Die Kreuzfahrt steht beim Thema Klimaschutz in der Kritik. Vorgeworfen wird ihr ein zu hoher CO2-Ausstoß, leere Versprechungen und zu wenig Engagement für den Klimaschutz. Gelegentlich wird die Kreuzfahrt sogar als komplett überflüssige Form des Luxus-Urlaubs abgeurteilt. Cruisetricks.de hat den Vizepräsidenten der Royal Caribbean Group für Umweltfragen, Nick Rose, in einem ausführlichen Interview mit den Vorwürfen konfrontiert – und dabei einen selten tiefen Einblick hinter die Kulissen bekommen.
Klimaschutz ist für die Kreuzfahrt-Branche, wie für viele andere Branchen, eine Herausforderung. Die Kreuzfahrt steht in der Öffentlichkeit in einem besonderen Fokus, weil Klimaschutz einerseits möglichst schnell gehen soll, die Kreuzfahrt aber sehr lange Zyklen hat. Vom Planungsbeginn für ein neues Kreuzfahrtschiff bis zum Ende seiner Lebenszeit gehen knapp 40 Jahre ins Land.
Zugleich aber gibt es in Hinblick auf klimaneutralen Betrieb von Kreuzfahrtschiffen die dafür geeignete Technik und Treibstoffe aktuell noch nicht, oder nicht im benötigten Umfang, oder die technische Entwicklung ist noch nicht einmal genauer vorhersehbar. Gesetze und Regularien machen es den Werften und Reedereien oft auch nicht einfacher.
Cruisetricks.de hat mit einem der Top-Manager in der Kreuzfahrt aus diesem Themenbereich gesprochen: Nick Rose, Vice President Environmental, Social and Governance der Royal Caribbean Group. Im Interview erklärt er, wie Kreuzfahrt-Unternehmen das Thema Klimaschutz anpacken, welche Ideen sie dabei antreiben, auf welche Schwierigkeiten sie stoßen und wie sie das Problem lösen wollen.
Themen in diesem Interview:
- Wie realistisch ist Ihre Planung, 2035 das erste klimaneutrale Kreuzfahrtschiff in Betrieb zu nehmen?
- Welche Technologie wird das Rennen machen?
- Und Sie können auch bestehende Motoren für Methanol umrüsten, was Sie mit TUI Cruises testen werden, richtig?
- Sie haben einige Erfahrungen mit Brennstoffzellen auf der Silver Nova. Aktuell ist das nicht sehr vielversprechend …
- Welche Rolle spielen Gesetze und Regularien bei der Entwicklung neuer Technologien?
- Hat sich die Kreuzfahrt in der Vergangenheit nicht immer nur dann vorwärtsbewegt, wenn sie durch Vorschriften dazu gezwungen war?
- Vorschriften von IMO und EU sind teils sehr widersprüchlich. Wie bekommen Sie das unter einen Hut?
- Können sie nicht die bereits verfügbaren Biotreibstoffe für einen 100-Prozent-Betrieb der Schiffe nutzen?
- Wie gehen Sie persönlich mit dem schlechten Klima-Image der Kreuzfahrtbranche um?
Wie realistisch ist Ihre Planung, 2035 das erste klimaneutrale Kreuzfahrtschiff in Betrieb zu nehmen?
Franz Neumeier: Sie wollen im Jahr 2035 das erste Netto-Zero-Kreuzfahrtschiff in Betrieb nehmen. Wenn man bedenkt, dass es etwa sechs Jahre dauert, ein Schiff zu planen und zu bauen, bleiben höchstens fünf, um diese Lösungen zu finden, die es aktuell noch nicht gibt. Wie realistisch ist das?
Nick Rose: Wir halten das für sehr realistisch. Wir haben viele Fortschritte gemacht, manche würden sagen, monumentale Fortschritte, und es gibt noch mehr zu tun.
