„Coolcation“ ist der neue Trend, Sommer-Urlaub in kühleren Regionen. Aber was ist mit dem wunderschönen Mittelmeer im Sommer? Einfach aufgeben? Nein, nur anders reisen, entspannt genießen statt Sightseeing-Marathon. Ich habe es auf einem Kreuzfahrtschiff ausprobiert, das sich dafür besonders gut eignet, der Royal Clipper von Star Clippers.
Sommer-Kreuzfahrt im Mittelmeer auf einem kleineren Schiff ist eine großartige Alternative zur „Coolcation“, nur die Herangehensweise ist nur eine andere als die gewohnte: Nicht von einem Sightseeing-Hotspot zum nächsten eilen, keine Bucket-Listen mit täglichen Sechs-Stunden-Landausflügen abarbeiten. Sondern alles ganz entspannt angehen, das lokale Lebensgefühl aufsaugen, sich treiben lassen, ohne zwingendes Ziel – außer natürlich, rechtzeitig zurück am Anleger für das letzte Tenderboot zu sein.

Besonders gut eignen sich dazu Kreuzfahrtschiffe, bei denen organisierte Landausflüge ohnehin nicht im Vordergrund stehen; die in kleine Häfen anlegen, an denen Top-Touristenattraktionen einen nicht doch wieder in Versuchung führen, in Reisestress zu verfallen; und bei denen Kreuzen mit dem Schiff am Meer ebenso attraktiv ist wie das Ankern in einer hübschen Bucht und der lockere Landgang per Tenderboot.

Ich habe es mit der Royal Clipper ausprobiert, mit dem Ergebnis: So kann man Reisen auch genießen, wenn keine Wolke am blauen Himmel zu sehen ist und die Temperaturen die 30 Grad übersteigen. Und auch wenn die Royal Clipper ein wenig größer ist: Das fühlt sich an wie mit einer der vielen Superyachten unterwegs zu sein, die mir auf dieser Reise häufig begegnen – mutmaßlich, muss ich ergänzen, denn dieses spezielle Vergnügen hatte ich bislang noch nicht.
Auf der Royal Clipper allen Stress zu Hause lassen
Es ist diese entspannende Atmosphäre auf der Royal Clipper, die es besonders leicht macht, den Alltag hinter sich zu lassen. Das hatte ich in meinem Beitrag „Segel-Abenteuer Royal Clipper: Bugspriet-Netz statt Champagner-Luxus“ schon beschrieben.

Schon die Einschiffung in Cannes per Tenderboot statt über eine Passagierbrücke in einem klimatisierten Terminal versetzt einen in eine Stimmung, die keinen Stress zulässt, keine Hektik, keinen Erlebnis-Druck. Man lässt die Dinge einfach laufen, lebt im Augenblick und plant nicht groß für die kommenden Tage, oder Stunden.
Was kann man bei den Hafenstopps dieser Reise in Monaco, Portofino, Lerici (bei La Spezia) und Portoferraio auf Elba anschauen? Egal. Das wird sich ergeben. Nur einen Landausflug plane ich im Voraus, denn das wollte ich schon immer einmal sehen: Eine Tour in die Marmor-Steinbrüche von Carrara.

Was ich auf dieser Reise besonders genossen habe, sind die Gerüche und Geräusche an Bord, wie man sie sonst auf einem Kreuzfahrtschiff nicht spürt: der Duft des feuchten Teakholzes, wenn die Crew morgens die Decks wäscht, und der warme Holz-Duft, wenn die Sonne tagsüber auf die die Decks scheint; das Plätschern des Wassers am Bug, und selbst in der Kabine wacht man damit morgens auf, ganz leise, aber doch da; das Quietschen und Knarzen in der Takelage, wenn die Segel aufgezogen werden; das sanfte Rauschen des Winds in den Segeln.

Zu Gast in Fürst Alberts Monaco
Der Tag beginnt für mich als Frühaufsteher zum Sonnenaufgang am Vordeck der Royal Clipper. Ein Selfie kann ich mir dabei nicht verkneifen – du werde prompt von einem Kollegen dabei erwischt, der das dokumentiert.


Auffällig sind auf dieser Reise insgesamt die häufigen Begegnungen mit Marineschiffen, die hier offenbar zum Küstenschutz im Einsatz sind. Als Großsegler erwecken wir die Neugier der Crew, ein Marineschiff kommt uns morgens vor der Einfahrt nach Monaco besonders nahe.

Die Royal Clipper legt in Monaco an der Pier an – die Seabourn Ovation, die wir auf dieser Reise noch einige Male sehen werden, bleibt draußen vor Anker.



