Wir sind ständig von Giften umgeben, in der Luft, in der Nahrung, im Trinkwasser, in Möbeln und Gebrauchsgegenständen. Daraus resultierende Gefahren sind nicht absolut, sondern relativ und abhängig von Mengen und Konzentrationen, vom Zusammenspiel mit anderen Faktoren. Vieles davon akzeptieren wir wie selbstverständlich, obwohl es vielleicht vermeidbar wäre.
Auch beim Thema „Kreuzfahrt“ hilft deshalb ein pauschales „OMG, da oben kommt was Giftiges raus“, nicht bei der Bewertung und Abschätzung der tatsächlichen Risiken oder möglichen Gefahren. In diesem Beitrag will ich keine Wertungen vornehmen, sondern lediglich Fakten und Informationen zu den Emissionen aus Schiffstreibstoffen liefern, damit der Leser sich sein eigenes Bild machen kann.
Die beiden polemisch-satirischen Bilder möge man mir in Abweichung zum Fakten-orientierten Stil des Beitrags verzeihen. Sie dienen dazu, zu offenem Denken anzuregen, Vorurteile zu hinterfragen und die Relation zum Rest unserer täglichen Umwelt und Urlaubsrealität nicht aus den Augen zu verlieren.
Luft- und Umwelt-Schadstoffe reduzieren
Schadstoffe aus Abgasen müssen schon aus ganz grundsätzlichen Überlegungen heraus weiter verringert werden. Ganz besonders gilt dies für die Schifffahrt inklusive der Kreuzschifffahrt, weil der Ausstoß da noch vergleichsweise sehr hoch ist.
Bremsend wirkt einerseits die lange Laufzeit von Schiffen und die Tatsache, dass eine Nachrüstung von existierenden Schiffen technisch teils unmöglich ist, teils wirtschaftlich nicht realistisch ist. Andererseits geht viel Zeit ins Land für die Definition von international einheitlichen Standards, die für Schiffe notwendig ist, damit sie jeden Hafen anlaufen können und die Reedereien Investitionssicherheit für teure, neue Techniken haben.
Ich halte es wegen der Komplexität dieses Themas für wichtig, genauer hinzusehen, wenn es um eine Beurteilung der Schadstoffe und daraus abzuleitenden Konsequenzen geht. Denn die Tatsache allein, dass es Emissionen gibt, rechtfertigt keine radikalen Maßnahmen und auch keine Verteufelung einzelner Schadstoffquellen wie der Kreuzfahrt.
Unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft basiert auf einem Ausgleich der Interessen, auf einer Abwägung der Risiken. Ob einem dieses System persönlich gefällt oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Aber weder radikale Fahrverbote für Dieselautos noch die Abschaffung der Kreuzfahrt würde dieses System grundsätzlich ändern.
Betrachten wir also ganz nüchtern, welche möglichen Gesundheits- und Umweltschäden durch die Luft-Schadstoffe aus der Schifffahrt entstehen können. Ich beschränke mich bei der Betrachtung auf das Nötigste, denn es gibt gute und seriöse Quellen, die alle Details jeweils sehr gut darstellen und auch nicht im Verdacht stehen, kreuzfahrtfreundlich zu sein.
Einen wie ich finde guten Überblick über jegliche Art von Luftschadstoffen über die Kreuzfahrt-Aspekte hinaus gibt eine Website des österreichischen Gesundheitsministeriums: Gesundheit.gv.at. Für die Situation bei Luftschadstoffen aus Schiffsemissionen gibt es beim Bundesumweltamt detaillierte Informationen. Außerdem haben wir bei cruisetricks.de FAQ zu weiteren Umwelt-Themen in der Kreuzfahrt zusammengestellt.
Stickoxide (NOx)
Stickoxide greifen die Atemwege an, was besonders problematisch für Menschen mit Vorerkrankungen und Asthma ist. Kritisch sind Stickoxide in höhere Konzentration, wie sie direkt an viel befahrenen Straßen auftritt. Die Konzentration sinkt (durch Verdünnung in der Luft) schon in recht geringem Abstand zur Stickoxid-Quelle stark ab – beispielsweise auf die Hälfte bei 20 bis 30 Meter Abstand zur Straße. Mehr Details liefert das Bundesumweltamt.