Schauen Sie sich nur einige der Dinge an, die wir getan haben, wie etwa neue Technologien zu testen, um besser zu verstehen, wie sie funktionieren. Wir verwenden zum Beispiel Dual-Fuel-Motoren und werden bald mit der Einführung des Celebrity Xcel, die mit Methanol betrieben werden kann, Tri-Fuel-Motoren einsetzen.
Das ist noch nicht die endgültige Lösung, aber ich denke, wir werden viel darüber lernen, was dieser Tri-Fuel-Motor leisten kann und welche Kraftstoff-Typen er nutzen kann. Ist das beispielsweise nur Methanol, grünes Methanol, oder funktionieren auch Arten von Alkoholen? Das ist der Entwicklungspfad, auf dem wir uns gerade befinden.
„Es wird die Gesamtheit all dieser Technologien sein, die uns zu einem Net-Zero-Betrieb führen wird.“
Ich kann nicht sagen, welchen konkreten Motortyp ein solches Net-Zero-Schiff im Jahr 2035 haben wird, der die Lösung für die Zukunft darstellt. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir diesen Weg weitergehen und uns die verschiedenen Arten von Technologien ansehen, seien es Brennstoffzellen oder andere Möglichkeiten. Es wird die Gesamtheit all dieser Technologien sein, die uns zu einem Net-Zero-Betrieb führen wird.
Und es geht nicht nur um die Technologie an Bord. Es geht auch um die Technologie zur Herstellung des Treibstoffs, mit dem das Schiff betrieben wird. Wir befassen uns mit beiden Seiten, der Versorgung und dem Betrieb, und wir engagieren uns aktiv bei beiden Aspekten.
Das ist auch der Hauptgrund, warum wir kürzlich den Decarbonization Summit abgehalten haben, ein Treffen von Führungskräften und Experten aus der gesamten maritimen Branche. Wir arbeiten zusammen und tauschen Ideen aus, um besser zu verstehen, welche Möglichkeiten es auf dem Markt gibt. Wer arbeitet woran? Wie können wir ganzheitlicher zusammenarbeiten? Und wir wollen sicherstellen, dass jeder weiß, dass er nicht allein dasteht und dass wir alle ein Teil dieser Entwicklung sein wollen. Technologie, Kraftstoffe und Regularien – wir glauben, dass alle drei Aspekte ein Teil der Lösungen sein müssen.
Welche Technologie wird das Rennen machen?
Franz Neumeier: Vom heutigen Kenntnisstand ausgehend: Was ist die vielversprechendste oder am schnellsten verfügbare Technologie für diesen Weg zur Dekarbonisierung der Kreuzfahrt?
Nick Rose: Ich denke, das sind zwei unterschiedliche Fragen. Wenn Sie mich fragen, was nach unserem heutigen Kenntnisstand am schnellsten zu Net Zero führen kann, dann ist es die Verwendung eines Bio-Kraftstoffs. Das ist eine heute verfügbare Option.
„Zum jetzigen Zeitpunkt denke ich, dass die schnellste Lösung Bio-LNG wäre.“
Wir haben bereits Bio-LNG verwendet, Viking Line hat gerade angekündigt, dass sie Bio-LNG zwischen Turku und Stockholm einsetzen. Natürlich ist eine Fähre etwas ganz anderes als ein Kreuzfahrtschiff. Aber wenn man die richtige Lieferkette hat, kann man sehr schnell eine Net-Zero-Welt schaffen.
Und natürlich wird das auf einer Well-to-Wake-Basis gemessen. Denn damit einer dieser zukünftigen Kraftstoffe auch wirklich funktioniert, muss man zu einer „Well-to-Wake“-Messung kommen. Ob Methanol oder Bio-LNG, sie basieren immer noch auf Kohlenstoff. Aber durch die Art der Herstellung lassen sich die Emissionen im Vorfeld vermeiden. Das könnte also eine Option für die Zukunft sein.