Von dem kleinen Cruise Terminal in Monaco sind es nur ein paar Schritte zum Aufzug, der hinauf zur Altstadt und dem Fürstenpalast führt. Wir schlendern durch den schattigen Jardin Saint-Martin mit Blick aufs Meer und den zweiten, großen Yachthafen Monacos, ein Stück durch die touristischen Altstadtgassen, zum Palast Fürst Alberts und hinunter zum Place d’Armes. Denn dort gibt’s unter den Arkaden eine exzellente Eisdiele, Santo Gelato Monaco.
Ich bekenne: Vor lauter Freude über das gute Gelato habe ich das obligatorische Selfie dazu vergessen. Vom Place d’Armes sind es nur ein paar Schritte zum Start- und Zielbereich der Formel-1-Strecke – und zum legendären Spielkasino.













Und hat man einen Formel-1-verrückten Freund in der Gruppe, gibt’s kein Entrinnen: Die Formel-1-Strecke in Monte Carlo muss besichtigt werden. Weil das Rennen noch nicht lange her ist, stehen sogar Teile der Tribünen noch. Ich interessiere mich nicht sonderlich für im Kreis fahrende Autos, aber mit einem guten Guide, der zu jeder Kurve und zu jedem Streckenabschnitt eine Geschichte zu erzählen weiß, ist das Ablaufen der Rennstrecke durchaus spannend.
Portofino: Hübsch, aber unglaublich teuer
Die Royal Clipper geht vor dem einstigen Fischerdorf und jetzt Glamour-Destination Portofino vor Anker. Neben uns liegen schon einige Yachten, umkreist von Jetskis. Ein kleines Boot kommt näher, Fotos von der Royal Clipper werden gemacht.

Mein Tag beginnt wie immer mit einer Tasse Tee und einem Schoko-Croissant zum Sonnenaufgang am Vordeck der Royal Clipper, wenn die Luft noch frisch und der Wind angenehm kühl übers Deck fächelt.

Vor dem Landgang steht Action auf dem Programm: Wir klettern in den Großmast der Royal Clipper. Mit Gurtzeug und Seil gesichert, geht es ins Krähennest auf 18 Metern Höhe. Der Mast ist insgesamt 52 Meter hoch, aber schon hier fühlt es sich an, als würde man das Schiff und das Meer weit unter sich lassen.




Einen festen Plan habe ich für Portofino nicht. Ich stelle nach der Überfahrt mit dem Tenderboot aber eines schnell fest: Lange bleibe ich hier trotz aller Schönheit schon wegen der Hitze nicht. Und in ein Café werde ich mich jedenfalls nicht setzen. Eine Cola für 8 Euro, ein Aperol Spritz für 20 Euro – das sind die Preise, wenn man sich an der Uferpromenade von Portofino in eines der Cafés oder Restaurants setzt. Danke für’s Angebot.

Abgesehen davon kann man schon verstehen, warum Portofino sich zu einem Touristenmagnet und High-Society-Ort entwickelt hat. Ich lasse mich durch die Gassen treiben, steige trotz Hitze hinauf zur Chiesa di San Giorgo, schon wegen des Schönen Ausblick von dort auf Portofino und die felsige Küstenlinie.










Ich beobachte amüsiert die Selfie-Versuche anderer Touristen; staune über die gestresste Hektik einer großen Touristen-Gruppe, angeführt von einem Guide mit Logo-Schild einer der Megaschiff-Reedereien, die offenbar mit der Fähre von Genua gekommen sind; suche mir ein schattiges Plätzchen, um eine Weile dem Treiben auf der großen Piazza zuzusehen.




Und dann mache ich genau das, was ich mir für diese Reise vorgenommen habe: Ich entscheide spontan, was sich gerade gut anfühlt. Und das Gefühl sagt: Genug gesehen, genug Sommerhitze genossen (ja, ich mag Hitze, bis zu einem gewissen Punkt), ich nehme den nächsten Tender zurück zur Royal Clipper.

Großartiges Gelato in Lerici und die Marmor-Steinbrüche von Carrara
Nicht weit entfernt südöstlich von Portofino liegt mit La Spezia ein wenig attraktiver Kreuzfahrthafen, der den großen Schiffen aber für Ausflüge nach Portovenere und Cinque Terre dient. Star Clipper hat für die Royal Clipper dagegen den kleinen Fischerort Lerici am Rand der Bucht von La Spezia ausgewählt. Wir gehen vor Anker und fahren mit dem Tenderboot direkt an den Hauptplatz des Ortes, der Piazza Giuseppe Garibaldi.

Ich war schon oft in dieser Gegend, meist mit großen Schiffen in La Spezia, aber in die etwa eine Autostunde entfernten Marmor-Steinbrüche von Carrara hatte ich es bislang nie geschafft. Ein Fehler, wie ich feststelle. Denn die Dimensionen des Marmor-Abbaus sind tief beeindruckend.

Seit etwa zwei Jahrtausenden werden dort Tausend Meter hohe Berge Stück für Stück abgetragen. Bei dem Ausflug per Geländewagen fahren wir direkt in einen aktiven Steinbruch hinein. Warnweste und Schutzhelm wirken auf den ersten Blick etwas übertrieben, aber wir lernen: Die größte Gefahr ist Steinschlag, ausgelöst von Bergziegen.







