Ich arbeitete am Mitternachtsbuffet und hatte das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Die Ketchup-Flaschen rutschten langsam in Richtung backbord – alle gleichzeitig. Nicht allzu ungewöhnlich, denn jede engere Kurve wirkt sich hier oben auf Deck 14 ohnehin stärker aus. Aber die Conquest neigte sich weiter zur Seite, und noch weiter … Besteck fiel von den Tischen, dann Teller. Das Schiff neigt sich immer weiter.
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Kellner wurden zu den Geschirregalen beordert, um die Teller und Untertassen dort zu sichern. Die Gläser immerhin waren in ihren Spül-Gestellen sicher. Aber es war zu spät. Ein lautes, splitterndes Krachen, die Teller krachten stapelweise auf den Boden … ein Stapel … drei … ganze Kaskaden von Tellern.
Und die Carnival Conquest neigte sich weiter zur Seite.
Zwei Dutzend Ketchup-Flaschen zerbarsten gleichzeitig auf den Fliesen. Hunderte Teller zersplitterten überall. Ich stolperte über einen Plastik-Krug, der aufgebrochen am Fußboden lag. Wie ein Blitz schoss die Sahne aus dem Krug 15 Meter weit quer über das Deck. Jetzt musste ich mich irgendwo festhalten, um nicht umgerissen zu werden.
Dann richtete sich das Schiff wieder auf. Das Chaos flaute hörbar ab, aber nur für einen kurzen Moment. Die Conquest richtete sich abrupt auf – zu abrupt. Erfahrene Crewmitglieder wussten, was das bedeutet und ließen alles im Stich, nur um sich selbst in Sicherheit zu bringen. Ich klammerte mich am Buffet fest, als der Boden versuchte, mich nach Steuerbord zu werfen. Die Sahne war immer noch sehr lebendig, schoss wie ein leuchtend weißer Blitz durch das Dunkel. Während ich beobachtete, wie diese Flüssigkeit sich so gewalttätig durch den Raum bewegte, fiel mir ein, dass es da ein noch viel größeres Problem gab. Einer unserer Kellner hatte seine Station am Pool …
Ich hangelte mich über das schräg stehende Deck mühevoll in Richtung Heck, an der Pizzastation und dem Grill vorbei zum Pool. Der war nur noch ein gähnend leeres Loch, das Wasser was komplett ausgelaufen, durch das Restaurant geschwappt und hatte sich auf das Deck darunter entleert. Die ungesicherten Tische lagen auf einem großen Haufen in der Ecke, verkeilt und tropfnass, die Tischbeine verschlungen wie Mangroven-Wurzeln. Und oben drauf hockte ein bis auf die Haut durchnässter indonesischer Keller, lächelnd.
Das war knapp! Allen ging es gut. Aber was war eigentlich passiert?
Die Carnival Conquest wäre beinahe mit einem verirrten Schubleichter kollidiert, während sie in die verkehrsreiche Mündung des Mississippi einfuhr. Es wäre kein Titanic-artiger Untergang in endloser, dunkler Nacht auf den endlosen Weiten des Ozeans geworden. Aber wäre eine Kollision zehn Meilen vor der unbeleuchteten, sumpfigen, stark bewaldeten Küste Louisianas besser gewesen? Nur, weil das Wasser dort nicht lediglich ein Grad über Null hat, heißt das nicht, dass die Überlebens-Chancen besser gewesen wären. Es hätte nur bedeutet, dass man geschockt, ums Überleben kämpfend im Wasser treiben würde, bis einen die Kräfte verließen.
Sollte man sich also vor Schiffskollisionen fürchten?
Nein. Wie viele wirklich schlimme Schiffskollisionen gab es im letzten Jahrhundert? In der modernen Kreuzfahrtwelt nur eine einige, die Andrea Doria – und das war 1956. In einer nebligen Nacht nahe Nantucket Island war sie breitseitig von der MS Stockholm gerammt worden. Die Andrea Doria neigte sich nach dem Unfall so weit zur Seite, dass die Hälfte ihrer Rettungsboote nicht zu Wasser gelassen werden konnten. Aber abgesehen davon war ihr Schiffsdesign damals schon so effizient, dass sie elf Stunden lang auf dem Wasser trieb, ohne unterzugehen, sodass alle Menschen an Bord gerettet werden konnten.
Und das ist weniger ein Wunder als vielmehr eine großartige Ingenieursleistung im Schiffsbau. Ein Wunder war allerdings, dass Linda Morgan überlebte. Die Teenagerin schlief in ihrer Kabine mit ihrer Halbschwester, als die beiden Schiffe kollidierten. Der Zusammenprall beförderte sie irgendwie in den Bug der Stockholm, wo sie sicher hinter einer Trennwand blieb, während die beiden Schiffe im Nebel aneinander entlang schrammten.
Später fand man Linda Morgan, wie sie über die Decks wanderte und in ihrer Muttersprache Spanisch überall nach ihrer Mutter fragte, sehr zur Verwunderung der Schwedisch-sprechenden Crew. Ihre Schwester hatte weniger Glück. Sie kam ums Leben, zusammen mit 45 anderen Menschen, die von dem Zusammenprall direkt getroffen wurden.
Heutzutage haben Schiffe noch mehr Sicherheitsfeatures, einschließlich unzähliger, automatisch aufblasbarer Rettungsinseln, die keinerlei Elektronik benötigen, um zu funktionieren; sie arbeiten rein auf Basis physikalischer Gesetze. Dabei kann gar nichts schief gehen. So wie auch für Sie, die Passagiere. Also genießen Sie ihre Kreuzfahrt!
Die Bestseller-Reihe „Cruise Confidential“ von Brian David Bruns:
Anmerkung: „Cruise Confidential“-Bestsellerautor Brian David Bruns schreibt regelmäßig Gastbeiträge für cruisetricks.de, in deutscher Übersetzung exklusiv.