In der Kreuzfahrt und allgemein in der Schifffahrt kommt Methan aus LNG – verflüssigtes Erdgas – zunehmend als Treibstoff zum Einsatz. Es verursacht deutlich weniger Schadstoff-Emissionen als Marinediesel oder Schweröl. In Sachen Klimaschutz bringt LNG dagegen keine Vorteile, weswegen es zunehmend umstritten ist. Wir haben die Fakten zu LNG zusammengetragen und ordnen die Kritik am Einsatz von LNG für Kreuzfahrtschiffe ein.
LNG gilt eigentlich als der Treibstoff in der Kreuzfahrt, der noch am relativ umweltfreundlichsten ist. Doch je mehr der Klimaschutz in der Diskussion in den Vordergrund rückt, gerät auch LNG stärker in die Kritik. Zwar ist der CO2-Ausstoß bei der Verbrennung von Methan, dem Hauptbestandteil von LNG, deutlich niedrige als bei Schweröl oder Marinediesel.
Da jedoch schon bei der Förderung von Erdgas viel Methan entweicht und bei der Verbrennung von Methan in den Schiffsmaschinen sogenannter Methan-Schlupf entsteht, gilt LNG im Vergleich zu rohölbasierten, fossilen Kraftstoffen inzwischen nicht mehr als klimafreundlicher. Methan ist deutlich klimaschädlicher als CO2.
Sehen Sie zum Thema LNG auch unser Video „Fossiles LNG als Brückentechnologie“:
Was genau ist LNG?
LNG (Liquefied Natural Gas) ist verflüssigtes Erdgas, das wiederum zu 98 Prozent aus Methan (CH4) besteht. Methan ist farblos, ungiftig und leichter als Luft, würde sich bei Lecks also nicht am Boden absetzen.
In Schiffsmaschinen wird Methangas genutzt, das zur Lagerung in den Tanks jedoch auf etwa minus 162 Grad heruntergekühlt wird, weil es in flüssigem Zustand in Form von LNG nur ein 600-tel des Volumens einnimmt.
LNG im Vergleich zu Marinediesel und Schweröl
Bevor die Kreuzfahrt begonnen hat, viele der Neubauten mit Dual-Fuel-Maschinen zur Nutzung von LNG einzubauen, waren Schweröl und – wo aufgrund von Emissionsgrenzwerten nötig – Marinediesel die für Kreuzfahrtschiffe verwendeten Treibstoffe. Im Vergleich dazu ist LNG wesentlich umweltfreundlicher, je nach Betrachtungsweise jedoch nicht klimafreundlicher.
Gesundheits- und umweltschädigende Emissionen:
- Schwefeldioxide (SOx): 100 Prozent weniger
- Stickoxide (NOx): 80 Prozent weniger
- Ruß-Partikel und Feinstaub: 95 Prozent weniger
- Schwermetalle: 100 Prozent weniger
Auf Kreuzfahrtschiffen liegen einige dieser Zahlen geringfügig niedriger, weil dort Dual-Fuel-Maschinen zum Einsatz kommen. LNG beziehungsweise Methan zündet in Dual-Fuel-Maschinen nicht selbst, weswegen eine kleine Menge Marinediesel (MGO) zugegeben werden muss, das sogenannte „pilot fuel“. Der Anteil beträgt etwa zwei Prozent.
Klimaschädigende Emissionen:
- CO2: bei der Verbrennung rund 20 Prozent weniger.
- Methan: Anders als bei rohölbasierten Treibstoffen entweicht in Zusammenhang mit LNG eine gewisse Menge Methan in die Atmosphäre – bei der Förderung, Verladung und in den Motoren. Details dazu lesen Sie im Kapitel „Methan-Schlupf“.
Klimafreundlicher ist LNG trotz niedrigere CO2-Emissionen nicht, weil entweichendes Methan den Vorteil mindestens ausgleicht.
Was bedeutet „Dual-Fuel-Maschinen“?
Kreuzfahrtschiffe setzen sogenannte Dual-Fuel-Maschinen ein, um sich die Option offenzuhalten, statt LNG auch Marinediesel verwenden zu können. Kurzzeitig haben Reedereien das beispielsweise zu Beginn des Ukrainekriegs für einige Wochen getan, als die Preise für LNG enorm anstiegen.
Die Marinediesel-Option wollen sich Reedereien aber auch offenhalten, wenn das Schiff in Gebieten fahren soll, in denen LNG nicht verfügbar ist, etwa für Antarktis- oder Arktis-Kreuzfahrten, oder wenn lokale Regularien eine Betankung mit LNG faktisch unmöglich machen, wie etwa in italienischen Häfen (Stand: Ende 2023).
