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Schornstein

„Schmutziges Kreuzfahrt-Geschäft“ – offener Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung

Der Morgen beginnt mit einer ziemlichen Enttäuschung: über einen der handwerklich schlechtesten Kommentare, die ich seit langem in der sonst von mir sehr geschätzten Süddeutschen Zeitung gelesen habe: „Kreuzfahrten – ein schmutziges Geschäft“ von Jan Schmidbauer.

Meinung ist Meinung. Das respektiere ich. Ein Kommentar darf polarisieren, er darf subjektiv sein, er soll zum Nachdenken und Diskutieren anregen. Ein guter Kommentar in einer großen, deutschen Tageszeitung sollte sich aber in einem Aspekt vom Geschwätz auf der Empörungsplattform Facebook unterscheiden: Er muss auf solide recherchierten, verifizierten Fakten basieren.

Wenn eine Meinungsäußerung in der Süddeutschen Zeitung aber auf Basis von schlampig oder nicht recherchierten Fakten beruht und in sich widersprüchliche Argumente aufführt, dann ist das kaum zu verzeihen.

Zitat: „Die schwimmenden Hotels (…) transportieren keine wichtigen Güter; sie dienen allein der Unterhaltung.“

Ist das Ihr Ernst, Herr Schmidbauer? Sie sind Jahrgang 1990 und fallen zurück ins Weltbild des preußischen Obrigkeitsstaates, in dem einzig Pflichterfüllung und Maloche bis ins Grab als wertvoll betrachtet werden? Haben Sie schon einmal mit einem Arbeitsmediziner darüber gesprochen, wie wichtig Urlaub und Erholung für die Arbeitskraft und damit für die Wirtschaft sind?

Noch fataler aber: Haben Sie das Prinzip eines freiheitlich-demokratischen Staates verstanden, in dem gottseidank nicht der Staat oder die Mehrheit, sondern jedes Individuum selbst darüber entscheidet, was er oder sie für wichtig erachtet? Sind Wegwerfhandys aus China oder unter haarsträubenden Umweltbedingungen in Asien hergestellte Billig-T-Shirts Ihrer Ansicht nach „wichtige Güter“, während Erholung ein „unwichtiges Gut“ ist?

Zitat: „Schon deshalb müssen für sie strengere Regeln gelten, auch wenn sie im Verhältnis zu Containerschiffen nur einen Bruchteil am gesamten Schiffsverkehr ausmachen.“

Schon im nächsten Absatz sowie später in Ihrem Text widersprechen Sie sich selbst: Sie nennen den in der Tat hohen Anteil der Schifffahrt am weltweiten Ausstoß von Schwefeloxiden und Stickoxiden. Zugleich wollen Sie aber den „wichtigen“ Warentransport offenbar von strengeren Vorschriften ausnehmen. Dann aber sind die Zahlen für die gesamte Schifffahrt als Argument irrelevant. Denn die Kreuzfahrt macht weniger als ein Prozent der zivilen Schifffahrt aus, sodass Sonderregelungen für die Kreuzfahrt nahezu keine Auswirkungen auf die Gesamtemissionen von Schiffen hätten.

Zitat: „Viele historische Hafenstädte leiden darunter. Nach Angaben der Fachzeitschrift Travel Weekly kamen im vergangenen Jahr 740 000 Kreuzfahrttouristen ins kroatische Dubrovnik – eine Stadt, die nur gut 40 000 Einwohner hat. In Venedig ist die Situation ähnlich.“

In Dubrovnik machen die Kreuzfahrt-Touristen tatsächlich einen signifikanten Anteil der gesamten Touristenzahl aus. Nicht jedoch in Venedig, dort ist die Situation eine völlig andere und eben keinesfalls „ähnlich“.

Der Anteil der Kreuzfahrt-Touristen an der gesamten Touristenzahl liegt in Venedig bei gerade einmal 4,6 bis 6,4 Prozent. 2016 kamen 1,6 Millionen Kreuzfahrer, Die Zahl der gesamten Venedig-Touristen kennt selbst die Stadt nicht so genau – sie liegt irgendwo zwischen 25 und 35 Millionen. Nimmt man konservativ 25 Millionen an und zieht alle 1,6 Millionen Kreuzfahrer ab, bleiben immer noch 23,4 Millionen.

