Die Küste Kroatiens ist ein ganz spezielles Revier: Hier wimmelt es regelrecht vor teuren Yachten. Vom ultra-modernen James-Bond-Look bis zu historisch-edel anmutender Segelschiff-Romantik ist hier alles vertreten. Auf einem 3.000-Passagiere-Kreuzfahrtschiff muss man sich in dieser Umgebung wie ein unerwünschter Eindringling in einem Paradies der sonnengebräunten Schönen und Reichen fühlen. Instinktiv ahnt man, dass alle aufatmen, wenn das große Touristenschiff nachmittags wieder in See sticht.
Ist man freilich selbst mit einer Mega-Yacht unterwegs, ist das gleich etwas ganz anderes. Erfreulicherweise gibt’s so ein Yacht-Erlebnis auch zu Preisen, die für Normalmenschen erschwinglich sind (dazu später noch ein paar Sätze). Ich bin im Juli eine Woche lang auf der nagelneuen, französischen Kreuzfahrt-Yacht L’Austral entlang der dalmatischen Küste unterwegs gewesen. Und was soll ich sagen: Es fühlt sich unbeschreiblich cool an, wenn man in eine dieser wunderschönen Buchten mit kristallklarem, grünblauem Wasser einläuft, auf eine millionenschwere Yacht nebenan blickt und sich dabei irgendwie ebenbürtig fühlen kann.
Nicht, dass mir solche Statussymbole etwas bedeuten würden – das meine ich nicht. Es ist vielmehr das Gefühl, dazu zu gehören, kein Fremdkörper zu sein, die Idylle nicht zu stören. Teil dieser traumhaften Welt zu sein, die eine Mischung ist aus mondänem Luxus, wunderschöner Natur und makellos erhaltenen oder renovierten, historischen Küstenorten – Korkula, Split, Dubrovnik, Hvar, Rovinj, …
Kleines Schiff, kleine Häfen
Ein Schiff wie die L’Austral mit ihren maximal 264 Passagieren fügt sich da ganz wunderbar ein. Kein 60 Meter hoher Schiffs-Koloss verschandelt den ganzen Tag die Landschaft. Keine Tausende von Massentouristen strömen durch die Gassen, brav aber konsequent rücksichtslos ihrem Touristenführer hinterher hechelnd. Von der L’Austral aus taucht man einfach ins pralle Leben vor Ort ein, verschwindet in quirligen Seitenstraßen, setzt sich in ein nettes Café an der Uferpromenade. Wird eben nicht wie sonst als Teil der Lemming-Herde eines Massenschiffs identifiziert. Und das nicht nur, weil die L’Austral auch mal über Nacht in einem Hafen bleibt oder schon früh morgens da ist. Sondern auch, weil die großen Schiffe diese wunderschönen, kleinen Häfen gar nicht erst anlaufen.
Bei vielen Argumenten für kleine Schiffe kann man individuell der Meinung sein: „brauche ich nicht wirklich“ oder „ist mir das Geld nicht wert“. Aber der Luxus, nicht Teil einer großen Masse zu sein und auch ganz kleine Häfen anlaufen zu können – das ist der entscheidende und durch nichts auszugleichende Vorteil eines ganz kleinen Kreuzfahrtschiffs wie der L’Austral (oder ähnlichen Schiffen wie beispielsweise dem Schwesterschiff Le Boréal oder den Konkurrenten wie SeaDream I und II, Seabourn Pride, Spirit und Legend sowie die schon etwas größeren Silver Cloud und Wind oder auch gerade noch einer MS Europa).
Raumwunder bei nur 142 Metern Schiffslänge
Ist man das relativ schrille Design der großen Kreuzfahrtschiffe gewohnt, wirkt die L’Austral auf den ersten Blick ziemlich unterkühlt. Modernes, schnörkelloses Design, das ein wenig an den nüchternen Bauhaus-Stil erinnert. Grau mit ein paar Farbakzenten in gedeckten Brauntönen. Hat sich das Auge aber erst einmal daran gewöhnt, ist das eine richtige Wohltat und wirkt plötzlich auch nicht mehr kühl, sondern vertraut und unaufdringlich elegant.
