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Die technische Modernisierung der Vasco da Gama im Überblick

Neben sichtbaren Renovierungen in den Passagier-Bereichen hat Mystic Cruises vor allem die Schiffstechnik ganz wesentlich modernisiert. Mit der Umstellung auf Marinediesel, dem Einbau von SCR-Katalysatoren, einer modernen Abwasser-Anlage und mit biozidarmem Silikon-Unterwasseranstrich geht die Vasco da Gama teils deutlich über die gesetzlich vorgeschriebenen Standards für Umwelt- und Meeresschutz hinaus.

In einem Video-Interview habe ich vor meiner Kurzreise auf der Vasco da Gama mit Mystic Cruises CEO Ferdinand Strohmeier (ehemals Vice President Operations bei TUI Cruises) sowie dem Chief Engineer von Mystic Cruises, Nuno Forca, ausführlich über die technischen Veränderungen an Bord gesprochen.

Ferdinand Strohmeier ordnet ein: „Wir wollen es von Anfang an richtig machen. Diese Investition steht für die Zukunft. Wir schaffen wirklich ein Produkt, das nachhaltig ist und auf dem deutschen Markt erfolgreich sein wird.“ Und: „Neben der normalen Pflege des Schiffs wollten wir auch sicherstellen, dass das Schiff unter Umweltgesichtspunkten in den Regionen, in denen wir es betreiben wollen, auch längerfristig fahren darf. Deshalb haben wir uns entschlossen, dem Schiff einen wirklich großen Boost in Hinblick auf Umwelttechnik zu geben. Ich glaube, wir sind damit eines der ersten Schiffe, wenn nicht überhaupt das erste.“

Kern-Elemente der Modernisierung sind:

  • Umstellung auf ausschließliche Nutzung von Marinediesel (MGO)
  • Digitalisierung zur Steigerung der Energieeffizienz
  • SCR-Katalysatoren für alle fünf Maschinen
  • neue Abwasser-Anlage
  • umweltfreundlicher, Silikon-basierender Unterwasseranstrich

Einfach waren diese teils umfangreichen Umbauarbeiten freilich nicht, wie Mystic Cruises‘ Chief Engineer Nuno Forca erklärt: „Es ist schwieriger, dies an einem 30 Jahre alten Schiff durchzuführen als an einem brandneuen Schiff. Die technische Leistung in diesem Prozess war absolut großartig.“

Marinediesel statt Scrubber, Digitalisierung zur Effizienzsteigerung

Eine wesentliche Entscheidung war, künftig mit den generalüberholten Maschinen ausschließlich das wesentlich sauberere Marinediesel (MGO) statt Schweröl nutzen. Für letzteres wäre der Einbau von Scrubbern nötig gewesen, was wohl schon aus Platzgründen kaum machbar gewesen wäre. Zusätzlich hat Mystic Cruises die Steuerung von Anlagen und Maschinen digitalisiert.

SCR-Katalysatoren filtern Stickoxide

Im Grund müsste die Vasco da Gama die neuen Stickoxid-Standards der IMO (Tier 3 der Marpol-Vorschriften) nicht erfüllen. Denn diese über die Jahre stufenweise verschärften Regeln sind abhängig vom Baujahr des Schiffs. Dennoch erfüllt die Vasco da Gama die derzeit strengste Norm „Tier 3“.

Vasco da Gama in der Weft (Bild: Nicko Cruises)
Vasco da Gama in der Weft (Bild: Nicko Cruises)

Sinnvoll ist es dennoch, die strengste Norm zu erfüllen, denn damit ist die Vasco da Gama zukunftssicher. Schon jetzt ist klar, dass lokale Vorschriften über die Marpol-Regeln hinausgehen werden, beispielsweise ab 2025 in einigen norwegischen Fjorden wie dem Geiranger Fjord.

Mit dem Einbau von SCR-Katalysatoren für alle fünf Maschinen erreicht die Vasco da Gama nun eine Reduktion der Stickoxide (NOx) um rund 80 Prozent.

