Mitte Januar 2022 gingen MV Werften und deren Mutterunternehmen Genting Hong Kong in die Insolvenz. Knapp vier Monate später ist für viele Unternehmensteile und ihre Mitarbeiter die Zukunft nach wie vor unklar. Aber es gibt auch Lichtblicke. Wir fassen den aktuellen Stand des Insolvenzverfahrens Anfang Mai 2022 zusammen. (aktualisierter Beitrag von Mai 2022)
An der Insolvenz von MV Werften und Genting Hong Kong hängt das Schicksal viele Tochterunternehmen wie Crystal Cruises, Star Cruises, Dream Cruises und die Werftstandorte Stralsund, Wismar, Warnemünde sowie die Lloyd-Werft in Bremerhaven. In Deutschland sind rund 1.800 Arbeitsplätze betroffen.
Neue Eigentümer gefunden haben bislang bereits die Lloyd-Werft Bremerhaven, das Rostocker Schiffbau-Ingenieurbüro Neptun Ship Design und das Gelände des MV-Werften-Standort Stralsund sowie Rostock. Verschrottet werden wohl die Schiffe von Star Cruises. Offen ist vor allem noch das Schicksal der Schiffe von Crystal Cruises, von Dream Cruises sowie die Werft-Standorte Warnemünde und Wismar, letzterer mit dem zu Dreiviertel fertig gebauten Mega-Kreuzfahrtschiff Global Dream sowie einem angefangenen, zweiten Schiff dieser Baureihe.
Lloyd-Werft Bremerhaven
Die Lloyd Werft Bremerhaven wurde von der Bremerhavener Rönner-Gruppe und der Bremer Gustav-Zech-Stiftung mit jeweils der Hälfte der Anteile übernommen. Die Zustimmung des Bundeskartellamtes zur Übernahme kam am 18. März 2022. Der vorläufige Insolvenzantrag wurde zurückgezogen, die 230 Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben.
MV Werften
Schon Ende Februar hat die Stralsunder Bürgerschaft entschieden, das ehemalige MV-Werften-Gelände und dessen technische Einrichtungen für 16,5 Millionen Euro zu kaufen. Auf dem Gelände soll ein maritimer Industrie- und Gewerbepark angesiedelt werden. Inzwischen haben sich dort bereits der norwegische Schiffsbauer Fosen Yard – auf der Fläche der ehemaligen Volkswerft Stralsund – sowie der Metallverarbeitungsbetrieb Ostseestaal eingemietet.
Update 7. Juli: Den Standort Rostock-Warnemünde hat die Bundesrepublik Detuschland für 87 Millionen Euro übernommmen. Hier soll ein Standort für das Marinearsenal der Bundeswehr entstehen, das für die Instandhaltung von Schiffen zuständig ist. So könnten die Werftanlagen auch zur Wartung von Korvetten aus einem nahegelegenen Marinestützpunkt genutzt werden.
Update 10. Juni: U-Boot-Hersteller Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) Kiel hat die Werft in Wismar gekauft. Als Perspektive für 2024 werden rund 800 Arbeitsplätze genannt, in den Folgejahren könnte die Zahl bis 1.500 steigen. Bis Ende 2023 soll die Global Dream Wismar verlassen haben. Einen Käufer für das Schiff gibt es bislang aber nicht.
Auch das Rostocker Schiffbau-Ingenieurbüro Neptun Ship Design hat mit rund 100 Mitarbeitern einen neuen Eigentümer gefunden. Die Meyer-Gruppe und Fassmer übernehmen dieses Unternehmen gemeinsam aus der MV-Werften-Pleite.
Wismars Schicksal hängt für die nähere Zukunft an der Frage, ob die „Global One“ (Global Dream) dort fertig gebaut werden kann. Laut Insolvenzverwalter würde für den Fertigbau des Schiffs die Werft noch für 18 Monate benötigt. Interesse an der „Global Dream“ soll laut Ostseezeitung unter anderem die schwedische Stena-Gruppe haben. Auch über ein Interesse von MSC Cruises gibt es vage Gerüchte.
