage nur am Rande: Hätte man sich eigentlich auch so aufgeregt, wenn Kubicki ein ganz normales Honorar erhalten hätte, wie es für solche Auftritte alltäglich ist, und damit einen Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff finanziert hätte? Worin besteht eigentlich das Problem, statt Geld eine Sachleistung als Honorar zu nehmen?
Aber zurück zum eigentlichen Thema: Die nur wenig verbrämte Rücktrittsforderung an Wirtschaftsminister Robert Habeck ist keine Kleinigkeit, wenn sie vom Bundestagsvizepräsidenten und einem der prominentesten Politiker des Koalitionspartners FDP kommt. Wenn dann noch der ebenso latente wie klischeehafte Luxus-Neid hinzukommt, der so oft mitspielt, wenn es um Kreuzfahrten geht, dann ergeben sich daraus fast schon automatisch fette Schlagzeilen – unter anderem bei der „Bild“.
Laut Bild rechtfertigte sich Kubicki übrigens mit der Aussage, er sei als Autor seines 2021 erschienenen Buches ,Sagen, was Sache ist‘ und nicht als Vizepräsident des Deutschen Bundestages eingeladen worden. Bild kontert: „An Bord des Luxus-Dampfers wurde der FDP-Mann den Gästen allerdings nicht als Autor angepriesen. In der Programmankündigung stand ausdrücklich, dass Kubicki als Vizepräsident des Bundestags über das ,Beben in Berlin: Die Ampel-Koalition vor dramatischer Zerreißprobe‘ sprechen werde.“
SPD und Grüne kritisieren, dabei waren auch Parteikollegen schon bei Christiansen auf der Europa 2
Sind die Medien erst einmal heiß auf einen solchen Fall, springt automatisch auch der eine oder andere Politiker auf den Zug auf, und sei es nur, um sich selbst auch mal wieder in der Zeitung wiederzufinden. Interessanterweise sind es in diesem Fall Politiker aus Parteien der Ampel-Koalition, also quasi Koalitionsfreunde von Wolfgang Kubicki. Laute Kritik kommt von der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, und vom SPD-Vizefraktionsvorsitzende Matthias Miersch.
Blöd nur, dass die beiden offenbar nicht so genau hingesehen haben und deshalb – mutmaßlich – auch nicht wissen, dass durchaus schon Politiker aus ihren eigenen Reihen an dem Talkformat „Talk 2 Christiansen“ auf der Europa 2 teilgenommen haben:
Von der SPD war im Herbst 2017 Ralf Stegner, damals stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD und aktuell Mitglied des Bundestages mit von der Partie.
Der prominente Grünenpolitiker Joschka Fischer, 1998 bis 2005 Außenminister, seit 2005 allerdings nicht mehr politisch aktiv, war im Jahr 2019 bei einer Christiansen-Talkrunde auf der Europa 2 dabei.
Freilich lässt sich heute nicht mehr so einfach verifizieren, welche Gegenleistungen dafür jeweils geflossen sind, ob nun direktes Honorar oder eben wie bei Kubicki die kostenlose Teilnahme an der Kreuzfahrt, während der die Diskussionsrunde mit Sabine Christiansen stattfand. Joschka Fischer hatte damals von der „Bild“ und anderen Medien eins auf die Mütze bekommen.
„Talk 2 Christiansen“ gibt es auf er Europa 2 übrigens schon seit März 2013 und begann mit Kolumnist und Bestseller-Autor Frank Sieren, der Hongkonger Unternehmerin Anke Redl und dem amerikanischen Journalisten Jay Tuck als Gästen.
In guter Gesellschaft: CDU-, CSU- und DP-Politiker bei „Talk 2 Christiansen“
Von Seiten der CDU/CSU kommt aktuell vielleicht weniger Kritik an Kubicki, weil die Leute dort ihre Hausaufgaben besser gemacht haben und den Ball lieber flach halten – das ist aber natürlich nur spekuliert. Aus ihren Reihen waren jedenfalls schon etliche Politiker bei mehreren Veranstaltungen von Sabine Christiansen auf der Europa 2 zu Gast, nämlich im Bundestags-Wahljahr 2017: Michael Fuchs, damals stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; Julia Klöckner, damals Vorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz und CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag; Wolfgang Bosbach, früherer Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion; Theo Waigel, Ex-Finanzminister und CSU-Ehrenvorsitzenden.
Übrigens war auch Wolfgang Kubicki schon früher einmal auf der Europa 2 aktiv: ebenfalls im Wahljahr 2017, damals als Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag von Schleswig-Holstein und stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. Und auch sein Parteifreund Christian Lindner, damals Bundesvorsitzender der FDP, war in diesem Jahr mit von der Partie.
Auch Ex-„Bild“-Chefredakteur diskutierte schon auf der Europa 2 mit
Aber eben auch die aktuell kritisch aktive „Bild“ ist nicht ganz jungfräulich, was die Teilnahme an „Talk 2 Christiansen“ auf der Europa 2 angeht: Im Oktober 2016 diskutierte der damalige Gesamtherausgeber der Bild-Gruppe Kai Diekmann mit Christiansen – über die „Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf die Medienbranche“.