Zum jetzigen Zeitpunkt denke ich, dass die schnellste Lösung Bio-LNG wäre.
Franz Neumeier: … wenn die Verfügbarkeit gegeben ist …
Nick Rose: Korrekt. Wir haben ziemlich deutlich gesagt, dass wir glauben, dass die Welt der Kraftstoffe in den nächsten Jahrzehnten zersplittert sein wird, was bedeutet, dass es nicht einen einzelnen Kraftstoff geben wird, der sich durchsetzt.
Aber natürlich ist Methanol und seine Fähigkeit, aus verschiedenen Quellen hergestellt zu werden, eine der Möglichkeiten, die wirklich machbar sind. Man kann Methanol sogar direkt mit Hilfe elektrischer Energie erzeugen. Solange es erneuerbare Energie und Kohlenstoffspeicher gibt, die man nutzen kann, kann man beides zur Produktion von grünem Methanol kombinieren.
Und Sie können auch bestehende Motoren für Methanol umrüsten, was Sie mit TUI Cruises testen werden, richtig?
Nick Rose: Ja. Aber die Celebrity Xcel wird der größte Wendepunkt sein. Die Xcel wird das erste Schiff sein, das diese Umrüstung des Motors komplett vornimmt.
Die Xcel wird als erstes Kreuzfahrtschiff einen solchen Motor haben. So gesehen hoffen wir, dass das, was wir auf der Xcel machen, dann auch einen Rückschluss darauf zulässt, wie eine Nachrüstung bestehender Schiffe funktioniert.
Sie haben einige Erfahrungen mit Brennstoffzellen auf der Silver Nova. Aktuell ist das nicht sehr vielversprechend …
Nick Rose: Richtig, denn der Reformer, der für die Umwandlung von Flüssiggas in den für die Brennstoffzellen benötigten Wasserstoff erforderlich ist, funktioniert im Moment noch nicht zufriedenstellend.
Franz Neumeier: Halten Sie die Variante an Brennstoffzellen-Technik, die Sie auf der Silver Nova mit dem LNG und dem Reformer versuchen, für endgültige Lösung? Oder denken Sie eher daran, Wasserstoff direkt zu verwenden und den Reformierungsprozess zu eliminieren?
Nick Rose: Ich denke, dass es zunächst die reformierte Version sein wird. Die Brennstoffzelle selbst arbeitet mit Wasserstoff, der aus verschiedenen Gasen reformiert werden kann. So gesehen kommt es also eher auf den Reformierungsprozess an.
Wenn die Technologie weiter fortschreitet und effizienter wird, könnte man einen hybriden Ansatz verfolgen oder einfach kleinere Mengen als bislang nötig an Wasserstoff mitführen, die direkt in diesen Brennstoffzellen verwendet werden können.
Wir wissen, dass Brennstoffzellen theoretisch in der Lage sind, Energie mit einem Wirkungsgrad von 80 bis 90 Prozent umzuwandeln. Wenn wir dieses Niveau erreichen, wird die benötigte Treibstoffmenge viel geringer, weil wir aus jedem einzelnen Molekül mehr herausholen können.
Wenn sich diese Technologie weiterentwickelt, wird es vielleicht einfacher, den Treibstoff zu bunkern. Vielleicht können wir ein oder zwei Tanks mit Wasserstoff an Bord haben, und der Rest des Schiffes arbeitet mit Methanol oder etwas anderem. Das Problem bei der Beförderung von Wasserstoff in den heute benötigten Mengen ist der Platzbedarf und die extrem niedrige Temperatur des flüssigen Wasserstoffs. Das macht es sehr schwierig.
Franz Neumeier: Soweit ich weiß, sollten die Brennstoffzellen auf der Silver Nova auch den Weg bereiten, um auch auf Royal Caribbeans größten Schiffen der Icon-Klasse Brennstoffzellen einzusetzen. Das klappt jetzt natürlich erst einmal nicht, oder?