Wir schwitzen also in der prallen Sonne auf einem Aussichtspunkt am Rande der steilen Serpentinenstraße, um zuzusehen, wie der Marmor mit Diamant-besetzten Bandsägen aus dem Berg herausgesägt und auf Tieflader gepackt wird, die dann mit 40 Tonnen Ladung die steile Bergstraße hinab fahren, die wir schon in unserem Geländewagen als ein wenig abenteuerlich empfinden.

Nach ein paar Stunden sind wir zurück in Lerici. Viel zu besichtigen gibt es hier nicht, aber das ist auch nicht nötig. Die Eisdiele mit dem simplen Namen „Gelateria Artiginale“ an der Ecke Via Roma und Piazza Giuseppe Garibaldi stellt sich als Glücksgriff heraus. Nicht nur, dass wir Abkühlung gut vertragen können. Das Gelato ist auch so gut, dass wir gleich noch einmal für eine zweite Portion hineingehen. Die Besitzerin schmunzelt.


Wir setzen uns noch für eine Weile in das gemütliche Café neben der Eisdiele mit Blick auf den Tender-Anleger, mit Schinken-Panini und Cappuccino.



Die Royal Clipper liegt in der Bucht von Lerici und hat ihre Badeplattform am Heck ausgefahren. Baden, Kajakfahren, Stand-up-Paddeln, sogar ein kleiner Einhandsegler warten dort auf uns.




Zurück am Schiff geht es direkt ins Wasser, das überraschend warm ist, aber doch kühl genug für die verdiente Abkühlung nach dem doch ein wenig verschwitzten, aber faszinierenden Ausflug in den Steinbruch.
Portoferraio und Hochgenuss in einem unauffälligen Restaurant
Es wird zur wohligen Gewohnheit, mich einfach treiben zu lassen, nichts tun zu müssen und nur das zu machen, wozu ich gerade Lust habe. In Portoferraio auf Elba war ich schon einmal, der Drang zu Sightseeing hält sich daher ohnehin in Grenzen.




Wir nehmen erst einmal einen Espresso in einer Bar im Stehen, schlendern zu einem Markt und probieren Speck, Käse und Rotwein. Auf dem Weg dahin fällt uns das Hinweisschild auf ein Restaurant auf, das später unser Highlight des Tages werden sollte: das Ristorante da Gianni (Via Giosuè Carducci 96), versteckt in einer Seitengasse abseits der Altstadt.







Wenn der Kellner mit einer Kühlbox an den Tisch kommt und den Fischfang des Tages präsentiert, weiß man, dass die Restaurantwahl eine gute Entscheidung war.




Ein fest geplantes Ziel hatte ich in Portoferraio allerdings: Eine Gelateria, die online besonders gute Bewertungen bekommt – Gelateria Zero Gradi (Via Giuseppe Garibaldi 17/11). Testergebnis: durchaus empfehlenswert, wenn auch nicht umwerfend.


Nicht weit entfernt ist „Terra e Cuore Gelato“ (Piazza Camillo Benso Conte di Cavour), die vom italienischen Gelato-Guide Gambero Rosso 2024 erstmals mit zwei (von drei möglichen) Eistüten ausgezeichnet wurde. Geöffnet aber erst ab 17 Uhr – und da war ich längst zurück auf der Royal Clipper, beziehungsweise beim Baden von der Badeplattform aus, inklusive einer kleinen Runde mit dem Stand-up-Paddleboard.

Davor finden wir an der Uferpromenade von Portoferraio ein schattiges Plätzchen in einem Café. Und wenn es schon kein Sternequalität-Eis gibt, dann eben hier ein kühles Bier.




Im Bugspriet-Netz die Welt vergessen
Eine Besonderheit der Royal Clipper allerdings steht wie keine andere für diesen zwanglosen Kreuzfahrt-Lifestyle, den ich in dieser Woche ausprobiert habe: das Bugspriet-Netz. Dieses Netz ist links und rechts des Bugspriets ganz vorne am Schiff gespannt – und tagsüber fast immer für die Passagiere geöffnet. Eine kurze Nachfrage bei einem Offizier auf der Brücke genügt.







Und dann streckt man sich in diesem Netz direkt über dem Wasser aus, hört das Wasser unter sich am Bug der Royal Clipper plätschern, blickt der Gallionsfigur in die Augen, sieht hinauf zu den mächtigen Segeln und mit Glück (allerdings nicht auf dieser Reise) begleiten auch mal ein paar Delfine das Schiff und jagen vor dem Bug durchs Meer.

Ich persönlich bin am liebsten ganz allein im Bugsprietnetz, morgens kurz nach Sonnenaufgang. Denn diese fast vollkommene Ruhe, mit glatter See, den ersten Sonnenstrahlen auf der Haut, das Meer unter sich, hat etwas fast schon magisches an sich und stimmt auf einen weiteren Tag der Unbeschwertheit ein, wie man ihn eben auch im sommerlich-heißen Mittelmeerraum erleben kann, ganz ohne das Bedürfnis auf „Coolcation“.