Ein Fakten-Beitrag der FAZ stellt gut dar, warum es so schwierig ist, beobachtete Gesundheitsschäden präzise einem bestimmten Luftschadstoff zuzuordnen. Das macht das Stickoxid-Problem nicht besser, erschwert aber eine klare Schuldzuweisung und damit eine strengere Regulierung. Ein Beitrag der Vereinigung Europäischer Schifffahrtsjournalisten e.V. (VEUS) stellt die komplexen Zusammenhänge beim Thema NOx ausführlich dar.
Auf Kreuzfahrtschiffe übertragen ist in Hinblick auf Gesundheitsschäden vor allem der Abstand zur Quelle und die Verdünnung in der Luft zu berücksichtigen. Problematisch sind Stickoxide daher vor allem im Hafen. Auf See dürften Passagiere einer kritischen Stickoxid-Belastung nur in seltenen Ausnahmefällen ausgesetzt sein, denn durch die Ableitung der Emissionen über hohe Schornsteine, Wind und Fahrtwind dürften die Passagiere an Deck kaum betroffen sein. Seriöse, wissenschaftliche Messungen und Erkenntnisse dazu gibt es aber meines Wissens nicht.
Stickoxide auf Kreuzfahrtschiffen reduzieren
Stickoxide aus erdölbasierten Treibstoffen lassen sich auf Schiffen durch Katalysatoren (SCR) um knapp 95 Prozent reduzieren. Zum Einsatz kommen solche Katalysatoren beispielsweise bei TUI Cruises und auf Hapag-Lloyd Cruises‘ Europa 2. Nachteil: Der um etwa sechs Prozent höhere Energiebedarf zum Betrieb der SCR-Katalysatoren steigert den Ausstoß der anderen Schadstoffe, insbesondere des klimaschädlichen CO2.
Für Schiffsneubauten lässt sich der Stickoxid-Ausstoß vor allem durch Energieeffizienz-Maßnahmen reduzieren. Für den Stickoxid-Ausstoß gibt es hierfür eine stufenweise Verschärfung der Grenzwerte und Regeln für Schiffsneubauten. Beim Einsatz von LNG als Treibstoff entstehen 80 bis 90 Prozent weniger Stickoxide als bei erdölbasierten Treibstoffen.
Feinstaub
Bei Feinstaub (auf Englisch: Partikular Matter, kurz: PM) sollte man genau unterscheiden, welche Partikelgrößen gemeint sind. Denn die bewegen sich zwischen 10 µm (PM10) und 0,1 µm. Zur genaueren Vorstellung: Ein Sandkorn mit 0,5 Millimeter Durchmesser entspricht ungefähr 200 µm (Mikrogramm).
Je feiner der Feinstaub ist, desto tiefer kann er in die Lunge vordringen. Bisher beschäftigte man sich vor allem mit dem gröberen PM10-Feinstaub, wofür es auch gesetzliche Grenzwerte gibt, und misst immerhin die feineren PM2,5. Erst in jüngster Zeit werden die Auswirkungen von Ultrafeinstaub genauer untersucht, insbesondere in Zusammenhang mit hohen Konzentrationen in der Nähe von Flughäfen. Es ist wohl davon auszugehen, dass Ultrafeinstaub als entsprechend gefährlicher einzustufen ist, genaue Erkenntnisse dazu gibt es meines Wissens aber nicht, aber starke Vermutungen und ebenso starke Gegenmeinungen jeweils von Lungenmedizinern.
Typischerweise wird Feinstaub als ein möglicher Risikofaktor für Lungenkrebs betrachtet. Ein Nachweis ist aber schwierig, weil die Trennung zwischen Feinstaub und anderen Luftschadstoffen in Studien kaum möglich ist.