Nick Rose: Nein. Aber schauen Sie, was wir auf der Utopia of the Seas gemacht haben und was für die Star of the Seas vorbereitet wird: Der Platz (für die Brennstoffzellen) ist komplett vorbereitet, alle Anschlüsse, die gesamte Verkabelung, die Rohrleitungen, alles ist vorhanden. Wir machen das, weil wir davon überzeugt sind, dass Brennstoffzellen Teil unserer gesamten Energiesysteme werden.
Wir sind dabei, diese Art der Brennstoffzelle abschließend zu prüfen. Sie wird gerade an Land getestet, und wir haben die Test-Methodik dafür verbessert. Wenn sie diese Tests bestanden hat, können wir sie hoffentlich bald an Bord einbauen.
Franz Neumeier: Sind die Dimensionen der Brennstoffzellen auf diesen beiden großen Schiffen ähnlich wie auf der Silver Nova? Haben Sie Brennstoffzellen für den gesamten Hotelbetrieb, oder sind sie kleiner dimensioniert?
Nick Rose: Bezogen auf die Schiffsgröße ist der Maßstab kleiner, aber die absolute Leistung ist ungefähr dieselbe. Der Energiebedarf der Icon of the Seas im Hafen ist natürlich ein ganz anderer als bei der Silver Nova.
Welche Rolle spielen Gesetze und Regularien bei der Entwicklung neuer Technologien?
Franz Neumeier: Neben dem Preis für die Verfügbarkeit der Technologie spielen auch regulatorische Fragen der IMO, der USA und der Europäischen Union eine Rolle. Werden Sie in Ihrer Entwicklung oder Planung durch regulatorische Fragen gebremst?
Nick Rose: Ja und nein. Ja, es bremst uns in der Planung, denn auch wenn wir schneller vorankommen wollen, müssen wir immer die Vorschriften berücksichtigen und einhalten.
„Die CII-Kennzahl ist eine Vorschrift. Wir müssen sie einhalten. Aber sie hat uns auch davon abgehalten, die Gesamtemissionen zu reduzieren.“
Das haben wir zum Beispiel in diesem Jahr beim CII (Carbon Intensity Indicator der IMO) gesehen. Wir, die CLIA und die Branche wussten schon sehr früh, dass die Kennzahl angepasst werden muss, und deshalb haben wir natürlich versucht, einen Korrekturfaktor einzuführen. Inzwischen haben wir bei der IMO einen Vorschlag für eine ganz neue Metrik vorgelegt.
Die CII-Kennzahl selbst ist eine Vorschrift. Wir müssen sie einhalten. Aber sie hat uns auch davon abgehalten, die Gesamtemissionen zu reduzieren, weil wir auf einigen unserer Fahrten mehr und mit höherer Geschwindigkeit fahren mussten, um diese im Grunde willkürliche CII-Kennzahl zu erfüllen. Das war das Gegenteil von dem, was wir eigentlich erreichen wollten.
Ja, die Vorschriften spielen also eine Rolle. Ja, wir nehmen sie ernst und ja, wir halten sie für notwendig.
Aber ich würde sagen, dass sie nicht der alleinige Treiber sind, denn wir wollen die Technologie weiter voranbringen. Und wir wissen, dass die Regulierung ein Teil davon sein muss, um die Technologie nützlich, realisierbar und langfristig auch wirtschaftlich zu machen.
„Viele wollen, dass die Dinge vom ersten Tag an 100 Prozent perfekt sind. Das ist ein Nachteil für den technischen Fortschritt.“
Das Problem war schon immer: Treibt die Technologie die Regulierung voran oder treibt die Regulierung die Technologie voran? Und wenn ja, wie groß ist die Kluft zwischen beiden? Wir glauben, dass die Regulierung Anreize schaffen kann. Wenn sie aber auf einem so hohen Niveau oder, sagen wir, auf einem restriktiveren Niveau angesiedelt ist, kann sie sogar das Gegenteil bewirken. Deshalb sind wir der Meinung, dass Regulierung in gewissem Maße vorteilhaft ist, aber auch nachteilig sein kann, wenn sie falsch eingesetzt wird.
