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AIDAnova in Papenburg

LNG als Treibstoff: Fakten zu Umweltschutz und Kosten

Anfang 2019 ist das erste Kreuzfahrtschiff mit LNG statt Schweröl oder Marinediesel als Treibstoff in Betrieb gegangen. AIDA und kurz darauf auch Costa stehen damit am Beginn einer neuen Entwicklung in der Kreuzfahrt hin zu umweltfreundlicheren Treibstoffen. Wir haben uns LNG genauer angesehen und Fakten zusammengetragen, die erklären, warum LNG jetzt als Treibstoff für Kreuzfahrtschiffe attraktiv geworden ist – und warum der Umweltschutz-Gedanke dabei nur eine indirekte Rolle spielt.

Sehen Sie zu diesem Thema auch unser Video „Fossiles LNG als Brückentechnologie„.

LNG gilt allgemein als sehr sauberer Treibstoff. Bei der Verbrennung von LNG fallen im Vergleich zu Schweröl, MGO (Marine Gasoil) oder MDO (Marine Diesel Oil) die Schwefeldioxide (SOx) und Ruß-Partikel komplett weg, die Emission von Stickoxiden (NOx) reduziert sich um bis zu 80 Prozent und CO2 wird knapp 30 Prozent weniger ausgestoßen.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn moderne Gasförderung ist durchaus mit erheblichen Umweltbelastungen verbunden. Immer mehr Gas wird mit Fracking-Technik gefördert, verbunden mit teils erheblichen Umweltbelastungen in Hinblick auf das Grundwasser und die Gesundheit der Menschen im Einzugsgebiet der Förderanlagen.

Die USA ist zusammen mit Russland der größte Erdgas-Förderer der Welt. Schätzungen besagen, dass Fracking in Nordamerika bald einen Anteil von 70 Prozent der Fördermenge ausmachen wird. Zumindest in Europa stammt das verwendete LNG allerdings – Stand Anfang 2022 – zu einem Großteil aus arabischen Ländern, wo nicht mit Fracking gearbeitet wird.

Allerdings wird auch an der sogenannten „Power-to-Gas“-Technik entwickelt, bei der LNG mit Hilfe eines chemischen Prozesses aus Energie erzeugt wird. Eine klimaneutrale Energiequelle vorausgesetzt, würde solches Gas damit zu einem noch deutlich saubereren Treibstoff führen als aus der aktuellen Bodenschatzförderung von Erdgas.

Weitere Beiträge bei cruisetricks.de zum Thema LNG:

Den Unterschied zwischen Dual-Fuel-Maschinen und ausschließlich mit LNG betriebenen Maschinen erklärt der Beitrag „Dual-Fuel-Motoren und reine ‚LNG-Motoren‘ für Kreuzfahrtschiffe“. Experte Horst Köhler erklärt in im Interview, warum LNG für die Zukunft des Schiffsantriebs „nicht das Nonplusultra“ ist. Und Daniel Henning, LNG-Ingenieur der AIDAnova zeigt im Interview, wie der Einsatz von LNG auf einem Kreuzfahrtschiff ganz konkret abläuft.

Umweltprobleme durch Fracking

Das bei der Produktion entweichende Methan-Gas ist kurzfristig ein viel gefährlicheres Treibhaus-Gas als CO2 – auf 100 Jahre gesehen um den Faktor 28. Der bei der Verbrennung von LNG um rund 29 Prozent niedrigere CO2-Ausstoß im Vergleich zu Treibstoffen auf Rohöl-Basis wirkt sich daher aus das Klima wesentlich geringer aus, als die 29 Prozent zunächst vermuten lassen.

Ausführliche Erhebungen zur Auswirkung der Gasförderung und damit auch LNG finden sich beispielsweise hier: www.ucsusa.org/clean_energy/our-energy-choices/coal-and-other-fossil-fuels/environmental-impacts-of-natural-gas.html#.Vbm7Hfk82Uk und hier: www.davidsuzuki.org/blogs/panther-lounge/2012/06/how-clean-is-liquefied-natural-gas/. Bei beiden Quellen ist zu berücksichtigen, dass sie vor allem die nordamerikanische Gasförderung mit Schwerpunkt auf Fracking beleuchten. Im Nahen Osten und Russland ist Fracking von geringerer Bedeutung.

Trotz dieser Einschränkungen gilt: LNG ist im Vergleich zu Schweröl und MGO der deutlich umweltfreundlichere Treibstoff für Schiffe und damit ein großer Fortschritt.

Und: Gas als Treibstoff lässt sich mit „Power to Gas“-Technik auch auf regenerative Weise erzeugen. Die Meyer-Werft geht davon aus, dass Gasantrieb in der Zukunft mit regenerativ erzeugtem Methan arbeiten wird.