Inzwischen gibt es auch Tri-Fuel-Maschinen, die sich zusätzlich zu Marinediesel und LNG auch mit Methanol betreiben lassen. Celebrity Cruises beispielsweise plant solche Maschinen für ein Kreuzfahrtschiff der Edge-Klasse, das 2025 in Dienst gehen soll. Daneben gibt es auch Dual-Fuel-Maschinen für Marinediesel und Methanol. Die Mein Schiff 7 (ab Sommer 2024) wird mit solchen Maschinen ausgestattet sein.
Maschinen für Betrieb mit 100 Prozent LNG kommen beispielsweise bei Havila Kystruten auf der norwegischen Küstenroute zum Einsatz, weil hier die LNG-Versorgung dauerhaft sichergestellt ist Bei diesem Maschinen ist keine Zugabe von Pilot-Fuel erforderlich.
Methan-Slip oder Methan-Schlupf
Von Methan-Slip – oder zu Deutsch: Methan-Schlupf – spricht man, wenn ein Teil des Methans im Schiffsmotor unverbrannt bleibt und damit in die Atmosphäre entweicht.
Die IMO und die Europäische Union gehen in Annahmen für die Gesetzgebung bei Dual-Fuel-Viertakt-Motoren, wie sie typischerweise auf Kreuzfahrtschiffen zum Einsatz kommen, von einem Methan-Schlupf von 3,5 beziehungsweise 3,1 Prozent aus.
Wie hoch die Emissionswerte tatsächlich sind, ist aber gar nicht so einfach zu benennen. Denn es hängt von viele Faktoren ab, ob diese Werte recht niedrig oder erstaunlich hoch sind, insbesondere den Drehzahlbereich, in dem die Maschine in Relation zur optimalen Drehzahl läuft.
Zudem schreitet die technische Entwicklung rasch voran, sodass neuere Motorenmodelle wohl deutlich niedrigere Methan-Slip-Werte aufweisen als ältere. Und nicht zuletzt ist auch die Messung der tatsächlich entweichenden Menge Methans gar nicht so einfach.
Methan, das in die Atmosphäre entweicht
Fakt 1: Methan ist bei gleicher Menge wesentlich klimaschädlicher als CO2 – je nach Betrachtungszeitraum 25-mal (Bundesumweltamt) bis 82-mal (Nabu).
Fakt 2: Bei der Förderung von Erdgas entweichen erhebliche Mengen Methan in die Atmosphäre – wieviel genau, ist unklar und umstritten. Neuere Erkenntnisse legen nahe, dass es wohl wesentlich mehr ist, als man bislang annahm. Dies bezieht sich auf Erdgas und LNG allgemein und ist nicht spezifisch für die Schifffahrt oder Kreuzfahrt.
Fakt 3 – spezifisch für die Schifffahrt: Es gibt Methan-Schlupf. Wahrscheinlich liegen die tatsächlichen Werte nicht unerheblich höher, als Behörden und Hersteller bislang angenommen beziehungsweise angegeben haben.
LNG kann durch klimaneutrales, synthetisches Gas ersetzt werden
Ein Vorteil von Motoren, die mit LNG betrieben werden können, übersieht die Kritik zumeist: Diese Motoren lassen sich ohne nennenswerte Modifikationen auch mit Biogas oder synthetisch erzeugtem Gas betreiben – und das wäre dann sehr klimafreundlich. Allerdings gibt es diese klimaneutralen Alternativen bislang weder in ausreichenden Mengen noch zu wirtschaftlich vertretbaren Preisen.
Insofern stellt LNG durchaus eine Brückentechnologie für einen gewissen Zeitraum dar. Es gibt Reedereien nämlich die Option, jetzt neue Schiffe zu bauen, die sich im Laufe ihrer Lebenszeit nachträglich mit sehr geringem Aufwand auf fast klimaneutralen Betrieb umstellen lassen.
Äquivalent trifft das zwar in gewisser Weise auch auf herkömmliche Motoren für Schweröl und Marinediesel zu, die sich mit klimaneutral produziertem, Bio- oder synthetischen Kraftstoffen (oder wenn die Maschine dafür ausgelegt ist, mit Methanol) betreiben lassen, sobald selbige verfügbar sind. Bei der Nutzung von LNG reduzieren sich die umwelt- und gesundheitsschädlichen Emissionen aber sofort.
Keine lokalen Umweltschäden bei Unfällen
Ein weiterer Vorteil von LNG, wenn auch in der Kreuzfahrt zu vernachlässigen, in der Fracht- und Containerschifffahrt aber relevant: Bei einer Havarie mit auslaufendem Treibstoff richtet das ungiftige und flüchtige Methan (abgesehen von seiner klimaschädlichen Wirkung) keine Umweltschäden vor Ort an – anders als Marinediesel oder gar Schweröl.
