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Antarktis-Expeditionsschiff Ocean Nova (Foto: James Byrum)

Antarktis-Kreuzfahrten nur noch unter strengen Auflagen

Ab August 2011 fahren große Kreuzfahrtschiffe mit mehreren Tausend Passagieren (nahezu) nicht mehr in die Antarktis. Das ist die Folge strenger neuer Umweltschutzvorschriften, die ab der Saison 2011/2012 gelten und die Verwendung von Schweröl als Schiffstreibstoff aus der Antarktis verbannen. Kreuzfahrt-Fans sehen die neuen Vorschriften mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits schützt der Bann auf Schweröl das empfindliche Ökosystem der Antarktis. Genau wegen dieses fantastischen Naturerlebnisses ist die Antarktis der Stoff für Kreuzfahrer-Träume.

Andererseits gibt es Kreuzfahrten in diese entlegene Region der Welt dann nahezu nicht mehr in der vergleichsweise günstigen „cruise only“-Variante auf großen Schiffen mit bis zu 2.000 Passagieren, wie sie zuletzt Celebrity Cruises, Princess Cruises, Holland America Line, Crystal Cruises und Regent Seven Seas im Angebot hatten. Zu teuer wäre es für die Reedereien, diese Schiffe komplett mit Dieseltreibstoff zu betreiben.

Teurer Dieseltreibstoff statt billigem Schweröl

Bislang konnten die Kreuzfahrtschiffe mit gewöhnlichem Schweröl als Treibstoff fahren. Jetzt müssen sie komplett auf deutlich teures Marine Diesel oder Marine Gas umstellen und können auch auf der zweitägigen Überfahrt von Argentinien bis in die Antarktis kein Schweröl mehr verfeuern. Schweröl darf nämlich von August 2011 an in der gesamten Antarktis nicht einmal mehr in den Tanks von Schiffen lagern, die diese Region befahren. Vor der Passage in die Antarktis müsste das gesamte Schweröl aus den Tanks der großen Schiffe abgepumpt werden.

Da es im nächstgelegenen Hafen außerhalb der Antarktis, dem argentinischen Ushuaia keine Möglichkeit gibt, Schweröl aus Schiffstanks abzupumpen, bleibt den größeren Schiffen nur ein gewagter Trick: Die mitgeführte Schwerölmenge muss so kalkuliert sein, dass das Schweröl kurz vor der Antarktis vollständig aufgebraucht ist. Dann könnte man mit zugelassenen, leichteren Treibstoffen durch die Antarktis bis Ushuaia zu fahren, wo man wieder neues Schweröl bunkern könnte. Die Veendam von Holland America Line sowie die Azamara Journey haben einen solches Experiment in der Saison 2011/2012 offenbar jeweils einmal vor, denn eine Antarktis-Durchfahrt steht bei diesen zwei Schiffen nach wie vor im Routenplan. Alternativ bliebe nur, die komplette Kreuzfahrt mit einem wesentlich teureren, leichten Treibstoff zu fahren.

Sebastian Ahrens, (früherer) Geschäftsführer von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, kommentiert: „Die neue Regelung wird den Tourismus in der Antarktis sicher stark verändern. Schiffe mit Kapazitäten von 1.000 Passagieren werden es sich nicht leisten können, Schweröl komplett abzupumpen und Dieselöl zu bunkern. Deshalb erwarten Experten einen Rückgang der Touristenzahlen.“

Faktisch unberührt von den neuen Regeln bleiben die klassischen Antarktis-Expeditionen auf Schiffen mit weniger als 500 Passagieren, die in der Regel ohnehin nicht mit Schweröl fahren. Dazu zählen beispielsweise die Bremen und Hanseatic von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, die Fram von Hurtigruten und die Silver Explorer (ex Princess Albert II) von Silversea Cruises sowie die beiden Luxuskreuzfahrt-Yachten Le Boreal und L’Austral der französischen Reederei Compagnie du Ponant.