Kosten

Auch wenn das Marketing der Reedereien den Umweltschutz-Aspekt gerne in den Vordergrund rückt: Hinter der Entscheidung für eine neue Technologie stehen vor allem wirtschaftliche Gründe. Das macht das Ergebnis nicht schlechter, aber die Motivation dahinter ist eben eine andere.

Strengere, internationale Umweltschutzvorschriften für den Schwefel- und Stickoxid-Ausstoß sowie Energie-Effizienz-Vorgaben zwingen Reedereien zum Handeln – und damit zur Abwägung, welche Technik potenziell die wirtschaftlichste ist. Mögliche Varianten sind:

  • schwefelarmes Schweröl beziehungsweise wo das nicht ausreicht noch deutlich teureres MGO (Marine Gasoil).
  • Schweröl plus teure Filteranlagen zur Abgasreinigung (Scrubber, Katalysatoren, Advanced Emission Purification AEP).
  • Neubau von Schiffen mit Hybrid-Maschinen, die sowohl mit Schweröl und MGO als auch LNG betrieben werden können.
  • Neubau von Schiffen mit Maschinen, die ausschließlich LNG verbrennen können – bei Havila Kystruten kommen seit Dezember 2021 in der Kreuzfahrt erstmals solche Maschinen zum Einsatz.

Kurzfristig sind Umweltschutzvorschriften in Schutzzonen mit vorhandenen Maschinen über MGO als Treibstoff erfüllbar. Die Energie aus MGO ist aber deutlich teuer als aus Schweröl. Die mittelfristigen Prognosen rechnen mit einem 1,6- bis 2,2fachem Preis von MGO im Verhältnis zu HFO (Schweröl).

Der Einbau von Filteranlagen (Advanced Emission Purificatin AEP oder „Scrubber“) lässt einerseits zunächst weiterhin billiges Schweröl als Treibstoff zu, ist aber recht teuer.

Für Schiffsneubauten ab 2016 (maßgeblich ist die formelle Kiellegung) gelten nicht nur die Schwefel-Grenzwerte, sondern auch strengere Werte beim Ausstoß von Stickoxiden (NOx), die sich mit nachgerüsteter Filtertechnik nicht sinnvoll reduzieren lassen. 2020, spätestens aber 2025, gelten strenge Schwefel-Grenzwerte nicht mehr nur in Schutzzonen, sondern weltweit, sodass ungefilterte Schweröl-Abgase endgültig tabu sind.

Spätestens hier kommt nun LNG als attraktive Alternative ins Spiel. Dieser Treibstoff aus verflüssigtem Erdgas mit Hauptbestandteil Methan erfüllt bei der Verbrennung alle aktuellen und absehbar künftigen Umweltvorschriften problemlos und erscheint unter diesem Aspekt als ideal.

Was wie eine einfache Entscheidung aussieht, ist es bei genauerer Betrachtung aber nicht. Eine Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren macht es für die Reedereien schwierig abzuschätzen, welche Variante auf lange Sicht am wirtschaftlichsten sein wird. Einige wesentliche Aspekte dabei sind:

  • Für LNG rechnet man allgemein mit steigenden Fördermengen weltweit, weswegen der – ohnehin schon relativ günstige Preis – weiter sinken könnte. Politische Unsicherheitsfaktoren in Russland und im Nahen Osten spielen hier aber eine große Rolle.
  • MGO und schwefelarmes Schweröl sind bereits relativ teuer und sind zukünftig möglicherweise in geringerer Menge verfügbar. Hier wird ein steilerer Preisanstieg erwartet als bei herkömmlichem Schweröl, das aber nur noch mit Scrubbern verwendbar sein wird.
  • Scrubber sind teuer in der Anschaffung und aktuell nicht in ausreichenden Mengen verfügbar, weil die Nachfrage aus der gesamten zivilen Schifffahrt groß ist.
  • In absehbarer Zeit könnte es weitere Schutzzonen (ECAs) geben, die nur mit teurem Treibstoff oder mit Filteranlagen befahren werden dürfen. In Diskussion stehen beispielsweise Gebiete in Asien, Australien und auch für das Mittelmeer und Norwegen.

Die Prognosen für die Preisentwicklung von Schweröl, MGO und LNG deuten allerdings darauf hin, dass LNG gemessen an der Energie-Ausbeute der günstigste Treibstoff sein könnte und MGO jedenfalls nicht billiger werden dürfte als LNG. Nach mittelfristigen Prognosen liegt der LNG-Preis bei 50 bis 90 Prozent des Preises von HFO (Schweröl).

Kosten vs. Umweltschutz

Die strengeren Umweltvorschriften erklären, warum viele Reedereien gerade jetzt ihr grünes Gewissen entdecken. Doch auch wenn Investitionen in Umwelt-Technik nachvollziehbarerweise vor allem finanziell motiviert sind, darf man in diesem Zusammenhang die enormen technischen Fortschritte nicht übersehen.