Der Weiterbau des zweiten, großen Kreuzfahrtschiffs, Arbeitsname „Global 2“, ist indes sehr unwahrscheinlich. Damit ist die nähere Zukunft des Standorts Warnemünde besonders ungewiss. Update 10. Juni 2022: Der Insolvenzverwalter die Verschrottung des bislang ohnehin nur im unteren Rumpfbereich angefangenen Schiffs bekannt gegeben. Für die bereits vorhandenen Schiffsmaschinen und andere Teile sollen separat Käufer gesucht werden.
Für die laut NDR 1.834 Beschäftigten der Standorte Stralsund, Wismar und Warnemünde hat das Land Mecklenburg-Vorpommern 20 Millionen Euro für eine seit 1. März zunächst vier Monate laufende Transfergesellschaft bereitgestellt, die dabei helfen soll, Werftmitarbeiter für neue Jobs zu qualifizieren. Inzwischen wurde die Laufzeit bis Ende Juli verlängert.
Crystal Cruises
Bis Ende Juni 2022 war die Zukunft der drei Hochsee- und fünf Flusskreuzfahrtschiffe von Crystal Cruises sowie der bekannten Kreuzfahrtmarke selbst unklar. Dann kaufte A&K Travel Group die Crystal Symphony und die Crystal Serenity bei einer Auktion und übernimmt wohl auch die Marke Crystal Cruises. Hinter A&K Travel Group steckt unter anderem Manfredi Lefebvre D’Ovidio, dem früheren Eigentümer von Silversea Cruises und heutigem der Chairman der Heritage Group. Ihm wurde schon seit längeren ein großes Interesse an Crystal Cruises nachgesagt.
Die Crystal Endeavor wurde ebenfalls verkauft. Nachdem zunächst die Identität des Käufers offiziell nicht genannt worden war, ist seit 18. Juli 2022 klar: Die Crystal Endeavor fährt künftig als Silver Endeavor für Silversea Cruises.
Das brandneue Expeditionskreuzfahrtschiff Crystal Endeavor (2021) lag in Gibraltar auf, die Crystal Symphony (1995) und Crystal Serenity (2003) in Freeport, Bahamas.
Zu Crystal Cruises gehörten auch das Flusskreuzfahrtschiff Crystal Mozart (1987) und die vier relativ neue Flussschiffe Crystal Bach (2017), Crystal Debussy (2018), Crystal Mahler (2017), Crystal Ravel (2018). Deren Schicksal ist auch Anfang Juli 2022 noch unklar.
Derweil zerstreut sich allerdings die für den Erfolg von Crystal Cruises so entscheidende Crew und wechselt zu anderen Luxus-Reedereien. Vor allem Windstar Cruises hat der Crystal-Crew mit einem Wechselbonus von 1.500 Dollar ein verlockendes Angebot gemacht, mindestens 15 sollen bereits bei Windstar unterschrieben haben, berichtet Travel Weekly.
Dream Cruises
Offen ist auch die Zukunft für die Kreuzfahrtschiffe der asiatischen Marke Dream Cruises. Dream-Cruises-Schiffe Genting Dream (2016), World Dream (2017) und Explorer Dream (1999) liegen an verschiedenen Orten in Asien auf.
Derweil wird spekuliert, dass mindestens die Genting Dream, möglicherweise aber auch weitere Schiffe unter der neuen Marke „Resorts World Cruises“ wieder in Fahrt kommen könnten. Eigentümer von Resort World und der neu eingetragenen Marke Resort World Cruises ist die Familie des Genting-Hong-Kong-Gründers Lim Kok Thay. Allerdings müsste das neue Unternehmen dafür zunächst die Schiffe aus der Insolvenzmasse herauskaufen.
Star Cruises
Die Schiffe von Star Cruises wurden dagegen offenbar am 25. April 2022 zur Verschrottung verkauft: Star Pisces (1990), Superstar Gemini (1992) und Superstar Aquarius (1993). Die Superstar Libra (ex NCLs Seaward), war bereits im November 2021 zur Verschrottung in die Türkei verkauft worden. Seit 2018 hatte das Schiff als Wohnheim für Werftarbeiter bei MV Werften gedient, die an der Global Dream, „Global 2“ und der Crystal Endeavor gearbeitet hatten.