Wenn der erste Typ einer neuen Technologie auf den Markt kommt, wird das nicht perfekt sein, muss aber dennoch innerhalb des gesetzlichen Rahmens eingesetzt werden. Es muss also ein Gleichgewicht herrschen.
Wenn wir allgemein über globale Vorschriften sprechen, wollen viele, dass die Dinge vom ersten Tag an 100 Prozent perfekt sind, und das ist ein Nachteil für den technischen Fortschritt.
Ich denke also, dass das eine das andere vorantreiben muss. Aber es darf nicht so weit gehen, dass es die Menschen davon abhält, Fortschritte zu machen.
Hat sich die Kreuzfahrt in der Vergangenheit nicht immer nur dann vorwärtsbewegt, wenn sie durch Vorschriften dazu gezwungen war?
Franz Neumeier: Sie sagen also, dass die Kreuzfahrtindustrie oder Royal Caribbean Fortschritte über das hinaus erzielt, was gesetzlich vorgeschrieben ist? Meine allgemeine Beobachtung der Branche in der Vergangenheit war, um ehrlich zu sein, eher, dass sich die Dinge erst dann vorwärtsbewegt haben, wenn es entsprechende Vorschriften gab, zum Beispiel bei den Abgasreinigungsanlagen. Lange Zeit sagten alle, das sei unmöglich, oder die Technologie sei nicht verfügbar oder bereit. Dann kamen die Vorschriften, und plötzlich waren Abgasreiniger sehr schnell verfügbar …
Nick Rose: Nun, ich kann für die Royal Caribbean Group sprechen, wo ich seit 20 Jahren tätig bin: Ich würde dem nicht zustimmen.
Wir haben unseren ersten Scrubber im Jahr 2010 auf einem Schiff installiert, zehn Jahre vor den entsprechenden Vorschriften. Wir wussten, dass dies kommen würde. Wir wussten, dass wir das tun wollten, und wir wussten, dass die Technologie uns helfen würde, das Ziel zu erreichen.
Wir waren auch die Ersten und zu einem bestimmten Zeitpunkt die Einzigen, die hybride Wäscher eingesetzt haben, so dass wir sowohl im geschlossenen als auch im offenen Kreislauf arbeiten können. Denn wir wussten, dass dies im realen Betrieb ein umstrittenes Thema werden würde.
„Es gibt ein empfindliches Gleichgewicht zwischen „leading edge“ und „bleeding edge“.“
Ich würde also sagen, dass die Royal Caribbean Group die Dinge gerne im Voraus plant. Aber es gibt auch ein empfindliches Gleichgewicht zwischen „leading edge“ und „bleeding edge“. Führend ist: Sie sind führend, Sie sind da draußen, Sie machen Fortschritte, Sie gehen in diese Richtung, aber Sie sind nicht zu weit weg. Sie wollen sicherstellen, dass Sie sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort bewegen.
Franz Neumeier: Mit der Silver Nova sind Sie ziemlich nahe an der „bleeding edge“ …
Nick Rose: Richtig. Und wir brauchen Regularien, um diese Technologie zu unterstützen. Denn es gilt zu bedenken: Wenn die Regularien das nicht unterstützt, wie sie es bei den Scrubbern getan haben – wir haben die Scrubber koordiniert und in Zusammenarbeit mit mehreren Regulierungsbehörden wie der US EPA und der IMO sowie unseren eigenen Flaggenstaaten eingebaut, lange bevor andere Unternehmen darüber nachdachten, dies zu tun. Das hat uns bei der Umsetzung sehr geholfen.