Es sei noch einmal betont: Ich kann nicht verifizieren, welche Deals die genannten Politiker und Kai Diekmann jeweils mit Sabine Christiansen als Veranstalterin der Talkrunden auf der Europa 2 oder mit der Reederei Hapag-Lloyd Cruises hatten. In einigen Fällen weiß ich auch nicht sicher, ob sie tatsächlich an Bord waren. Im Programm der Reederei standen sie jedoch allemal. Aber dass all die Parteigranden, Amtsträger und der Journalist Dieckmann ganz ideell, privat bezahlt und ohne Honorar bei „Talk 3 Christiansen“ auf der Europa 2 aufgetreten sind, ist doch eher unwahrscheinlich.
Die Regeln zu Nebeneinkommen von Mandatsträgern gehören insgesamt hinterfragt
Ich bin wahrlich kein Freund des so arrogant auftretenden Berufsprovokteurs Wolfgang Kubicki. Aber die aktuelle Kritik an ihm wirkt doch ein wenig an den Haaren herbeigezogen und geht am eigentlichen Problem vorbei: die Tatsache, dass Politiker, die als Mandatsträger bereits hohe Bezüge etwa als Bundestagsmitglieder oder wie Kubicki als Bundestagsvizepräsident haben und mithilfe ihrer – bereits bezahlten – Stellung zusätzlich privaten Profit schlagen dürfen. (An dieser Stelle sei einmal ausgeblendet, ob sie diese Einkünfte ordnungsgemäß bei zuständigen Stellen melden und versteuern, was ich wohlwollend jetzt einfach einmal annehme.)
Wer Kubickis Auftritt auf der Europa 2 und den damit verbundenen Begleitumständen kritisiert, der muss darauf drängen, das Thema „Nebenverdienst“ bei Mandatsträgern endlich konsequent zu regeln: solche Aktivitäten beschränken oder Einnahmen abschöpfen sowie eine absolute Transparenz aller Nebeneinkünfte von Abgeordneten – damit es auch Herrn Kubicki nicht freisteht, das Sachhonorar „Kreuzfahrt“ in Zusammenhang mit seinem Buch zu sehen und damit beim Bundestag nicht anzugeben (was er nach all dem Trubel nun ohnehin zugesagt hat, zu tun).
Wer jetzt Kubicki kritisiert, solche Nebenverdienste aber nicht grundsätzlich und konsequent reformieren will, der ist unglaubwürdig und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nur Sozialneid zu schüren und die schnelle Schlagzeile zum eigenen Vorteil zu wollen. Dann ist der- oder diejenige nicht besser als der, den sie gerade so heftig kritisieren.
Nun, wenn man den allgemein zugänglichen Medien glauben darf, dann erhalten Politiker bei Lanz, Maischberger und Co. für ihre Eigenwerbung in den Talkshows keine Honorare. Insofern ist das hier doch offensichtlich etwas anderes und alles andere als ein normaler Vorgang. Und der Vergleich mit Kai Dieckmann ist doch sehr abwegig. Der ist Geschäftsmann und kein gewählter Volksvertreter und darf daher, wo immer er will, verdienen was er will. Dessen politische Unabhängigkeit ist per Se nicht gegeben, aber auch politisch irrelevant, da er ja kein Politiker ist.
@Michael Dennull: Das „normal“ bezieht sich auf Vorträge und Teilnahme an Diskussionsveranstaltungen auf Kreuzfahrtschiffen; und da sind solche Arrangements eben durchaus üblich. Da kann man als Teilnehmer ja auch nicht mal schnell mit dem Auto oder Flieger hinkommen, zwei Stunden reden und wieder heimfahren ;-) Insofern ist es üblich, dass man eben eine Weile, oder auch die ganze Reise, weil die Kabine dann eh‘ nicht mehr anders verkaufbar ist, an Bord bleibt. Das ist in meinem Beitrag mit „normal“ gemeint.
Und ja, Kai Dieckmann ist/war natürlich kein gewählter Volksvertreter. Aber wenn die „Bild“ ihren moralischen Zeigefinger deutlich gegenüber Politikern erhebt, die sich zu solchen Veranstaltungen einladen lassen, dann denke ich schon, dass der Hinweis gerechtfertigt ist, dass der Chefredakteur eben dieser Zeitung genau das selbst auch tut.
Abgesehen davon sehe ich auch für einen Politiker kein Verbot, Geld zu verdienen mit Vorträgen o.ä. – es muss nur transparent sein und ggfs. mit seinen Bezügen als Mandatsträger verrechnet werden.
Ich wende mich ja, das ist hoffentlich klar geworden, viel mehr gegen die gespielte Entrüstung, wenn die Entlohnung für die Teilnahme an der Diskussionsveranstaltung nicht in Geld, sondern in Form einer Kreuzfahrt ausgezahlt wird. Es ist Entlohnung, in welcher Form auch immer. Aber die Moralkeule schwingt die „Bild“ nur, wenn sie Luxus/Dekadenz/Kreuzfahrt mitschwingen lassen kann, Sozialneid schüren kann. Das ist unlauter und insofern muss sich die „Bild“ schon daran messen lassen, wenn ihr Chefredakteur sowas ebenfalls tut.
@Michael Dennull:
Den Chefredakteur der Bild als politisch irrelevant zu bezeichnen ist schon extrem naiv.
Diese Mediengruppe hat mit all ihren Medien einen verdammt großen Einfluss auf die Stimmungslage im Volk und damit den Wahlausgang.