Die Kreuzfahrtgesellschaft Carnival Cruise Line hat ihr Kreuzfahrtschiff Carnival Liberty vorzeitig aus dem Trockendock der Navantia-Werft in Cádiz abgezogen. Grund sind die Folgen anhaltender Tarifauseinandersetzungen mit der Metallgewerkschaft. Die Reederei fordert nach dem unfreiwilligen Abbruch der Arbeiten von Navantia eine Entschädigung in Höhe von 4,5 Millionen Euro.
Die Carnival Liberty war Anfang Juni zur Durchführung technischer Arbeiten und einer umfassenden Innenrenovierung ins Trockendock von Navantia gegangen. Doch bereits kurz nach Arbeitsbeginn kündigte die Metallgewerkschaft in Cádiz einen Streik an, der den planmäßigen Ablauf der Arbeiten erheblich behinderte. Das berichtet die Lokalzeitung La Voz de Cádiz.
Die Carnival Liberty konnte das Trockendock zunächst nicht verlassen, da Teile der Zuliefererbetriebe das Schiff offenbar als Druckmittel im Tarifkonflikt nutzten. Trotz der offiziellen Streiktage am 18. und 19. Juni kam es auch an anderen Tagen zu Arbeitsniederlegungen ähnlich einem Bummelstreik.
Erst am frühen Morgen des 21. Juni wurde das Schiff durch ein Kernteam von rund 20 Navantia-Beschäftigten ohne Unterstützung der betroffenen Subunternehmen aus dem Dock gebracht. Die Industriegewerkschaft hatte zuvor signalisiert, das Schiff bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrags blockieren zu wollen. Mit dem Verlassen des Docks wurde eine Eskalation vorerst abgewendet, die Situation zwischen Werft und Reederei bleibt jedoch angespannt.
Die Leitung von Carnival hatte bereits während der Streiktage betont, dass man nicht bereit sei, weitere Verzögerungen zu akzeptieren. Vizepräsident Ben Clement reiste persönlich nach Cádiz, um mit der Werftleitung eine Lösung zu verhandeln. Dabei soll deutlich geworden sein, dass Carnival im Falle weiterer Zwischenfälle künftige Projekte mit Navantia überdenken werde. Derzeit seien elf weitere Dockaufenthalte für Carnival-Schiffe in der Bucht von Cádiz vorgesehen – allerdings bislang nicht final bestätigt.
Offenbar werden die Arbeiten an der Carnival Liberty nun in der französischen Werft Chantier Naval de Marseille fertiggestellt, wie Cruise Industry News berichtet. Laut AIS-Signal soll die Carnival Liberty am Dienstagmittag, 24. Juni 2025, in Marseille eintreffen. In Marseille hatte Carnival in diesem Jahr bereits die Carnival Spirit im Trockendock, in Cádiz die Carnival Miracle und Carnival Valor.
Die erste Reise nach dem Trockendock-Aufenthalt der Carnival Liberty hat die Reederei inzwischen abgesagt. Sie sollte am 6. Juli 2025 in New Orleans beginnen.
Streik gefährdet langjährige Verträge der Werft mit Reedereien
Navantia-Chef Ricardo Domínguez hat sich öffentlich hinter das Handeln seiner Stammbelegschaft gestellt. Die schnelle und eigenständige Ausdockung des Schiffes sei ein wichtiges Signal an den Kunden gewesen, berichtet La Voz de Cádiz. Die Werft will nun Schadensbegrenzung betreiben und bemüht sich um ein Fortbestehen der Kooperation mit Carnival, die auf einem Vertrag aus dem Jahr 2018 basiert. Dieser sah ursprünglich vor, dass Carnival einen großen Teil ihrer europäischen Wartungsarbeiten in der andalusischen Werft durchführen lässt.
Carnival selbst äußerte sich bislang nicht zur Möglichkeit eines vollständigen Rückzugs aus Cádiz. Innerhalb der Branche wird jedoch mit Sorge beobachtet, wie sich die Arbeitskämpfe auf die Attraktivität des Standorts auswirken könnten.
Die Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag für den Metallsektor in Cádiz dauern derweil an (Stand: 24. Juni 2025), ebenso wie die Streikaktionen. Es drohen unbefristete Arbeitsniederlegungen mit potenziell weitreichenden Folgen für die regionale Wirtschaft und bestehende Verträge mit Kreuzfahrt-Reedereien.
Die Navantia-Werft in Cádiz ist eine äußerst wichtige Werft für die Kreuzfahrt-Branche, da dort zahlreiche Schiffsrenovierungen durchgeführt werden und Navantia über eines der wenigen Trockendocks weltweit verfügt, das auch die derzeit größten Kreuzfahrtschiffe wie etwa Royal Caribbean Oasis-Class-Schiffe aufnehmen kann (siehe auch unser Bericht „Allure of the Seas in der Werft: Wenn ein Mega-Kreuzfahrtschiff zur Baustelle wird“).





Zufällig war die ch am 19.06.2025 in Cádiz. Die teilweise gewalttätigen Streiks sind beträchtlich und wirken sich auch auf die gesamte Region und deren Verkehrslage aus. Das historische Zentrum ist allerdings nicht betroffen gewesen. Kreuzfahrtanläufe dürften problemlos sein.
Wir haben die Carnival Liberty im Dock gesehen und uns auch gefragt, ob Carnival die Streiks toleriert. Die Antwort steht im Artikel.
Lieber Franz, herzlichen Dank für die Berichterstattung.
@Ernst: Danke für den „Frontbericht“ ;-) Ich denke, die Arbeiter haben keine Vorstellung davon, was sie da gerade riskieren. Navantia ist zwar gut im Geschäft und die Kreuzfahrtreedereien sind auf die Werft so angewiesen wie umgekehrt, aber alle Reedereien werden sich sicherlich Gedanken machen, wie sie sich zukünftig gegen solche Aktionen besser absichern können und das ist sicher nicht zum Vorteil des Standortes Cadiz.
@Franz: Frontbericht stimmte durchaus. Wir waren mit einem Überlandbus unterwegs, weil Züge ausfielen und standen eine gute Stunde im Stau und mussten dann ca 45 Minuten zum Ziel weiterlaufen. Da wir kein Spanisch können, haben wir nur gewusst, dass es Probleme gibt. Die Streikenden haben z. B. mit brennenden Mülltonnen die Hauptstraßen blockiert. Zuerst dachten wir, dass es zu größeren Unglücken gekommen sei. Die Rauchentwicklung einer brennenden Mülltonne hatte ich bisher unterschätzt.
Aber die Leidtragenden sind die Einwohner. Wir mussten lediglich etwas am Strand laufen und hatten eine Stunde weniger Zeit in Cádiz.
Ich hoffe, dass sich die Situation bald legt, die inzwischen auch im spanischen Parlament diskutiert wird.