„Beim CO2 ist das etwas anders, weil für die einzelnen Staaten so viel auf dem Spiel steht.“
Beim CO2 ist das etwas anders, weil für die einzelnen Staaten so viel auf dem Spiel steht, dass sie weniger Interesse daran haben, dass sich die Technologie weiterentwickelt, ohne sie in irgendeiner Form von Kontrolle darüber haben.
Genau da müssen wir ansetzen. Wir versuchen, so weit wie möglich eine Führungsposition zu übernehmen. Wir haben unsere eigenen internen Grundsätze, um über nur die Einhaltung der Vorschriften hinauszugehen. Diese Grundsätze beruhen auf der Überzeugung, dass sich alles, was wir heute tun, die Zukunft verändern wird. Warum also lediglich das erfüllen, was nach dem heutigen Stand notwendig ist?
„Wir sollten in das investieren, was wir in näherer Zukunft und darüber hinaus brauchen.“
Wir wollen für die Zukunft vorbauen! Denn entweder ändern sich die Abläufe oder die Vorschriften. Wir sollten also nicht nur in das investieren, was wir heute tun müssen. Wir sollten in das investieren, was wir in näherer Zukunft und darüber hinaus brauchen. Das ist unser Standpunkt bei der Royal Caribbean Group.
Ganz allgemein denke ich, dass die Kreuzfahrtbranche den technischen Fortschritt vorangetrieben hat. Wir können sogar noch weiter zurückblicken. Im Jahr 2004 haben wir uns verpflichtet, jedes unserer Schiffe mit einem fortschrittlichen Abwasserreinigungssystem (AWP) auszustatten, noch bevor so etwas überhaupt entwickelt worden war.
Ich stehe heute hier und kann Ihnen sagen, dass alle unsere Schiffe damit ausgestattet sind. Das ist Standard. Man baut heute kein Kreuzfahrtschiff mehr ohne ein solches System. Wenn Sie sich also vor Augen führen, was wir 2004 getan haben und wo wir heute stehen, dann war das eine Entwicklung, die von unserem Engagement angetrieben wurde, an der Spitze zu stehen.
Vorschriften von IMO und EU sind teils sehr widersprüchlich. Wie bekommen Sie das unter einen Hut?
Franz Neumeier: Vergleicht man die Vorschriften der IMO und insbesondere der Europäischen Union, so ist die IMO weit zurück, wenn es um die Berücksichtigung von Methan respektive LNG geht. Die Europäische Union hat das für 2024 bereits in ihre Vorschriften und ihr öffentliches Reporting-System aufgenommen. Bringt diese unterschiedlichen Vorschriften Sie in Schwierigkeiten mit Ihren Metriken? Wie bekommen Sie das zusammen? Und welche Art von Zahlen kommunizieren Sie in Ihrem öffentlichen Nachhaltigkeitsbericht?
Nick Rose: Ich kann Ihnen aus der Perspektive der Royal Caribbean Group sagen, denn für unseren Nachhaltigkeitsbericht ist das ziemlich klar: Wir messen alles auf „Well-to-Wake“-Basis, und dazu gehört auch Methan. Seit 2008, als wir zum ersten Mal die Daten dazu erfasst haben, beziehen wir Methan in die traditionellen Treibstoffe mit ein. Zugegeben, diese traditionellen Treibstoffe haben einen sehr geringen Methan-Fußabdruck.
„Wir messen alles auf „Well-to-Wake“-Basis, und dazu gehört auch Methan.“
Aber ein gewisser Methan-Fußabdruck ist vorhanden. Alle unsere Reporting-Systeme berücksichtigen das. Wir hatten zunächst keinen so großen Unterschied, als wir Methan mit einbezogen haben, weil die Icon of the Seas und die Silver Nova ja unsere ersten beiden Schiffe waren, bei denen Methan ein wesentlicher Faktor für das Reporting wurde. 2024 haben wir in Bezug auf diese beiden Schiffe also zum ersten Mal Werte für ein komplettes Jahr.