Die Stadt Dubrovnik redet seit Jahren darüber, die Zahl der Kreuzfahrtschiffe pro Tag zu begrenzen. Das wäre ein probates Mittel gegen die Überflutung der Stadt mit (Kreuzfahrt-)Touristen. Dubrovnik hat die Limitierung aber bislang immer vor sich hergeschoben – zu verlockend ist das viele Geld, das die Schiffe mitbringen.

Zitat: „Schließlich werden sie oft nur für fünf, sechs Stunden in der Altstadt abgeladen, bevor es weiter in die nächste schöne Mittelmeerstadt geht. Gegessen und geschlafen wird auf dem Schiff.“

Das ist nicht falsch, führt aber zumindest teilweise in die Irre. Man kann es durchaus auch als Vorteil sehen, dass die Passagiere an Bord schlafen. Denn in vielen Städten wie beispielsweise Barcelona sind genau die Übernachtungsgäste eines der Kernprobleme des Overtourism, insbesondere wenn sie sich in großer Zahl via Airbnb & Co. in Privatwohnungen einmieten und dadurch den lokalen Wohnungsmarkt ruinieren. In früheren Wohn-Stadtviertel verdrängen Souvenirläden und Schnellimbiss-Ketten die alt eingesessene Geschäfte, sodass die Einheimischen keine nahe gelegeneren Einkaufsmöglichkeiten mehr haben.

Zitat: „Dass die Kreuzfahrtindustrie bis heute eher schlecht als recht reguliert wird, hat mit ihrer Internationalität zu tun.“

Ich würde Ihnen empfehlen, einen Blick in die internationalen Regelwerke der UN-Organisation IMO zu werfen. Dann werden Sie feststellen, wie exzessiv die Schifffahrt und damit auch die Kreuzfahrt reguliert ist. Ich empfehle beispielsweise MARPOL. Man kann darüber streiten, ob die Vorschriften streng genug sind. Aber einen Mangel an Regulierung als solcher gibt es wahrlich nicht.

Zitat: „Sinnvoll ist auch ein Vorschlag der Bundesregierung: Sie will Reedereien dazu zwingen, die Stromversorgung des Hafens zu nutzen.“

Haben Sie recherchiert, welche deutschen Kreuzfahrt-Häfen Landstrom überhaupt anbieten? Vom Rest Europas ganz zu schweigen. Es gibt exakt ein deutsches Kreuzfahrt-Terminal mit Landstrom, in Hamburg Altona (für Hamburg-Hafencity sowie Ostsee- und Schwedenkai in Kiel gibt es konkrete Planungen). Ungünstigerweise hat Hamburg aber nicht das große, neue Terminal in Steinwerder mit Landstrom ausgestattet – dort, wo die großen, modernen Schiffe, die Landstrom nutzen könnten, bevorzugt anlegen. Vielleicht muss man aber auch eingestehen, dass Investitionen in andere Ansätze mehr bringen, flexibler und günstiger sind, wie etwa der derzeitige Test mit Powerpacs für Containerschiffe in Hamburg.

Zitat: „Warum dürfen Schiffe in europäischen Häfen anlanden, die in Steuerparadiesen registriert sind?“

Haben Sie schonmal geschaut, unter welchen Flaggen Container- und Frachtschiffe fahren? Sie würden einen wesentlichen Teil des internationalen Handels der EU blockieren, würden Sie eine solche Idee umsetzen.

Der einzig wirklich interessante und gute Satz in Ihrem Kommentar ist:

„Einzelne Länder können wenig erreichen. Aber auf EU-Ebene ließe sich durchaus etwas bewirken.“

In der Tat: Die EU ist mächtig genug, strengere Regelungen durchzusetzen. Denn (fast) kein Kreuzfahrtunternehmen könnte es sich leisten, keine EU-Häfen anzulaufen. Dafür sind die Fahrtgebiete Mittelmeer, Kanaren, Nordland und Ostsee viel zu attraktiv.

Ganz so einfach ist es dennoch nicht. Denn Schiffe fahren weltweit, sodass nationale oder regionale Regelungen sich zumindest nicht widersprechen dürfen. Das macht regionale Alleingänge zu einem komplexen Vorhaben, aber nicht unmöglich.

Nur: Die EU macht ohnehin keine nennenswerten Anstalten, die Schifffahrt im Sinne des Umweltschutzes strenger zu reglementieren. Nutzen Sie doch die Ressourcen der Süddeutschen Zeitung, Ihre Kontakte zu Verkehrs- und Umweltpolitikern in Berlin und Brüssel, um herauszufinden, warum es von der EU keine (zumindest mir bekannten) konsequenten Initiativen zum Thema Umweltschutz in der Schifffahrt gibt.

