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Kapitän Ulli Schwalbe: „Die A-Rosa Sena kann man sich wie ein Plug-in-Hybrid-Auto vorstellen“

Die A-Rosa Sena ist das größte Flusskreuzfahrtschiff Europas und zugleich das derzeit umweltfreundlichste. Kapitän Ulli Schwalbe erklärt im cruisetricks.de-Interview, wie dieses Schiff der innovativen „E-Motion“-Schiffsklasse funktioniert – mit einigen spannenden und auch überraschenden Details.

Die A-Rosa Sena ist in vieler Hinsicht besonders und auch innovativ. Sie ist größtes Flusskreuzfahrtschiff Europas und zugleich das derzeit umweltfreundlichste. „E-Motion Ship“ nennt A-Rosa diese neue Schiffsklasse. Die A-Rosa Sena verfügt über leistungsstarke Akkus, mit deren Energie das Schiff – neben weiteren Vorteilen – auch rund 40 Minuten komplett emissionsfrei fahren kann.

A-Rosa Sena am KD-Steiger an der Bastei am Rhein in Köln

Im Cruisetricks.de-Interview erklärt Kapitän Ulli Schwalbe ausführlich, wie das E-Motion-Konzept der A-Rosa Sena funktioniert, welche Vorteile und Besonderheiten das im Fahrtbetrieb mit sich bringt,  aber auch, wo das Schiff aufgrund seiner Größe und dem Energiebedarf an Grenzen stößt.

2014 übernahm Kapitän Ulli Schwalbe zum ersten Mal bei A-Rosa das Kommando über ein Flusskreuzfahrtschiff, der A-Rosa Aqua. Seitdem ist für die Rostocker Flusskreuzfahrt-Reederei tätig. Zuvor führte er unter anderem große Tank- und Frachtschiffe auf dem Rhein. Die A-Rosa Sena begleitete er bereits bei ihrem Bau in der Werft und stellte sie 2022 in Dienst.

Kapitän Ulli Schwalbeam Steuerstand der A-Rosa Sena
Kapitän Ulli Schwalbe am Steuerstand der A-Rosa Sena

Cruisetricks.de hat Anfang April 2023 mit Ulli Schwalbe an Bord der A-Rosa Sena gesprochen.

Wie funktioniert der hybride Antrieb der A-Rosa Sena genau?

Ulli Schwalbe: Das Schiff kann man sich wie ein Plug-in-Hybrid-Auto vorstellen. Es ist also diesel-elektrisch mit zusätzlicher Akku-Power. Wir haben keine direkten Diesel-Antriebsmotoren, stattdessen sitzen auf unseren Antrieben große Elektromotoren, dreimal 800 Kilowatt von Oswald. Und wir haben Propeller namens Veth Integrated L-Drive. Das sind Gondeln, die man um 360 Grad drehen kann, mit vorne und hinten je einem Propeller.

Die Stromversorgung für diese Elektromotoren stellen die Dieselgeneratoren und die 1,4 MW Akku-Power. Die Akkus sitzen immer mit auf dem Netz und man kann damit auch komplett bis zu 40 Minuten lang autark, also nur elektrisch fahren.

Das bedeutet also etwa die doppelte Zeit im Hafen?

Ulli Schwalbe: Es kommt immer darauf an, ob beispielsweise gerade Essenszeit ist. Mittags und abends geht sehr viel weg. Wenn Sie das nachts machen, dann sind es mehrere Stunden, dann können Sie das in der Liegezeit auch ohne Generator und ohne Landstrom aushalten. Ansonsten habe ich da so anderthalb, zwei Stunden.

Wann nutzen Sie die Akkus in der Praxis hauptsächlich?

Ulli Schwalbe: Man kann damit gemütlich dahin schippern, etwa beispielsweise hier im Amsterdam-Rheinkanal. Da schaffen Sie so zehn, zwölf Kilometer pro Stunde und alles ist versorgt. Man kann das aber zum Beispiel auch als Überbrückung für den Landstrom benutzen, denn die Stromanschlüsse liefern meist zu wenig Leistung.

Akku-Raum der A-Rosa Sena
Akku-Raum der A-Rosa Sena

Wir brauchen Powerlock und zwar mindestens zweimal, sonst können wir den Landstrom für dieses Schiff nicht nutzen. Wir können sogar drei Powerlocks nutzen, das wäre eigentlich perfekt. Denn die liefern immer nur 160 Kilowatt pro Anschluss, bei zwei Anschlüssen also 320 kW. Wir brauchen aber mehr: zwischen 400 und 500 kW. Da liefern dann die Akkus zu, das ist ziemlich gut. Bei uns geht die Leistung immer auf die Akkus und von den Akkus aufs Netz. Die Akkus puffern das ab und dann haben Sie sie ein gewisses Zeitfenster von etlichen Stunden, wo die Akkus langsam runtergehen und das funktioniert ziemlich gut.