Und aus der Sicht der IMO werden wir gemäß den IMO-Richtlinien Bericht erstatten, und zwar hier eben nur für den „Tank-to-Wake“-Bereich.
Aus der Unternehmensperspektive sind jedoch alle unsere Ziele und unsere Politik auf einer „Well-to-Wake“-Basis ausgerichtet, was auch Methan einschließt. Unsere Berichte werden auf einer „Well-to-Wake“-Basis erstellt.
Aber in Bezug auf die derzeitigen IMO-Vorschriften mit „Tank-to-Wake“-Ansatz ist es ein großer Nachteil, Biokraftstoffe zu verwenden, da diese natürlich Kohlenstoff enthalten und ihr Einsatz nur Sinn ergibt, wenn wir „Well-to-Wake“ messen, da dieser Kohlenstoff aus erneuerbaren Quellen stammt.
„Die Situation ist nicht perfekt, da stimme ich Ihnen völlig zu.“
Die Situation ist nicht perfekt, da stimme ich Ihnen völlig zu. Aber die IMO hat in diesem Jahr einen Leitfaden herausgegeben, der ein „Tank-to-Wake“-Szenario für die Berichterstattung über Biokraftstoffe zulässt. Auf dieser IMO-Skala liegt die Reduzierung dann irgendwo zwischen 60 und 65 Prozent. Das ist nicht perfekt und vor allem nicht, wenn die EU definiert, dass die Emissionen von Biokraftstoff aus einem bestimmten Bio-Rohstoff gleich Null seien. Und dann heißt es plötzlich von der IMO, der niedrigste Wert, den man damit erreichen könne, sei minus 60 Prozent.
Vor vier MEPCs (Ausschuss für den Schutz der Meeresumwelt der IMO), also MEPC80, wurde ein Leitfaden herausgegeben, der besagt: ‚Ja, wir müssen diese Biokraftstoffe berücksichtigen, und hier steht, wie das umgesetzt werden kann.‘ Wir hoffen, dass auf der MEPC-Tagung, die vom 30. September bis 4. Oktober 2024 stattfindet, die umfassende Ökobilanz für die jeweiligen Kraftstoffe bei der IMO festgelegt wird, so dass wir eine international einheitlichere Methode zur Bewertung all dieser Kraftstoffe auf der Grundlage ihres Lebenszyklus haben werden, was die IMO zu dem endgültigen Entscheidungspunkt bringen würde, ob sie von „Tank-to-Wake“ auf „Well-to-Wake“ umstellen wird.
Wir werden sehen, was die Mitgliedsstaaten entscheiden, aber aus Sicht der Schifffahrt blicken wir dem positiv entgegen. Denn wie Sie sehr deutlich gemacht haben, hilft keiner der künftigen Kraftstoffe in einer Welt, in der es nur „Tank-to-Wake“ gibt. Wir müssen uns für die Zukunft auf eine Welt des „Well-to-wake“ einstellen.
Können sie nicht die bereits verfügbaren Biotreibstoffe für einen 100-Prozent-Betrieb der Schiffe nutzen?
Franz Neumeier: Innerhalb der Royal Caribbean Group haben Sie im letzten Jahr mit der Erprobung verschiedener Arten von Biokraftstoffen begonnen und werden dies in diesem Jahr fortsetzen, mit dem Potenzial, die Emissionen der bestehenden Schiffe erheblich zu senken. Gibt es eine technologische Grenze für den Anteil an Biokraftstoff, den Sie verwenden können? Oder könnten Schiffe zu 100 Prozent mit Biokraftstoff betrieben werden, wenn dieser zu einem wirtschaftlich sinnvollen Preis erhältlich wäre?
Nick Rose: Wir haben über ein Jahr lang Biokraftstoff getestet, darunter auch eine 100-prozentige HVO-Lösung (Hydrotreated Vegetable Oil). Und es hat funktioniert. Also technologisch gesehen: ja. Aber wir sind durch die Verfügbarkeit und die Art der Biokraftstoffe eingeschränkt.