Vorteil für kleine Schiffe mit weniger als 100 Passagieren

Das intensivste Antarktis-Erlebnis bieten indes die ganz kleinen Expeditionsschiffe wie die Ocean Nova mit lediglich 68 Passagieren, der Antarctic Dream mit 84 Passagieren oder die Akademik Ioffe mit maximal 96 Passagieren. Nur eine Handvoll solcher ganz kleiner Schiffe sind in der Antarktis unterwegs (siehe Übersicht am Ende des Beitrags), bieten ihren Passagieren aber einen wesentlichen Vorteil, der sich direkt aus strikten Umweltregeln ergibt: In der Antarktis dürfen nie mehr als 100 Passagiere gleichzeitig an Land gehen und je 20 Passagieren muss die Reederei einen Guide zur Seite stellen – als fachkundigen Führer ebenso wie als Hüter der Natur.

Frank Fietz, Fachmann für Kreuzfahrten in die Antarktis und früher Geschäftsführer des inzwischen insolventen deutschen Spezialkreuzfahrt-Anbieters Polar Kreuzfahrten: „Nur auf den kleineren Expeditionsschiffen können Sie das maximale Naturerlebnis genießen. Wenn sie auf einem Schiff mit zum Beispiel 250 Passagieren in die Antarktis reisen, werden die Passagiere in drei Gruppen eingeteilt und an Land sprichwörtlich durchgeschleust.“

Auf Schiffen mit weniger als 100 Passagieren gibt es grundsätzlich also mehr Zeit für ausgiebige Landgänge. Allerdings schlägt sich dieser Vorteil auch im Kreuzfahrtpreis nieder.

Bei größeren Schiffen gehen die Polar-Touristen dagegen gruppenweise nacheinander an Land. Hurtigruten-Sprecherin Sabine Eckert beschreibt: „Bei den Landgängen in der Antarktis liegt unser Schiff jeweils so lange vor Reede, dass man die Passagiere in zwei Gruppen nacheinander an Land bringen kann. Das wir in der Regel nicht mehr als 200 Gäste an Bord haben, ist das Procedere gut in zwei beziehungsweise in Ausnahmefällen auf drei Durchgänge zu beschränken, so dass die zeitliche Organisation realistisch bleibt.“

Selbst für „cruise only“-Kreuzfahrten in die Antarktis gebe aber es Stellen, wo die Kreuzfahrtschiffe relativ nahe beispielsweise an Pinguin-Kolonien heranfahren könnten – „sicher und verantwortungsbewußt in Hinblick auf die Umwelt“, wie Steve Wellmeier, Executive Director der Tour-Anbieter-Vereinigung IAATO, betont.

Umweltschutz-Regeln für die Antarktis: MARPOL

Bei kaum einer Region in der Welt ist man sich beim Umweltschutz international so einig wie bei der Antarktis. Auf die neuen Vorschriften hatte man sich geeinigt, weil man einerseits schwerwiegende Langzeitfolgen beim Auslaufen von Schweröl etwa bei einer Havarie in der Antarktis befürchtet. Schweröl würde sich im Gegensatz zu Schiffsdiesel bei den dauerhaft kalten Temperaturen möglicherweise jahrelang nicht zersetzen würde. Außerdem sollen die Emission vor allem von Schwefeloxiden stark reduziert werden.

geschützte Antarktis-Region: alles südlich des 60. Breitengrades (Grafik: NASA)
geschützte Antarktis-Region: alles südlich des 60. Breitengrades (Grafik: NASA)

Festgehalten sind die neuen Vorschriften in der International Convention for the Prevention of Marine Pollution from Ships (kurz: MARPOL). MARPOL ist ein weltweit bindendes Regelwerk der UN-Organisation IMO (International Maritime Organization), das zahlreiche Vorschriften zum Umweltschutz in Zusammenhang mit der Schifffahrt enthält, unter anderem speziell zur Antarktis.

