Der vollständige Shutdown der Hochsee-Kreuzfahrt in der Coronakrise ist vorbei. Am 16. Juni ist die Finnmarken von Bergen aus zum ersten Mal wieder mit rund 200 Passagieren in See gestochen. Für deutsche Passagiere startet Hurtigruten am 26. Juni in Hamburg mit der Fridtjof Nansen. Auch einige andere Reedereien mit kleinen Kreuzfahrtschiffen nehmen im Juni und Juli den Betrieb wieder auf.
In einer Video-Pressekonferenz live von der Finnmarken hat Hurtigrutens CEO Daniel Skjeldam einen tieferen Einblick in die Herangehensweise beim Neustart gegeben. Auf dem Weg aus der Coronakrise sieht er derzeit extrem positive Signale: „Wir sind zurück und es funktioniert.“ Er sagte aber auch, er sei sich sicher, dass Tourismus in kleinen Dimensionen schneller zurückkommen werde als Massentourismus, ganz besonders in der Kreuzfahrt.
Aus amerikanischer Perspektive äußerte sich Mitte Juni der frühere President und CEO von Azamara Club Cruise, Larry Pimentel. In einem Interview mit Travel Weekly sagte er, er rechne damit, dass die Kreuzfahrt (in den USA) zunächst mit Kurzkreuzfahrten auf großen Schiffen zu den Privatinseln in den Bahamas beginnen würde. Aber auch kleine Luxusschiffe zu wenig besuchten Destinationen könnten früher zurückkommen.
Neustart mit Seglern, kleinen Schiffe und Expeditionskreuzfahrtschiffen
Auf Hurtigrutens Finnmarken entlang der norwegischen Küste dürfen vorerst nur Norweger und Dänen mitfahren. Auf der aktuellen Reise, die am 16. Juni begann, sind etwas mehr als 200 Passagiere an Bord. Unter dem dann neuen Namen Otto Sverdrup wird das kürzlich komplett renovierte Schiff übrigens ab 26. Januar 2021 ganzjährig von Hamburg aus fahren.
Aber schon am 26. Juni 2020 startet Hurtigruten mit der Fridtjof Nansen, dem neuesten Schiff der Expeditionsflotte, 15tägige Norwegen-Kreuzfahrten ab Hamburg mit ausschließlich deutschen Passagieren.
Seadream Yacht Club startet ebenfalls in Norwegen und ausschließlich für Norweger: Ab 20. Juni soll die Seadream I mit Einschiffungshäfen Oslo und Tromsö zu 12tägigen Norwegen-Reisen aufbrechen. Wegen der offenbar großen Nachfrage kommt die Seadream II mit siebentägigen Reisen ab Oslo und Bergen hinzu.
Sailing Classics setzt die Segel der Rhea erstmals wieder am 27. Juni in Salerno, segelt entlang der Amalfiküste und Mitte Juli dann in Richtung Sardinien.
Ponant will gleich mit fünf Expeditionskreuzfahrtschiffen von französischen Häfen aus und teils auch mit Hafenstopps außerhalb Frankreichs. Die Genehmigung der französischen Behörden steht allerdings (Stand 18. Juni) noch aus. Losgehen soll es am 4. Juli. Le Champlain und Le Jacques Cartier fahren ab Saint-Malo, Le Dumont D’Urville ab Le Havre, Le Bougainville ab Bordeaux, L’Austral ab Marseille und Le Lyrial ab Nizza. Diese Kreuzfahrten von Juli bis September 2020 will Ponant auch außerhalb Frankreichs vermarkten.
Variety Cruises will am 24. Juli mit dem Segelschiff Galileo von Piräus aus wieder zu der Kykladen in der Ägäis fahren.
Am anderen Ende der Welt soll die Paul Gauguin ab 11. Juli ihre Kreuzfahrten in Französisch Polynesien ab Papeete, Tahiti, wieder aufnehmen. Zunächst sollen die Passagiere aus der Region stammen, ab 29. Juli gibt es Reisen auch wieder für internationale Passagiere.