Fazit: Seien Sie anspruchsvoll …

Lieber Herr Schmidbauer, ich bin ganz bei Ihnen mit der grundsätzlichen Forderung, die Schifffahrt insgesamt (nicht nur die Kreuzfahrt) möglichst schnell sauberer zu machen.

Aber das Wiederholen von Stereotypen, das Dreschen von Vorurteilen, das Argumentieren auf Basis falscher Annahmen und offenbar nicht recherchierter Fakten ist kontraproduktiv, wenn Sie Verbesserungen erreichen wollen.

Von der Süddeutschen Zeitung erwarte ich deutlich mehr an Qualität, als es dieser Kommentar widerspiegelt. Der Marketing-Spruch der SZ lautet: „Seien sie anspruchsvoll.“ Das gebe ich gerne als Empfehlung an die Redaktion zurück.

23 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

23 Gedanken zu „„Schmutziges Kreuzfahrt-Geschäft“ – offener Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung“

  1. Es ist leider nicht nur in diesem Artikel der SZ so, dass Meinungen und/oder Halbwahrheiten als Fakten dargestellt werden. Wer heute nicht selbst recherchiert, ist verloren, denn die so genannte „Vierte Gewalt“ ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Es bleibt daher nur zu hoffen, dass die Leser kritisch bleiben, unsere Medien haben diesen Anspruch (zumindest unsere Leitmedien) längst aufgegeben.

  2. Wir dürfen gespannt sein, wie die Antwort lautet. Meine Unterschrift kommt natürlich auch unter diese offenen Brief *lg*

  3. Wie bei Vielem erschließt sich die Wahrheit aus den großen Zusammenhängen. Heute wird viel ausgeblendet, um den eigenen Standpunkt besonders hell auszuleuchten und damit zu erhöhen. Dieser Leserbrief mach die Zusammenhänge mit einem realistischen Blick deutlich. Freuen wir uns, dass sich viele Menschen heute so eine Freizeitgestaltung leisten können.
    Und – Reisen fördert das Gefühl, dass der Planet uns allen gehört und niemand ausgegrenzt werden soll.

    Volker Zuber

  4. Leider Augenwischerei, es wird auf marginalen Fehlern in der Wortwahl herumgeritten um die augenscheinlichen Probleme, die die Kreuzfahrt mit sich bringt, kleinzureden: Zerstörung von lokalen Strukturen, übermäßige Nutzung natürlicher Ressourcen, Umgehung sozialer Standards, Profitmaximierung auf dem Rücken der gesamten Wertschöpfungskette und systemimmantente Verschwendungssucht, Kreuzfahrten sind allein dann das kleinere Übel, wenn dadurch Urlaube mit Langstreckenflügen vermieden werden. Wer zum Ablegehafen noch lange anreisen muss, ist gleich doppelt umweltschädigend.

  5. Ich vermisse leider auch hier die handfesten, nützlichen Fakten. Ein paar Fun-Facts zu Touristenzahlen und dem Kreuzfahrtbetrieb, mehr lerne ich in diesem Kommentar nicht.
    Seit vielen Jahren gibt es individuelle Indikatoren für die Klima-Auswirkungen des eigenen Handelns, wie etwa den Ökologischen Fußabdruck (oder auch Rucksack). Damit lässt sich vergleichen: Welchen Treibhaus-Einfluss hat mein Verhalten, wenn ich XYZ tue oder sein lasse? Antworten darauf gibt es für Flugreisen, Fleischkonsum und zahlreiche andere Aspekte des Lebens. Sicherlich gibt es sie auch für Kreuzfahrten, doch davon wird hier leider geschwiegen.
    Ohne solche Fakten wird sich die „Andere sind ohnehin die größeren Klimasünder“-Spirale endlos weiterdrehen, ohne dass Leute ihr individuelles Verhalten ändern. Kreuzfahrten? Ach was, Flugreisen sind das Problem. Flugreisen? Ach was, Autos sind das Problem. Autos? Ach was, Kohlekraftwerke! Am Ende haben alle Recht behalten, und der Mensch hat seinen Lebensraum trotzdem kaputtgemacht.