In der MARPOL ist die Antarktis definiert als die Region südlich des 60. Breitengrades. Die strengen Vorschriften gelten also auch für South Orkney Island und die South Shetland Islands, nicht jedoch für die weiter nördlich gelegenen Falkland-Inseln.

Die neuen Regeln zielen übrigens nicht explizit auf große Kreuzfahrtschiffe. In der Vergangenheit waren es vielmehr kleinere Kreuzfahrtschiffe wie im vergangenen Jahr die Polar Star, die in der Antarktis gelegentlich auf Grund liefen. Größere Mengen Schweröl sind bei solchen Unfällen in den letzten Jahren nicht ausgetreten. Die MARPOL-Ergänzung ist daher in der Tat einmal eine Vorsorgemaßnahme, die ergriffen wird, bevor etwas passiert ist.

Steve Wellmeier, Executive Director der IAATO, betont denn auch gegenüber cruisetricks.de, dass die größeren Kreuzfahrtschiffe in der Antarktis über mehr als ein Jahrzehnt hinweg eine makellose Bilanz für ihre Antarktis-Kreuzfahrten vorweisen könnten. Man unterstütze deshalb auch in Zukunft die „cruise only“-Anbieter bei den Bemühungen, ihren Passagieren diese bemerkenswerte und einzigartige Polarwelt zugänglich zu machen.

Selbstkontrolle: Vereinigung der Antarktis-Tour-Operator

Alle Betreiber von Passagierschiff in der Antarktis sind inzwischen Mitglied in der 1991 gegründeten International Association of Antarctica Tour Operators (IAATO), die sich zusätzlich zu den MARPOL-Vorschriften weitere Regeln auferlegt hat, beispielsweise die 500-Passagiergrenze, oberhalb der nur „cruise only“ möglich ist und die Grenze für maximal 100 Passagiere gleichzeitig auf Landgang.

Die IAATO koordiniert die Fahrtrouten der Kreuzfahrtschiffe, damit nicht mehrere Schiffe gleichzeitig am selben Ort sind und sich dann wegen der 100-Passagiere-Grenze bei Landgängen ins Gehege kämen. Die IAATO betreibt außerdem ein Satellitenortungssystem für die Schiffe ihrer Mitglieder, das zum einen als Kontrollinstanz dient, zum anderen aber auch bei Rettungseinsätze helfen soll, wenn ein Kreuzfahrtschiff in dieser entlegenen Region in Seenot geraten sollte. In solchen Fällen würde übrigens die einzige Ausnahme vom Schweröl-Bann greifen: Bei Rettungsaktionen dürfen Schiffe ausnahmsweise auch angetrieben von Schweröl die Antarktis befahren.

Kreuzfahrten in der Antarktis: Zahlen und Geschichte

Eine Statistik der IAATO weist aus, dass in der Saison 2009/2010 insgesamt 36.875 Touristen die Antarktis besucht haben. Mit 5.211 Besuchern steht Deutschland dabei als Herkunftsland an zweiter Stelle hinter den USA mit 11.953 Besuchern. Fast alle Antarktis-Touristen kommen per Schiff, nur wenige Hundert per Flugzeug. Immerhin 21.277 Schiffs-Reisende hatten eine Kreuzfahrt mit Landgängen gebucht, davon 4.084 Deutsche. Die restlichen 15.026 fuhren „cruise only“.

Antarktis-Kreuzfahrten gibt es bereits seit den späten 1950er-Jahren, als erstmals Schiffe mit rund 500 Passagiere von Argentinien und Chile aus die South Shetland Islands besuchten. Das heutige Expeditions-Konzept setzte der Schwede Lars-Eric Lindblad 1966 erstmals um und lies für dieses Geschäft 1969 das weltweit erste Expeditions-Kreuzfahrtschiff bauen, die Lindblad Explorer. Tragischerweise war die Lindblad Explorer 2007 auch das erste Passagierschiff, das in der Antarktis sank – die 154 Passagiere an Bord wurden gerettet. In der 2007/2008-Saison hatte der Antarktis-Tourismus schließlich seinen Höhepunkt mit 46.000 Besuchern, davon 32.000 mit Landgang. Seitdem sanken die Zahlen kontinuierlich, zunächst vor allem wegen der schlechten Wirtschaftslage in den USA.