Und auch die Aranui 5 nimmt am 18. Juli wieder Kreuzfahrt-Passagiere für ihre Reisen zu den Marquesas-Inseln an Bord. Zubringerflüge von Air France, Air Tahiti Nui und French Bee ab Paris soll es dann auch wieder geben.
Und auch wenn nahezu alle großen Kreuzfahrt-Reedereien die Alaska-Saison für dieses Jahr schon aufgegeben haben, weil Kanada seine Häfen bis Ende Oktober geschlossen hält: Uncruise Adventures will mit der Wilderness Adventurer ab 1. August wieder Alaska-Kreuzfahrten anbieten, wie uns die Reederei selbst bestätigte. Das Schiff fährt unter US-Flagge, weswegen es die Vorgaben des amerikanischen Passenger Vessel Service Acts erfüllt und somit nicht wie die meisten anderen Kreuzfahrtschiffe einen Hafenstopp in Kanada einlegen muss – was wegen der dortigen Hafensperre für Schiffe mit mehr als 250 Menschen an Bord noch bis Ende Oktober nicht möglich ist.
In Asien ist wahrscheinlich die Explorer Dream von Dream Cruises als erstes Schiff wieder unterwegs und damit möglicherweise auch weltweit das erste große Kreuzfahrtschiff, das wieder fährt. Am 26. Juli will Dream Cruises mit Kurzreisen von Taiwan aus starten und die taiwanesischen Inseln Penghu, Matzu und Kinmen anlaufen.
Möglicher Neustart von TUI Cruises Ende Juli
Dass TUI Cruises für Ende Juli an Kurzkreuzfahrten aus deutschen Häfen arbeitet, ist wohl schon mehr als ein Gerücht. Offiziell angekündigt hat TUI Cruises solche Reisen aber noch nicht. Der CEO der TUI AG, Friedrich Joussen, hatte bereits vor einigen Wochen von rein deutschen Kreuzfahrten mit rund 1.000 Passagieren an Bord der 1.500-Passagiere-Schiffe von TUI Cruises gesprochen. Cruise Industry News berief sich vor wenigen Tagen auf ein Statement der TUI Group, wonach kurze, drei- und vier-Nächte-Kreuzfahrten in der Nord- und Ostsee geplant seien.
Crew-Mangel und Hafenschließungen trotz Reise-Lockerungen in Europa
Wer aus eine schnelle Rückkehr zum ganz normalen Kreuzfahrtgeschäft mit Hunderten von Schiffen weltweit hofft, wird sich aber wohl noch in Geduld üben müssen. Denn komplizierte Reisebeschränkungen weltweit werden es den Reedereien noch längere Zeit schwer machen, ausreichend Crew zu rekrutieren und zu den Schiffen zu bringen. Selbst Monate nach dem Shutdown sitzen vielmehr immer noch Zehntausende von Crew-Mitgliedern auf Kreuzfahrtschiffen überall in der Welt fest, die es seitdem noch nicht einmal nach Hause geschafft haben.
Aber auch Hafenschließungen werden viele Fahrtrouten noch auf längere Sicht unmöglich machen. Selbst wenn Europa sich gerade schrittweise wieder für den Reiseverkehr öffnet: Die Kreuzfahrthäfen bleiben zumeist weiterhin geschlossen. So hat beispielsweise Spanien Mitte Juni noch einmal klargestellt, dass auf unbestimmte Zeit kein Hafen des Landes den Anlauf von Kreuzfahrtschiffen gestatten wird.
Am ehesten werden also auch in Europa zunächst einmal solche Kreuzfahrten möglich sein, die sich sowohl bei den angelaufenen Häfen, als auch bei den Passagieren auf lediglich ein Land beschränken. Die aktuellen Neustartpläne bewegen sich zumeist genau in diesem Rahmen.
Neustart großer Schiffe in den USA nicht vor 15. September
Anfang Mai hatte Carnival Cruise Line einen Neustart mit acht relativ großen Schiffen von Häfen in Florida und Texas zum 1. August avisiert. Andere US-Reedereien sagen ihre Reisen zwar zunehmend nur noch selektiv ab und halten sich Optionen offen wie zuletzt beispielsweise Norwegian Cruise Line für Alaska (Stand: 19. Juni), kündigen bislang aber auch keine expliziten Neustart-Pläne an.