  6. @Michael: Mein Beitrag hat einen anderen Zweck, als das Thema inhaltlich aufzugreifen. Auf cruisetricks.de gibt’s aber einen eigenen Bereich, der sich mit allen Aspekten des Umweltschutzes in der Kreuzfahrt teils sehr detailliert beschäftigt: https://www.cruisetricks.de/faq-umweltschutz-und-nachhaltigkeit-in-der-kreuzfahrt/

    Dieser Beitrag hier ist ein Leserbrief an die SZ, der die journalistisch-handwerklichen Qualität des Kommentars dort kritisiert und ganz bewusst eigene inhaltliche Aussagen oder Meinungen ausblendet, weil das zwei Paar Stiefel sind. Die oben genannten Fakten dienen lediglich dazu, die in dem SZ-Kommentar aufgestellten Fakten-Behauptungen zu widerlegen.

  7. War auf so einer Schiffsreise mit einer CH Schiffahrtsgesellschaft,8 Tage Rhein-Main.
    Nebst den schon erwähnten kriterien ist eines wohl vergessen worden,
    Nämlich die sklaverei mit dem bedienpersonal.
    Sie arbeiten wahrscheinlich ganze 2 schichten für ein butterbrot,garantiert
    Ohne einhaltung des mindestlohnes,es sind so eine art leiharbeiter mit
    Arbeitsverträgen aus Zypern,nur pflichten keine rechte,auch in der Gelobten
    EU nicht,toll?
    Den Kapitän zur rede gestellt,keine ahnung und nicht zuständig!
    Das wäre mal eine Reportage zur aufdeckung von misständen in dieser floriernden Branche ?
    Die reise war aber schön und luxuriös,trotzdem würden wir niemals mehr solche
    Sklavenhändler unterstützen!

  8. Die Frage ist wo ist das Limit!?

    Zu viele große Kreuzfahrtschiffe belasten schon die Hafenstädte und Hot Spots alles in Maßen waere die Loesung und Obergrenzen auch fuer Kreuzfahrtschiffe!!!!
    Damit es noch ein Vergnügen bleibt!!!

  9. Ich wüßte zudem immer gerne bei solcher Drescherei auf Kreuzfahrer, ob mal ein EHRLICHER Vergleich zu Urlauben in typischen beliebten Ferienregionen gezogen wurde.
    Denn machen wir uns nichts vor – daß die Menschen in den Urlaub reisen, das wird sich nicht abstellen lassen – und die wenigsten reisen auf Schusters Rappen oder per Rad. Sie reisen mit dem eigenen PKW, mit der Bahn (die auch nur voll ausgelastet das umweltfreundliche Verkehrsmittel ist, als das sie sich anpreist) oder sie unternehmen eine Flugreise in den Süden.
    Und da stellt sich die Frage – wie umweltfreundlich ist ein Urlaub auf der Deutschen liebster Insel? „Eines der größten Probleme Mallorcas ist die Trinkwasserversorgung. Außerhalb der Saison kommt die Insel mit dem Trinkwasser über die Runden. Aber was passiert, wenn im Sommer Millionen von Urlaubern auf die Insel kommen, die in der Regel mindestens einmal pro Tag duschen? ….reicht das aber alles nicht um die Insel mit genügend Wasser zu versorgen, bringen große Tankschiffe Trinkwasser vom Festland auf die Insel. “

    Das ist meines Wissens nicht nur für Mallorca der Fall…. Und auch ein Hotel irgendwo muß betrieben werden, hat eine Küche, Personal, braucht Strom… und vermutlich wird nirgendwo in südlichen Ländern so konsequent Müll getrennt, Abwasser gereinigt, Energiesparmaßnahmen für eine vergleichbare Anzahl Gäste konsequent durchgesetzt wie es auf einem Schiff der Fall ist.

    Es ist ja nicht so, daß ohne die Reisenden auf Schiffen die entsprechende Anzahl Menschen einfach keinen Urlaub machen würde. Sie würden anderen Urlaub machen. Der ebenfalls Ressourcen verbraucht.

  10. @Eckmann: Das ist eine der Fragen, mit der sich auch die Kreuzfahrt-Industrie intensiv beschäftigt. Denn „zu viel“ führt letztlich ja auch dazu, dass die eigenen Kunden das nicht mehr schön finden und weg bleiben.
    Allerdings ist das ja auch kein Problem nur der Kreuzfahrt, sondern insgesamt ein Problem des Tourismus, Stichwort „Overtourism“ (siehe auch: https://www.cruisetricks.de/tourists-go-home-wenn-staedte-vor-dem-massentourismus-kapitulieren/ ). Obergrenzen werden vereinzelt diskutiert (z.B. Dubrovnik, seit Jahren, aber nie umgesetzt), aber letztlich ist das Geld, dass die Kreuzfahrt bringt, dann offenbar halt doch wichtiger. Städte hätten es in der Hand, die Zahl der Kreuzfahrtschiffe zu begrenzen, sie tun es bislang aber nicht.