Aufgrund eine Vielzahl von Maßnahmen, die von allgemeinen Energie-Einsparungen und Wärmedämmung der Fenster bis hin zu effizienteren Maschinen, neuen Rumpf-Formen und Propeller-Designs reichen, ist der Treibstoff-Verbrauch von Neubauten über die Jahre kontinuierlich gesunken ist. Neu gebaute Kreuzfahrtschiffe verbrauchen heute pro Passagier weniger als halb so viel Treibstoff wie Neubauten vor 20 Jahren. Aber auch die Größe der neueren Schiffe spielt hier natürliche eine Rolle.

Zudem ist auch der Treibstoff sauberer geworden – einerseits erzwungen durch entsprechende Vorschriften, andererseits deshalb, weil auch beim verfügbaren Schweröl für den Einsatz außerhalb von Schutzzonen insbesondere der Schwefelgehalt nicht mehr bei den lange Zeit noch erlaubten 4,5 Prozent, später 3,5 Prozent lag, sondern produktionsbedingt auf 2,5 bis 3,5 Prozent gesunken ist. Inzwischen gilt seit Januar 2020 ohnehin ein weltweiter Grenzwert von 0,5 Prozent.

Geringerer Treibstoff-Verbrauch schont das Budget der Reedereien, ist zugleich aber auch die effektivste Umweltschutzmaßnahme überhaupt. Denn nicht verbrannter Treibstoff hat eben nicht nur geringeren Schadstoff-Ausstoß, sondern gar keinen. Insoweit decken sich hier die Umweltschutz- und die Kosten-Interessen.

Technik und Verfügbarkeit

Einige Aspekte, die in der Vergangenheit in Zusammenhang mit LNG Probleme gemacht haben, sind inzwischen offenbar gelöst. So gibt es inzwischen detaillierte IMO-Spezifikationen (IGF Code) für den Betrieb von Personenschiffen mit LNG, die ab 1. Januar 2017 international bindend sind. Dadurch ist jetzt auch für Kreuzfahrt-Reedereien eine zukunftssichere Planung dieser Technologie möglich.

Für die Architektur der Schiffe stellt LNG eine Herausforderung dar, die aber zu meistern ist. Für Fähren gibt es bereits funktionierende Beispiele. Da LNG nur in gekühltem Zustand (minus 163 Grad Celsius) flüssig bleibt, müssen die Tanks entsprechend isoliert sein, zudem hat LNG im Verhältnis zur gelieferten Energie-Menge ein etwas höheres Volumen.

Insgesamt hat LNG also einen höheren Platzbedarf für die Tanks, wohingegen einige beispielsweise für die Erwärmung von Schweröl nötige technische Einrichtungen entfallen können.

Lange war unklar, ob und wann es ausreichend Bunker-Möglichkeiten für LNG als Schiffstreibstoff geben würde. Spätestens in einigen Jahren, darüber ist sich die Branche im Wesentlichen einig, wird LNG aber in vielen Häfen verfügbar sein. Kreuzfahrtschiffe werden in ihrer Routenwahl zumindest in Standard-Fahrtgebieten nicht eingeschränkt sein.

Für Kreuzfahrtschiffe stellen allerdings die „Safe Return to Port“-Vorschriften der IMO eine zusätzliche Herausforderung dar. Um das Schiff auch in einer Notsituation ohne Evakuierung aus eigener Kraft in den nächsten Hafen steuern zu können, sind redundante Systeme vorgeschrieben. Offenbar ist dies einer der Gründe, warum Carnival Corp. für die bereits in Betrieb befindlichen oder in Auftrag gegebenen LNG-Schiffe Dual-Fuel-Maschinen einsetzt und neben den LNG-Tanks auch Tanks für MGO an Bord haben wird.

Bei den aktuell auf großen Kreuzfahrtschiffen eingesetzten Dual-Fuel-Maschinen wird ein sehr geringer Anteil MGO beigemischt werden muss, circa zwei Prozent. Das ist für die Zündung des Treibstoffs in der Dieselmaschine notwendig. Maschinen für Betrieb mit 100 Prozent LNG kommen beispielsweise bei Havila Kystruten zum Einsatz.

Möglicherweise wird diese Anforderung irgendwann wegfallen, wenn es mehr Erfahrung mit LNG auf Kreuzfahrtschiffen gibt – derzeit werden Reedereien aber wohl mit dem erhöhten Platzaufwand für zusätzliche Tanks zurechtkommen müssen. Immerhin ermöglicht das auch einen zumindest begrenzten Einsatz solcher Schiffe in Gebieten, in denen LNG nicht zur Verfügung steht.

In weiteren Beiträgen auf cruisetricks.de finden Sie zusätzliche Details zu den aktuellen und künftigen Umweltvorschriften für Schiffe sowie Daten und Details zu Treibstoffen auf Rohöl-Basis.

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