Das heißt, sie müssten mit dem Schiff eigentlich an ein Hochseeterminal wie hier in Amsterdam gehen, um genug Energie von Land zu bekommen?

Ulli Schwalbe: Nein, die haben ganz andere Anschlüsse. Die haben nicht die kleinen Powerlocks, sondern riesige Stecker. Die geringe Leistung liegt einfach am Versorger. Das ist ein bisschen schade. Es gibt ja Landstromanschlüsse am Fluss, die mehr liefern. Es gibt welche, die liefern weit über 200 kW pro Anschluss.

Wie kommen andere Flussschiffe mit eventuell zu niedriger Leistung zurecht?

Ulli Schwalbe: Das ist oft ein Problem. Bei uns passiert nichts, weil wir das mit den Akkus puffern. Aber bei anderen gibt es dann auch schnell mal einen Blackout. Da bricht das System zusammen und dann geht alles aus. Das ist vor allem unpraktisch bei der empfindlichen Technik an Bord. Aber bei uns funktioniert es sehr gut.

Wo am Rhein gibt es den im Moment eigentlich Landstrom?

Ulli Schwalbe: Fast überall. Da, wo wir in Köln liegen, am KD-Steiger an der Bastei, haben sie einen guten Landstromanschluss, im Rest von Köln aber nicht. Die KD hat das auch in Düsseldorf. Wo noch? Koblenz, Mannheim, Basel – also, das sind schon einige. Und hier am Markermeer, Ijsselmeer in Rotterdam, Antwerpen, Amsterdam, nur wo wir jetzt hier in Amsterdam liegen nicht (Anm.: am Hochsee-Terminal PTA in Amsterdam). Doch ich würde fast sagen, es sind schon vielleicht 75 Prozent.

Wie steht’s mit den Kosten beim Landstrom? Ist das viel teurer als Eigenproduktion mit den Generatoren?

Ulli Schwalbe: Mittlerweile ist der Strom wieder billiger geworden. Aber zu Beginn der Energiekrise waren das 60 Cent pro Kilowattstunde und das ist viel teurer als mit Diesel produziert. Hier in den Niederlanden haben wir jetzt, glaube ich, 27 Cent pro Kilowattstunde. Das kostet also mindestens genau so viel wie Eigenproduktion oder ist teurer.

Ich finde, man sollte preislich einen Anreiz schaffen, dass es auch jeder Landstrom macht oder machen will. Wir haben natürlich an vielen Anlegern eine Pflicht dazu und das machen wir natürlich auch. Und man muss bei dem Preis berücksichtigen, dass ich bei ausgeschaltetem Motor auch weniger Wartungskosten, Ölwechsel, Filter et cetera habe. Mit dem Akku haben Sie ja den Vorteil, dass sie sämtliche Generatoren komplett abschalten können.

Weil Sie gerade Basel angesprochen haben: Das Schiff ist ja sehr groß – bis wohin können Sie denn damit überhaupt fahren am Rhein?

Ulli Schwalbe: Bis Basel nicht, aber bis nach Straßburg. Auf die Mosel beispielsweise könnten wir nicht, da wäre schon bei der ersten Schleuse Schluss, dafür ist das Schiff viel zu breit und zu hoch. Das Schiff ist nicht für die Nebenflüsse gebaut, nur für den Rhein und das Mündungsdelta.

Welche Limitierungen bringt die Schiffsgröße ansonsten mit sich?

Ulli Schwalbe: Man wollte ein komplettes Deck mehr haben, einfach um diesen Platz zu haben. Das Schiff ist ja wirklich angepasst an das Fahrgebiet und das funktioniert auch alles wunderbar. Aber man muss wie so oft im Leben dann halt Kompromisse machen, das heißt, man muss bei niedrigen Brücken alles am Sonnendeck abbauen. Und dann wird noch Ballast reingepumpt, damit das Schiff etwas tiefer geht. Dafür kann man dann, wenn die Höhe wieder gegeben ist, alles wieder alles aufbauen und hat ein riesiges Sonnendeck.

Wie viel tiefer müssen Sie das Schiff mit dem Ballastwasser legen?

Ulli Schwalbe: Wir legen es ungefähr 30 Zentimeter tiefer. Oben wird alles ganz flach gemacht. Die Relingteile längst kann man komplett elektrisch umlegen. Und dann muss man halt immer aufpassen, dass da wirklich niemand hochgeht. Und wir haben Höhenangaben, die auf Sensoren basieren. Die habe ich auf dem Monitor vor mir.

Die A-Rosa Sena arbeitet mit „Peak Shaving“. Können Sie erklären, wie das funktioniert und wie Sie das einsetzen?