Kreuzfahrtschiffe in der Antarktis

Im Folgenden haben wir für deutsche Passagiere relevante Antarktis-Expeditionsschiffe zusammengestellt, sortiert nach Größe/Passagierzahl. Die Eisklassen nach den verschiedenen Klassifizierungsstandards der einzelnen Länder haben wir zum einfacheren Verständnis mit der maximal zugelassenen Eisdicke dargestellt, auch wenn die Klassifizierungsmaßstäbe, nach denen die Schiffe eingestuft sind, in Details voneinander abweichen. Als Daumenregel kann man davon ausgehen, dass das Expeditions-Erlebnis umso intensiver ist, je geringe die Passagierzahl und je geringerer der Tiefgang ist.

Die Bedeutung der Eis-Klassifizierung ist für Kreuzfahrt-Expeditionsschiffe dagegen eher gering. Diese Schiffe müssen eigentlich nie wirklich Eis brechen, sondern fahren lediglich durch bereits aufgebrochenes Alteis. Und da kommt auch ein Schiff, das nur für „leichte Eisverhältnisse“ gebaut ist, gut und gefahrlos mit 40 bis 60 Zentimeter dicken Eisschollen zurecht.

Passagiere BRZ Länge Breite Tiefgang Eis-Klassifizierung, Eisdicke bis …
Fram 318 12700 110 20,2 5,1 0,6 m
Le Boreal, L’Austral, Le Soleal 224 10700 142 18 4,7 0,4 m
Hanseatic 184 8378 122,8 18 4,91 1,0 m
Bremen 164 6752 111 17 4,8 1,0 m
National Geographic Explorer 148 6471 112 16,5 4,7 0,4 m
Silver Explorer (ex Prince Albert II) 132 6072 108 16 6,9 0,8 m
Plancius 114 3175 89 14,5 5 leichte Eisverhältnisse
Akademik Sergey Vavilov 110 6450 117 18,3 6,1 0,8 m
Polar Star 100 3500 86,5 21,2 6,2 1,0 m
Akademik Ioffe 96 6450 117 18,2 6 0,8 m
Antarctic Dream (fährt derzeit nicht) 84 2180 83 12 4,6 leichte Eisverhältnisse
Ocean Nova 68 2118 73 11 3,7 0,6 m
Ortelius 106 4575 91 17 5,8 0,8 m

6 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

6 Gedanken zu „Antarktis-Kreuzfahrten nur noch unter strengen Auflagen“

  1. Hallo Franz,

    Celebrity Cruises hat – auch zu meinem Erstaunen – vor wenigen Tagen zwei Antarktis-Kreuzfahrten mit der „Celebrity Infinity“ für Februar 2013 angekündigt und bietet damit nach einjähriger Pause wieder „Cruise only“-Antarktisreisen an.

    Viele Grüße,

    Raoul

  2. In der Tat, überraschend. Was mich fast noch mehr überrascht ist der Preis: Die 14-Nächte-Kreuzfahrt ab Buenos Aires ist in der Innenkabinen schon ab 1.344 Euro zu haben. Der Flug nach Buenos Aires schlägt freilich nochmal ordentlich zu Buche, aber trotzdem …

  3. Sehr geehrter Autor,

    MV Plancius hat die Eisklasse 1D und ist in der lage 0,4 – 0,6 dickes Eis zu bewältigen.

    In der Antarktis und Arktis ist für viele Schiffe „Eisbrechen“ nicht an der Tagesordnung.

    Oceanwide Expeditions
    Expeditionsreederei und Betreiber von mv Plancius

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