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Stornogebühr, auch wenn die Kreuzfahrt später von der Reederei abgesagt wird

Wer eine Kreuzfahrt zu früh storniert, muss womöglich auch dann Stornogebühren zahlen, wenn die Reederei genau diese Kreuzfahrt später selbst absagt. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Es ging um Fälle aus Corona-Zeiten, doch das Urteil klärt auch die rechtliche Lage für künftige, ähnliche Situationen.

Zu Beginn der Pandemie sahen sich viele Kreuzfahrer und andere Urlauber vor einem besonderen Dilemma: Die Meldungen über zunehmende Corona-Fälle zunächst aus Asien, dann auch aus anderen Teilen der Welt häuften sich. Die im Februar 2020 in Japan unter Quarantäne gestellte Diamond Princess machte wochenlang Schlagzeilen.

Aus Angst vor Ansteckung, chaotischen Verhältnissen, Quarantäne oder fehlenden Rückreisemöglichkeiten aus den Reiseländern stornierten viele ihre Kreuzfahrten, während von den Reedereien zu diesem Zeitpunkt noch keine Kreuzfahrt-Absagen kamen. Urlauber wollten in dieser Situation aber auf keinen Fall verreisen.

Die Reedereien warteten zunächst jedoch noch ab, ob sich die Lage wieder verbessern würde. Am 13. März 2020 beschlossen Kreuzfahrt-Reedereien dann zwar weltweit, alle bevorstehenden Reisen abzusagen, zunächst aber nur für überschaubare Zeiträume von einigen Wochen oder Monaten – in der Hoffnung, die Lage könnte sich schnell wieder beruhigen. Vergeblich, wie sich aber eben erst später herausstellte. Auch das Auswärtige Amt sprach zunächst nur eine bis 20. April 2020 befristete Reisewarnung aus.

Zur Auslegung beim Europäischen Gerichtshof vorgelegt

Strittig war die Frage, ob für eine nachträglich ohnehin vom Reiseveranstalter abgesagte beziehungsweise wegen der Umstände nicht durchführbare Reise dennoch Stornogebühren anfallen können.

Weil das deutsche Pauschalreiserecht auf der Pauschalreise-Richtlinie der EU basiert, hatte der BGH die Streitfrage beim EuGH zur entsprechenden Rechtsauslegung der Pauschalreise-Richtlinie (genauer: Art. 12, Abs. 2) vorgelegt.

Die wesentliche Frage: Liegt ein Recht auf Rücktritt nur dann vor, wenn die dafür notwendigen „unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände“ zu Zeitpunkt des Rücktritts bereits aufgetreten sind? Oder auch dann, wenn sie erst nach dem Rücktritt, aber noch vor dem geplanten Beginn der Reise tatsächlich auftreten?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied, dass nur die Situation zu berücksichtigen sei, die zum Zeitpunkt des Reiserücktritts bestanden habe. Die subjektive Erwartung, dass es schlimmer werden könnte, reicht demnach nicht automatisch aus, um von einer Reise kostenfrei zurückzutreten. Und zwar eben auch dann nicht, wenn die befürchtete Verschlimmerung und damit dann ein Rücktrittsgrund später tatsächlich eintritt.

Kein Automatismus: Einzelumstände müssen geprüft werden

Die Sichtweise der EuGH und dem folgende des BGH klingt nach einer einfachen Formel bei der Stornierung von Reisen: Wer zuerst zuckt, verliert – sprich: bleibt auf dem Schaden sitzen. Doch so einfach ist es bei weitem nicht. Denn der BGH hat nur festgestellt, dass es keinen Automatismus gibt: Urlauber waren eben nur nicht automatisch berechtigt, kostenfrei von einer Reise zurückzutreten, nur weil diese Reise später tatsächlich vom Veranstalter abgesagt wurde. Es spielt also bei der Frage über das kostenfreie Rücktrittsrecht keine Rolle, ob die Reise später tatsächlich stattfindet oder nicht.

Deshalb hat der BGH die kürzlich entschiedenen Fälle an die zuständigen Gerichte zurückverwiesen. Dort muss geprüft werden, ob die Situation zum Zeitpunkt des Stornos durch die Reisenden dennoch bereits eine Situation vorlag, die einen kostenfreien Rücktritt von den Reisen ermöglicht hatte.

Denn die BGH-Urteile schließen keineswegs aus, dass der kostenfreie Rücktritt von der jeweiligen Reise je nach konkreter Sachlage in den einzelnen Fällen berechtigt gewesen sein könnte. Die zuständigen Gerichte müssen jetzt noch einmal beurteilen, wie wahrscheinlich und wie erheblich die Beeinträchtigung der Reise nach dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Stornos durch die Reisenden war.

Interessant wird dabei möglicherweise auch, in welcher Höhe das Gericht gegebenenfalls die Stornogebühr (juristisch: Entschädigung für den Reiseveranstalter) festlegt. Das hängt nicht zuletzt auch davon ab, was zu diesem Thema im Reisevertrag vereinbar ist. Denn auch das sagt der BGH: „Eine Absage der Reise führt nicht ohne weiteres dazu, dass die Höhe der ersparten Aufwendungen dem Reisepreis entspricht (…).“ Einfach ausgedrückt: Obwohl die Reise später abgesagt wurde, ergibt sich daraus nicht, dass dem Reiseveranstalter durch das frühzeitige Stornieren durch die Reisenden nicht ein Schaden entstanden sein könnte.

Drei unterschiedliche Fälle mit zunächst gleichem Ergebnis

In einem Fall ging es um eine Ostseekreuzfahrt für August 2020, die von den Reisenden am 31. März 2020 storniert, aber von der Reederei erst am 10. Juli 2020 abgesagt wurde (28.1.2025 – X ZR 3/22).

In einem zweiten Fall handelt es sich um eine im Januar 2020 gebuchte landbasierte Japan-Reise für April 2020, die die Reisenden am 1. März 2020 stornierte (28.1.2025 – X ZR 53/21). Erst am 26. März 2020 erließ Japan aber ein Einreiseverbot, das die Reise tatsächlich unmöglich machte.

Im dritten vom BGH entschiedenen Fall ging es um zwei im Juni und Juli 2019 gebuchte Pauschalreisen: für Mai 2020 nach Mallorca und zu einer Flusskreuzfahrt auf der Wolga für September 2020. Beide stornierten die Reisenden am 14. April 2020 (28.1.2025 – X ZR 55/22). Und beide Reisen wurden später vom Veranstalter tatsächlich abgesagt.

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Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

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