Klar ist, dass die Gesundheitsrisiken abhängig sind von der Konzentration beziehungsweise Verdünnung von Feinstaub in der Atemluft.
90 Prozent des Feinstaubs auf der Erde ist übrigens natürlichen Ursprungs (beispielsweise Vulkane oder auch Aerosole aus Meerwasser), 10 Prozent ist vom Menschen verursacht.
Ein Beitrag in der „Zeit“ beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema, informativ ist außerdem die Information des Bundesumweltamtes zu Feinstaub.
Feinstaub-Ausstoß auf Kreuzfahrtschiffen reduzieren
Feinstaub (inklusive Rußpartikel) lässt sich aus Schiffsemissionen als Nebeneffekt von Scrubbern (genauer: AEP-Anlagen, „Advanced Emission Purification“ oder „Advanced Exhaust Purification“) um etwa 60 Prozent reduzieren.
Vom Nabu immer wieder geforderte Ruß- und Partikelfilter, wie es sie für Diesel-PKW gibt, sind laut Kreuzfahrtindustrie für große Schiffe technisch derzeit nicht verfügbar; oder werden (auch mangels gesetzlicher Vorgaben) nicht ausreichend schnell für den Einsatz auf großen Kreuzfahrtschiffen entwickelt.
Beim Einsatz von LNG als Treibstoff entsteht nahezu kein Feinstaub.
Schwefeloxide (SOx)
Schwefeloxide verursachen sowohl gesundheitliche Risiken als auch Umweltschäden. Für gesundheitliche Risiken spielt auch hier die Konzentration in der Atemluft eine Rolle. Schwefeldioxid kann zu Augenreizungen und Atemwegsproblemen führen. Zudem sind Schwefeloxide durch Bildung von Sulfatpartikeln an der Entstehung von Feinstaub beteiligt.
Als Umweltgift tragen Schwefeloxide zur Versauerung von Böden und Gewässern bei, was in Deutschland bis Ende der 1980er-Jahre relevant war. Seitdem sind die Schwefelemissionen so weit zurückgegangen, dass laut Bundesumweltamt keine relevante Belastung von Atemluft und Umwelt mehr besteht.
Fossile Schiffstreibstoffe, insbesondere Schweröl haben einen ziemlich hohen Schwefelanteil (erlaubt sind derzeit bis zu 3,5 Prozent auf hoher See, ab 2020: 0,5 Prozent; und in Schutzzonen sowie vielen Häfen aktuell 0,1 Prozent).
Ausstoß von Schwefeloxiden auf Kreuzfahrtschiffen reduzieren
Scrubber reduzieren den Schwefeloxid-Ausstoß bei Schweröl als Treibstoff um bis zu 99 Prozent. LNG als Treibstoff verursacht nahezu keinen Schwefeloxid-Ausstoß.
Kohlendioxid (CO2)
Kohlendioxid (CO2), hat keine unmittelbare Auswirkung auf die Gesundheit von Menschen. CO2 wirkt aber als Treibhausgas, weswegen eine Reduzierung dringend nötig ist. Mehr Details dazu beim Bundesumweltamt.
Zur Reduzierung der CO2-Emissionen durch Schiffe gibt es den international für Schiffsneubauten bindenden Energy Efficiency Design Index (EEDI). Das ist ein relativ kompliziertes Regelwerk zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes in der Schifffahrt. Der EEDI wird allgemein als„wenig ambitioniert“ und als nicht ausreichend zur Erreichung der weltweiten Treibhausgas-Ziele betrachtet.
CO2-Ausstoß auf Kreuzfahrtschiffen reduzieren
Bei der Verbrennung fossiler Kraftstoffe entsteht zwangsläufig CO2, weitgehend unabhängig von der Treibstoff-Sorte. LNG verursacht einen knapp 25 Prozent niedrigeren CO2-Ausstoß. Die wirkungsvollste Methode, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, ist: weniger Treibstoffverbrauch, also eine Optimierung der Energie-Effizienz und langsamere Fahrtgeschwindigkeiten von Schiffen, weil der Treibstoffverbrauch überproportional zur gefahrenen Geschwindigkeit ansteigt.