„Wir mussten das Schiff aufschneiden, um die Katalysatoren einzubauen“, erklärt Chief Engineer Nuno Forca den Einbau. „Wir reden hier von der gesamten Abgasleitung, vom Turbolader bis zum Abgaskessel. Alle Abgasleitungen an den fünf Motoren mussten vor der großen Arbeit entfernt, umgebaut und neu montiert werden. Diese Arbeit dauerte in der Werft mehr als zwei Monate.“

Und einen solchen Umbau auf einem alten Schiff zu planen, ist komplizierter, als es auf den ersten Blick aussieht. Nuno Forca berichtet: „Einige der technischen Zeichnungen, die wir hatten, waren alt und entsprachen nicht mehr der Realität. Also haben wir ein örtliches Unternehmen gebeten, zunächst ein 3D-Modell zu erstellen. Auf der Grundlage dieses Modells begannen wir zusammen mit Tecnoveritas die Planung. Mit Tecnoveritas arbeiten wir, hauptsächlich bei Flusskreuzfahrtschiffen, seit zehn Jahren zusammen.“

Zu den Umbauarbeiten, so Nono Forca, gehärte es auch, „die Gewichtsverteilung an Bord nue auszutarieren und von der Klasse neu genehmigen zu lassen. Wir mussten ja auch einen Harnstofftank einbauen, weil die Seele des Katalysatorsystems die Harnstoffeinspritzung ist. Dafür mussten wir einen der vorhandenen Ballasttanks umbauen – das ist Tank Nr. 5 an Backbord mit einem  Fassungsvermögen von 148 Kubikmetern.“

Neue Abwasser-Anlage nach „Baltic Standard“

Besonders stolz ist Mystic Cruises auf die neue Abwasser-Kläranlage an Bord der Vasco da Gama. Das spührt man im Interview mit Ferdinand Strohmeier und Nuno Forca deutlich.

Die Kläranlage de Herstellers Martin arbeitet mit einer mehrstufigen, automatisierte Filterung. Die mechanische Filterung entfernt in der ersten Stufe gröberer Bestandteile, trennt sie ab und trocknet sie für eine Entsorgung an Land. In der zweiten Stufe erfolgt eine biologische Klärung mit Bakterien.

Soweit sei das nicht ungewöhnlich, erklärt Chief Engineer Nuno Forca. Doch in der dritte Stufe passiere die „Rocket Science“, wie er es nennt: eine Filterung mit einer extrem feinen Membran. Sie entfernt alles, was größer als 0,000035 Millimeter (35 Nanometer) ist. Dazu gehören beispielsweise auch E-Coli-Bakterien und Mikroplastik, aber auch Phosphor und Stickstoff.

Was übrig bleibe, sei Wasser faktisch ohne Verunreinigungen. Dieses gefilterte Abwasser ist so sauber, dass es selbst in der Ostsee abgelassen werden darf, wo diesbezüglich extrem strenge Regeln („Helcom“) gelten. Ein Teil des Abwassers nutze man aber auch als technisches Wasser zur Kühlung der Maschinen, so Forca.

Unterwasseranstrich aus Silikonbasis

Eine Herausforderung auf jedem Schiff ist der Schutz des Unterwasserschiffs vor Bewuchs, selbiger durch seinen Wasserwiderstand den Treibstoffverbrauch deutlich erhöhen kann. Auf der Vacso da Gama setzt Mystic Cruises dabei auf eine Beschichtung, die fast vollständig ohne Biozide auskommt. Nebeneffekt: Die auf Silikon basierende Beschichtung nutzt sich nahezu nicht ab, ist daher sehr langlebig und gibt nahezu keine Giftstoffe ins Wasser ab.

Das für die Vasco da Gama eingesetzte Material, Hempaguard X7, enthält laut Mystic Cruises und Hersteller 95 Prozent weniger Biozid als in herkömmlichen Antifouling-Beschichtungen.

Vasco da Gama in der Weft (Bild: Nicko Cruises)

Mystic Cruises gibt an, dass die Beschichtung im Durchschnitt über die Zeit zwischen zwei Trockendock-Aufenthalten für etwa sechs Prozent Treibstoff-Einsparung verantwortlich ist und – wie man in Pandemie-Zeiten als besonders relevant erkannt hat – auch bei sehr langen Liegezeiten von bis zu 120 Tagen gut vor Bewuchs schützt.