  11. @Wendy: Ich habe wenig Hoffnung, dass solche Vergleiche in absehbarer Zeit angestellt werden bzw. im Denken der Mehrzahl der Menschen ankommt. Uns fehlt noch weitgehend das Bewusstsein für eine ganzheitliche Betrachtung. „Da kommt Ruß oben raus, also muss es dreckig sein“ fällt den Leuten schnell ein, wohingegen ihre Hotel in der Türkei sicherlich absolut sauber sein muss, weil es keinen Schornstein hat ;-) Wir reden uns ja auch ständig ein, dass Elektro-Autos „emissionsfrei“ fahren, weil wir ignorieren, dass der Strom dazu irgendwo herkommen muss und in Deutschland immer noch Braunkohlekraftwerke am Netz sind (wenn auch der CO2-neutrale Energie-Anteil stetig zunimmt) und damit die Schastoff-Emissionen nur vom Auspuff des Autos (sichtbar) zum Schlot des Kraftwerks (weit weg, kann man verdrängen) verlagert werden.

    Was Vergleiche ohnehin schwer macht ist, das zwar die Kreuzfahrt ihre Zahlen z.B. in Nachhaltigkeitsberichten sehr transparent offen legt, die Vergleichszahlen z.B. eines Ferienressorts an Land sich aber kaum oder gar nicht ermitteln lassen. Selbst wenn ein Ressort seine eigenen Zahlen offen legen würde, wäre es sehr aufwändig, weitere Faktoren wie die zugehörige Kraftwerk-Technik und -Emissionen, die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die Müllsituation mit zu bewerten, weil das außerhalb des Einflussbereichs des Ferienressorts liegt. Der Vergleich mit einem Kreuzfahrtschiff macht aber nur Sinn, wenn diese Faktoren eben mit in der Rechnung enthalten sind.

  12. @Hans: Ich will an dieser Stelle eigentlich nicht inhaltlich über Umweltaspekte der Kreuzfahrt diskutieren. Mir geht es in diesem Leserbrief darum, dass man als Journalist keinen Kommentar veröffentlichen sollte, wenn man nicht vorher die Fakten als Grundlage des Kommentars anständig recherchiert hat. Ich kritisiere in dem Leserbrief nicht die Meinung des Autoren, sondern dass er sich auf objektiv falsche Fakten beruft, um seine Argumente zu stützen.

    Aber um Deine Frage nicht ganz wegzubügeln ;-) — Wolfgang Gregor scheint mir zumindest die Fakten als Grundlage ordentlich recherchiert zu haben. Was er dann daraus macht, ist eine andere Sache. Aber das ist dann seine Meinung und seine Sichtweise, die ich zwar in weiten Teilen persönlich nicht teile, aber als andere Meinung respektiere.

  13. Was diese Thematik angeht, ist doch allgemein bekannt, dass überwiegend unseriöse Informationen verbreitet werden. Ich bin damit durch. Ich höre nicht auf Umweltverbände oder ähnliches, sondern alleinig auf die Reedereien und mich. Solche Journalisten verdienen eben Geld damit, Unsinn zu verbreitet. So What? Einfach ignorieren. Einfach den eigenen Verstand benutzen. Es interessiert mich nicht mehr, was unseriöse Vereine verbreiten. Ob das nun NABU oder Breitbart News heisst, da mache ich keinen Unterschied.