Langfristig führt der Weg zur Klimaneutralität für Kreuzfahrtschiffe über synthetisch erzeugte Kraftsstoffe auf klimaneutraler Energie (E-Fuels) wie Methanol oder syntherisches LNG. Eine weitere Alternative ist Bio-Diesel aus nachwachsenden Rohstoffen. Letztere sind mit viel Vorsicht zu betrachten, weil es hier sehr stark auf Produktionsbedingungen bei den Rohstoffen für die Treibstoffproduktion ankommt. Wird für die nötigen Anbauflächen beispielsweise Regenwals abgeholzt, ist das höchst kontraproduktiv, auch denn der Rohstoff für die den Biodiesel dann formell aus nachwachsenden Quellen stammt.
Chapeau, dass du dich an dieses heikle Thema herangewagt hast und es, wie immer, in journalistischer Neutralität darstellst. Polemiker gibt es schon gernug.
Die Darstellung der einzelnen Schadstoffe macht diese zwar nicht besser, ist jedoch, zumindest für mich, hilfreich, um deren Gefahr für unsere Gesundheit besser einordnen zu können und diese in einen Gesamtzusammenhang zu stellen.
Besonders interessant fand ich den Vergleich von „natürlich“ und von Menschenhand erzeugten Feinstäuben. Dies war mir vorher nicht bewusst.
@Robert: nein, besser wird’s dadurch in der Tat nicht. Ich glaube aber, dass man auch leicht eine falsche (nämlich: zu gefährliche) Vorstellung von diesen Schadstoffen hat, was die Wirkung auf Menschen hat. Was da rauskommt, ist schlimm genug; aber man fällt halt auch nicht gleich tot um, wie einem das manchmal (vielleicht sogar ungewollt) suggeriert wird.
Beim Thema Feinstaub habe ich bei der Recherche auch viel dazu gelernt; insbesondere der Aerosol-Feinstaub auf See, sprich: „Salz-Feinstaub“.
@Franz: Kann dieser natürliche Aerosol-Feinstaub auch der Grund dafür sein, dass die quasi immer im „Geheimen“ durchgeführten Messungen (z.B. der Nabu) an Deck eines Kreuzfahrtschiffes solch extrem hohe Konzentrationen von Feinstaub anzeigen? Dabei wird nämlich immer so getan, als ob das Schiff daran Schuld hätte.
Für alle möglicherweise anders Denkenden: Ich möchte das Problem hier nicht herunterspielen, sondern verstehen lernen!
@Robert: Ich denke, mit Aerosol-Feinstaub hat das eher nichts zu tun. Aber das Problem mit diesen Messungen ist, dass sie aus mehreren Gründen vollkommen aussagelos:
– Sie werden mit Messgeräten gemacht, die dafür ungeeignet sind (sagt jedenfalls die Clia und beruft sich auf die Gerätehersteller; nachprüfen kann ich da nicht).
– Und sie werden nicht unter wissenschaftlich definierten, reproduzierbaren Bedingungen gemacht, was keinerlei Vergleich mit entsprechenden Referenzmessungen erlaubt.
Halte ein Messgerät an de Auspuff eines Diesels, de gerade an der Ampel Gas gibt und vergleiche das mit den offiziellen Grenzwerten, dann wirst Du vermutlich ähnliche Diskrepanzen bekommen.
Was ich – aus gesundem Menschenverstand, also ein wenig mit Lieschen-Müller-Denkweise allerdings auch für wahrscheinlich halte ist, dass Du vielleicht je nach Windrichtung schon eine satte Dosis an Schadstoffe abbekommst auf Schiffen, bei denen direkt hinterm Schornstein auf fast gleicher Höhe alle möglichen Sport- und Freizeitanlagen aufgebaut sind. Da würde ich aber sagen: Das sieht man und riecht man, da geht man dann halt nicht hin. So wie man sich auf der Straße auch nicht direkt neben den Auspuff eines 40-Tonners stellt.