Fazit

Eine so umfassende Modernisierung eines fast 30 Jahre alten Kreuzfahrtschiffs ist eine Seltenheit. Mystic Cruises und Nicko Cruises haben sich dabei nicht ausschließlich auf optische Verschönerungen im Passagierbereich konzentriert und dabei nach eigenen Angaben auch die Crew-Bereiche nicht vergessen. Vielmehr liegt sogar der Schwerpunkt der Modernisierung bei der Technik.

Auch wenn der Gedanke hart klingt: Es ist eine umweltfreundliche Alternative zur Verschrottung. Und um dieses Schiff – ganz persönlich und subjektiv bewertet – wäre es denn auch wirklich schade. Die Vasco da Gama ist eines dieser jung gebliebenen Schiffe aus eine Ära, in der Ästhetik bei der Schiffsarchitektur noch eine größere Rolle gespielt hat und in der man dem Passagier viel mehr Freiraum gegeben hat, als das auf den stark umsatzoptimierten, modernen Neubauten meist der Fall ist.

Vasco da Gama in der Werft (Bild: Nicko Cruises)

Dieses Potenzial nutzt Nicko Cruises und zeigt, was mit alten Schiffen noch möglich ist, wenn man ernsthaft investiert und sie nicht nur noch als Auslaufmodell so lange nutzt, wie sie eben Geld abwerfen und den Passagieren zumutbar sind. Freilich war die Vasco da Gama für Mystic Cruises auch ein Glücksfall: Ein solches Schiff für gerade einmal etwas mehr als zehn Millionen Euro kaufen zu können, wäre vor der Pandemie kaum vorstellbar gewesen. Da bleibt einfach mehr Geld für Modernisierungen.

Natürlich kann man nicht erwarten, dass sich die Vasco da Gama jetzt nach der Renovierung und Modernisierung wie ein Neubau präsentiert. An vielen Stellen sieht man, wie viele Jahre das Schiff auf dem Buckel hat. Aber das verleiht ihm auch Charakter und einen eigenen Flair. Viel Renovierungsarbeit fällt gar nicht so auf, sondern wirkt eher im Gesamteindruck, weil sie zuvor vorhandene Mängel beseitigt hat. Insgesamt ist die Renovierung gut gelungen.

Vasco da Gama in Amsterdam
Vasco da Gama in Amsterdam

Schiffsdaten Vasco da Gama

  • Flagge: Portual
  • Tonnage: BRZ 55.877
  • Länge: 219 Meter
  • Breite: 30,8 Meter
  • Tiefgang: 7,5 Meter
  • Decks: 14
  • Passagiere: 1.258 (Nicko Cruises will lediglich rund 1.000 Betten belegen)
  • Crew: 550

Anmerkung*: Cruisetricks.de reist drei Tage auf der Vasco da Gama auf Einladung von Nicko Cruises.

Weitere Teile der Serie "Vasco da Gama, 2021, Nicko Cruises":

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Cruisetricks.de reist drei Tage auf der Vasco da Gama auf Einladung von Nicko Cruises.

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2 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

2 Gedanken zu „Die technische Modernisierung der Vasco da Gama im Überblick“

  1. Wir freuen uns auf unsere Reise mit der ,,Vasco da Gama“ im September in 3 Wochen. Schön zu lesen, das das schöne Schiff hohe Umweltstandards erfüllt, zum Teil sogar übertrifft.

  2. Bin letzte Woche mit der Vasco da Gama im Ärmelkanal unterwegs gewesen. Leider scheint bei der Modernisierung des Antriebs die Betriebszuverlässigkeit bzw. Langzeittauglichkeit unterschätzt worden zu sein. Die maximal erreichbare Geschwindigkeit war auf ca. 15 Kn begrenzt. Sowohl in Amsterdam als auch in Portsmouth konnten die Techniker keine Abhilfe schaffen. Aufgrund dieser Tatsache musste das Schiff die geplante Reiseroute verkürzen und zwei Ziele (Guernsey und St. Malo) weglassen.
    Diese Woche ist das Schiff Richtung Norwegen unterwegs. Zum Glück sind dort die Etappen nicht so lang.

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