LNG als Energieträger für Brennstoffzellen
LNG kann auch als Energieträger für Brennstoffzellen dienen. Auf der Silver Nova soll dieses Konzept demnächst zur Anwendung kommen. Brennstoffzellen benötigen Wasserstoff, das aber auf Kreuzfahrtschiffen schwierig zu lagern ist. Aus LNG, als Methan (CH4), läßt sich Wasserstoff quasi extrahieren und dann in Brennstoffzellen nutzen.
Das Konzept der Silver Nova nutzt LNG daher doppelt: als direkten Energieträger für die Schiffsmotoren und zur Versorgung der Brennstoffzellen, die so leistungsstark sind, dass sie den komplettenHotelbetrieb des Schiffs mit Energie versorgen können. Aktuell (Stand: Januar 2024) ist das entgegen der ursprünglichen Planungen allerdings noch nicht der Fall, weil es bei der Entwicklung des Reformers zur Umwandlung des Methans in Wasserstoff technische Probleme aufgetreten sind. Nun soll die Brennstoffzellentechnik nachgerüstet werden, sobald die Tehcnik es zuläßt.
Auf einigen, wenigen Kreuzfahrtschiffen gibt es bereits Versuchsanlagen mit geringer Leistung, die LNG auf diese Weise für Brennstoffzellen nutzen, etwa die MSC World Europa und die AIDAnova. DIe Icon of the Seas ist für di eNachrüstung mit Brennstoffzellen vorbereitet.
Kritik an LNG in der Schifffahrt und der Anteil des Nabu daran
Bei der allgemeinen Berichterstattung zum neuen größten Kreuzfahrtschiff der Welt, der Icon of the Seas, lag ein wesentlicher Schwerpunkt auf dem Thema Klimaschutz. Zufall war das nicht, denn der Nabu hatte strategisch geschickt zwei Tage vor der Jungfernfahrt der Icon of the Seas eine Pressemitteilung contra LNG veröffentlicht. Basis dafür ist eine Studie der Umweltorganisation International Council on Clean Transportation. Dazu weiter unten mehr.
So bekam die Icon of the Seas in den meisten Beiträgen über das neue Kreuzfahrtschiff stellvertretend für die ganze Branche viel negative Kritik, weil sie LNG als Treibstoff nutzt und damit eigentlich die aktuell umweltfreundlichste Variante für den Betrieb eines Schiffs einsetzt.
Der Nabu schrieb unter anderem: „Beim Betrieb von Schiffen mit LNG entweicht nahezu doppelt so viel unverbranntes Methan in die Atmosphäre wie bislang angenommen. Das zeigen neueste Messungen des International Council on Clean Transportation (ICCT). Der Nabu fordert, die Förderung der LNG-Technologie sofort einzustellen, denn Methan ist bis zu 82-mal klimaschädlicher als CO2.“
Liest man die genannte Studie, stellt man fest, dass sich diese Angabe nur auf eine der angewendeten Messmethode bezieht, während eine andere Messmethode sogar niedrigere als die bislang angenommenen Methan-Slip-Werte ergibt. Die Studie zählt dann aber wiederum Methanmengen hinzu, die beim Betanken der Schiffe mit LNG entstehen können.
Die Studie bezieht sich übrigens nicht spezifisch auf die Kreuzfahrt, sondern auf die Schifffahrt allgemein, mit sehr unterschiedlichen Motorentypen und entsprechend großen Unterschieden bei den gemessenen Werten. Die in der Kreuzfahrt eingesetzten Motoren verursachen aber wohl den größten Methan-Schlupf.
Dabei las sich die Sichtwese des Nabu auf LNG noch vor einigen Jahren völlig anders. Sein Kreuzfahrtranking kommentierte der Umweltverband 2015 wie folgt: „Auch in die Kreuzfahrtindustrie kommt weiter Bewegung. So zeigte das NABU-Kreuzfahrtranking 2015 zum ersten Mal Schiffe mit voller Punktzahl. Dies wird dadurch erreicht, dass Neubauten verschiedener Reeder ab 2019 komplett auf Schweröl und Marinediesel verzichten und mit LNG fahren.“
In der aktuellen Pressemitteilung schreibt der Nabu dagegen: „LNG ist keine Brückentechnologie und verhindert eine echte Transformation der Schifffahrt Richtung Zukunft.“
Vom „Lichtblick“ zur verhinderten Transformation der Schifffahrt schafft es LNG beim Nabu also innerhalt von acht Jahren. Aber auch der Nabu weiß, dass die Lebensdauer eines Kreuzfahrtschiffs typischerweise mit 30 Jahren kalkuliert wird und eine vorzeitige Verschrottung aus Umweltgesichtspunkten wegen der mit dem Bau eines Schiffs zusammenhängenden Emissionen nicht von Vorteil ist.