Am 19. Juni gab der Branchenverband Clia dann bekannt: Vor 15. September werden keine Kreuzfahrtschiffe seiner Mitgliedsreedereien von amerikanischen Häfen aus in See stechen. Das geht deutlich über die offizielle „no sail order“ der CDC hinaus, die zum aktuellen Stand bis 24. Juli befristet ist. Nicht betroffen sind von der CDC-„no sail order“ und der Selbstverpflichtung der Clia die Reedereien mit kleinen Schiffen unter US-Flagge wie beispielsweise Uncruise Adventures, American Cruise Lines, Alaska Dream Cruises oder American Queen Steamboats Company und noch einige mehr.
Bislang gibt es offenbar auch noch keine Einigung zwischen den großen, amerikanischen Reedereien und der Gesundheitsbehörde CDC zu genauen Hygiene-Regelungen an Bord. Der Instinet-Analyst Harry Curtis sieht eine Verzögerungstaktik seitens der US-Gesundheitsbehörde CDC und wirf ihr vor, Vorurteile gegenüber der Kreuzfahrtindustrie zu haben. Selbst der sehr Kreuzfahrt-kritisch berichtende Miami Herald schreibt, dass die CDC die vorliegenden Pläne der Reedereien für einen Neustart derzeit erst gar nicht prüft.
Seit Wochen vorliegende Hygienepläne beispielsweise von Norwegian Cruise Line Holdings stießen bei der CDC aus wenig Interesse und würden nicht zügig geprüft. Während in Las Vegas bereits die Spielkasinos wieder öffnen, die großen Themenparks ihren Betrieb wieder aufnehmen und in vielen Bundesländern der USA die Kinos öffnen, stellt sich die CDC auf den Standpunkt, es lägen noch zu wenig Informationen und Erkenntnisse vor um beurteilen zu können, ob Kreuzfahrten mit ausreichen Infektionsschutz möglich seien: „Wir haben derzeit nicht genügend Informationen, um sagen zu können, wann es sicher ist, die Fahrt mit Passagieren wieder aufzunehmen.“
Lieber Herr Neumeier,
mal wieder ein toller Überblick von Ihnen.
Allerdings fehlt ein sehr wichtiger Aspekt: Wie ist die Besatzung untergebracht, und wie sind die Arbeitsbedingungen der Crew?
Was nützen uns sichtbare Hygiene-Bestimmungen für die Passagiere, wenn unsichtbar auf den unteren Decks alles so bleibt wie es ist. Aus Ischgl und aktuell bei Tönnies haben wir doch gelernt, dass wir auf alle Menschen sehen müssen. Wo also sind die Veröffentlichungen der Reedereien zu den Arbeits- und Quartierbedingungen der Crew?
Gerade bei diesem Thema dürfte ein unabhängiger Fach-Journalist wie Sie sehr gefragt sein.
Schöne Grüße
Ronald
Ich schließe mich dem Kommentar meines Vorredners an. Morgen ist Internationaler Tag des Seemanns…. 200.000 Seeleute harren immer noch aus auf tausenden Schiffen. Ja, ein großes Problem ist die Klimaanlage / Zwangsbelüftung. Hurtigruten…. in der Hauptsache winzige Kabinen ohne Zugang nach außen (Balkon oder französischer Balkon)… Einzig allein D’Ponant sticht heraus… zumindest bei den PAX Kabinen (alle mit Balkon).
Was nützt es Pfeile auf den Boden zu kleben, wenn die Besatzung zu viert sich eine Kabine teilen, sich mit vielen die Dusche teilen müssen…. hehe… Corona und andere “Kameraden” fahren bald wieder zur See….
Früher waren es Ratten und Mäuse, aber auch Krankheiten (wie Syphilis und Pocken) welche von Schiffen in die Welt segelten.
100%ige Sicherheit gibt es nicht, aber eine kleine Anregung… weniger Schiffe, weniger Passagiere auf den Schiffen… dann könnte es vielleicht klappen… aber, die Kursnotierungen der Unternehmen würden ins Bodenlose fallen.
DAS… war erst der Anfang….nicht das Ende..
Liebe Grüße