  14. Hallo Franz, sehr gut reagiert. Der Artikel der Süddeutschen ist leider kein Einzelfall. Es ist ja auch so einfach, sich auf das Thema Kreuzfahrten einzuschießen, da es halt zur Zeit eine äußerst populäre Urlaubsform ist. Wo waren solche Artikel als es in Deutschland gerade mal 750.000 Kreuzfahrer gab, in den USA aber schon 14 Millionen? Du weißt, daß ich seit 1975 auf den Weltmeeren unterwegs bin und es hat sich in der Tat unglaubliches getan. Man sollte sich halt, falls möglich Lücken suchen. Aber das soll und muß jeder für sich entscheiden. Mit solch negativen Artikeln wird man die Welt eh nicht ändern. In diesem Sinne: happy cruising

  15. Wenn man wirklich einen ehrlichen Vergleich will, muss man jeden Aspekt berücksichtigen. Dazu gehört z.B. auch, dass man jeden Tag an einen anderen Ort gelangt, sagen wir mal mit dem Auto. Oder mit dem Flieger. Jedenfalls ist es doch bekannt, dass die Umweltbilanz pro Frachteinheit (Passagier) besser ist, wenn ein Transportmittel mehr transportiert. Wenn man das also ernst nimmt, kommt dabei raus, dass es umweltfreundlicher wäre, würden 4.000 Menschen an einem Tag mit dem eigenen PKW von z.B. Barcelona nach Genua fahren.

  16. @Graf: Dieser Beitrag beschäftigt sich nicht *inhaltlich* mit der Kritik an der Kreuzfahrt, sondern mit objektiv falschen Fakten, die dem Kommentar in der SZ zugrunde liegen. Deshalb will ich an dieser Stelle auch keine inhaltlichen Kritikpunkte an der Kreuzfahrt diskutieren.

    Dennoch sei kurz angemerkt, ohne dass ich das definitiv hier weiter diskutieren will: Zur Begriffsfeststellung — Sklaverei beinhaltet, dass Menschen zu etwas gezwungen werden. Crew-Mitglieder arbeiten auf den Schiffen freiwillig und entscheiden selbst, ob sie das zu den gebotenen Bedingungen tun wollen. Noch einmal betont: Ich will in diesem Beitrag und auch in dieser Anmerkung keine Wertung treffen, lediglich Fakten korrekt darstellen. Die Wertung der (korrekten) Fakten kann dann jeder für sich selbst so vornehmen, wie er das möchte. Das ist nicht Gegenstand dieses Beitrags und der Diskussion hier.

    Danke für das Verständnis, dass ich die Diskussion an dieser Stelle auf den SZ-Kommentar und die handwerklich-journalistische Qualität von selbigen beschränken möchte.

  17. Vieles was der Herr kritisiert, finde ich sogar explizit gut: Wenig Regulierung (der Staat reguliert viel zu viel), registriert im „Steuerparadies“ (zeigt nur, dass die Steuern anderswo zu hoch sind; will man mehr Schiffe unter deutscher Flagge fahren lassen, muss man Steuern senken und deregulieren).

    „Gegessen und geschlafen wird auf dem Schiff.“
    Okay, vielleicht wäre es tatsächlich umweltfreundlicher, würden 4000 Mann mit dem PKW die selbe Strecke zurücklegen.

    Was mich aber an so etwas grundsätzlich stört ist die Tatsache, dass man hier anderen etwas aufzwingen will, selbst aber nichts dafür tun will. Wenn man die Schifffahrt sauberer machen will, dann soll man aktiv werden und investieren, z.B. über Stiftungen den Reedereien Geld zur Verfügung stellen. Alles andere ist unseriös.

  18. Auch ich lese ( nicht immer) die SZ. Mir kommt vor dass diese vorher sehr gute Zeitung immermehr abdriftet und sich zu einem Massenpublikum wendet. Die Argumente dess Redakteurs sind nur teilweise verständlich, denn wenn z.B in Finkenwerder kein Landstrom vorgesehen ist,kann er nicht die Kreuzfahrtindustrie verantwortlich machen. Ich persönlich gebe ihm insoferne recht dass er die meisen Schiffe als Massentransportmittel ansieht. Ar da kommen wir wieder zu Preisgestaltung. Natürlich sind auf einem 3-Stern Schiff billiger als auf einem 5-Stern. Ich kann nicht verlangen dass ich um €500.- eine 30 Tage Kreuzfahrt in die Südsee mache. Da muß ich schon sehr viel tiefer in die Tasche greifen. Da kommen wir auch zu den Antrieben. Viele der großen Pötte ( speziell der Containerschiffe) fahren noch mit Altöl. Die neuen kleinen, bis 800 Passagiere haben heute bereits umweltschonende Antrieb. Die sind auch noch nicht das ultimative,doch in 10 – 15 Jahren fahren alle ohne Ausstoss. Für mich ist bleibt eine Kreuzfahrt auf einem “ kleinen“Schiff die schönst Art Urlaub zu machen.

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