Trotzdem das Schiff nur 142 Meter lang ist und über lediglich fünfeinhalb Passagierdecks verfügt, bietet die L’Austral die komplette Grundausstattung eines Kreuzfahrtschiffs: Hauptrestaurant sowie Buffetrestaurant mit Außenbereich, Observation Lounge mit Bibliothek, Internet Café und Bar, Theater, Shop, einen großen Salon, eine Kinder-Ecke sowie Spa, Fitnessgeräte, (Salzwasser-)Pool, Poolbar, Sonnendeck, zwei offene Decks nach vorne und – auf großen Schiffe nicht zu bekommen – eine Badeplattform am Heck des Schiffs ganz unten auf Deck 1 (Zugang durch den Grand Salon auf Deck 2).
Anders formuliert: Die L’Austral ist ein kleines Raumwunder. Und trotzdem wirkt nichts beengt oder zusammengepresst, sondern großzügig und weiträumig. Selbst auf den Kabinengängen kommen zwei Passagiere völlig problemlos aneinander vorbei, ohne große Ausweichmanöver.
In Bezug auf das Schiffsdesign und die Raumaufteilung ist die L’Austral für mich deshalb eines der schönsten Schiffe überhaupt.
Nebenbei bemerkt: Die größte Privatyacht der Welt, Roman Abramowitschs „Eclipse“, ist mit 170 Metern ganze 28 Meter länger als die L’Austral. Eingeordnet in die Liste der größten Privatyachten der Welt würde die L’Austral aber immerhin auf Platz 5 rangieren.
Highlight für Schiffsfans: offene Brücke
Das vielleicht größte Highlight für Schiffsfans ist zugleich etwas, das bei Verantwortlichen amerikanischer Reedereien schon bei dem puren Gedanken einen Herzinfarkt auslösen würden: Auf der L’Austral herrscht – wie auf allen Schiffen der Compagnie du Ponant – eine konsequente Politik der offen Brücke. Passagiere sind buchstäblich jederzeit beim Kapitän willkommen. Tür auf, „Bonjour“, zuschauen.
Selbst bei Hafeneinfahrten und Anlegemanövern hat der Kapitän nichts dagegen, wenn Passagiere auf dem Außensteuerstand neben ihm stehen und die Manöver hautnah mitverfolgen. Da kommt es schonmal vor, dass der Kapitän oder einer seiner Offiziere einen Umweg geht oder sich bückt, um einem fotografierenden Passagier nicht ins Bild zu laufen.
Laissez-faire mit französischer Eleganz
Das bringt mich zu einem weiteren Aspekt, den ich auf der L’Austral als sehr angenehm empfunden habe, der aber für manchen anspruchsvollen deutschen Passagier vielleicht auch ein wenig Stirnrunzeln auslösen mag: das ganz besondere, französische Flair dieses Schiffs – unaufdringlich herzlich, ziemlich leger und vieles nicht ganz so ernst nehmend. Laissez-faire auf eine sehr sympathische Weise. Entspannt, aber niemals schlampig, nicht auf die Minute genau, aber auch nicht wirklich zu spät. Fast alles geht, Regeln werden nicht amerikanisch nach dem Buchstaben des Gesetzes, sondern so intelligent und Passagier-freundlich ausgelegt wie möglich. Dafür wartet man halt auf der anderen Seite auch mal eine Minute länger auf seinen Frühstückstee.
Zu dieser familiären Lockerheit gehört auch, dass Kapitän und Hotel-Direktor jeden Morgen beim Frühstück vorbeischauen, kleine Schwätzchen mit den Passagieren halten und auch sonst fast ständig präsent und ansprechbar sind. Und das auf eine wohltuend offene, ehrliche Weise, witzig und gelegentlich sogar mit etwas Selbstironie – einfach sehr sympatisch.