„Wir haben über ein Jahr lang Biokraftstoff getestet, darunter auch eine 100-prozentige HVO-Lösung. Und es hat funktioniert. “
Es gibt zwei Haupttypen, HVO und FAME (Fettsäuremethylester). Mit HVO kann man 100 Prozent fahren, das haben wir bewiesen. FAME ist ein bisschen schwieriger. Einige Motoren kommen damit unter dem Aspekt der Schmierfähigkeit nicht gut zurecht, weil das kein sehr geschmeidiger Kraftstoff ist.
Wir arbeiten also weiter daran, das zu verbessern. Wir hatten noch keine Gelegenheit, FAME zu 100 Prozent zu testen, aber wir glauben, dass wir auf lange Sicht eine Lösung finden und die notwendigen Änderungen vornehmen werden.
Wie gehen Sie persönlich mit dem schlechten Klima-Image der Kreuzfahrtbranche um?
Franz Neumeier: Wenn Sie in der Kreuzfahrtbranche arbeiten, vor allem mit einer Berufsbezeichnung, in der das Wort „Umwelt“ vorkommt, was sagen Sie dann Freunden, Familienangehörigen und Menschen, die das Image dieser Branche als eine der schlimmsten in Bezug auf CO2-Intensität und Umweltschäden wahrnehmen?
Nick Rose: Ich persönlich wurde bislang nur von sehr wenigen Leuten angesprochen, aber mit denen, die es taten, habe ich mich zusammengesetzt und ihnen erklärt, warum ich hier bin und was ich tue. Ich habe das Glück, ein Unternehmen wie die Royal Caribbean Group in eine Richtung bewegen zu können, die sowohl für das Unternehmen als auch für uns Menschen auf diesem Planeten nachhaltiger ist.
„Nichts wird über Nacht perfekt sein. Es geht um den Weg dahin.“
Es macht mir Freude, weil ich ein Mensch bin, der immer wieder fragt: Wie können wir besser werden? So bin ich aufgewachsen. Meine Großmutter war Biologieprofessorin am College. Sie sagte uns, dass die Wissenschaft dazu da ist, immer besser zu werden, eine Theorie zu beweisen, eine Theorie zu verbessern, voranzukommen. So sehe ich diese Arbeit auch.
Letztendlich möchte ich Teil von etwas sein, das immer besser wird. Nichts wird über Nacht perfekt sein. Es geht um den Weg dahin und darum, sicherzustellen, dass wir uns letztendlich in die richtige Richtung bewegen.
Wir danken Nick Rose für das Interview und die tiefen Einblicke und das komplizierte Geflecht aus Technologie, Regularien und Strategien.
Als „Vice President Environmental, Social and Governance“ der Royal Caribbbean Group ist Nick Rose verantwortlich für Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen bei des zweitgrößten Kreuzfahrtunternehmens der Welt mit den drei Marken Royal Caribbean International, Celebrity Cruises und Silversea Cruises sowie indirekt auch mit Einfluss auf Joint-Venture-Partner TUI Cruises inklusive Hapag-Lloyd Cruises.
Im Oktober 2005 begann er seine Karriere als Umweltoffizier bei Royal Caribbean uns beschäftigt sich seitdem in unterschiedlichen Positionen mit regulatorischen und Umwelt-Aspekten in der Royal Caribbean Group. Seit Dezember 2022 ist er Vizepräsident und leitet den Bereich, der sich mit den Themen Umwelt, Soziales und Unternehmensverantwortung beschäftigt.
Und Royal Caribbean setzt ernsthaft an die Realisierung klimafreundlicher Technologien und nimmt dafür viel Geld in die Hand statt nur zu schimpfen. Sehr lobenswert.
Ich bin der Auffassung, dass das Ksapital viel mehr zum Klimaschutz beiträgt als sogenannte „gemeinnützige Organisaionen“.