Ulli Schwalbe: Es gibt Leistungsspitzen sowohl nach oben als auch nach unten. Da fahren wir dann in einem Hybrid-Modus: Wenn der Energieverbrauch hochgeht, schießen die Akkus zu und wenn er wieder runtergeht und Energie übrig ist, dann geht diese Energie in den Akku.

Die Generatoren haben eine gewisse Leistung, je nachdem, wenn sie mit zwei oder drei fahren, und die Leistung teilen sich die Verbraucher an Bord, das Hotel oder eben alles hier auf der Brücke, die Propeller …

Sie nutzen auch Abwärme für Energierückgewinnung …

Ulli Schwalbe: Das sind Wärmetauscher, das machen viele. Unser Schiff hat ja auch eine Zentralheizung, würde ich mal so sagen, wie zu Hause, nur riesengroß, und über den Wärmetauscher nutzen Sie das heiße Kühlwasser dafür. Kesselstunden nennen wir das. Wenn die Heizkessel laufen, dann ergibt das Kesselstunden, die in dem Fall dann auch Diesel verbrauchen. Und wenn sie über die Wärmetauscher die Abwärme nutzen, dann haben sie weniger Kesselstunden.

Wir haben auch ein System von Orcan Energy, da mit der Abgastemperatur eine Turbine angetrieben und damit können Sie Energie zurückspeichern. Einfach erklärt ist das eine große graue Kiste, die im Maschinenraum steht und wie ein umgedrehter Kühlschrank funktioniert. Da kann man bis zu 100 kW zurückgewinnen, die ins Netz mit eingespeist werden.

So etwas hatte man ganz früher schonmal. Da hatte man dann Kompressoren, Wasserpumpen, PIV-Getriebe, das ist so etwas wie ein Dynamo, an den Motoren. Es war mal Mode, das alles an den Motor anzubauen, um die Energie besser zu nutzen. Dann ist man vor vielen Jahren davon weggegangen, weil es das Ganze komplizierter und teurer macht. Irgendwann hat man da entschieden: So etwas wie den Kompressor haben wir lieber einzeln und wenn der kaputt geht, tauschen wir ihn einfach aus. Jetzt geht man wieder in die andere Richtung, weil man Energie effizienter nutzen will.

Müssen Sie bei der Navigation eigentlich Besonderheiten beachten, die sich aus der Generator-Akku-Kombination ergeben?

Ulli Schwalbe: Das einzige: Man muss mit diesem Schiff ein bisschen vorausschauend fahren. Je nachdem, was ich machen will, muss ich meine Energieversorger rechtzeitig zuschalten. Es gibt einfach Manöver, da brauche ich volle Power und die muss ich auf Stand-by haben. Brauche ich eventuell volle Power, weil ich auf etwas reagieren muss? Oder muss ich drehen?

Steuerstand der A-Rosa Sena: Alle Generatoren sind aus (Monitor links), die Energie kommt komplett aus den Akkus (Monitor rechts)
Steuerstand der A-Rosa Sena: Alle Generatoren sind aus (Monitor links), die Energie kommt komplett aus den Akkus (Monitor rechts)

Mit den Akkus müsste das aber doch sogar einfacher sein, weil diese Energie jederzeit sofort verfügbar ist, oder?

Ulli Schwalbe: Ja, die schießen sofort bei. Aber Sie können da nur eine gewisse Leistung rausziehen. Wenn Sie nur Akku-Betrieb fahren, kriegen Sie nicht die volle Leistung, weil sie die Akkus damit kaputt machen würden. Die müssen gepflegt werden, sind zum Beispiel konstant auf 18 Grad gekühlt. Sie können nur 1.400 Kilowattstunden rausziehen, mehr auf einmal geht nicht. Sie können die Akkus auch nur bis zu einem gewissen Punkt entladen, dann springt automatisch ein Generator an.

Für ein Manöver, bei dem Sie der Meinung sind, sie brauchen vielleicht ein bisschen mehr Leistung, dann ist das schwierig, nur elektrisch. Wenn ich also zum Beispiel ein Dreh-Manöver am Rhein mache, dann brauche ich da schon volle Power, also alle Generatoren. Die schalte ich danach halt dann wieder ab.

Kapitän Ulli Schwalbeam Steuerstand der A-Rosa Sena
Kapitän Ulli Schwalbeam Steuerstand der A-Rosa Sena

Wir danken Ulli Schwalbe für das Interview und die ausführliche Führung durch die technischen Bereiche der A-Rosa Sena, über die wir noch in einem separaten Beitrag berichten werden.

Anmerkung*: Cruisetricks.de reiste mit der A-Rosa Sena drei Tage von Köln nach Amsterdam auf Einladung von A-Rosa.

Weitere Teile der Serie "A-Rosa Sena":

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Cruisetricks.de reiste mit der A-Rosa Sena drei Tage von Köln nach Amsterdam auf Einladung von A-Rosa.

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Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

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