Übrigens sprechen sämtliche Crewmitglieder im Service-Bereich neben Französisch auch bestens Englisch und mindestens eine der Rezeptionistinnen auch Deutsch. Einige Kellner versuchen sich an ein paar Brocken Deutsch, was sehr sympathisch ist. Doch die Kommunikation funktioniert dann doch besser auf Englisch (oder Französisch, wer’s kann).
Gala Dinner, ganz leger
„Leger“ bezieht sich in sehr angenehmer Weise übrigens auch auf die Kleiderordnung. Selbst wenn die Empfehlung „formell“ lautet, interpretieren die Franzosen das auf eine beeindruckend informelle Weise. Da sieht man schonmal bunte Socken, ein großkariertes Hemd mit dunklem T-Shirt darunter, ein blau-weißes Hawaii-Hemd oder auch ein Poloshirt selbst am Gala-Abend zum hochheiligsten französischen Nationalfeiertag. Frei nach dem Motto: Elegant ist nicht, wer sich so kleidet, sondern wer sich so benimmt. Eine wunderbare Einstellung zu diesem Thema, wie ich finde.
Ohne Kommentar: französische Mousse au Chocolat
Eines kann und darf auf einem französischen Schiff natürlich nicht unerwähnt bleiben: das Essen. Ich muss zugeben, diesbezüglich bin ich mit etwas gemischten Gefühlen an Bord gegangen. Würden mich Stopfleber, Austern, Froschschenkel und mikroskopisch kleine Portionen erwarten? Doch die Sorge war völlig umsonst. Allein das Mousse au Chocolat auf der L’Austral ist vermutlich für zwei oder drei zusätzliche Zentimeter Bauchumfang bei mir verantwortlich. Ich gestehe: An einem Tag habe ich mir davon unverschämte drei Nachschläge vom Buffet geholt … Nur Franzosen kriegen Mousse au Chocolat so hin – einfach traumhaft.
Die Küche auf der L’Austral ist insgesamt französisch-europäisch geprägt und – was mir persönlich sehr entgegen kommt – weniger auf Show und Schinden von Eindruck ausgerichtet, sondern auf einem sehr hohen Niveau lecker und im Vergleich zu amerikanischen Schiffen kreativer und abwechslungsreicher.
Am besten zeigen das ein paar Beispielefor Vor- Haupt- und Nachspeisen aus den Abend-Menüs:
- Warmer Linsensalat mit geräuchertem Lachs
- Grüne Spargelcremesuppe mit Mascarpone
- Schwertfisch-Carpaccio
- Riesengarnelen-Curry
- Kalbslende mit Estragon-Sauce, Annakartoffeln und Gemüse
- Gegrillter Seebarsch mit Orangen-Kardamom-Sauce
- Tomaten-Spargel-Risotto
- Knuspriger Schoko-Haselnuss-Kuchen
- Tarte Tatin mit Karamelsauce und Calvados-Sahne
Und, ja, auch Hamburger und Cheesburger steht auf der Karte – für Passagiere, die mal eine deftige Abwechslung suchen.
Hinzu kommen Highlights vom Grill: Am Pooldeck steht ein großer Weber-Gasgrill, der bei schönem Wetter immer mittags zum Einsatz kommt. Auf dem Rost landen dann abwechselnd Fischfilets, Thunfischsteaks, Shrimps und natürlich auch anständige Rindersteaks. Allein dieser Grillduft …
Austern und Foie Gras sind übrigens durchaus auch im Angebot – nur für diejenigen erwähnt, die das bei französischer Küche erwarten und mögen ;-)
Nostalgische Erinnerungen
Die L’Austral erinnert mich ganz sehnsüchtig an meine Kreuzfahrt-Anfänge. Denn bevor ich auf meine erste Hochseekreuzfahrt in die Karibik auf einem der großen Schiffe ging, hatte ich schon ungefähr zehn Kreuzfahrten auf ganz kleinen Schiffen gemacht: Auf den Mississippi-Raddampfern Delta Queen, Mississippi Queen und American Queen. Kleine, nostalgische Schiffe mit 170 bis 400 Passagieren. Auf den ersten Blick hat die L’Austral natürlich nichts mit diesen Flussraddampfern gemeinsam. Aber viele Momente an Bord der L’Austral haben bei mir wunderschöne Erinnerungen ausgelöst – und das ich vielleicht auch einer Gründe, warum ich mich auf dem Schiff so wohl gefühlt habe. Denn im Grunde haben solche ganz kleinen Kreuzfahrtschiffe eben doch ganz viel gemeinsam, auch wenn sie in ihrer Optik gar nicht unterschiedlicher sein könnten.