Und weil es tatsächlich mit aktuellem Stand (Anfang 2024) keine in der Praxis einsetzbare Alternativtechnologie gibt, sagt der Nabu auch nicht, wie sich die Kreuzfahrt den Vorwürfen des Verbandes entziehen könnte.
Das schreibt der Nabu auf seiner Website, bezogen auf die Frachtschifffahrt: „Die Erhöhung der Attraktivität klimafreundlicherer Treibstoffe, insbesondere Wasserstoff, Ammoniak oder Methanol, wäre stattdessen entscheidend, um diese schnell in großem Mengen verfügbar zu machen.“
Ammoniak wir in der Frachtschifffahrt als vielversprechend betrachtet, ist für die Kreuzschifffahrt jedoch ungeeignet. Technologie mit Wasserstoff oder Methanol ist aktuell noch nicht für den Praxiseinsatz verfügbar, insofern ist das derzeit keine Alternative. Allerdings ist die Forderung des Nabu, diese Technologien zu fördern, sehr sinnvoll.
Erdgas und LNG decken rund ein Viertel des deutschen Energiebedarfs
Bei aller Kritik an LNG in der Kreuzfahrt sollte man bedenken: Erdgas kommt nicht nur auf Kreuzfahrtschiffen und in der Fracht- und Containerschifffahrt zum Einsatz. Auch ein Teil der Energieversorgung Deutschlands erfolgt mit Hilfe von Erdgas. Laut Bundeswirtschaftsministerium waren das 24 Prozent des Energiebedarfs im Jahr 2022, wobei 14 Prozent des ins Stromnetz eingespeiste Strom aus Erdgas stammte.
Früher kam das Erdgas per Pipeline aus Russland, zuletzt im Jahr 2023 insbesondere aus Norwegen (43 Prozent) den Niederlanden (26 Prozent und Belgien (22 Prozent). Sieben Prozent davon kommen mit Tankschiffen in Form von LNG über die LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Lubmin, Brunsbüttel und Stade.
Klimaschädlichkeit von Methan
Ihre Angaben über die Klimaschädlichkeit von Methan – ca. 25 Mal bzw. ca. 82 Mal stärker als Kohlendioxid – sind kein Widerspruch, sondern der Faktor hängt, wie im Artikel erwähnt, von der betrachteten Zeitspanne ab. Innerhalb der ersten 100 Jahre nach der Freisetzung trägt 1 kg Methan etwa 25 Mal so stark zum Treibhauseffekt bei wie 1 kg Kohlendioxid. Doch über eine Zeitspanne von 20 Jahren ist die Klimaschädlichkeit rund 82 Mal stärker. Da die mittlere Lebenszeit von Methan in der Atmosphäre nur etwa 12,4 Jahre beträgt, ist für den Einfluss von Methan auf die Erderwärmung der Faktor 82 der 20-Jahres-Zeitspanne relevant. Selbst geringste Methan-Leckagen sind also ein Treiber für den Klimawandel.
Horst Köhler
http://www.klimawandel-report.com
@Horst Köhler: Natürlich ist mir klar, woher die Diskrepanz kommt. Die Intention meiner Formulierung zu den beiden Zahlen war nicht aus Ausdruck eines Widerspruchs gemeint.
Wie unterschiedlich die Klimawirkung von Methan bei unterschiedlichen Stellen angegeben wird, zeigt aber eben deutlich, wie wenig „Schwarz“ und „Weiß“ es in diesem Bereich gibt; es zeigt, wie genau man hinschauen muss, wenn irgendwer wieder Parolen herausgibt; es zeigt, dass ich Beteiligte gerne (typischerweise ohne nähere Erläuterung) die Zahl herauspicken, die ihre eigenen Argumente besser unterstützen; und dass man eben nicht jeden Spruch des Nabu ungeprüft glauben und übernehmen sollte (wie viele Medien das leider tun), genau so, wie man eben auch Angaben von Unternehmen oder auch der Bundesregierung bewerten und hinterfragen sollte, bevor man sich eine Meinung bildet.
Welche Zahl bzw. welchen Betrachtungszeitraum man sinnvollerweise heranziehen sollte, hängt in diesem Fall stark vom jeweiligen Sachverhalt ab. Will ich zeigen, wie sich heutige Methanemissionen auf das Klima in 50 Jahren auswirken, macht es eben keinen Sinn, den 20-Jahre-Wert zu verwenden, ebenso wenig wie den 100-Jahre-Wert. Will ich zeigen, wie viel schneller die Erderwärmung beispielsweise die 1,5-Grad-Marke in den kommenden paar Jahren überschreiten wird, müsste man bei Methan vielleicht einen noch höheren Wert ansetzen als den 20-Jahre-Wert, weil es eben in diesem konkreten Sachverhalt dann um die nächsten fünf oder zehn und nicht um 20 Jahre geht. Leider wird das in der Berichterstattung zumeist ignoriert.