Ein Wort zu den Preisen einer Yacht-Kreuzfahrt
Ich hatte noch ein paar Sätze zu den Preisen versprochen. Denn eine Kreuzfahrt auf einer 200-Passagiere-Yacht klingt nach „sehr teuer“. Erfreulicherweise ist es das nicht unbedingt. Die 7-Nächte-Route entlang der dalmatischen Küste von/bis Venedig kostet derzeit – nur um einfach mal ein Preisbeispiel zu nennen – für Fahrten im Juli/August 2012 ab 2.200 Euro (Frühbucher-Preis, inkl. Steuern). Wer kurzfristig bucht und die Owner-Suite haben will, kann aber auch 6.960 Euro ausgeben.
L’Austral: mein Fazit
Das französische Flair auf der L’Austral ist für mich persönlich das ideale für einen Kreuzfahrturlaub: Gerade genug Distanz zum „typisch Deutschen“, das ich im Urlaub gerne vermeide. Aber so europäisch, dass man sich wirklich zuhause fühlt. Entspannt und so unaufdringlich locker-elegant, dass man nie in den Konflikt kommt, beispielsweise eine Krawatte anzulegen, wenn man das in Wirklichkeit gerade nicht will. Und eine sehr menschliche, herzliche Crew, die keine Spur von Arroganz oder Distanziertheit zeigt, die man so oft in teuren Hotels an Land erlebt.
Hallo Franz – sehr guter Artikel!
Wir haben gebucht für nächsten Juli – da wir jedoch zu dritt reisen – ist es „nur“ eine Außenkabine ohne Balkon geworden. Hätten sonst eine Suite buchen müssen, da die normalen Balkonkabinen keine Dreierbelegung zulassen. Und einen Mehrpreis von 4.000,- Euro (kein Witz!) ist meiner Meiung nach nie und nimmer gerechtfertigt.
Eine Frage habe ich noch, in vielen Katalogen und Websites steht, dass auf diesem Schiff überhaupt keine KLeiderordnung herrscht bzw. man die Gala-Outfits daheim lassen kann, ist das nun wirklich so? Du schreibst in Deiner Reportage: „Leger“ bezieht sich in sehr angenehmer Weise übrigens auch auf die Kleiderordnung. Selbst wenn die Empfehlung „formell“ lautet…“!?
Anzug einpacken oder daheim lassen???
Danke + Grüße,
sunshime
@sunshime: Also unsere Fshrt war vielleicht etwas Besonders, weil der französischen Nationalfeiertag während der Kreuzfahrt begangen wurde, und das nehmen Franzosen ja sehr ernst. Daher gab es da einen Gala-Abend, und auch das Farewell-Dinner war etwas festlicher. Aber: An beiden Abenden war die Kleidung der Mitpassagiere ziemlich leger. Manche haten schon auch einen Anzug und Krawatte an, andere aber auch nur ein ordentliches T_Shirt (also nicht irgenwie mit Motörhead-Aufdruck oder sowas ;-) und ordentliche Hose (nicht abgerissene Jeans). Anzug kannst Du also getrost zu Hause lassen. Ich würde aber zum Abendessen schon eine lange Hose und Poloshirt oder evtl. für das Farewell-Dinner auch ein Hemd ohne Krawatte) mitnehmen.